Zusammenfassung
Die Diskussion um den Begriff der Ähnlichkeit ist sehr häufig eingebettet in eine umfassendere Diskussion der Frage wie Bilder repräsentieren. Natürlich gibt es speziellere Diskussionen um den Begriff „Ähnlichkeit“, so etwa Goodman (1968, 1970), aber auch diese haben ihren Ursprung zumeist in der Frage, ob Ähnlichkeit eine notwendige oder gar hinreichende Bedingung für das Repräsentieren von Bildern ist. Daß die Frage „Wie repräsentieren Bilder?“ sich mit einem Hinweis auf eine wie auch immer geartete Ähnlichkeit zwischen Bild und Abgebildetem beantworten lasse, ist hierbei die Behauptung der Anhänger einer Ähnlichkeitstheorie. Diese sogenannte klassische Ansicht wurde allerdings schon von Platon und Descartes stark kritisiert (Platon Sophistes: 235d–236c, Staat: Buch X; Descartes 1637, 1954: 89), und ihr stärkster und sicherlich bekanntester Opponent in unserer Zeit ist Nelson Goodman. Aber obwohl mit der Zeit in der wissenschaftlich-philosophischen Diskussion viele und z.T. sehr starke Argumente gegen die Ähnlichkeitstheorie vorgebracht wurden, hat sie im Alltagsleben nichts von ihrer Anziehungskraft und intuitiven Plausibilität verloren. Sie ist auch heute noch die Ansicht des „kleinen Mannes auf der Straße“. Ein Bild des Kölner Doms zeigt den Kölner Dom, weil es so aussieht wie eben diese Kirche in der Nähe des Kölner Hauptbahnhofs; und das Bild in meinem Personalausweis ist ein Bild von mir, weil es mir ähnlich sieht. Sähe es mir nicht ähnlich, würde dies bei einer Paßkontrolle wohl lange Diskussionen nach sich ziehen.
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Literatur
Auch Nelson Goodman stellt übrigens in einem seiner späten Werke fest, daß er niemals eine Definition von Bild oder bildhaftem Darstellen gegeben hat (Goodman/Elgin 1988: 123).
Es kann in einer solchen Untersuchung nicht um die Frage gehen, ob ein Bild seine Betrachter täuscht. Denn gerade in diesem Fall wäre das Anliegen der Repräsentation, nämlich die Stellvertretung mißlungen (siehe u.a. Scholz 1991: 51 ).
Lopes (1996: 7) verwendet den Begriff „demotic pictures“, der genau dies meint. Jedoch besäße die entsprechende deutsche Übersetzung in „demotische Bilder” oder „volkstümliche Bilder“ unerwünschte, weil irreführende Konnotationen.
Dies darf jedoch nicht streng im mathematischen Sinne verstanden werden. Kongruenz i.m.S. bezieht sich nur auf Objekte gleicher Dimension, z.B. geometrische Figuren in der Ebene. Eine Kongruenzabbildung ist eine Bewegung, die zwei Figuren aufeinander abbildet. Zwei Figuren heißen perspektiv-ähnlich, wenn sie durch eine zentrische Steckung aufeinander abgebildet werden können. Zwei Figuren heißen ähnlich, wenn sie durch eine Ähnlichkeitsabbildung, d.h. durch die Komposition einer zentrischen Streckung mit einer Kongruenzabbildung aufeinander abgebildet werden können (Reinhardt/Soeder 1974 19866: 157). dass sie nach den Regeln der Perspektive Kreise besser als Ovale als wieder durch Kreise, Quadrate durch Rechtecke als wieder durch Quadrate wiedergeben. Ebenso geht es mit allen anderen Figuren. So dürfen oft Bilder, um in ihrer Eigenschaft als Bilder vollkommen zu sein und die Gegenstände besser darzustellen, diesen häufig gerade nicht gleichen. (Descartes 1637, 1954: 89 )
Vielleicht hilft es sich eine Figur vorzustellen, die sich zuerst auf dem Boden befindet und dann langsam nach oben steigt. Während dieses Aufstiegs wird dafür gesorgt (dank pneumatischer Plastologie), daß die entsprechenden Teile immer weiter unter denselben Winkeln gesehen werden. So ergeben sich die korrekten Verzerrungen.
