Zusammenfassung
Um den Fahndungsmaßnahmen der Sicherheitskräfte zu entgehen, operieren Terrorgruppen stets im Verborgenen. Zwar sind die politisch motivierten Gewalttäter darauf bedacht, daß ihre „Aktionen“ große Öffentlichkeitswirkung entfalten, weswegen sie sich umgehend zu ihren Anschlägen bekennen und ihre weltanschaulichen Beweggründe in Grundsatzerklärungen ausführlich schildern. Jedoch sollen ihr Aufenthaltsort, ihre Taktik usw. im Dunkeln bleiben, um den Fahndungsbehörden keine Zugriffsmöglichkeiten zu bieten. Nicht nur die Untergrundorganisationen als solche umgeben sich mit einem Schleier der Intransparenz, sondern jedes einzelne Gruppenmitglied möchte anonym bleiben, was sowohl an der drohenden Strafverfolgung als auch an dem linksterroristischen Selbstverständnis von einem „bewaffnetem Kollektiv“ liegt, in dem individuelle Identitäten angeblich bedeutungslos sind. Ähnlich begründen die Terroristen, daß sie den Stellenwert ihrer individuellen Lebenswege vor dem „Abtauchen“ gering schätzen; sie weigern sich meist standhaft — etwa retrospektiv im Rahmen von Strafverfahren — hierüber Aufschluß zu geben. Außerdem sollen die tatsächlichen Binnenstrukturen möglichst unerkannt bleiben, um den Mythos vom Leben im „befreiten Raum der Gesellschaft“ am Leben zu erhalten, der sich bei der Neurekrutierung von Mitgliedern als hilfreich erwiesen hat.
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Literatur
S. etwa die Reaktionen der RAF auf das Gespräch von Horst Mahler mit Gerhard Baum im Jahre 1980 (vgl. Gert Schneider/Christoph Wackernagel, Der Prozeß gegen Christoph und Gert ist ein Prozess gegen die RAF. Dokumentation zum Düsseldorfer RAF-Prozess gegen Gert Schneider und Christoph Wackernagel (Teil III: Erklärung ‘zur Sache’, der Angeklagte heisst RAF, hrsg. v. M.A.W. Hanegraaff van de Colff), Amsterdam o.Z. (1980), 55 S., S. 12).746 Gert Schneider/Christoph Wackernagel, Der Prozeß gegen Christoph und Gert ist ein Prozess gegen die RAF. Dokumentation zum Düsseldorfer RAF-Prozess gegen Gert Schneider und Christoph Wackemagel (Teil II: Der rechtsfreie Raum des BKA in Europa, zur “Täter-Persönlichkeit” (Erklärung der Gefangenen), hrsg. v. Jan van Dennen), Amsterdam 1980, 32 S., S. 22.
Auch die vielfältigen Prozeß-Erklärungen von RAF-Mitgliedern sind, obwohl an die Offentlichkeit gerichtet, nur schwer zugänglich. Zwar werden Teile der Zellenzirkulare und Gefangenenbriefe von den Anwälten als Broschüren veröffentlicht. Unterlagen dieser Art finden jedoch nur selten den Weg in öffentliche Bibliotheken.
Alleine in den 1982 entdeckten 13 Erddepots fanden sich schriftliche Unterlagen, die insgesamt nicht weniger als 150 Aktenordner der Bundesanwaltschaft füllten (vgl. Der Spiegel Nr. 5/1984, S. 72).
Vgl. Pieter Bakker Schut, Das Info. Briefe der Gefangenen aus der RAF 1973–1977, Hamburg 1987, 336 S.
Vgl. u.a. o.A. (Kollektiv RAF), Texte der RAF, Malmö 1977, 600 S.
Vgl. u.a. Rabert 1991, a.a.O.; Tolmein 1992c, a.a.O.
Vgl. Werner Lotze: “Das, was in den Bekennerschreiben stand, hatte mit dem was die Gruppe täglich zu tun hat, nichts gemein.” (Lotze im Prozeß gegen Maier-Witt am 11. 9. 1991 ).
