Skip to main content

Regeln statt Revolution

Gesellschaft als Text

  • Chapter
Der soziologische Blick
  • 315 Accesses

Zusammenfassung

Emile Durkheim wird meistens als konservativer Soziologe gehandelt, zumal er selbst über seine Methode bemerkt, sie sei „konservativ“. Konservativ meint in diesem Fall: er ist ein Soziologe der Moderne und seine Theorie richtet sich gegen soziale Veränderungen. Die Revolution, wie sie fast zeitgleich Marx vorschwebte, lehnte er ab. Statt dessen spricht er sich für den Bestand von Institutionen durch Regeln und Normen aus. Sie sollen durch Sozialisation vermittelt und lebenslang vertieft werden, denn sie sind stärker als individuelles Verlangen nach Veränderung, nach Unkontrolliertheit. Dieses Subjekt, das er damit anspricht, beschäftigt ihn sein ganzes wissenschaftliches Leben lang. Es läßt ihm keine Ruhe.

Durkheim ist als Sohn und Enkel von Rabbinern im Jahre 1858 in Epinas/Vogesen geboren, er starb 1917 in Paris, wo er seit 1902 eine Professur für Pädagogik und Soziologie an der Sorbonne innehatte. Das war die erste Professur für Soziologie.

Als Kind bereits mußte er den Talmud studieren und in der Schule beste Noten aufweisen, um Stipendien für weitergehende Schulen zu erhalten, die seine Eltern nicht bezahlen konnten. Er besuchte u.a. eine Schule, die von Nonnen geleitet wurde, was wohl sein Frauenbild mitgeprägt haben mag. Schließlich bestand er als schlechtester Schüler die Aufnahme in Frankreichs Elite-Schule „Ecole Normale Superieure“. Damit war seine Karriere gesichert. Er traf hier mit bedeutenden Intellektuellen zusammen wie Jean Jaures, dem späteren Sozialistenführer, Henri Bergson, Levy-Bruhl u.a. mehr.

Was hat ihn außerdem beeinflußt, was hat er gelesen? Er setzt sich mit den frühen Soziologen wie Saint-Simon und Comte auseinander, mit Adam Smith, Spencer, Hegel, Spengler, Tönnies, Max Weber, Freud, mit Renouvier, seinem Lehrer, den er ehrfurchtsvoll als „Meister“ ansprach. Renouvier war Aristoteliker und behauptete: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile, eine Ansicht, die für Durkheim bedeutsam werden sollte. Er studierte zudem Boutroux, der ein Werk über „Die Kontingenz der Naturgesetze“ vorgelegt hatte. Bei einem Studienaufenthalt in Leipzig soll er die Schriften von Karl Marx gelesen haben.

Seine Vorbilder und Lehrer waren durchaus kritische Denker, er selbst verstand sich als „kritischer Rationalist“, obwohl ich aufzeigen will, daß seine Theorie gleichwohl mystisches, metaphysisches und mythisches Denken durchscheinen läßt. Er wollte den Naturbegriff von Descartes überwinden und über die induktive Methode Bacons hinausgehen. Seine Gesellschaftsanalyse richtet sich zwar gegen den Mythos, er schafft indessen selbst einen Mythos Gesellschaft. Seine Vorbilder waren, wie schon erwähnt, Wissenschaftler, Männer. Gesellschaftstheorien von Frauen nimmt er, ganz zeitgemäß, nicht zur Kenntnis. Zu nennen sind u.a. für Frankreich: Christine de Pizan, Olympe de Gouges oder Madame de Staël.

