Zusammenfassung
Berichten von Polizeipraktikern zufolge ist die Zusammenarbeit mit Sprachmittlern heute polizeilicher Alltage2. Häufigkeit und Art der Zusammenarbeitsanlässe (z. B. Vernehmungen, Begleitung von Maßnahmen nach §100a StPO, aber auch Zusammenkünfte von Polizeibediensteten unterschiedlicher Staaten und Muttersprache) sind dabei noch keiner umfassenden statistischen Aufarbeitung zugeführt worden. Verschiedene etablierte Indikatoren lassen jedoch den Schluss zu, dass ein nicht unerheblicher Bedarf besteht, ermittlungsunterstützend Personen einzusetzen, die einer fremden Sprache (als Ausgangs- und / oder Zielsprache) und des Deutschen (als Zielsprache bzw. Ausgangssprache) kundig sind.
„Sprachmittler“ dient hier als Oberbegriff für die beiden verwandten, aber fachlich zu unterscheidenden Begriffe „Dolmetscher“ und „Übersetzer“. Zum Bedeutungsunterschied und zu dessen polizeilicher Relevanz vgl. z. B. Stichwort „Dolmetscher“, in: Möllers, Martin H. W. (Hg.): Wörterbuch der Polizei, München, 2001. In der sprachwissenschaftlichen Fachliteratur hat sich für diesen Oberbegriff die Bezeichnung „Translator“ etabliert; für viele: Snell-Hornby, Mary et al. (Hg.): Handbuch Translation, Tübingen, 21999. In den Fallen, in denen im vorliegenden Beitrag die männliche Form Verwendung findet, ist stets auch die weibliche Form mit gemeint.
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Literatur
Z. B.: Jogerst, Hans (Kripo Kehl): Der Dolmetscher und die Polizei, in: Mitteilungsblatt des Bundesverbandes der Dolmetscher und Übersetzer e.V. (MDÜ), 1/1996, S. 21–25.
„Gleichwohl sind Zuwanderer, gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil, unter den in der PKS registrierten Tatverdächtigen deutlich höher belastet.“ Aus: BMI/BMJ (Hg.): Erster Periodischer Sicherheitsbericht (Kurzfassung), Elz, 2001; vgl. Ziffer 2.11.1; www.bmi.bund.de.
Vgl. www.bundeskriminalamt.de.
Ludwig, Erwin: Vernehmungen mit Hilfe eines Dolmetschers, in: NPOL, 31/1977, S. 140–142; Lindemann, André: „Übersetzungsmaschine“ oder „Hilfspolizist”?, in:der kriminalist, 3/2001, S. 108–111.
Vgl. Sächsisches Gesetz über die öffentliche Bestellung und allgemeine Beeidigung von Dolmetschern und Übersetzern (Sächsisches Dolmetschergesetz — SächsDolmG — vom 16.06.1994).
Amnesty International: „Iran - Eight Years of Death Threats Salman Rushdie“, www.web. amnesty.org/ai.nsf/index/MDE130171997 Übersetzung vom Verfasser.
„[The] process denying to potential adversaries information about capabilities and/or intentions by identifying, controlling and protecting generally unclassified evidence of the planning and execution of sensitive activities.“ Quelle: National Security Telecommunications and Information Systems Security Committee, NSA, „National Information Systems Security (1NFOSEC) Glossary”, NSTISSI No. 4009, Ft. Meade: 5. Juni 1992, Dok.-Nr.: MD 20755–6000; vgl.: http://glossary.its.bldrdoc.gov/fs-1037/dir-025/_3695.htm.
„In einem mit kaum wiederholbaren [sic] Aufwand betriebenen ‘Pilotprojekt’ sind die Frankfurter Staatsanwaltschaft und das Bundeskriminalamt einer internationalen Geldwäsche-Organisation auf die Spur gekommen. (…) allein die Kosten für die Übersetzung der rund 170.000 Gespräche beliefen sich auf sechs Millionen Mark.“ Aus: Frankfurter Allgemeine Zeitung: Wechselstube als Umschlagplatz für Geld aus Drogengeschäften, Ausgabe vom 22.03.1997, S. 59 und 60.