Die Retina befindet sich lotrecht zur Sehlinie und man kann, zumindest an dieser Stelle, davon ausgehen, daß die Stelle des schärfsten Sehens — die Fovea — eben ist. Daher hat die Stelle, die auf der Retina durch das Lichtmuster der Münze erregt wird, eine elliptische Form.
Weitere Erklärungen gibt Hyman allerdings in seiner Arbeit „Bilder betrachten.“ (1998).
Hier handelt es sich natürlich nicht nur um syntaktische Regeln im eigentlichen Sinne, da sonst Kategorienfehler wie in „Caesar ist eine Primzahl.“ nicht vermieden werden können.
Das trifft nicht nur auf Menschen zu, sondern auch auf Tiere, wie ja der Erfolg von Umrißzeichnungen auf großen Fensterscheiben beweist. Hier reichen schon die Umrisse von Raubvögeln aus, um andere Vögel abzuschrecken.
I impose the following constraint an an adequate theory of depiction. Such a theory must explain the full range of pictorial styles and types, not just the Albertian pictures that some consider to be the epitome of picturing. (Lopes 1996: 32)
Würden wir also nach dem Wesen von Strafe gefragt, oder nach dem Wesen der Revolution, oder nach dem Wesen des Wissens, oder des kulturellen Verfalls, oder des Sinnes für Musik, — so würden wir nun nicht versuchen, ein Gemeinsames aller Fälle anzugeben, — das, was sie alle eigentlich sind, — also ein Ideal, das in ihnen allen enthalten ist; sondern statt dessen Beispiele, gleichsam Zentren der Variation. […] So geht es uns mit vielen Begriffen — zum Beispiel dem des Bildes, der Abbildung—: denken wir über sie nach, so denken wir zuerst an den Teil ihrer Ausdehnung, in dem wir, man könnte sagen, zu Hause sind. Von dort zieht es uns in die Weite, und wir werden nicht mehr gewahr, daß sich alles nun nach und nach gänzlich geändert hat. Und zu sagen: im Grunde ist es ja immer dasselbe, — heißt jetzt vielleicht nur mehr: von dort komme ich her, auf diesen Zustand will ich alles beziehen. (Wittgenstein 1969 1980: 190f)
Und wenn es sie geben sollte, erfaßt sie mit Sicherheit nicht das Wesen des Begriffs. Selbst wenn es eine Wesensdefinition für die Begriffe „Tasse“ bzw. „Becher” geben sollte, wäre es vermutlich nicht diese Definition, die unsere Kategorisierung und unsere sprachliche Verwendung dieser Begriffe leitet.
Und das Ergebnis unserer Betrachtung lautet nun: Wir sehen ein kompliziertes Netz von Ähnlichkeiten, die einander übergreifen und kreuzen. Ähnlichkeiten im Großen und Kleinen. Ich kann diese Ähnlichkeiten nicht besser charakterisieren als durch das Wort „Familienähnlichkeiten“ […1 Und ich werde sagen: die Spiele bilden eine Familie. (Wittgenstein 1953 1980: §§ 66, 6?)
Die Familienähnlichkeit eines Objekts wird durch die mittlere Anzahl seiner Merkmale bestimmt, die es gemeinsam mit anderen Familienmitgliedern hat, gewichtet durch die Auftrittshäufigkeit der jeweiligen Merkmale in der Familie. (Hoffmann 1986: 43)
Baldness is a vague conception; some men are certainly bald, some are certainly not bald, while between them there are men of whom it is not true to say they must be either bald or not bold.
