Zusammenfassung
Die umfangreiche Mechanisierung verschiedenster Arbeitsprozesse hatte über die Veränderung von Raum und Zeit und die zwangsläufig zunehmende wissenschaftliche Problematisierung von Bewegungsphänomenen starke Einflüsse auf die Entwicklung der Kinematik. Diese Entwicklungen stellten aber gerade auch die dynamischen Reflexionen unter konzeptionellen Entwicklungsdruck, der zur Formalisierung der Kraft in Relation zu den kinematischen Größen führte.
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Referenzen
Um 1600 waren sogar klassische aristotelische Konzepte weiterhin verbreitet, und die Impetustheorie nicht allgemein anerkannt; vgl. Maier 1938, S. 23f.
Die traditionelle Begrifflichkeit der termini, des subiectum und des status viae zeigt, dass die Bewegung selbst in der Begrifflichkeit der Statik gedacht wird; vgl. Rombach Bd 1, S. 124.
Das Prinzip der virtuellen Geschwindigkeit oder virtuellen Verschiebung besagt in heutiger Ausdrucksweise, dass die Summe der durch die wirkenden Kräfte verrichteten Arbeiten Null ist. Implizit angewandt findet es sich schon in den fälschlicherweise Aristoteles zugerechneten Mechanica.
„Unter der Voraussetzung [...], daß Kraft immer auf ein Verhältnis von Last, Weg und Zeit zurückführbar ist, fehlt jedes theoretische Hindernis, durch die Proportionen zwischen Kraft, Last, Weg und Zeit zu einem Kraftmaß zu gelangen. So legt die Struktur der Maschinen fest, wie Kraft zu quantifizieren ist.“ Wolff 1978, S. 281.
Unter Absehung von Zeit kann auch die entsprechend neu interpretierte, d.h. dem Fall komplementäre, vertikale Verschiebung (potentielle Energie) modellhaft werden.
Zu den fiskalischen Problemen der italienischen Städte und dem Entstehen eines Kapitalbegriffs als Hintergrund der Geldtheorie Olivis, vgl. Wolff 1978, S. 174ff.
Wolff 1978, S. 244f.
Zur Diskussion der Frage nach der Wirkungsweise der Sakramente und ihrem Verhältnis zur Impetustheorie, wie sie bei de Marchia (ca. 1295–1344) erscheint, vgl. ebd. S. 191ff.
Ebd., S. 17.
Ebd., S. 16ff.
Vgl. Dijksterhuis 1956, S. 369.
Kälble 1997, S. 143.
Vgl. Wolff 1978, S. 214ff.
Bradwardine 1328–35.
Maier 1952, S. 200
Vgl. Maier 1952, S. 200ff; zur Zirkularität des etwas anders gelagerten Impetusbegriffs bei Oresme zwischen Impetus und velocitatio; ebd., S. 204.
Buridan: Questions on the Eight Books of the Physics of Aristotle, zit. nach Clagett 1959, S. 534f.
„Ideo videtur mihi dicendum, quod motor movendo mobile imprimit sibe quendam im-petum vel quandam vim motivam illius mobilis ad illam partem [Richtung] ad quam motor movebat ipsum, sive sursum sive deorsum sive lateraliter vel circulariter, et quanto motor movet illud mobile velocius tanto imprimet ei fortiorem impetum.“ Buridan zit. nach Maier 1951, S. 211.
Rombach erkennt hier schon Merkmale einer „neuen Form der Wissenschaftlichkeit“: „Die Bewegung wird durch die Impetuslehre aus sich selbst heraus verständlich. Man bleibt gleichsam im Phänomen. Man bleibt überhaupt im Phänomenalen und muß nicht durch die Ursachenfrage in immer weitere und unkontrollierbarere Bereiche fortschreiten.“ Rombach Bd 1, S. 133f.
„.... dictum est, quod motum esse nihil aliud est quam ipsum fieri et ipsum corrumpi, unde motus non est quando factus est, sed quando fit.“ Buridan zit. nach Maier 1951, S. 213.