Bisweilen zeigen allerdings auch Terroristen einen den konspirativen Anstandsregeln zuwider¬laufenden Drang zur Archivierung. So berichtet Hans-Joachim Klein, daß der palästinensische An¬führer Wadi Haddad über jedes Gespräch, das er mit deutschen Terroristen führte, ein genaues Wortprotokoll angelegt und in seinem Archiv abgelegt habe (vgl. Hans-Joachim Klein, “Den Papst einen Monat lang ausspioniert” (Interview mit Klein), in: Der Spiegel Nr. 32/1978, S. 70–82, S. 79). Allerdings werden sich diese “Archive” der zeitgeschichtlichen Forschung wohl nicht öffnen.
Vgl. u.a. Ulrike Meinhof, “Natürlich kann geschossen werden” (Gespräch mit Meinhof), in: Der Spiegel Nr. 25/1970, S. 74–75.
Teilweise haben sich Aussteiger auch eine neue Identität verschafft und bleiben bis zum heutigen Tage unauffindbar.
Hierzu kann beitragen, daß auch der Wisserchaftler verpflichtet wäre, etwaige Aussagen von (Ex-) Terroristen gegebenenfalls vor Gericht zu wiederholen, wenn dies zur Wahrheitsfindung beitragen würde. Ein Auskunftsverweigerungsrecht steht ihm nicht zu.
Vgl. Die Zeit vom 14. 4. 1989, S. 17–21.
So berichtet Astrid Proll über ihre Erfahrungen nach der Freilassung: “Die ehemaligen Gefangenen werden immer wieder mit Hinterlassenschaften konfrontiert: Polizisten, die bei einer Verkehrs¬kontrolle einen Moment lang nicht wissen, ob man noch auf der Fahndungsliste steht oder nicht; immer wieder unerwartete Einreise-und Durchreiseverbote für manche Länder; Verräter von RAF-Leuten, die auf einer Party vorstellig werden und einen Persilschein möchten; der Expertenstatus bei Gedenktagen des Terrorismus in der BRD; Jugendliche, die wissen wollen, ob man für die RAF das Abitur braucht.” (Astrid Proll, zitiert nach Margot Overath, Drachenzähne. Gespräche, Dokumente und Recherchen aus der Wirklichkeit der Hochsicherheitsjustiz (Terroristen und Richter Bd. 3), Hamburg 1991, 285 S., S. 19).
Auch der Verfasser kann nach den ersten Versuchen, mit dem Aussteiger Werner Lotze ins Gespräch zu kommmen, auf entsprechende Erfahrungen mit dem Bayerischen Obersten Landes¬gericht verweisen.
Vgl. die Aussagen Mohnhaupts im Prozeß gegen Helga Roos (vgl. Oberlandesgericht Stuttgart, 5. Strafsenat, Urteil gegen Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar vom 2.4.1985, 392 S. (5–1 StE 1/83), S. 336).
Neidhardt 1982a, a.a.O., S. 322.
Vgl. Volker Speitel, Wir wollten alles und gleichzeitig nichts, in: Der Spiegel Nr. 31/1980, S. 36¬49, Nr. 32/1980, S. 30–39, Nr. 33/1980, S. 30–36; ders., Ich mach das Affentheater nicht mehr mit (Interview mit Speitel), in: Stern Nr. 35/1981, S. 128–141; ders., ‘Nur der Kronzeuge hilft’ (Interview mit Speitel), in: Quick Nr. 49/1986, S. 20–23; Protokoll der Vernehmung von Speitel am 4.1.1978. Die Aussagen von Speitel haben heftige Kritik der RAF auf sich gezogen (vgl. u.a. Krabbe 1979, a.a.O., S. 8–9).
Vgl. u.a. Peter-Jürgen Boock, “Im Schützengraben für die falsche Sache” (Interview mit Boóck), in: Der Spiegel Nr. 9/1981, S. 110–125; ders., Einlassung zur Sache (schriftlich übergeben zum Pro¬zeßtag 18.4.1983), in: Komitee für Grundrechte und Demokratie (Hrsg.), Der Prozess. Justiz in der Bundesrepublik Deutschland am Beispiel Peter-Jürgen Boock 1983/1984 zu Stuttgart-Stammheim, Sensbachtal 1985, 317 S., S. 157–164. S.a. das Kapitel 3.2.5.: “Aussagen einzelner Aussteiger”.
