Zusammenfassung
Das Interesse dieses Kapitels richtet sich auf zwei exemplarische politische Auseinandersetzungen um das herrschaftsförmige Geschlechterregime in Österreich und analysiert die mediale Vermittlung der im Rahmen dieser Auseinandersetzungen unternommenen Anfechtungen sowie der Reifizierung des wohlfahrtsstaatlich generierten Geschlechter-Diskurses. Im Mittelpunkt steht zunächst die beabsichtigte Novellierung des Ehe- und Familiengesetzes durch die ehemalige Frauenministerin, Helga Konrad, welche sie im Dezember 1996 mit der PR-Kampagne „Ganze Männer machen Halbe/Halbe“ medienwirksam flankierte. Gestützt auf ausgewertete Presseartikel und Sekundäranalysen skizziere ich, was die Ziele der Initiative der Frauenministerin waren und wie diese Initiative in der Medienöffentlichkeit diskutiert wurde. Entlang der Initiative der Frauenministerin wird herausgearbeitet, wie sie im wohlfahrtsstaatlichen Policy-Feld der Gleichstellungspolitik eine unmittelbar an der Dimension der Geschlechterleitbilder ansetzende, regulative Maßnahme zu realisieren suchte, um auf die in anderen Policy-Feldern generierten geschlechterpolitischen Widersprüche im demokratietheoretischen Horizont von Geschlechteregalität und Geschlechtergerechtigkeit normsetzend, also verhaltenssteuernd, einzuwirken (4.1).
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Literatur
Die Paragraphen im Wortlaut. § 90: „Die Ehegatten sind einander zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, besonders zum gemeinsamen Wohnen sowie zur Treue, zur anständigen Begegnung und zum Beistand verpflichtet. Im Erwerb des anderen hat ein Ehegatte mitzuwirken, soweit ihm dies zumutbar und es nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten üblich ist“. § 91: „Die Ehegatten sollen ihre eheliche Lebensgemeinschaft, besonders die Haushaltsführung und die Erwerbstätigkeit, unter Rücksichtnahme aufeinander und auf das Wohl der Kinder einvernehmlich gestalten”. § 95: „Die Ehegatten haben an der Führung des gemeinsamen Haushalts nach ihren persönlichen Verhältnissen, besonders unter Berücksichtigung ihrer beruflichen Belastung, mitzuwirken; ist jedoch ein Ehegatte nicht erwerbstätig, so obliegt diesem die Haushaltsführung“ (Diskussionsentwurf zum „Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das Ehegesetz, das Außerstreitgesetz, die Zivilprozeßordnung sowie die Exekutionsordnung geändert werden soll”).
in dem von der UNO proklamierten „Jahr der Frau“ legte die österreichische Bundesregierung erstmals einen ausführlichen „Bericht über die Situation der Frau in Österreich” vor, zehn Jahre später folgte der zweite Bericht und 1995 der als „Nachschlagewerk, Rechenschaftsbericht und Grundlage für politisches Handeln“ gedachte dritte Bericht, mit Daten und Analysen für den Zeitraum von 1985 bis 1995.
Die weltweit als Medienereignis gefeierte vierte UN-„Weltfrauenkonferenz” in Beijing im September 1995 - Kristallisationspunkt der internationalen Frauenbewegung - und deren Abschlußdokument, die „Aktionsplattform“, trug ebenfalls zu einer gestiegenen öffentlichen Aufmerksamkeit gegenüber der Ungleichstellung und Benachteiligung von Frauen bei (vgl. Dackweiler 2000).
So paradierten in „täglich Alles“ unter der Überschrift „Frau Minister, da sind sie, Ihre Halbe-halbe-Männer!” zwei Ehemänner, die nicht nur „ohne Drohung zum Beserl“ greifen, sondern „im Haushalt das halten, was sie vorm Altar versprachen” (täglich Alles, 12.7.97). Die „Kronen Zeitung“ ließ ihren täglichen „Herrn Strudel”, seufzen: „Nach Auffassung der Ministerin Konrad san Zauberer, die a Dame zersägen, ganze Männer: Sie machen halbe halbe“ (Kronen Zeitung, 20.1.97).
Zu Konrads zentralen Forderungen und Aktivitäten im Laufe ihrer Amtszeit gehörte auch die Reform des Pensionsrechts mit dem Ziel einer eigenständigen Alterssicherung von Frauen. Vor dem Hintergrund der im Frauenbericht 1995 erneut dokumentierten Zahlen -180.000 Frauen ohne eigenständigen Pensionsanspruch und 260.000 Frauen mit einem eigenen Pensionsanspruch unter dem Existenzminimum - präsentierte sie im August 1996 drei Modelle zu deren Realisierung.
Konrad sah nach eigener Aussage in dem Frauen-Volksbegehren einen „Beweis, daß meine Politik eine Basis hat. Damit steigt der Druck. Ich fasse es als Unterstützung auf` (NEWS 47/1996, 12). Die UFF-Aktivistinnen ihrerseits wiesen darauf hin, daß sie sich „nicht als Gegenbewegung zur herkömmlichen Frauenpolitik“ verstanden, sondern „als Basis”, welche der Frauenministerin den Rücke stärke: „Wir wollen ihre Frauenpolitik unterstützen“ (APA 20. 11. 96 ).
Geiger kommt auf Grundlage ihrer Medienanalyse zu folgendem quantitativen Beliebtheitsranking der elf Forderungen: Im ersten Drittel der am häufigsten medial diskutierten Forderungen rangierten in der Spitzenposition „Kinderbetreuungseinrichtungen“ und sodann die „Ausweitung der Sozialversicherungspflicht”; im Mittelfeld lagen „Mindestlohn“, „Bildung”, „2 Jahre Karenz für Alleinerzieherinnen“, „Grundpension” und „Teilzeitarbeitsanspruch für Eltern“ und im unteren Drittel das „Pensionsantrittsalter”, „Behaltefrist nach der Karenz“, „Anrechnung des Partnerinneneinkommens” sowie als Schlußlicht „Unternehmen erhalten Förderungen“ (Geiger 1998 ).
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Dackweiler, RM. (2003). Politische Anfechtungen des österreichischen Geschlechterregimes. In: Wohlfahrtsstaatliche Geschlechterpolitik am Beispiel Österreichs. Politik und Geschlecht, vol 9. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11878-7_5
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