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Und immer wieder das Kopftuch — Zur Bedeutung des Themas Islam im Kontext Interkultureller Pädagogik

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Fundamentalismusverdacht

Part of the book series: Interkulturelle Studien ((IKS,volume 4))

  • 172 Accesses

Zusammenfassung

Der Umgang mit dem Thema Islam ist für viele PädagogInnen ein ‚vermintes Gelände‘. Unwissenheit und Unsicherheit sind weit verbreitet — auch wenn sie sich häufig hinter mit großer Überzeugung vorgetragenen Stereotypen verbergen. In einem Interview mit einem 54jährigen Gymnasiallehrer kam folgendes zutage:

„Z.B. finde ich es ganz dramatisch, daß — ich unterrichte Biologie — und einiges von dem, was als Stoff fällig ist in der Oberstufe, das ist im Grunde in der Türkei, im Islam verboten. So die Evolutionslehre, diese ganzen Geschichten widersprechen ja den fundamentalistischen islamischen Aussagen. Da gibt es türkische Schülerinnen und Schüler, die können sich mit sowas überhaupt nicht befassen. Die machen dann so ’ne Schutzhaltung, die lernen das, weil sie Abitur machen wollen. (...) Können das auch nicht annehmen. Suchen da auf die Art und Weise einen Weg, um aus diesem Gewissenskonflikt herauszukommen, der so für sie nicht lösbar ist. Weil auf der einen Seite können sie das so nicht machen, weil sie dann mit ihrer Familie in Streit geraten (...) Schizophrenie (...) Gut, das schlägt sich natürlich in der Bewertung nieder, mit so was kann man keine 2 oder 1 bekommen. (...) Ich stelle meine Erkenntnistheorien und Beweisketten vor und wenn die Schüler sagen: „Dem steht mein Glaube entgegen“, dann kann ich nur sagen: „Wenn ihr das nicht trennen könnt, dann müßt ihr für euch irgendwie (einen) Weg finden, daß ihr für die Zeit eure Glaubensüberzeugung irgendwie abschaltet. Für mich ist das unvorstellbar, wie man sich gegen Erkenntnisse sträuben kann, weil man religiöse Überzeugungen hat.“

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Literatur

  1. Das Beispiel ist einem Interview entnommen, das ich im Rahmen einer Untersuchung zum Thema Rassismus im Alltag zusammen mit Studierenden der Universität zu Köln durchgeführt habe.

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  2. Vgl. als einzige Beispiele Auernheimer u.a. 1996, S. 49 u. S. 189.

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  3. In den Beispielen geht es um muslimische Mädchen.

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  4. Die Autoren weisen darauf hin, daß man sich nicht die Mühe gemacht hatte, die Motive der Mädchen zu erkunden (ebd., S. 154); vgl. ebenso ebd., S. 93f. u. S. 215. Das Bemühen, sich über den privaten Hintergrund der Kinder klar zu werden, ist insgesamt so gering, daß die Verfasser einen Fall besonders hervorheben, in dem eine Lehrerin genau Bescheid weiß, daß ein afghanisches Kind einer hinduistischen Minderheit angehört (ebd., S. 88).

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  5. Es gibt auch Beispiele pragmatischer Lösungen, so z.B. muslimischen Schülern zum Ende des Ramadan freizugeben, betont möchte man daraus jedoch keine Selbstverständlichkeit, kein Recht entstehen lassen (ebd., S. 212).

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  6. In einem Fall wird das nach einem Versuch von der Lehrerin nicht weiter verfolgt, weil sie es für aussichtslos hielt (ebd., S. 191).

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  7. Für den Leser irritierend ist in diesem Fall die indifferente Haltung der ansonsten nicht unkritischen Verfasser, wenn sie diesen Vorgang als “Bemühen” bewerten, “bei den Kindem Verständnis für die jeweils anderen religiösen Vorstellungen zu wecken und ihnen die Gleichrangigkeit und Gleichwertigkeit der Religionen zu verdeutlichen” (ebd., S. 196). Ähnlich indifferente Äußerungen sind das oben zitierte “mit Erfolg” (ebd., S. 153f.) sowie eine Bemerkung auf S. 215f.: “Von einem Dialog mit den Eltern oder mit örtlichen Vertretern der islamischen Gemeinden versprach man sich — vielleicht zu Recht — nichts” (Hervorhebung v. Verf.).

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  8. Vgl. zum letzteren die Arbeiten z.B. von Weische-Alexa 1977, Rosen/Stüwe 1985, Schaumann u.a. 1988, König 1989, Lutz 1991.