Vgl. u.a. Overath 1991, a.a.O., S. 179–190.765 Vgl. Overath 1991, a.a.O., S. 194–195. S.a. die Kritik von Hanna Krabbe an Volker Speitel (Hanna Krabbe, o.T. (“Wenn ich mich zurückerinnere an die Struktur der Gruppe wie sie 74/75 war, wie sie entstand 1.1” (Erklärung von Krabbe vor Gericht)), Stammheim 13.11.1979, 11 S., S. 9–11).
Vgl. Der Spiegel Nr. 5/1972, S. 31; s.a. Gössner 1991, a.a.O., S. 244–258.
S.a. Speitel 1981, a.a.O.
Vgl. Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil gegen Stefan Werner Wisniewski vom 4.12.1981, 227 S. (1 StE 6/79), S. 119. Volker Speitel hatte in den Vernehmungen, die im Verfahren gegen Wisniewski Eingang gefunden haben, von einem Betrag von “rund 50.000 DM” gesprochen, den er für ein solches Interview erhalten habe (ebenda).
Die zuständigen Strafsenate zumindest haben die Aussagen von Volker Speitel und Hans-Joachim Dellwo stets für glaubwürdig erachtet und lediglich “geringfügige Schwankungen” in deren Angaben angemerkt (vgl. Urteil Mohnhaupt/Klar 1985, a.a.O., S. 181).
Vgl. Oberlandesgericht Koblenz, 2. Strafsenat, Urteil gegen Inge Viett vom 26. August 1992, 150 S. (2 StE 3/91).
S.a. Bernd-A. Rusinek, Vernehmungsprotokolle, in: ders./Volker Ackermann/Jörg Engelbrecht (Hrsg.), Einführung in die Interpretation historischer Quellen. Schwerpunkt: Neuzeit, Paderborn 1992, 269 S., S. 111–132.
Lutz Niethammer, Fragen–Antworten–Fragen, in: ders./Alexander von Plato (Hrsg.), “Wir kriegen jetzt andere Zeiten.” Auf der Suche nach der Erfahrung des Volkes in nachfaschistischen Ländern, Bd. 3, Berlin 1985, 468 S., S. 392–445, S. 399–400.
Niethammer 1985, a.a.O., S. 399–400.
Auch richtiggehende Autobiographien aus dem linksterroristischen Milieu liegen inzwischen vor: Michael (Bommi) Baumann, Wie alles anfing, Berlin 1991 (Erstauflage 1975), 166 S.; Hans-Joachim Klein, Rückkehr in die Menschlichkeit. Appell eines ausgestiegenen Terroristen, Reinbek 1979, 331 S.; Till Meyer, Staatsfeind. Erinnerungen, Hamburg 1996, 474 S.; Inge Viett, Nie war ich furchtloser. Autobiographie, Hamburg 1996, 319 S. Als Beispiel für eine Lebenserinnerung eines Linksterroristen, die vor dem Hintergrund einer drohenden Strafverfolgung geschrieben wurde und deshalb als Quasi-Autobiographie verfaßt ist (und in die folgende Darstellung keinen Eingang gefunden hat) s. Peter-Jürgen Boock, Abgang, Reinbek 1990, 327 S.
Roy Pascal, Die Autobiographie. Gehalt und Gestalt, Stuttgart 1965, 243 S., S. 208.
Georg Misch, Begriff und Ursprung der Autobiographie, in: Günter Niggl (Hrsg.), Die Autobio¬graphie. Zu Form und Geschichte einer literarischen Gattung, Darmstadt 1989, S. 33–54, S. 46.
Pascal 1965, a.a.O., S. 211. S.a. Michael Corsten, Beschriebenes und wirkliches Leben. Die soziale Realität biographischer Kontexte und Biographie als soziale Realität, in: BIOS. Zeitschrift für Biographieforschung und Oral History Nr. 2/1994, S. 185–205.