„Wenn Buridan der übertragenen Kraft jede Sukzessivität bestreitet, liegt darin die Ansicht, daß die Kraft im Gegensatz zur Bewegung, die sie hervorbringt, zu einem gegebenen Zeitpunkt als ganze gegenwärtig ist. Sie kann zwar von einem Augenblick zum anderen durch gegenwirkende Ursachen in ihrer Größe vermindert oder zerstört werden. Aber solange sie existiert, ist sie ihrer jeweiligen Größe nach in jedem Augenblick im Projektil vollständig vorhanden.“ Wolff 1978, S. 219
Aus diesem Zusammenhang schließt Aristoteles bekanntermaßen auf die Unmöglichkeit des Vakuums: denn ohne den Widerstand eines Mediums würde unnatürlicherweise instan-tan eine unendliche Geschwindigkeit erreicht.
Vgl. Maier 1952, S. 187ff, 200ff. Diese reiterative Struktur findet sich schon bei der Antiperistasis: eine Bewegung führt zu einem Vakuum hinter dem bewegten Körper, das von der Luft wieder ausgefüllt wird, wobei sie den Körper erneut fortbewegt.
Zit. nach Maier 1951, S. 212. „Daraus erhellt sich auch die Ursache, warum die natürliche Abwärtsbewegung des schweren Körpers fortwährend an Schnelligkeit zunimmt; denn zuerst bewegte ihn nur die Schwere; daher bewegte sie ihn langsamer, aber durchs Bewegen imprimiert sie dem schweren Körper selbst einen Impetus, der freilich nun zusammen mit der Schwere bewegt; daher wird die Bewegung schneller, und je schneller sie wird, desto intensiver wird der Im-
petus; daher wird offensichtlich die Bewegung kontinuierlich schneller.“(Übersetzung BR); vgl. auch die Übersetzung bei Wolff 1978, S. 222.
Wolff 1978, S. 226. Wolff folgt hier Drakes Analyse des scholastischen Beschleunigungsbegriffs.
„Cardano my have been the first writer on mechanics to attempt a discussion of impact. In some propositions on percussion he multiplied weight by impetus, which he did not associate directly with velocity. Impetus, speed, force, and motion were left undefined by Cardano, and he often substituted one for another without apparent system.“ Drake/Drabkin 1969, S. 31.
Westfall 1971, S. 201.
„He considered the frame of reference of the centre of gravity to be the ultimate frame of reference for any impact; and form its point of view, nothing whatever happens. Impact is not a dynamic action. It is purely kinematic.“ Ebd., S. 155.
Ebd., S.201f.
Vgl. ebd., S. 286.
Vgl. ebd., S. 318.
Drake/Galilei 1958, S. 270.
Ebd., S. 267.
Ebd., S. 273ff.
Ebd., S.287f.
Entsprechend eng sind auch die Verbindungen des frühmodernen Atomismus mit dem Mechanismus; vgl. Freudenthal 1982.
Vgl. Galilei 1638, S. 149ff.
Vgl. Hall 1983, S. 106.
Zur Traditionalität von Galileis Verursachungskonzept vgl. auch Damerow e.a. 1992, S. 243ff.
Galileo 1638, S. 329f. Vgl. Dijksterhuis 1956, S. 399. Darüberhinaus widerspricht diese Aussage natürlich der oberen, denn entweder kann man die Wirkung eines bestimmten Gewichts an der Strecke messen, die dieses Gewicht einen Widerstand bewegt, oder dieses Gewicht bewegt diesen Widerstand prinzipiell unendlich weit.
