Zusammenfassung
„Denn die Transaktion zwischen einem Schriftsteller und dem Geist der Zeit ist eine unendlich heikle, und von einer günstigen Übereinkunft zwischen den beiden hängt aller Erfolg seiner Werke ab“. In der ihr eigenen Art spricht Virginia Woolf in “Orlando” von den zwei Seiten, die den Erfolg eines Schriftstellers ausmachen (Woolf 1992: 187). In der gegenwärtigen feministischen Diskussion über Ziele und Strategien ist Judith Butler als eine solche Autorin zu nennen, der offenbar diese günstige Verbindung zumindest mit dem feministischen Geist der Zeit gelungen ist, und dies soll Anlaß der folgenden Überlegungen sein. Ihre Anregungen oder Provokationen zum Status der Kategorie Geschlecht haben wie kaum eine andere Position in den letzten Jahren die Diskussionen in der deutschsprachigen Frauenbewegung und Frauenforschung beeinflußt. Ihre theoretischen Ansätze sind umstritten, aber zumindest in den Grundzügen bekannt und vielfach diskutiert. Die Heftigkeit der Debatten, das emotionale Engagement, mit dem besonders zu Beginn der 90er Jahre diskutiert wurde, deutet darauf hin, daß die Texte von Butler den „Geist der Zeit“ an einer zentralen und empfindlichen Stelle getroffen haben. Die anfänglich kaum zu überbrückenden Gegensätze in der Debatte um Dekonstruktion1 oder Verteidigung der Kategorie Geschlecht sind inzwischen einer Mäßigung im Diskussionsstil, einer Annäherung der Positionen gewichen oder auch einer strikteren Trennung von theoretischen Auffassungen, zwischen denen Verbindungen nicht mehr möglich scheinen.
Dieser Text ist eine überarbeitete und erweiterte Fassung meines Beitrags „Das feministische Ich und das bewegte Wir. Zur subjektiven Dimension in der Debatte um die Kategorie Geschlecht“ in: beiträge zur feministischen theorie und praxis 46/1997. Für die kritische Lektüre dieses Textes danke ich Eva Schäfer.
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Hänsch, U. (1999). Subjektive Dimensionen im feministischen Streit um Geschlecht und Dekonstruktion. In: Bauhardt, C., von Wahl, A. (eds) Gender and Politics. Politik und Geschlecht, vol 1. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10133-8_3
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