Werner Mahrholz, Der Wert der Selbstbiographie als geschichtliche Quelle, in: Niggl 1989, a.a.O., S. 72–74, S. 72.781 Vgl. Inge Viett, o.T. (“Liebes Kollektiv! Ich möchte nicht aus Eurem Leben verschwinden …”) (Schreiben an ihre Arbeitskollegen nach ihrer Verhaftung)), Berlin 17.6.1990, abgedruckt in: Urteil Viett 1992, a.a.O., S. 36–39. Dies gilt für Inge Viett in besonderem Maße, da ihr die Option eines Ausstiegs in der DDR bereits in der Illegalität bekannt war.
Vgl. u.a. die Wiedergabe eines Gespräch von Henning Beer mit einem Mitarbeiter des MfS zu Beginn seines Aufenthaltes in der DDR: “Er machte mir klar, daß man auch auf andere Weise kämpfen könne, nämlich in der Produktion am Arbeitsplatz. Insgesamt gesehen ging es Gerhart darum, eine Brücke zu schlagen von meinen Aktivitäten in der RAF zu einem neuen Leben in der DDR.” (Protokoll der Vernehmung von Henning Beer am 9.8. 1990 ).
Maier-Witt zitiert nach Wolfram Bortfeldt, Die vier Leben der Silke Maier-Witt, WDR, 24.6.1994, 45 min.
Ralf Baptist Friedrich, Ich bitte um Vergebung (Interview mit Friedrich), in: Der Spiegel Nr. 34/1990, S. 52–62, S. 59.
Dies gilt auch für Inge Viett (vgl. Urteil Viett 1992, a.a.O., S. 71–72), deren Aussagebereitschaft und politischer Einstellungswandel weniger umfassend war als bei anderen RAF-Aussteigern.
Soweit sie eine Familie gründeten, waren die Ex-Terroristen aus Verantwortung ihren in der DDR aufgewachsenen Kindern gegenüber viel eher zu Aussagen bereit: “Mir geht es allein darum, wie schnell ich diese Sache mit der Strafverfolgung hinter mich bringen kann, um dann wieder mit meinem Mann und meinem Sohn zusammenleben zu können. Unter diesem Aspekt wäre es meines Erachtens deshalb eher ein Verrat an meinem Sohn, wenn ich etwas verschweigen würde, was dazu führen könnte, daß ich länger in Haft bleiben muß und deshalb länger von ihm getrennt werde.” (Protokoll der Vernehmung von Helbing am (Datum unleserlich (29.10.1990)787 Jurij Trifonow, Die Zeit der Ungeduld, Rastatt 1988.
Protokoll der Vernehmung von Helbing am 11.10.1990.
Gespräch mit Lotze am 5.9.1992, a.a.O.
Vgl. Sigrid Sternebeck: “Meine Mitgliedschaft in der RAF ist jetzt schon so lange her, daß mir das zugute gehalten werden muß, wenn ich da mal eine Jahreszahl verwechselt habe.” (Protokoll der Vernehmung von Sternebeck am 9. 7. 1990 ).
Vgl. Oberlandesgericht Stuttgart, 5. Strafsenat, Urteil gegen Sigrid Friedrich, geb. Sternebeck und Ralf Baptist Friedrich vom 22.6.1992, 161 S. (5–2 StE 6/91), S. 73, 127–128. Auch den schuld¬mindernden Einlassungen von Inge Viett zu ihrem Schußwaffengebrauch (vor einer drohenden Verhaftung) wurde vor Gericht kein Glauben geschenkt (vgl. Urteil Viett 1992, a.a.O., S. 79).
Vgl. Susanne Albrecht: “Was die Prozesse in Stammheim betrifft, so bin ich mir nicht so sicher, ob ich dort meine Aussagen noch einmal genauso vor dem Senat wiederholen kann, so wie ich das jetzt hier kann. Aus mehreren Gründen: Der erste ist, weil der Prozeß in Stammheim stattfinden soll, Stammheim für mich das Lebenstrauma ist. Ich bin eigentlich durch Stammheim überhaupt zur RAF gekommen, die Haftbedingungen und alles was man sonst dazu weiß. ” (Protokoll der Ver¬nehmung von Albrecht am 26. 10. 1990 ).
