Zusammenfassung
Versuche zur Typisierung der Erscheinungsformen von Korruption haben in der kriminologischen Literatur vor allem zur Unterscheidung zwischen ‚situativer‘ und ‚struktureller‘ Korruption geführt. Als situative Korruption gelten demnach Fälle, „bei denen es aufgrund einer dienstlichen Handlung zu spontanen Angeboten der Betroffenen kommt, die aus einer Alltagssituation heraus entstehen und nur von kurzer Dauer sind“ (Forstenhäusler 1996: 549), oder knapper: „spontane Bestechungsversuche aus aktuellem Anlaß“ Ahlf 1998: 10). Demgegenüber umfasst die Kategorie der strukturellen Korruption „Sachverhalte [...], bei denen keine spontane Handlung zugrunde liegt, die vielmehr aufgrund der Häufigkeit der Korruptionshandlungen, der Intensität (Forderungen), der Höhe der Angebote und dem Organisationsgrad als auf Dauer angelegt bezeichnet werden können“ (Forstenhäusler 1996: 549). Mit je unterschiedlicher Nuancierung wird situative Korruption auch als ‚kleine‘, ‚spontane‘ oder ‚Gelegenheitskorruption‘ etikettiert, strukturelle hingegen als ‚große‘, ‚langfristig angelegte‘, ‚geplante‘, ‚systematische‘ oder ‚organisierte Korruption‘. Die beiden von Schönherr (1985) einander gegenübergestellten Untersuchungsgruppen der ‚herkömmlichen Korruption‘ und ‚Korruption als Wirtschaftskriminalität‘ können gleichfalls als eine Variante dieser verbreiteten Zweiteilung angesehen werden. Als (zumeist implizit bleibende) Kriterien der Unterscheidung zwischen situativer und struktureller Korruption lassen sich unter anderem die Reflektiertheit und Organisiertheit des Handelns, die zeitliche Ausdehnung des Geschehens sowie die Stabilität des korruptiven Beziehungssystems erkennen. Situative Korruption erscheint überwiegend reaktiv, sie bleibt auf den Moment einer vereinzelten korruptiven Transaktion beschränkt und begründet keine über die Situation hinausreichende soziale Beziehung; strukturelle Korruption dagegen entfaltet sich über einen beträchtlichen Zeitraum hinweg als aktiv gestaltetes und stabiles System von Beziehungen zwischen einer mehr oder weniger umfangreichen Zahl involvierter Akteure.
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Literatur
Die empirische Evidenz dieser Typisierung findet sich auch durch die Ergebnisse der methodisch ähnlich angelegten Untersuchung von Bannenberg (Aktenanalyse von 208 Strafverfahren) bestätigt. Die Autorin nennt „neben der Gelegenheitskorruption vor allem gewachsene Beziehungen und Netzwerke als in der Strafverfahrenswirklichkeit vorkommende Fallstrukturen“(Bannenberg 1999: 21).
In diesem Zusammenassung lohnt sich ein Blick auf die Ergebnisse der Dunkelfeld-Untersuchung des Kriminologschen Forschungsinstituts Niedersachsen (Ohlamacher 1998 ). Die befragten Gastronomen Bberichten „nachvollziehbar“(ebd: 65) über 167 Fälle von Korruption, bei denen sich wohl in der Regel ein Szenario situativer Korruption unterstellen last. Dabei wird von den Klienten „in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle“— genauer finden wir dies leider nicht ausgeführt.
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Höffling, C. (2002). Phänomenologie korruptiver Beziehungen. In: Korruption als soziale Beziehung. Forschung Soziologie , vol 156. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10540-4_2
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-10540-4_2
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-8100-3382-6
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