1887 hält er seine erste Vorlesung in Bordeaux, mit der er zum Begründer der Soziologie avanciert. Soziologie konstituiert er durch Abgrenzung von der Ökonomie, der Psychologie, Philosophie und dem Recht.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 44.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 59.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

Literatur

  • Bourdieu, Pierre: Zur Soziologie der symbolischen Formen, Frankfurt a.M. 1974

    Google Scholar 

  • Breuer, Stefan: Die Gesellschaft des Verschwindens. Von der Selbstauflösung der technischen Zivilisation, Hamburg 1992

    Google Scholar 

  • Butler, Judith: Das Unbehagen der Geschlechter, Frankfurt a.M. 1991

    Google Scholar 

  • Cramer, Friedrich: Das Chaos der Künste und die Ordnung der Zeit, Frankfurt a.M. 1993

    Google Scholar 

  • Douglas, Mary: Wie Institutionen denken, Frankfurt a.M. 1991

    Google Scholar 

  • Fleck, Ludwik: Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv, Frankfurt a.M. 1980 Foucault, Michel: Von der Subversion des Wissens, München 1974

    Google Scholar 

  • Hofmann, Inge: Bürgerliches Denken. Zur Soziologie Emilie Durkheims, Frankfurt a.M. 1973

    Google Scholar 

  • Horkheimer, Max/Adorno Theodor W.: Dialektik der Aufklärung, Frankfurt a.M. 1973

    Google Scholar 

  • Leclerc, Gerard: Anthropologie und Kolonialismus, Frankfurt a.M. 1976

    Google Scholar 

  • Lyotard, Jean François: Das postmoderne Wissen, Graz/Wien 1986

    Google Scholar 

  • Simmel, Georg: Das Individuum und die Freiheit, Berlin 1984

    Google Scholar 

Die Hauptwerke Emile Durkheims

  • Über die Teilung der sozialen Arbeit (1893), Frankfurt a.M. 1977

    Google Scholar 

  • Die Regeln der soziologischen Methode (1895) (Hg.: René König), Neuwied und Berlin 1970“

    Google Scholar 

  • Der Selbstmord (1897), Neuwied und Berlin 1973

    Google Scholar 

  • Die elementaren Formen religiösen Lebens (1912), Frankfurt a.M. 1984

    Google Scholar 

  • Soziologie und Philosophie (1924), Frankfurt a.M. 1967

    Google Scholar 

  • Frühe Schriften zur Begründung der Sozialwissenschaften (Hg.: Lore Heisterberg), Darmstadt und Neuwied 1981

    Google Scholar 

  • Schriften zur Soziologie der Erkenntnis, (Hg. Hans Joas ), Frankfurt a.M. 1987

    Google Scholar 

Wichtige Sekundärliteratur zu Emile Durkheim

  • Adorno, Theodor W.: Einleitung, in: Durkheim, Soziologie und Philosophie, Frankfurt a.M. 1967, S. 7–45

    Google Scholar 

  • Dörner, Klaus: Einleitung, in: Durkheim: Der Selbstmord, Neuwied und Berlin 1973, S. IX-XVII

    Google Scholar 

  • Heisterberg, Lore: Einleitung: Durkheims Weg zu einer echten Wissenschaft von der Gesellschaft, in: Durkheim: Frühe Schriften zur Begründung der Sozialwissenschaft, Darmstadt und Neuwied 1981, S. 11–25

    Google Scholar 

  • Hofmann, Inge: Bürgerliches Denken. Zur Soziologie Emilie Durkheims, Frankfurt a.M. 1973

    Google Scholar 

  • Joas, Hans: Durkheim und der Pragmatismus. Bewußtseinspsychologie und die soziale Konstitution der Kategorien, in: Durkheim: Schriften zur Soziologie der Erkenntnis, Frankfurt a.M. 1987, S. 257–289

    Google Scholar 

  • König, René: Einleitung, in: Durkheim: Die Regeln der soziologischen Methode, Neuwied und Berlin 19703’, S. 21–83

    Google Scholar 

  • Luhmann, Niklas: Arbeitsteilung und Moral. Durkheims Theorie. in: Durkheim, Über die Teilung der sozialen Arbeit. Frankfurt 1977, S. 17–39

    Google Scholar 

Download references

Authors

Editor information

Editors and Affiliations

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2002 Springer Fachmedien Wiesbaden

About this chapter

Cite this chapter

Modelmog, I. (2002). Regeln statt Revolution. In: Der soziologische Blick. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09629-0_6

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-09629-0_6

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-8100-3281-2

  • Online ISBN: 978-3-663-09629-0

  • eBook Packages: Springer Book Archive

Publish with us

Policies and ethics