Einer der Verteidiger vermerkt dazu in seinen Memoiren: „Wenn wir’s übersetzt gehabt hätten! An der russischen Übersetzung hat es gelegen. Französische, englische Übersetzungen waren rasch zu beschaffen. Wo aber wäre ein geeigneter Russe aufzutreiben gewesen, der nicht zur Delegation gehörte? Und wenn — wären gegen eine private Übersetzung Einsprüche gekommen, denn die Dolmetscher des Generalsekretärs hatten das Monopol für beglaubigte Übersetzungen. Wenn man aber das Schriftstück durch die offiziellen Dolmetscher hätte übersetzen lassen, wäre das Überraschungsmoment weggefallen…“ Aus: Koch, A.: Übersetzen und Dolmetschen im ersten Nürnberger Kriegsverbrecherprozess, in: Lebende Sprachen, Nr. 1/1992, S. 1–6.
Das Lagebild Organisierte Kriminalität 2000 nennt in seiner Auflistung von Problemfeldem bei der Bearbeitung von OK-Ermittlungsverfahren die „Gewinnung und Zuverlässigkeit von Dolmetschern“; vgl. auch www.bundeskriminalamt.de.
Jogerst, a.a.O.: „Je mehr Vorkenntnisse zum Ereignis der Dolmetscher vor seiner eigentlichen Übersetzungstätigkeit hat, um so effektiver kann er arbeiten.“ — Yesiltepeli, Sema: „Ideal wäre es natürlich, wenn der Dolmetscher `Hintergrundinformationen’ hätte…”, aus: „Dolmetscher bei der Polizeiarbeit“, in: Hessische Polizei-Rundschau (HPR), 5/2000, S. 17, 18; Ausführlich begründend und mit instruktiven Beispielen für Missverständnisse auf Grund mangelnder Information des Sprachmittlers hierzu: Gürkan, Aygün: Dolmetscher, in: kriminalist, 9/1985, S. 362–363.
„Sie [die Sprachmittler] kennen häufig die simpelsten Regeln nicht, die Grundlage einer guten Übersetzung sein müssen, weil sie keine Fachdolmetscher sind, sondern in der Regel beeidigte Laien.“ Aus: Volkmar, R.-Dieter: Kriminalistische Akustik und Telefonüberwachung (TO), in: der kriminalist, 4/97, S. 191–206.
Hierzu implizit Donk/Schröer: „So mangelt es ihnen [den Dolmetschern] in der Regel an dem entsprechenden kriminalistischen Verständnis.“ Aus: Donk, Ute/Schroer, Norbert: Kommunikationsprobleme in Vernehmungen mit ausländischen Beschuldigten, in: Ethniitat, Konflikt und Recht; Probleme von Assessment und Begutachtung in Strafverfahren mit Beteiligten ausländischer Herkunft [interdisziplinäres Symposium vom 06.02. - 08.02.1997 in Bad Homburg], MschrKrim: Sonderheft, 82/1999, S. 73–81.
S. Fn. 11.
Bevorzugt werden… in erster Linie Personen, die in einer sporadisch erscheinenden Liste der generell vereidigten Dolmetscher und Übersetzer enthalten sind.“ Aus: Kalleicher, Hermann: Dolmetscher, in: kriminalist, 4/1985, S. 167.
