Zusammenfassung
Nachdem in den vorhergehenden Kapiteln versucht worden ist, die spezifische „Formalität“ der Krankenkassenorganisation herauszuarbeiten, geht es in diesem Kapitel nun um die Vergemeinschaftungsdimension. Wie bereits global angesprochen, handelt es sich bei allen Krankenkassentypen um hoch exklusive Organisationen mit einer entsprechend rigiden Ausgrenzungs- und Abgrenzungspolitik gegenüber bestimmten Personengruppen. Durch die organisational erzeugten spezifischen Muster sozialer Trennung und Schließung (re-)produzierte das Krankenkassenwesen durchgängig die gesellschaftlichen Muster sozialer Ungleichheit und differenzierter Lebenschancen. Im folgenden soll versucht werden, diejenigen Aus- und Abschließungskriterien nachzuvollziehen, die den Prozeß der sozialen Schließung in den Kassenorganisationen im Untersuchungszeitraum gekennzeichnet haben. Darüber hinaus soll aufgezeigt werden, welche Identitäts- und Bewußtseinshaltungen bei den Kassenmitgliedern vorhanden waren, sich in den Kassen ausbildeten, dort veränderten beziehungsweise reproduziert wurden. Auf Grundlage der Ergebnisse dieses Kapitels müßte es schließlich möglich sein, durch die Verbindung der entsprechenden sozialen Schließungs- bzw. Vergemeinschaftungsmuster mit der in den vorhergehenden Kapiteln umrissenen spezifischen „Formalität“ der Krankenkassen die spezielle historisch-gesellschaftliche Konstituiertheit des Organisationstyps „Krankenkasse“ in seiner Mehrdimensionalität sichtbar zu machen.
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Literatur
Lediglich die Ortskassen-und ein Teil der Fabrikkassenmitglieder behielten auch bei Erkrankungen, die innerhalb von acht Tagen nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses eintraten, den vollen Krankenversicherungsschutz. Darüber hinaus bestand für arbeitslose Ortskassenmitglieder grundsätzlich die Möglichkeit, durch Weiterzahlung des vollen Beitrages (d.h. Arbeitnehmer-u. Arbeitgeberanteil) sich für zwölf Wochen den Versicherungsschutz noch zu erhalten. Diese Regelung hatte praktisch jedoch kaum Auswirkungen, da die Mehrzahl der Lohnarbeiter im Falle von Arbeitslosigkeit gar nicht in der Lage war, die Kassenbeiträge trotz Lohnausfalls aufzubringen. Da im Untersuchungszeitraum die Erwerbstätigkeit der Mehrheit der Lohnarbeiters immer wieder durch kürzere oder längere Arbeitslosigkeitsphasen unterbrochen wurde, folgt daraus, daß ein großer Teil der Lohnarbeiter zeitweilig aus dem Krankenversicherungsschutz ganz herausfiel, d.h. ohne dauerhafte soziale Sicherheit war. Vgl. hierzu Asmuth 1984, S. 98f.
Vgl. Kocka, J.: Arbeitsverhältnisse und Arbeiterexistenzen, Bonn 1990, S. 344ff.
Kocka 1990, S. 345
Kocka 1990, S. 345
Kocka 1990, S. 345
Originalzitat nach Reininghaus 1983, S. 278
Vgl. exemplarisch Asmuth 1984, S. 55; Frevert 1981, S. 298f.
Vgl. Reininghaus 1983, S. 277
Wahrend die Gesellenkassen 1872 noch durchschnittlich 96 Mitglieder hatten, umfaßten z.B. die Fabrikkassen durchschnittlich schon 253 Mitglieder. Vgl. Frevert 1984, S. 262
Frevert 1981, S. 314
Vgl. Kocka 1990, S. 345f.
TUrk 1995a, S. 73
Beide Zitate aus Frevert 1981, S. 313
Frevert 1984, S. 255
Frevert 1981, S. 314
Bericht des Mindener Landratsamtes von 1869, zitiert nach Frevert 1984, S. 258
Frevert 1984, S. 258
Alle Zitate stammen aus der Eingabe der Wittener Fabrikdeputationen vom 26.02.1956; zitiert nach Reininghaus 1983, S. 278
Reininghaus 1983, S. 278
Reininghaus 1983, S. 282
Zadek zitiert nach Frevert 1984, S. 319; zur Kritik des Qualifikationsbegriffs vgl. Turk 1995e, S. 242ff.