Zunächst hatte sie einen Abschied von der Gruppe in der Vernehmung vom 28.11.1990 als “Drohung” der RAF ihr gegenüber bezeichnet und ihren Widerwillen dagegen deutlich zum Aus¬druck gebracht. Dagegen sagte sie vor Gericht aus: “Hätte es eine Möglichkeit gegeben, in Aden zu bleiben - ich wäre geblieben.” (Maier-Witt in ihrem Prozeß am 28.8.1991).
Vgl. Urteil Viett 1992, a.a.O., S. 49.
Vgl. Urteil Viett 1992, a.a.O., S. 55.
Vgl. Urteil Viett 1992, a.a.O., S. 41–56.
Vgl. u.a. die Angabe von Boock: “In diesem Zusammenhang möchte ich ganz allgemein sagen, daß ich hier alles so schildere, wie ich es noch in Erinnerung habe. Das soll bedeuten, daß ich mir aktuell zur Vorbereitung auf diese Vernehmungen keine Akten oder Schriftstücke durchgelesen habe.” (Protokoll der Vernehmung von Boock am 8.4.1992).
Protokoll der Vernehmung von Maier-Witt am 19.7.1990.
So antwortete Monika Helbing auf den Vorwurf, sie könne sich an die Straftaten des Jahres 1979 zu wenig erinnern: “Angesichts der Schwere - zumindest der moralischen - Vorwürfe, würde es m.E. nicht in ‘s Gewicht fallen, was mir für das Jahr 1979 angelastet wird. Für mich bestand deshalb keine Veranlassung, insoweit mit der Wahrheit zurückzuhalten. Es war vielmehr so, daß ich mich insoweit nicht erinnern kann….1 Ich muß sagen, daß es mir unangenehm war, daß ich auf all die Fragen betreffend das Frühjahr 1979 oftmals nur mit der Antwort ‘Ich kann mich nicht erinnern’ reagieren konnte.” (Protokoll der Vernehmung von Helbing am 18.10. 1990 ).
Das gegenteilige Bestreben ist den autobiographischen Veröffentlichungen des ehemaligen RZ¬Angehörigen Hans-Joachim Klein zu entnehmen. Klein konnte seine Memoiren im Rahmen einer neuen Identität schreiben, ohne Sanktionen der Strafverfolgungsbehörden fürchten zu müssen. Des¬wegen sind die detaillierten Einblicke, die er in seine eigene wie in andere terroristische Gruppierungen gibt, sehr umfangreich (vgl. Klein 1978b, a.a.O.; Klein 1979, a.a.O.). Darüber hinaus er¬klärt sich die Fülle seiner Angaben daraus, daß seine Erinnerungen zum Zeitpunkt des Aufzeichnens noch recht frisch waren. Außerdem müssen die Regeln innerer Konspiration, wie sie in der RAF im Zeitraum 1977–79 Standard waren, im Umfeld von Carlos nicht ebenfalls verbindlich gewesen sein. Es ist also gut möglich, daß Klein mehr Details in Erfahrung brachte als die RAF-Aussteiger.
Vgl. Der Spiegel Nr. 34/1990.
Protokoll der Vernehmung von Maier-Witt am 21.8.1990. Die taz hatte Silke Maier-Witt nach ihrer Festnahme unaufgefordert Presseausschnitte zur Debatte über eine Amnestie für terroristische Straf¬taten zugesandt.
Dieses Motiv war auch im Jahre 1977 in den öffentlichen Aussagen des Kronzeugen Karl-Heinz Ruhland deutlich geworden. Damals hatte der ehemalige Techniker der Gruppe nach der Entfüh¬rung Harms Martin Schleyers erklärt, man solle den Stammheimem mit ihrer Erschießung drohen, dann hätte die Erpressung bald ein Ende. Denn: “Ich kenne Andreas Baader gut und weiß, daß er nicht sterben will, weder er noch die anderen …” (zitiert nach Die Welt vom 12.9.1977, S. 3). Tatsächlich begingen die Stmnmheimer vier Wochen später kollektiven Selbstmord.
