Zusammenfassung
In den letzten Jahren ist eine Vielzahl (sozial-)wissenschaftlicher Literatur zum Thema Rechtsextremismus erschienen, die in ihrer Breite kaum noch zu überblicken ist.12 Dabei ist auffallend, dass der Begriff Rechtsextremismus oft nur unzureichend definiert wird, da die fehlende begriffliche Konsistenz zwar von zahlreichen Autoren und Autorinnen beklagt wird, in der Regel aber keine die Rechtsextremismusforschung weiterbringenden Vorschläge unterbreitet werden. Jürgen R. Winkler (2000: 39) resümiert zu recht, dass es sich in den meisten Fällen um einen Streit um Worte handelt, der keinen Erkenntnisgewinn beinhaltet. Es ist mittlerweile unumstritten, dass Begriffe wie Rechtsradikalismus, (Neo)Faschismus, Neonazis, Rechtspopulismus, Neue Rechte oder Rassismus zwar auf Verbindungspunkte zum Rechtsextremismus verweisen, nicht aber als Synonym zu diesem verwendet werden können. (vgl. Borrmann 2002; Jaschke 2001) Beschäftigt man sich mit dem Thema Rechtsextremismus näher, wird deutlich, dass nur eine disziplinübergreifende Auseinandersetzung mit einem Erkenntnisgewinn verbunden ist. Zu berücksichtigen ist dabei jedoch, dass für den Begriff Rechtsextremismus vor allem die Soziologie und die Politikwissenschaft Definitionsangebote gemacht haben.
„Die eindeutige Verwendung präziser Begriffe dient verschiedenen Zwecken wie der Konstruktion informativer und zutreffender Theorien über Rechtsextremismus. Aus dieser Perspektive geht es allein um die Markierung des Anwendungsbereiches, d.h. der sinnvollen Eingrenzung der Objekte und Eigenschaften, die unter den Rechtsextremismusbegriff fallen.“ (Jürgen R. Winkler 2000: 39)
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Literatur
Für einen Überblick vgl. die Bibliographie in Schubarth/Stöss 2000.
Kowalsky/Schroeder (1994b: l 1) geben einen Überblick: „In die wissenschaftliche Analyse des Rechtsextremismus müssen eingehen: die ökonomischen, sozialen, politischen und kulturellen Rahmenbedingungen, die Verbreitung von antidemokratischen und demokratieskeptischen Einstellungen, das Ausmaß und die Entwicklung rechtsextremer Aktivitäten — organisiert wie nicht organisiert, die generations-und geschlechtsspezifischen Besonderheiten, die Struktur rechtsextremistischer Ideologien, die Programmatik rechtsextremer Organisationen, die Beziehungen rechtsextremer Organisationen zu maßgeblichen politischen Kräften auf nationaler wie internationaler Ebene.“
Auf die Darstellung der politikwissenschaftlichen Variante, die sich dem Begriff Rechtsextremismus auf einer demokratietheoretischen Ebene nähert und im Linksextremismus die zweite Seite derselben Medaille sieht, wird an dieser Stelle verzichtet. Dort wird Rechtsextremismus auf das vermeintlich übergeordnete Merkmal der Demokratiefeindlichkeit reduziert und somit verkürzt. (vgl. Backe/Jesse 1993: Pfahl-Traughber 2000b: zur Kritik an diesem Ansatz: Butterwegge 1996, Kowalsky/Schroeder 1994b )
An dieser Stelle müsste es Ungleichwertigkeitsvorstellungen heißen. (vgl. Fußnote 13)
Die Klassifizierung der aufgeführten Menschen-und Gesellschaftsbilder als strukturell gewaltorientiert verweist auf einen erweiterten Gewaltbegriff, der neben personaler psychischer und physischer Gewalt auch illegitime Machtverhältnisse einschließt. Die zugrundeliegende Annahme für eine solche Klassifizierung ist, dass ein vertikal differenzierendes Bild der Ungleichwertigkeit von Menschen, die Legitimation für soziale Regeln der Ungleichbehandlung schafft. Zum Begriff der ideologischen Gewalt vgl. Borrmann (2002: 24), zu dem den dortigen Ausführungen zugrundeliegenden Begriff der kulturellen Gewalt vgl. Galtung (1990).
Kurt Möller spricht sich explizit fur die Koppelung von Ungleichheitsvorstellungen und Gewaltakzeptanz aus. „Ungleichheitsvorstellungen allein oder Ungleichheitsvorstellungen, deren Durchsetzung mit legaler und legitimer institutioneller Machtausübung gesucht wird, sind ggf. z.B. als (struktur)konservativ oder reaktionär zu bezeichnen, erfüllen aber im Rahmen des demokratischen Verfassungsstaates nicht den Tatbestand von Rechtsextremismus.“ (Möller 2000: 77) Seine folgende Definition rechtsextremer Gewaltakzeptanz ist jedoch so eng gefasst, dass ein Großteil rechtsextremer Erscheinungsformen (vgl. Fußnote 15) mit dieser nicht mehr erfasst werden kann. „Das Kennzeichen rechtsextremer Gewaltakzeptanz ist ihre Ausrichtung entweder auf Gewaltanwendung als personale (…) Handlungsform oder auf Gewaltanwendung als illegitime institutionelle Gewalt.” (ebd.) Aus den oben genannten Gründen muss diese definierende Verknüpfung abgelehnt werden. Dies gilt jedoch nur für die Verknüpfung der beiden Elemente in der Definition von Rechtsextremismus. Damit ist nicht gesagt, dass für die Angehörigen rechter Jugendcliquen eine solche Differenzierung nicht sinnvoll und notwendig wäre. Im Gegenteil, durch diese werden die entscheidenden Problemdimensionen rechter Cliquen sinnvoll isoliert (und in Möllers Studie auch operationalisiert).
Ralf Vollbrecht (1997) meint, diesen Wandel ab Anfang der 80er Jahre beobachten zu können.
Vgl. beispielsweise: Ferchhoff (1990, 1999); Baacke (1993a1b); Ferchhoff/Sander/Vollbrecht (1995); SpoKK (1997)
Über den Anteil der Jugendlichen, die ihre Freizeit in festen Cliquen verbringen, schwanken die Angaben zwischen 42% (Melzer 1992), 51% (Pfeiffer/Wetzels 2000) und 96% (Jugendwerk der Deutschen Shell 1997). Gleiches gilt für den Anteil Jugendlicher mit rechtsextremistischen Einstellungen. In der Literatur linden sich Angaben zwischen 12% und 24%.
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Borrmann, S. (2005). Grundbegriffe. In: Soziale Arbeit mit rechten Jugendcliquen. Forschung Pädagogik. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11394-2_3
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-11394-2_3
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-531-14823-6
Online ISBN: 978-3-663-11394-2
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