Tennstedt 1981, S. 171; vgl. auch: Stollberg 1983, S. 343
Tennstedt 1981, S. 172
Frevert 1981, S. 317
Frevert 1984, S. 319
Asmuth hebt die disziplinierende Wirkung der unmittelbaren Kopplung des Endes des Arbeitsverhältnisses und des Versicherungsschutzes hervor. Vgl. Asmuth 1984, S. 96–97
Frevert 1984, S. 280
Frevert 1984, S. 280
Vgl. Frevert 1984, S. 281
Asmuth 1984, S. 80; vgl. auch Frevert 1981, S. 302
Asmuth 1984, S. 80
Vgl. exemplarisch Zunkel, in Asmuth 1984, S. 80 (FN 408)
Frevert 1984, S. 261
Reininghaus 1983, S. 287 [Zitat im Zitat: Statuten der Kranken-und Pensions-Kasse fur die Fabrikarbeiter in der Stadt Hagen, 1855 ]
Vgl. Reininghaus 1983, S. 287
Vgl. Tennstedt 1983b, S. 308
Zitiert nach Stollberg 1983, S. 353
Vgl. Stollberg 1983, S. 350
Vgl. Frevert 1984, S. 278
Vgl. Asmuth 1984, S. 96
Asmuth 1984, S. 96
Reininghaus 1983, S. 282. Reininghaus merkt hier auch an, daß bezeichnenderweise fast alle der von ihm untersuchten Kassenstatuten damit begannen, daß,jeder Arbeiter“ verpflichtet sei, der Kasse beizutreten. Vgl. ebd. [kursiv im Original]
Reininghaus 1983, S. 282
Vgl. Stollberg 1983, S. 352
Vgl. Frevert 1984, S. 288; Reininghaus 1983, S. 282; Stollberg 1983, S. 352f.: Frevert berichtet davon, daß die Kruppsche Gußstahlfabrik in den 1860er Jahren eine sog. „Familienarztkasse“ einrichtete, die gegen einen geringen Jahresbeitrag die Ehefrauen, Kinder, Geschwister und Eltern der Beschäftigten versicherte (S. 288). Nach Reininghaus war es in den 1850er und 60er Jahre eine absolute Ausnahme, daß die Henrichshütte in Hattingen neben den Frauen und Kindern der Fabrikarbeiter sogar das Gesinde der Werksmeister mitversicherte (1983, S. 282). Stollberg hat ermittelt, daß in den 1880er Jahren von den zentralisierten Hilfskassen nur die Kassen der Tabak-und der Glasarbeiter, der Bürsten-und Pinselmacher, der Zimmerer und der Fabrik-und Handarbeiter Frauen als Mitglieder aufnahmen ( 1983, S. 352 ).
Frevert 1984, S. 289
Frevert 1984, S. 290
Frevert 1984, S. 290
Frevert 1984, S. 290
Frevert 1984, S. 290
Stollberg 1983, S. 352
Stollberg 1983, S. 352
Während der Verhandlung der Klage eines weiblichen Kassenmitglieds gegen die Kasse in 1889 äußerte sich der vorsitzende Richter dergestalt, daß er schlechte Erfahrungen mit den Hilfskassen gemacht habe; „man ziehe die Leute förmlich aus“. Vgl. Stollberg 1983, S. 353
Frevert 1984, S. 263
Verschiedene Statuten, wie die des Hattingen-Wittener Raums, begrenzten z.B. den Einzugsbereich der jeweiligen Kassen auf den Umkreis einer Meile von der Ortsmitte. In Hagen wurden nur solche Personen zur Kasse zugelassen, die nachweisbar in der Gemeinde selbst wohnten. Vgl. Reininghaus 1983, S. 282
Reininghaus 1983, S. 281
Reininghaus 1983, S. 282
Peschke 1962, S. 329. An anderer Stelle spricht er auch von „Flickschusterei “ (S. 328 ).
Tennstedt 1983b, S. 310 [kursiv im Original]
Zum Thema „Ärztestreik“ vgl. Herold-Schmidt, H.: Ärztliche Interessenvertretung im Kaiserreich 1871–1914, in Jütte, R. (Hrsg.): Geschichte der deutschen Ärzteschaft, Köln 1997, S. 43–96; Huerkamp 1985, S. 285f.; Neuhaus, R.: Arbeitskämpfe, Ärztestreiks, Sozialreformer. Berlin 1986; Stremmel, R.: „Gesundheit — unser einziger Reichtum”? Kommunale Gesundheits-und Umweltpolitik 1800–1945 am Beispiel Solingen, Solingen 1993, S. 74–77
Alber, J.: Das Gesundheitswesen der Bundesrepublik Deutschland. Entwickung, Struktur und Funktionsweise, Frankfurt/Main; New York 1992, S. 32
Vgl. Freie Presse Nr. 11 vom 13.01. 1895, S. 2 und Nr. 14 vom 17.01. 1895, S. 2
Vgl. Peters, H.: Die Geschichte der sozialen Versicherung, Sankt Augustin 1978, S. 60
Achinger 1966, S. 45
Peschke 1962, S. 331
Hobsbawm, E.J.: Die Blütezeit des Kapitals. Eine Kulturgeschichte der Jahre 1848–1875, München 1977, S. 277
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Tauchnitz, T. (1999). Zur sozialen Exklusivität der Kassenmitgliedschaft: Die Vergemeinschaftungsdimension. In: Krankenkassen — Zwang oder Segen?. Forschung, vol 41. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10556-5_6
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