The law of the excluded middle is true when precis symbols are employed, but it is not true when symbols are vague, as, in fact, all symbols are. E…]
All traditional logic habitually assumes that precis symbols are being employed. It is therefore not applicable to this terrestrial life, but only to an imagined celestial existence. (Russell 1923 1988: 148, 151 )
Dies hat schon ¥ukasiewicz gezeigt. Allerdings hat er die Grundoperatoren anders definiert. Bei den von mir verwendeten Definitionen verliert man das tertium non datur.
Since all non-logical words have this kind of vagueness, it follows that the conceptions of truth and falsehood, as applied to propositions composed of or containing non-logical words, are themselves more or less vague.“ (Russell 1923 1988: 151)
Natürlich gibt es auch hier eine kontroverse Diskussion, ob die Fuzzy-Theorie wirklich geeignet ist, die Ergebnisse der Prototypentheorie zu modellieren (z.B. Osherson, Smith 1981; Jones 1982; Zadeh 1982; MacNeill, Freiberger 1993 ). Diese Diskussionen bewegen sich aber im Bereich der kognitiven Psychologie und damit außerhalb der Grenzen dieser Arbeit. Sehr wohl ist mir bewußt, daß gerade an dieser Stelle ein interdisziplinäre Zusammenarbeit mehr als wünschenswert ist.
Für einen Borg z.B. sind 24° C noch ziemlich kalt.
Oder eines guten? Der Maler Max Liebermann formulierte es kurz und trocken: „Een Wort und ick mal se ähnlich.“
Ich verlasse an dieser Stelle den Begriff der repräsentationsunabhängigen Ähnlichkeit, da nun vorausgesetzt wird, daß das Denotat des Bildes schon bekant ist. Dennoch stimme ich Goodman (1968) eben nicht zu, daß dies immer der Fall ist. Denotation ist nicht der Kern der Abbildung.
Beide Bilder bauen sich aus Formen auf, die realen Objekten entnommen sind, aber nicht in deren natürlichem Zusammenhang bewahrt bleiben, weder als Objekte für sich noch als Dinge im Raum. Es erfolgt gleichsam ein Zerlegen in zahllose kleine Flächen, woraus sich eine Ambivalenz der Formen ergibt, die sich sowohl diesem als jenem zuordnen und je nach Blickeinstellung als vom oder hinten befindlich gesehen werden können. Raum und Gegenstand durchdringen einander, spalten sich dabei und fügen sich neu zusammen.
Sie [Picasso und Braque] schufen eine Grammatik der Formen, deren sich die Künstler als Gerüst ihrer je eigenen Sprache bedienen konnten, mit der sie dann verschiedensten Aussagen zu machen imstande waren. (Baumgart 1972: 3121)
Der Einwand gegen die Behauptung, einige Gemälde seien ihren Sujets ähnlich, ist nicht der, daß sie es nicht sind, sondern daß so wenig damit gesagt ist, wenn nur dies gesagt wird. (Black 1972 1977: 141)
Eine theoretische Modellierung einer nicht-symmetrischen Ähnlichkeitsbeziehung, d.h. partiell symmetrisch und partiell asymmetrisch, steht allerdings noch aus.
Die Fuzzy-Theorie trägt dem Rechnung, indem sie zwischen „similarity“ und „resemblance” unterscheidet (z.B. Lin, Lee 1996: 49). Nur „similarity“ ist transitiv.
Die in Betracht gezogenen Kriterien — und vielleicht noch weitere, die wir übersehen haben — bilden einen Schwarm, und keines von ihnen ist für sich genommen notwendig oder hinreichend; aber jedes ist in dem Sinne relevant, daß es potentiell zur richtigen Anwendung des Begriffs der Abbildung beiträgt. (Black 1972 1977: 146)
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Rehkämper, K. (2002). Der Begriff Ähnlichkeit: Ein Versuch. In: Bilder, Ähnlichkeit und Perspektive. Bildwissenschaft, vol 9. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09414-2_6
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Publisher Name: Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden
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