Nicht in allen Bundesländern haben die zuständigen Justizbehörden die Formulierung des GVG übernommen, sodass es heute bundesweit keine einheitliche Sprachregelung gibt. So unterscheidet die Justizverwaltung in Bremen beispielsweise nach Dolmetscher-bzw. Übersetzereigenschaft: vgl. die Allgemeine Verfügung des Senators für Justiz und Verfassung über die allgemeine Beeidigung von Dolmetschern und die Ermächtigung von Übersetzern für gerichtliche und notarielle Angelegenheiten vom 11. April 1995 (vorher: öffentliche Ernennung beeidigter Dolmetscher und Übersetzer vom 5. Juli 1949); zitiert nach: Schreiber, Ingrid (Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer e.V. — BDÜ): Vereidigung bzw. Beeidigung/Ermächtigung/öffentliche Bestellung — Ein Ländervergleich, in: BDÜ-Manuskript, Stand 1997.
Zur Mehrdeutigkeit des Protokollvermerks „allgemein beeidigt“ vergleiche auch BGH, Urt. v. 20.04.1982 — 1 StR 833/81 (LG Konstanz), in: NJW 48/1982, S. 2739.
„Nur muss man wissen, dass in den besagten Listen… 1. nebenberufliche Sprachkundige, 2. gerichtlich nicht-beeidigte… 4. gerichtlich allgemein beeidigte, vereidigte oder öffentlich bestellte Dolmetscher und ermächtigte Übersetzer in der Regel ohne besondere Kennzeichnung ihrer fachlichen Qualifikation friedlich nebeneinander aufgeführt sind.“: Gürkan, a.a.O., S. 365.
Vgl. Fn. 17.
Ranking nach Stoll, K. H.: Zukunftsperspektiven der Translation, in: Lebende Sprachen, 2/2000, S. 49.
Lober, Burckhardt: EU-Übersetzer und Dolmetscher in Spanien, in: MDÜ, 5–6/1999, S. 32–33.
Weigelt, Helga: Sharing Good Practice, in: MDÜ, 4–5/2002 S. 63–66.
Istomina, Irina: Wenn Laien dolmetschen, in: Deutsche Polizei, 12/2000, S. 15–18.
Soukup-Unterweger, Irmgard: Gerichtsdolmetscher-Zertifizierung in Österreich, in: MDÜ, 1/2003, S. 10–12.
Um das unscharfe Attribut „exotisch“ inhaltlich anzureichern, bietet es sich an, damit all jene Sprachen zu bezeichnen, für die in Deutschland keine staatlich anerkanntenPrüfungen bestehen, d. h. weder solche von einer (Fach-)Hochschule noch von einem sonstigen, außeruniversittiren staatlichen Prüfungsamt.
Ludwig, a.a.O.
Schreiber, a.a.O.
„Sie kamen aus Universitäten, hatten `mal political science studiert, waren fur einpaar Jahre Lehrer gewesen (…) Als ich diese research assistants in Washington engagierte, suchte ich im Prinzip immer jemanden, der in Deutschland oder Amerika geboren war, in Deutschland oder Amerika sein Abitur gemacht und in beiden Ländern irgend etwas studiert hatte, das als Grundlage fur die Beschäftigung in Nürnberg eine Rolle spielen konnte.“ Aus: Koch, a.a.O.
Grimes, Barbara G./Grimes, Joseph E. (Hg.): Languages of the World, SIL International, 14. Aufl., 2003, vgl. www. ethnologue.com; ebenso: Roth, Hans Peter: Sprachen sterben stumm, in: brückenbauer, Nr. 31, 30.7.2002, www.brueckenbauer.ch.
Liebl, Rudolf: Wiesbaden ist nicht Babylon, in: Kriminalistik, 10/1987, S. 542–544.
So hatte z. B. die Landespolizeidirektion Stuttgart II in der FAZ vom 17.08.1991 eine Stellenanzeige für einen/eine Leiter/in für den Fremdsprachendienst BAT III/I1ageschaltet, sodass dort vom Vorhandensein einer Mehrzahl von Sprachmittlern auszugehen ist.
Ludwig, a.a.O.
Gürkan, a.a.O., S. 363.
„Da die Übersetzungsarbeit während polizeilicher Vernehmungen durchaus lukrativ ist…, sind die Dolmetscher daran interessiert, die Übersetzungsarbeit bei der Polizei zu übernehmen.“ Aus: Donk, Ute/Schröer, Norbert: Die Vemehmung nichtdeutscher Beschuldigter, in: Kriminalistik, 6/1995, S. 401–405.