Zur Kronzeugenregelung vgl. u.a. Uwe Brocker, Der Kronzeuge. Genese und Funktion der Kron¬zeugenregelung in der politischen Auseinandersetzung mit dem Terrorismus in der Bundesrepublik Deutschland, Pfaffenweiler 1991; Sabine Klein-Schonnefeld, Scheitern der Kronzeugenregelung?, in: Demokratie und Recht Nr. 2/1991, S. 123–129; Rote Hilfe Westberlin, “Denen ist es egal, ob es der Wahrheit entspricht”. Geschichte, Praxis und Hintergründe der Kronzeugenregelung, Berlin o.J. (1991).805 Vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht, 3. Strafsenat, Urteil gegen Werner Lotze vom 31.1.1991, 102 S. (3 St 15/90), S. 91.
Vgl. Heide Platen, “Hohe kriminelle Energie”, in: Tageszeitung (taz) vom 25.11.1993, S. 5.
Vgl.: “Ich weiß, daß es dazugehört, wenn ich Aussagen mache, daß ich auch über andere aussage. Ich halte es aber für Verantwortungsbewußtsein, wenn ich nur das sage, was ich sicher weiß.” (Protokoll der Vernehmung von Maier-Witt am 12.9. 1990 ).
So etwa Maier-Witt, Protokoll der Vernehmung am 17. 7. 1990.
Vgl. Protokoll der Vernehmung von Sternebeck am 21.6. 1990. Brigitte Mohnhaupt, die neben anderen Delikten wegen Teilnahme am Kroesen-Attentat eine mehrfache lebenslängliche Freiheits¬strafe verbüßt, wurde in dieser Angelegenheit durch Henning Beer ausdrücklich entlastet (vgl. Peter Hetzler, ‘Hier kommst Du nie wieder raus’, in: Konkret Nr. 2/1994, S. 20–21, S. 21).810 Vgl. Hetzler 1994, a.a.O., S. 21. Dennoch vermutet P. Hetzler, die RAF-Aussteiger hätten sich bemüht, ihre Aussagen den Erkenntnissen und den Interessen der Bundesanwaltschaft “einzupassen”. Die Folge sei “eine oft nicht mehr auseinanderzuhaltende Mischung aus Realität und konstruierten Schlußfolgerungen”.
Urteil Sternebeck/Friedrich 1992, a.a.O., S. 116.
Vgl. Protokoll der Vernehmung von Henning Beer am 5.9. 1990. Seine Angaben entsprechen der damaligen Erklärung der Illegalen (vgl. Rote Armee Fraktion, o.T. (“Wolfgang und Juliane - ihr Tod ist für uns schwer…”) (Erklärung zum tödlichen Unfall von Wolfgang Beer und Juliane Plambeck), o.O. 26.7.1980, 1 S.).
Vgl. Gössner 1991, a.a.O, S. 139.
Ein Verteidiger Albrechts hatte den Anwalt Lotzes angesprochen und eine Absprache angeregt. Dieser gab diesen Versuch dann jedoch ordnungsgemäß zu Protokoll.815 Diese Gefahr hat er auch selbst benannt: “Bei meinen Angaben könnten, bedingt durch meinen damaligen Drogenkonsum, auf den ich später noch zu sprechen komme, im Detail gewisse Unge¬nauigkeiten entstanden sein” (Protokoll der Vernehmung von Boock am 7. 4. 1992 ).
Vgl. Tobias Wunschik, Der Prozeß gegen Silke Maier-Witt, in: Uwe Backes/Eckhard Jesse (Hrsg.), Jahrbuch Extremismus and Demokratie, 4. Jahrgang, Bonn 1992, 440 S., S. 146–1. 56.
Vgl. Gespräch mit Maier-Witt am 3. 10. 1994.
Pfaff im Prozeß gegen Maier-Witt am 26.9.1991.819 Schlußplädoyer der Bundesanwaltschaft im Prozeß gegen Maier-Witt am 2.10.1991.