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  9. Ich übernehme des Terminus Integrations-oder Migrationsarbeit von Helma Lutz, die am Beispiel surinamischer Frauen in den Niederlanden beschrieben hat, wie bestimmte traditionale Strategien weiblicher Lebensgestaltung zu einem effektiven Überleben in der Industriegesellschaft befhhigen ( Vortrag im Rahmen der Forschungsstelle für interkulturelle Studien, Universität zu Köln, 1998 ).

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  10. Auemheimer bezieht sich in diesem Zusammenhang nicht nur auf islamischen Fundamentalismus, sondern meint religiösen Traditionalismus; so bezieht er z.B. auch Beispiele italienischer Gruppen ein (vgl. ebd., S. 100); ausführlicher zur Analyse der Migrantenkolonie vgl. Auernheimer 1988, S. 159–167.

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  11. Religiöser Fundamentalismus und Traditionalismus sollten m.E. unterschieden werden: Der seit einige Jahren sich ausbildende Fundamentalismus ist ein Modernisierungsphänomen, wohingegen religiöser Traditionalismus rückwärtsgewandt statisch bleibt. Tritt Fundamentalismus aggressiv auf, so erscheint der Traditionalismus defensiv.

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  12. Das gilt auch, wenn sie gegenüber dem Widerspruch bäuerlich-traditionalistisch versus urban-modern nur als sekundär wirksam eingeschätzt wird (Auernheimer 1988, S. 123).

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  13. Dazu gehört auch das Buch von Auernheimer, v. Blumenthal u.a. (1996), aus dem die Beispiele zu Anfang des Beitrags entnommen sind.

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  14. Dasselbe Beispiel findet sich auch in Auernheimer u.a. ( 1996, S. 91f).

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  15. Tatsachlich hat der Islam in diesem Beispiel kaum eine Bedeutung auf der Seite des Jungen, denn der treibt mit der Lehrerin durchaus ein durchaus freundschaftliches Spiel, indem er ihre Vorurteile ihm gegenüber antizipiert und provoziert.

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  16. Mit Bukow/Llaryora ( 1988, S. 74ff.) ist Niekes Konstruktion als Ethnogonie einzuordnen. Verlangen nach Anpassung wäre im zuvor diskutierten Sinne ethnozentrisch, eurozentrisch; Akzeptanz von Ethnizität respektiert diese Äußerungsformen als fill-die Betroffenen wichtig, auch wenn sie für den pädagogischen Alltag oft unbequem sein mögen“ (ebd., S. 203 ).

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  17. Als gefragter Vortragsredner ist Nieke in dieser Hinsicht auch gebeutelt: Ich kann mich noch recht gut an eine Diskussion im Anschluß an einen Vortrag Niekes 1990 oder 1991 in der Alten Feuerwache in Köln erinnern, wo ihm, der seinerzeit noch streng kulturrelativistisch orientiert war, Teilnehmer wütend entgegenhielten, ob er dann auch für die Klitorisbeschneidung der Frau sei, die dort kurzerhand zur islamischen Tradition umgedeutet wurde.

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  18. Eine sprachliche Unsicherheit ist m.E. vollständig auszuschließen. Nieke gehört zu den bestens informierten Wissenschaftlern, speziell auch was die Verhältnisse in Nordrhein-Westfalen angeht! Auch seine späteren Bemerkung zum Thema islamischer Religionsunterricht lassen eine klare Position nicht erkennen, auch wenn eine Sympathie fur den religiösen Faktor durchzuschimmern scheint (vgl. ebd., S. 235); vgl. zur Diskussion um die religiöse Unterweisung Roth 1992.

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  19. Nicke scheut sich also nicht, die Problempunkte aufzugreifen, lot aber eine klare Stellungnahme vermissen. Ähnlich verhält es sich mit dem berühmten Beispiel des Schwimmunterrichts türkischer Mädchen, auf den er in seinem achten Ziel eingeht: “Einüben in Formen vernünftiger Konfliktbewältigung — Umgang mit Kulturkonflikt und Kulturrelativismus” (ebd., S. 107f).

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  20. Daß es sich bei der Weber-Rezeption nicht nur um eine zwar versteckte, jedoch zentrale Stelle handelt, zeigen auch andere Veröffentlichungen Bukows. So zeigt er in “Feindbild Minderheit” (1996, S. 97) am Beispiel einer mittelalterlichen Frauenbiographie die Bedeutung religiöser Vorstellungen för die Entwicklung von Individualität. In “Leben in der multikulturellen Gesellschaft” weist er etwas allgemeiner darauf hin, “daß die muslimischen Traditionen demselben religiösen Schmelztiegel wie die christlichen Traditionen entstammen ” (Bukow 1993, S. 91 ).

