Auszug
An dieser Stelle wechsle ich vom deutschen Wort des Nichtwissens, dem die hoffnungsvolle Konnotation eines Noch-Nicht-Wissens anhaftet zum lateinisch geprägten Begriff der Ignoranz. Er ruft in der Regel heftige psychische Abwehrreaktionen hervor, was wohl damit zusammenhängt, dass moderne Identität sich häufig daraus definiert, was jemand weiß und kann (vgl. v. Krogh et al., 2000; 21). Horaz’ Aufruf: „Wage zu wissen“ beschreibt quasi das Programm der Aufklärung, sich selbst aus Fesseln der Tradition, des Vorurteils und eines dumpfen Fatalismus zu befreien. Daher ist nichts peinlicher als in Bezug auf Nichtwissen ertappt zu werden, als auf Wissbares beim Entscheiden verzichtet zu haben oder zu signalisieren, dass man in Bezug auf neu zu integrierendes Wissen über keine Basis verfüge, welche Akkomodation erlauben würde. Ignoranz wird daher nicht nur als Begriff abgelehnt, sondern im Kontext gesellschaftlicher Subsysteme geleugnet, vor sich selbst und vor Dritten, individuell und kollektiv. Diese Leugnung bringt Kosten mit sich. Daher spreche ich im Folgenden die Einladung aus, sich der Ignoranz positiv zuzuwenden. Damit wird sie markiert, wofür dieselbe Kontingenz und Intentionalität gilt wie für die Markierung der Seite des Wissens.
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Literatur
PISA — Program for International Student Assessment wird seit 2000 in dreijährigem Abstand in den meisten Mitgliedsstaaten der OECD und einer zunehmenden Anzahl von Partnerstaaten durchgeführt (vgl. OECD, 1999).
Der Begriff high/low context cultures wurde von Hall und Hall (vgl. Hall/ Hall, 1990) geprägt. Low context Kulturen weisen Kommunikationsmuster auf, die relativ explizit, direkt und sachbezogen sind, während in high context Kulturen häufig nur indirekt auf etwas verwiesen wird, was Personen in ihrer Sozialisation gelernt haben.
Österreich rangierte in der berühmten Kulturstudien von Hofstede, die er 1976 im Bereich der IBM durchführte, als egalitärstes Land (vgl. Hofstede, 1991)
In Allusion zum Titel der Luhmann’sehen Abschiedsvorlesung in Bielefeld: Was ist der Fall, was steckt dahinter? (vgl. Luhmann, 1993)
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(2006). Ignoranz als Fessel und Garant von Freiheit. In: Das Management der Ignoranz. DUV. https://doi.org/10.1007/978-3-8350-9261-7_5
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-8350-9261-7_5
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