Vgl. Prozeß gegen Maier-Witt am 18. 9. 1991.
Monika Helbing, Handschriftliche Erklärung zur Sache vom 18.7. 1990. “Elke Winter” lautete der Deckname Helbings in der DDR.
Protokoll der Vernehmung von Helbing am (Datum unleserlich (29.10.1990)).
S.a. Stuttgarter Zeitung vom 3. 5. 1991.
Protokoll der Vernehmung von Lotze am 20.7.1990.
Boock 1985c, a.a.O., S. 157.
Vgl. u.a. “Wir haben Schuld auf uns geladen” (Interview mit Boock), in: Die Zeit Nr. 26/1988, S. 11–13.
So schrieb Klaus Jänschke zu der damaligen Beteuerung Boocks, niemals selber geschossen zu haben: “Als politische und moralische Aussage ist der Satz ‘Ich bin kein Mörder!’ von einem ehema¬ligen RAF-Mitglied wertlos. Wer sich bewaffnet und in der RAF organisiert hat, war nur rein zufäl¬lig nicht an einer Aktion beteiligt, bei der es Tote gab. Das ist kein Verdienst und schon gar nicht Ausdruck einer ‘besseren Persönlichkeit’.” Da es ihm als Angeklagten zugestanden habe, zu lügen oder zu schweigen, sei es “spießig und absurd”, Boock eben dieses Verhalten heute anzukreiden (Klaus Jänschke, Individuell weggeduckt, in: Tageszeitung (taz) vom 6.7. 1992, S. 9 ).
Vgl. Gerhard Mauz, “Ein moralisch leerer Mensch”?, in: Der Spiegel Nr. 21/1992, S. 97–108; Michael Schwelien, Das Recht zu lügen - wie weit geht es?, in: Die Zeit Nr. 22/1992, S. 2.
Vgl. Oberlandesgericht Stuttgart, 1. Strafsenat, Urteil gegen Peter-Jürgen Boock vom 7. 5. 1984, 531
S. (2–1 StE 5/81 1 BJs 75/80), S. 180–185; Urteil Wisniewski 1981, a.a.O., S. 139–154.
Vgl. Knut Folkerts/Rolf Heißler/Sieglinde Hofmann/Christian Klar/Christine Kuby/Brigitte Mohnhaupt/Adelheid Schulz/Günter Sonnenberg/Rolf-Klemens Wagner, Boocks Lügen, in: Konkret Nr. 10/1988, S. 16–17.
Als abstoßendes Beispiel der Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit empfand Boock dagegen die Rolle von Sascha Anderson: “Ich mußte mir eingestehen, daß meine bisherige Haltung kaum besser war als zum Beispiel die eines Sascha Anderson, der auch von nichts gewußt haben und an nichts beteiligt gewesen sein wollte. Ein Teil meiner Motivation in die RAF zu gehen habe ich aus der Er¬kenntnis gezogen, daß vieles an der Nazi-Terrorherrschaft nicht aufgearbeitet, sondern verdrängt worden ist. Nun sah ich mich auf einmal in der Situation, im Grunde kaum anders zu handeln. Mit diesem krassen Widerspruch wollte ich nicht länger leben.” (Protokoll der Vernehmung von Boock am 11.5. 1992 ).
Am 8.5.1976 hatten in Sprendlingen mehrere RAF-Unterstützer bei einer Personenkontrolle von der Schußwaffe Gebrauch gemacht; ein Polizeibeamter wurde dabei tödlich getroffen.
Darüber hinaus haben die neuen Aussagen Boocks auch die “Nacht von Stammheim” nicht unbe¬rührt belassen. Dies hat ihm abermals heftige Kritik derjenigen eingetragen, die unverändert an die Version der “Ermordung” von Baader u.a. glauben wollen und seine Glaubwürdigkeit bezweifeln: “Für mich ist Boock der Mann am Nasenring des Staatsschutzes. An der Selbstmordgeschichte ist lange gefeilt worden. Und Leute wie Boock werden ja vom Staatsschutz betreut.” (Michael Jauer¬nik, “Wem nützt diese Selbstmordthese?” (Leserbrief), abgedruckt in: Tageszeitung (taz) vom 10.7.1992, S. 12).