Beispiel Brandenburg nach Lindemann, a.a.O.
BGH, Urt. v. 21.08.1996 — 2 StR 234/96 (LG Mainz), in: NJW 47/1996, S. 3158.
So etwa: Jogerst, a.a.O.: „Im Übrigen kann bezüglich der Zuverlässigkeit und Diskretion davon ausgegangen werden, dass gerichtlich beeidigte Dolmetscher mit der Abnahme ihres Eides in den Personenkreis der „für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter“ [sic] aufgenommen werden und damit automatisch dem Verpflichtungsgesetz unterliegen.” Ebenso: Lindemann, a.a.O.
Jogerst, a.a.O.
Istomina, a.a.O.
Ludwig, a.a.O.
„Wir erhalten gelegentlich Hinweise, wonach Dolmetscher von der kriminellen Gegenseite unter Druck gesetzt werden. Die Gefahr scheint dann größer zu sein, wenn derDolmetscher derselben ethnischen Gruppe wie der Tatverdächtige angehört.“: Sielaff, W.: Ausländerkriminalität — Inzwischen fast jeder Fünfte…”, in: Kriminalistik, 12/1988, S 643.
Ludwig, a.a.O.
Yesiltepeli, a.a.O.
Vgl. Bundeskriminalblatt Nr. 126/1999, S. 4.
In Hessen waren in einem bestimmten Zeitraum 71% aller V-Personen vorbestraft. Vgl. dazu Scherp, Dirk: Die polizeiliche Zusammenarbeit mit V-Personen: Eine Untersuchung von Führungskonzepten und Motivationsstrukturen, 1992, S. 83 ff.
Daum, Ulrich: „Aktuelles zur JVEG-Reform“, MDÜ, 1/2003, S. 7–9.
Höver, Albert: Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen, Köln, 201997, S. 173.
„Unter Dolmetschen verstehen wir die Translation eines einmalig (in der Regel mündlich) dargebotenen Textes der Ausgangssprache in einem nur bedingt kontrollierbaren und infolge Zeitmangels kaum korrigierbaren Text der Zielsprache.“ Aus: Snell-Hornby, a.a.O., S. 37.
„(…) ich nenne die Arbeit bei einer TO nicht Dolmetschen, sondern Übersetzen, denn das „Gehörte“ wird nicht simultan oder konsekutiv gedolmetscht, sondern übersetzt und auf Papier gebracht (…)” Aus: Yesiltepeli, a.a.O.
Deutscher Bundestag, BT-Drucksache 14/3987 vom 14.08.2000, S. 6.
Volkmar, a.a.O.
Glagau, Monika: Umfassende Einsatzplanung von Dolmetschern, in: Oracle Business Solutions, 2/2000, S. 62, 63.
Deutscher Bundestag, BT-Drucksache 14/3987 vom 14.8.2000, S. 6.
Bundessprachenamt (Hg.): Schrift über Entstehung, Aufgaben und organisatorische Struktur des Bundessprachenamtes, Hürth, 1982.
Schneider, Ferdi: Eignungsprüfungen für Sprachmittler im Bundessprachenamt, in: Lebende Sprachen 4/1979, S. 150–153.
Vgl. Teil III Abschnitt A Unterabschnitt I Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT), sog. Fremdsprachentarifvertrag Bund.
Sielaff, a.a.O., S. 646; ebenso: Gürkan, a.a.O., S. 369.
Vgl. Fn. 32.
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Raimer, N. (2003). Sicherheit beim Einsatz von Sprachmittlern in polizeilichen Ermittlungsverfahren. In: Möllers, M.H.W., van Ooyen, R.C., Spohrer, HT. (eds) Die Polizei des Bundes in der rechtsstaatlichen pluralistischen Demokratie. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09758-7_11
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