Zusammenfassung
Dieser Beitrag diskutiert das Zusammenspiel zwischen Unternehmenskommunikation und Journalismus. Anknüpfend an Ergebnisse der empirischen Kommunikations- und Sozialforschung, wird das traditionell eher gespannte als „partnerschaftliche“ Verhältnis systematisch beschrieben. Mit Hilfe der Ökonomik (Rational Choice-Theorie) werden zudem die taktischen und strategischen Optionen ausgelotet, die auf beiden Seiten bestehen. Das rationale Ausüben von Handlungsoptionen beider Seiten führt allerdings mit großer Wahrscheinlichkeit zu Ergebnissen, die im Blick auf die Qualität des Journalismus eher als „gesellschaftlich unerwünscht“ gelten dürften. Außerdem muss die Rational Choice-Theorie durch verhaltensökonomische Erkenntnisse ergänzt werden, um das komplexe Beziehungs- und Interaktionsgefüge zwischen Journalisten und PR-Fachleuten angemessen zu durchdringen.
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Notes
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In den vergangenen Jahren wurde die ökonomische Methode insbesondere auf politische Zusammenhänge angewandt, aber auch auf Bereiche wie Kunst, Religion, Kriminalität und Familienbeziehungen. Die Kommunikationswissenschaft hat sich hingegen bislang erst zögerlich mit dem Modell des rationalen Akteurs zur Erklärung journalistischen Verhaltens auseinander gesetzt (vgl. als – noch ökonomie-fernen – Überblick zum Stand der Theorie-Diskussion Löffelholz 2004).
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Warum Journalisten sich mit vergleichsweise niedrigen Einkommen zufrieden geben müssen, lässt sich ökonomisch mit dem Überangebot an Arbeitskräften erklären: Die jährliche Zahl der Absolventen von kommunikationswissenschaftlichen Studiengängen bzw. Journalism Schools übersteigt bei weitem die Einstiegsmöglichkeiten in den Beruf. Ein Gehaltsbestandteil bei Journalisten ist zudem die „Aufmerksamkeitsdividende“: Der privilegierte Zugang zu Eliten, zu gesellschaftlichen Ereignissen von Rang und zur Öffentlichkeit, die Chance, sich gedruckt zu sehen und die damit einhergehende Selbstverwirklichung werden von den Verlegern als „geldwerte“ Vorteile eingestuft. Journalisten müssen sie meist mit Gehaltsverzicht „erkaufen“.
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Die Studie von Hamilton und Zeckhauser (2004, S. 27) ergab im Übrigen, dass häufig jene Wirtschaftsführer überdurchschnittlich in Soft-News-Storys und damit in öffentliche Eigen-PR investiert haben, die später durch Misswirtschaft und kriminelles Verhalten auffielen.
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Solche Versuche beschränken sich – aus nahe liegenden Gründen – bisher leider eher auf den Bereich der Unternehmenskommunikation als den Journalismus; vgl. dazu insbesondere Zerfaß 2006.
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Weil PR und Werbung in ihren Wirkungen eben nicht vergleichbar sind, ist es im Übrigen auch nicht sinnvoll, den „Wert“ einer erfolgreich platzierten PR-Meldung danach zu vermessen, was vergleichbarer Platz bzw. Textumfang als Anzeige gekostet hätte. Diese Form der Bewertung von PR-Arbeit erfreut sich zwar weiterhin unter PR-Leuten und ihren Chefs großer Beliebtheit, ist aber – ökonomisch betrachtet – ein Versuch am untauglichen Objekt.
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Fengler, S., Ruß-Mohl, S. (2014). Unternehmenskommunikation und Journalismus: Ökonomische Analyse einer ungleichen Partnerschaft. In: Zerfaß, A., Piwinger, M. (eds) Handbuch Unternehmenskommunikation. Springer NachschlageWissen. Gabler Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-8349-4543-3_10
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