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  21. Wenn man die allgemeine Theorie Bukow/Llaryoras auf das Thema Islam und Muslime als Minderheit anwendet, weisen die neueren Auflagen von “Mitbürger aus der Fremde” in eine interessante neue Richtung. Im neu hinzugefügten dritten Teil setzen sie sich explizit mit den kulturellen Differenzen auseinander bzw. widmen der in der ersten Auflage eher stiefmütterlich behandelten Frage ihres Stellenwertes im Rahmen kultureller Ausgestaltung privater Lebenswelten weiterführende Überlegungen. Die in ihren Analysen entwickelte Theorie “fortgeschrittener Industriegesellschaften” erweist aufgrund der Individualisierung — ‘speziell für Minderheiten’— gestiegene “Freiheitsspielräume (…), die in traditionellen wie patrimonialen Gesellschaften so niemals existierten” (Bukow/Llaryora 1997, S. 208). Diese Überlegung korrespondiert mit dem Umstand, daß Muslime erst in der Diaspora in den westlichen Gesellschaften den Raum gewinnen, den Islam theologisch und alltagspraktisch fortzuschreiben (vgl. Roth 1992) bzw. aus der Auseinandersetzung mit der Diasporasituation reformatorische Prozesse in die weltweite innerislamische Diskussion hineinzutragen. Einige wie z.B. M. S. Abdullah gehen sogar soweit, eine allgemeine islamische Reformation aus der Diaspora heraus zu erwarten.

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  22. Vgl. dazu die Titel im Literaturverzeichnis. In “Feindbild Minderheit” (1996, S. 101) entwirft Bukow z.B. ein Schema von Vergesellschaftsmodi, in dem Religion nicht auftaucht. Im in den neueren Auflagen zu “Mitbürger aus der Fremde” hinzugefügten dritten Teil diskutieren Bukow/Llaryora — in Abgrenzung zu den “fortgeschrittenen Industriegesellschaften” allerdings religiöse Formen von Gesellschaftskonstitution z.B. in Arabien (vgl. Bukow/Llaryora 1997, S. 203f.).

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  23. Vgl. hierzu die ähnliche Argumentation bei Roth 1992.

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  24. Vgl. die neuerliche Warnung des bayerischen Innenministers Beckstein vor einer erheblichen Radikalisierung der Muslime in Deutschland und seine Einschätzung, der Umgang mit dem Islam werde in den nächsten Jahren zu eine zentralen Frage der deutschen Politik (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 9.9.1998).

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  25. Sie sehen “ein hohes Maß an Eigeninterpretation” bei den befragten Jugendlichen (Heitmeyer u.a. 1997, S. 119). “Messen Jugendliche dem Islam große oder sehr große Bedeutung zu, dann steht Mr sie an erster und zentraler Stelle eindeutig die Stärkung des Selbstvertrauens (…). Erst an zweiter Stelle werden auf das Kollektiv der ”Umma“ bezogene Bedeutungen wieSicherheit, Zugehörigkeit und Geborgenheit plaziert. An dritter und letzter Stelle stehen dagegen eher auf das Individuum bezogene Bedeutungsgehalte wie Freiheit und Selbstbestimmung” (ebd., S. 120) — diese aber immerhin von einem Drittel der Befragten (vgl. ebd., Abb. 2.1, S. 121); außerdem wird eine Vereinbarkeit von Islam und Moderne von der Mehrheit der Befragten gesehen (ebd.). Immerhin zwei Drittel betonen den privaten Charakter des Glaubens und vier Fünftel plädieren Mr eine Trennung von Religion und Politik (ebd., S. 124).

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  26. Dazu wird immer wieder darauf hingewiesen, daß es keine allgemeine, Mr alle Muslime sprechende, islamische Vertretung als Ansprechpartner des Staates gebe. Hintergrund Mr die Unterschiedlichkeit der verschiedenen islamischen Gruppen ist die den Islam als Religion und als Lebensform kennzeichnende Heterogenitat und Vielfalt, so daß vondem Islam zu sprechen sich genaugenommen verbietet. Eine pragmatische Organisationsform ist m.E. jedoch möglich — nichts anderes ist die EKD.

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Wolf-Dietrich Bukow Markus Ottersbach

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Roth, HJ. (1999). Und immer wieder das Kopftuch — Zur Bedeutung des Themas Islam im Kontext Interkultureller Pädagogik. In: Bukow, WD., Ottersbach, M. (eds) Fundamentalismusverdacht. Interkulturelle Studien, vol 4. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10116-1_13

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