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Soziales Mietrecht in Schweden

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Soziales Mietrecht in Europa
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Zusammenfassung

Die sozialen Entwicklungen Ende des 19. Jahrhunderts, gezeichnet von Industrialisierung und Urbanisierung, verursachten eine ernste Wohnungsnot in den größeren Städten, insb in Stockholm. Zu dieser Zeit herrschte selbst in den ländlichen Gebieten ein Mangel an Wohnungen. Ein bedeutendes Problem war die Auswanderung, die bis zu einem gewissen Grad die Folge der Wohnungsnot war. Ein weiteres signifikantes Problem war die übermäßige Verstädterung. Somit war es ein wichtiges Bestreben des Gesetzgebers, diesen Missständen entgegenzuwirken. Im Hinblick darauf wurde 1904 ein Gesetz erlassen, dessen Zweck die Bereitstellung staatlicher Kredite zur Errichtung privater Wohnbauten war. Mehrere Quellen belegen die ernsten Missstände, die Ende des 19. Jahrhunderts und während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts herrschten, wie etwa eine begrenzte Anzahl an Unterkünften, deren schlechter technischer Zustand und ein stark ansteigender Mietzins. Der kalte nordische Winter verschlimmerte dieses Szenario. Es war nicht unüblich, dass zehn oder mehr Personen eine Wohnung bestehend aus nur einem Zimmer und einer Küche teilen mussten. Damals existierte — von wenigen Bestimmungen in einem grundlegenden Gesetz aus 1734 abgesehen — keine Mietrechtsgesetzgebung. Das Mietrechtsgesetz (hyreslag), dessen Regelungen überwiegend dispositiv waren, wurde 1908 erlassen. Ein weiterer, wesentlicher Grund für die Wohnungsnot und den ansteigenden Mietzins war das Bevölkerungswachstum. Zwischen 1850 und 1950 wuchs die Bevölkerung von Schweden von 3,5 Millionen auf 7 Millionen Einwohner, was wahrscheinlich mit der verbesserten medizinischen Versorgung, insb der werdenden Mütter und Kinder, und der Zuwanderung zusammenhing. In den Jahren 1917 und 1942 wurden Gesetze über eine vorübergehende Mietregulierung erlassen, wodurch der Mieterschutz begründet wurde. Ein Grund dafür lag im befürchteten Anstieg des Mietzinses infolge des Stillstands im Bereich des Wohnungsbaus zu Kriegszeiten. Die Mietregulierung von 1942 wurde nach dem Krieg verlängert, 1969 teilweise und einige Jahre später gänzlich abgeschafft. In den Jahren der Regulierung wurde von staatlicher Seite festgelegt, um welchen Prozentsatz der Mietzins angehoben werden darf. Von 1917 bis 1923 und von 1942 bis 1969 wurden rechtliche Probleme im Mietrecht von kommunalen Mietbehörden entschieden und 1969 schließlich staatliche Mietgerichte errichtet. Zur selben Zeit wurde ein neues Mietrechtsgesetz erlassen, das den Schutz des Mieters verstärkte. An die Stelle der Mietregulierung trat das Gebrauchswertsystem. Die in Bezug auf den Mietzins normative Funktion (hyresnormerande roll) der kommunalen Wohnungsgesellschaften wurde begründet. Im Jahr 1978 wurde ein Gesetz über Kollektivvereinbarungen (hyresförhandlingslag [1978:304]) erlassen. Das bedeutet, dass die Mietervereinigung und ein Liegenschaftseigentümer Kollektivvereinbarungen über den Mietzins und den Mietzinserhöhungssatz jeder einzelnen Wohnung treffen müssen. Der Mieter ist an solche Vereinbarungen nicht gebunden, es sei denn, sein Mietvertrag enthält eine Klausel, durch die die Mietervereinigung bevollmächtigt wird, für ihn zu handeln. Häufig sind auch lokale Vertreter der Schwedischen Eigentümervereinigung (Fastighetsägarna Sverige) in die Verhandlungen involviert. Der Mieter kann gegen die Vereinbarung Beschwerde beim Mietgericht erheben. Im Bereich des Mietrechts ist das schwedische Oberlandesgericht (Svea hovrätt) in Stockholm für alle Berufungen gegen Entscheidungen der Mietgerichte zuständig. Enthält der individuelle Mietvertrag keine Klausel, welche die Mietervereinigung bevollmächtigt Kollektivvereinbarungen abzuschließen, kann der Liegenschaftseigentümer direkt mit dem Mieter verhandeln. Führen die Verhandlungen zu keinem Ergebnis, kann der Liegenschaftseigentümer das Mietgericht anrufen. Die meisten Liegenschaftseigentümer ziehen es vor, mit der Mietervereinigung und nicht mit dem Mieter zu verhandeln. Dieses System hat sich als stabil und effizient erwiesen, dennoch bevorzugen manche Eigentümer die direkte Verhandlung mit dem Mieter. Vertritt eine Mietervereinigung eine gewisse Anzahl von Mietern, kann sie verlangen, vom Liegenschaftseigentümer als Verhandlungspartnerin anerkannt zu werden. Verweigert ihr der Liegenschaftseigentümer diesen Status, hat ein Mietgericht darüber zu entscheiden, ob sie als Verhandlungspartnerin anzuerkennen ist oder nicht. Ohne Zweifel waren im Verlauf des letzten Jahrhunderts politische Bemühungen, eine verbesserte Gesetzgebung, leistungsfähigere Bautechnik und genaue Standardvorschriften die Grundlagen für ein gut funktionierendes Wohnungswesen in Schweden. Schwedische Wohnungen verfügen mit etwa 40 m2 pro Kopf über eine sehr große Wohnfläche. Während der letzten Jahrzehnte wurde das Mietrecht nur unwesentlich verändert. Es zeigt sich, dass es sich um ein äußerst stabiles System handelt. Jede Änderung des Mietrechts entfaltet indirekt Rückwirkung, da die neuen Regelungen auch auf einen alten Mietvertrag anzuwenden sind, wenn keine der Vertragsparteien bei erster Gelegenheit kündigt. Zwischen 1970 und 2007 wuchs die Bevölkerung von 8 auf 9,2 Millionen Einwohner, vor allem auf Grund der Immigration. Dieses Bevölkerungswachstum verursachte einen anhaltenden Nachfrageüberschuss. Seit 1993 werden alle staatlichen Transferleistungen für Wohn- und Geschäftsraummieten, wie etwa Miet- und Investitionsbeihilfen, schrittweise abgeschafft.

Stand: September 2008; veröffentlicht in wobl 2009, 173; Übersetzung aus dem Englischen von Mag. Andrea Wall

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Grönevall, C. (2011). Soziales Mietrecht in Schweden. In: Oberhammer, P., Kletečka, A., Wall, A. (eds) Soziales Mietrecht in Europa. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-7091-0192-6_6

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