So erklärte Boock, zusammen mit der Anfang 1976 zerschlagenen Dorff-Tauras-Gruppe in zwei vorangegangenen Jahren an nicht weniger als zwanzig Banküberfällen beteiligt gewesen zu sein. “Wenn seinerzeit eine Bank überfallen wurde, waren in der Regel wir die Täter.” (Protokoll der Vernehmung von Boock am 1.4. 1992 ).
S.a. Peter Henkel, Peter-Jürgen Boock und die deutsche Strafjustiz, in: Frankfurter Rundschau vom 5.9. 1992, S. 7.
Erklärung der Bundesanwaltschaft 1992, a.a.O.
Vgl. Protokoll der Vernehmung von Boock am 24. 3. 1992.
Vgl. Peter-Jürgen Boock, “Mit dem Rücken zur Wand”. Ein Gespräch über die RAF, den Knast und die Gesellschaft (Interview mit Boock), Bamberg 1994, 121 S.
Dies betrifft etwa die Haltung von Monika Helbing zur bevorstehenden Ermordung Schleyers (Ende September 1977) (vgl. Protokoll der Vernehmung von Boock am 27.4.1992; Protokoll der Ver¬nehmung von Helbing am 12. 10. 1990 ).
Nach Aussage von Boock bedrohte dieser ihn bei seinem Ausstieg mit einer Waffe (vgl. Protokoll der Vernehmung von Boock am 12. 5. 1992 ).
Vgl. Christine Kuby/Irmgard Möller/Hanna Krabbe/Gabriele Rollnik, o.T. (Interview mit Kuby, Möller, Krabbe und Rollnik), abgedruckt in: “Wir haben mehr Fragen als Antworten”. RAF. Diskussionen 1992–1994 (hrsg. vom ID-Archiv/Amsterdam), Berlin 199.5, 401 S., S. 33–46.
Vgl. Helmut Pohl, “Für uns hatte es den Zweck, Fragen zur Spreng-und Schießtechnik zu klären” (Interview mit Pohl), in: Frankfurter Rundschau vom 2.7. 1991, S. 7–8.
Vgl. u.a. Birgit Hogefeld, Mehr durchgeknallt als besonders brutal, in: Tageszeitung (taz) vom 2.7.1993, S. 3; ders., Wir brauchen endlich eine Diskussion über Werte (Interview mit Hogefeld), in: Tageszeitung (taz) vom 16.7. 1994, S. 12–13.
Vgl. L. Niethammer: “Oft sind dafür ‘Background’-Gespräche, die ohne Tonband geführt werden und also auch keine textanalytisch verwertbare Dokumentation hinterlassen, ergiebiger und aus¬reichend.” (Niethammer 1985, a.a.O., S. 422).
Vgl. u.a. Franz-Josef Brüggemeier, Aneignung vergangener Wirklichkeit. Der Beitrag der Oral History, in: Voges 1987, a.a.O., S. 145–170, S. 149.
Vgl. Werner Lotze, Zum Schluß war es nur noch Haß (Interview mit Lotze), in: Die Zeit Nr. 48/1990, S. 17–20.
Daß er deren Lebensumstände in Stammheim als “Kampfbedingungen” bezeichnet hatte, sei keine klaglose Hinnahme der “Isolationsfolter” gewesen. Vielmehr sei es ein persönliches “Problem” (Lotze) der Illegalen gewesen, als Stadtguerilla zu existieren, während einige ihrer Kampfgefährten zeitgleich im Gefängnis saßen.
S. das Kapitel 5.1.13.: “Werner Lotze”.
S. das Kapitel 9.3.: “Rote Brigaden und PFLP”.
Vgl. u.a. Urteil Mohnhaupt/Klar 1985, a.a.O., S. 41–43.
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Wunschik, T. (1997). Die Auswertung von Quellen zur RAF. In: Baader-Meinhofs Kinder. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11970-8_3
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