De Gandt 1995, S. 102ff. Allerdings weist sein Verständnis des Stoßes in den Discorsi schon in diese Richtung, bei der die Umstellung auf Beschleunigung nur noch einen kleinen Schritt darstellt:„Das Moment eines Körpers beim Stosse ist zusammengesetzt aus unendlich vielen Momenten, deren jedes gleich ist dem einen, inneren, natürlichen Momente (dem Momente des eigenen absoluten Gewichtes, das der Körper stets auf seine Unterlage ausübt) und einem äusseren, heftigen, von der Bewegung abhängigen. Solche Momente wachsen an während der Zeit der Bewegung des Körpers mit gleichem Zuwachs, und erhalten sich in dem Körper gerade so weil die Geschwindigkeit eines fallenden Körpers zunimmt. Wie in den unendlich vielen Zeittheilchen der Körper durch alle Grade der Geschwindigkeit hindurch geht, indem er die einmal erlangten festhält, so verbleiben dem Körper auch die natürlich beschleunigten oder die künstlich ertheilten Bewegungen.“ Galilei 1638/1995, S. 332f.
Auch Torricelli hat das Problem, dass die Kraft eines Stoßes unendlich wird, insofern unendlich viele Momente wirken. Er löst das Problem in mathematisch kühner Weise dadurch, dass auch ein Stoß eine gewisse Zeit und damit unendlich viele Momente braucht. „The momenti, or force, accumulated through one finite period of time are dissipated through another; the force of the blow is greater than the weight of the body in proportion as the time of fall is greater than the time the blow endures.“ Westfall 1972, S. 185.
„... und so durch das momento von hundert Pfund übt es seine Schwere nicht nur jetzt, sondern immer in uniformer Weise auf die Ebene aus, die unter ihm ist; in solch einer Weise, dass es in jedem Moment der Zeit, die kontinuierlich verfließt, jeweils seine Kraft von nur hundert Pfund auf den Marmortisch ausübt.“ (Übersetzung B.R.) Tonicelli 1919, S. 6. Torricelli spricht hier von Momenten der Zeit, die kontinuierlich verfließt; in dieser widersprüchlich erscheinenden Konstruktion ist der infinitesimale Grenzübergang implizit angelegt; zu Torricellis Weiterentwicklung der Theorie der Indivisiblen und deren Transmission nach England vgl. De Gandt 1995, S. 112ff.
De Gandt 1995, S. 103.
Zur Vielsinnigkeit des Momentbegriffs vgl. Damerow e.a. 1992, S. 13.
De Gandt 1995, S. 103.
Descartes 1644, S. 48f.
Vgl. ebd., S. 49ff. Mit der linearen Bewegungserhaltung stellt sich für die Kosmologie ein Problem: wenn diese Erhaltung auch für die Himmelskörper gilt, wie bleiben sie dann auf ihren geschlossenen Bahnen; vgl. ebd. S. 86ff.
Vgl. Damerow e.a. 1992, S. 103f. Diese Unterscheidung berührt die cartesische Substanzentrennung, denn solange die ausgedehnten Welt eine konstante Kraftmenge aufweist, zumindest Menschen aber denkend ihren Körper steuern können, darf diese Steuerung keine Kraft erfordern. Descartes hatte guten Grund Einiges von seiner Theorie zu halten, denn ihm gelang mit deren Hilfe die Ableitung der Brechungsgesetze.
Westfall 1971, S. 61.
Descartes 1644, S. 44.
„... qu’il ne faut proprement de la force que pour mouuoir les cors, & non pour determiner le costé vers lequel ils se doiuent mouuoir; car cete determination ne depend pas tant de la force du moteur, que de la situation, tant de ce moteur que des autres cors circonuoyfins.“ Descartes an Mersenne 11.6.1640. Vgl Westfall 1971, S. 64.
„Descartes’ distinction denied that the two changes have anything in common, and left changes of direction in the anomalous status of changes that are not changes, changes that involve no act.“ Westfall 1971, S. 65ff.
Damerow e.a. 1992, S. 75.
