Zusammenfassung
Wenn im postmodernen Diskurs vom Ende der Kohärenz die Rede ist, bleibt in der Regel die genauere Explikation dieser Aussage und ihrer Bedeutung für die Identitätsbildung aus. Einem, wie Breakwell und Camilleri unisono feststellen, zentralen Fixpunkt für die Orientierung der Identität in den westlichen Gesellschaften, seinen Bedeutungsschwund zu bescheinigen, ist eine Sache, die Konsequenzen für den Subjektbegriff und den Identitätsprozeß detailliert zu überprüfen, eine — wesentlich kompliziertere — andere. Das Subjekt im Strudel unterschiedlichster Rollen, mit unterschiedlichen Zeitlogiken und ohne die Stütze (das Korsett? den Panzer?) gesellschaftlicher Kohärenzangebote, aber gleichwohl dem Zwang ausgesetzt, sich kohärent zu erzählen: Das alles scheint heute überraschend vielen Menschen etwas zu sagen. Ja, zuweilen hat man den Eindruck, daß das, was theoretisch so schwer zu fassen ist, der Alltagserfahrung vieler Menschen so nahe steht, daß aus deren Sicht eigentlich nicht viele Worte darüber zu verlieren sind. Aus der Sicht der Identitätstheorie bleiben bei einer solchen Erzählung indes noch viele Fragen offen: Wie lebt sich das? Ist das lebbar? Ist die psychische Innenausstattung des Menschen dazu gerüstet? Die Identitätsforschung tut sich sehr schwer, auf den Kohärenzbegriff auch nur im Gedankenexperiment zu verzichten, so sehr ist er eingewoben in ihre Geschichte und in die ihres Gegenstandes.
“perdi-me dentro de mim porque era labirinto”
“Ich habe mich in mir selbst verirrt, denn ich war ein Labyrinth”
Graffiti in Sao Paulo
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Kraus, W. (2000). Das dissoziierte Selbst. In: Das erzählte Selbst. Münchner Studien zur Kultur- und Sozialpsychologie, vol 8. Centaurus Verlag & Media, Herbolzheim. https://doi.org/10.1007/978-3-86226-318-9_4
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-86226-318-9_4
Publisher Name: Centaurus Verlag & Media, Herbolzheim
Print ISBN: 978-3-8255-0121-1
Online ISBN: 978-3-86226-318-9
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