Zusammenfassung
Zu Beginn der 1990er Jahre setzte eine breite Kritik am feministischen Subjektbegriff ein. Die Einwände kamen vor allem von Gruppierungen unterschiedlicher ethnischer Zugehörigkeit, von feministischen Wissenschaftstheoretikerinnen vornehmlich aus der Biologie, von poststrukturalistischen und konstruktivistischen Autorinnen und von den Vertreterinnen der Gay and Lesbian Studies (Braidotti 1994, S.7). Sie alle monierten am weißen, mittelschichtsorientierten, heterosexuellen und ethnozentrisch ausgerichteten Feminismus, daß dieser erstens die Lebensrealität der meisten Frauen ignoriere und zweitens übersehe, daß seine zentrale Kategorie Geschlecht auf einer biologistischen Grundlage stehe. Diese Konfrontationen bewirkten radikale theoretische Neuorientierungen. Sie sensibilisierten einerseits für die eigenen Herrschafts-und Schließungsmechanismen in der Frauenforschung und sie bedingten anderseits auch eine gestiegene Aufmerksamkeit gegenüber nicht der Hetero-Norm entsprechenden Lebensformen. Diese Kontroverse reichte auch in die deutschsprachige Lesbenforschung. Angestoßen bereits durch die Rassismusdebatte Mitte der 1980er Jahre, die Diskussionen der letzten beiden Lesbensymposien (1993; 1995) und insbesondere durch Sabine Harks (1996) kritische Genealogie lesbischer Identitätspolitiken hat sich auch dort eine Diskussion entwickelt, die selbstkritisch nach den Grundlagen und Ausschlußmechanismen eigener Identitätspolitik fahndet. Dabei steht im Mittelpunkt dieser Auseinandersetzung die Frage, inwiefern auch lesbische Theorie und Politik mit essentialistischen Annahmen zur Konstruktion normativer Identitäten beigetragen hat und so — entgegen den beabsichtigten politischen Zielen — die Aufrechterhaltung des heterosexistischen Systems verstärkt und stabilisiert. Mit Bezug vor allem auf Judith Butler, Michel Foucault, die VertreterInnen postmoderner Sexualitätskritik und die TheoretikerInnen aus dem Kontext der Cultural Studies, geht es nicht mehr darum, eine adäquate Beschreibung lesbischer Identität auszudifferenzieren und dingfest zu machen, sondern die Prozesse der Klassifizierung selbst zu analysieren und die damit korrespondierenden normativen Verengungen in den Blick zu bekommen, die in der Konsequenz zu Verwerfungen anderer Subjektpositionen führen.
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Soine, S. (2000). Was hat „lesbische Identität“mit Frausein und Sexualität zu tun?. In: Schmerl, C., Soine, S., Stein-Hilbers, M., Wrede, B. (eds) Sexuelle Szenen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11357-7_10
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