Descartes 1644
Ein weiterer Aspekt der Disjunktion von relativistisch kinematischen und substantialistisch dynamischen Anteilen bei Descartes’ Stoßgesetzen zeigt sich bei der Übertragung der Stoßgesetze von der geraden Linie in weitere Dimensionen. Die Übertragung der nur auf einer Geraden bestimmten Stoßgesetze auf die im dreidimensionalen Raum und schräge stattfindenden Stöße bewerkstelligt Descartes über die Parallelogramm-Regel. Die Anwendung des Parallelogramms muss dabei aber auf die determinatio beschränkt bleiben, denn der Additionsbetrag der quanitas motus entspricht bei einer mit Hilfe des Parallelogramms durchgeführten geometrischen Addition nicht der skalaren Addition des obigen Gesetzes; Damerow e.a. 1992, S. 103ff. Newton wird dieses Problem durch die Umstellung auf eine vektorielle Addition von Kräften hinsichtlich der Dauer ihrer Wirkung lösen; s.u..
Vgl. zu diesem Zusammenhang De Gandt 1995, S. 118ff. Descartes hat ein prinzipiell diskontinuierliches Bild der bewegten Welt, wie sich in der Diskussion seines 2. Naturgesetzes zeigt: „Der Grund zu diesem Gesetz ist derselbe wie bei dem ersten [Gesetz der allgemeinen Zustandserhaltung], nämlich die Un Veränderlichkeit und Einfachheit der Wirksamkeit, mit der Gott die Bewegung in der Materie erhält. Denn er erhält die Bewegung genau in der Art, wie sie in dem Augenblick ist, wo er sie erhält, ohne Rücksicht auf die Art, die sie vielleicht vorher hatte. Und wenn auch keine Bewegung in einem Zeitpunkte (in instanti) geschieht, so ist doch offenbar jedes Bewegte in den einzelnen Zeitpunkten, die man während seiner Bewegung setzen kann, geneigt, seine Bewegung in der geraden Linie, niemals aber in einer Kurve fortzusetzen.“ Descartes 1644, S. 50f.
Zum Dimensionsbegriff bei Descartes vgl. Rombach 1965, Bd 1, S. 404ff.
Vgl. Descartes an Mersenne 12.9.1638, Westfall 1971, S. 75ff.
Leibniz 1687, S. 231.
Leibniz 1702, S. 261. Dieser Zeitbezug ist nicht von Leibniz’ Metaphysik und seiner Prädi-kantenlogik zu trennen, die etwas durch alle diesem im Laufe der Zeit zukommenden Prädikate gemäß dessen innerem Gesetz bestimmt.
Leibniz 1687, S. 231. Leibniz veranschaulicht diesen Zusammenhang durch den projektiven Charakter der Kegelschnitte, also beispielsweise die Möglichkeit, von einer Ellipse auf eine Parabel zu schließen. Diese Entsprechung zwischen dem Gegebenen und Gesuchten bezieht sich auch auf das Verhältnis physikalischer Größen untereinander; hiermit konzeptualisiert Leibniz physikalische Größen in funktional-relationaler Weise, insofern sich die einzelnen Größen nur systematisch im Verhältnis zu allen anderen bestimmen.
Descartes 1644, S. 54.
Leibniz 1687, S. 233.
Ebd., S. 236f; vgl. Westfall 1971, S. 290.
Leibniz 1689.
Leibniz 1686, S. 219.
Ebd., S. 221.
Westfall 1971, S. 289.
„Leibniz stresses again and again that even within the framework of physics itself, there is something absolute about force although motion is purely relative.“ Okruhlik 1985, S. 95.
Leibniz 1695, S. 3. „He saw force as a body’s property, a momentary state in the law of its development — the summation of the past which it embodies, the source of the future ...“ Okruhlik 1985, S. 96f.
Okruhlik 1985, S. 96f.
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Remmele, B. (2003). Das Maß der Bewegungskraft. In: Die Entstehung des Maschinenparadigmas. Reihe Theorie des sozialen und kulturellen Wandels, vol 3. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09692-4_5
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