Zusammenfassung
Was lässt sich beim heutigen Forschungsstand über den Zusammenhang dieser Trennungen und der Stabilität in späteren Ehen aussagen? Aus einer Reihe von Untersuchungen ist bekannt, dass Personen in einer zweiten Ehe ein höheres Scheidungsrisiko aufweisen als die Personen in der ersten Ehe (Klein 1992a; Heekerens 1988). Klein (1992a) führt diesen Umstand auf einen Selektionseffekt zurück. Die Trennung der ersten Ehe schafft eine Gruppe von Personen, deren Sozialprofil instabile Ehen begünstigt, d.h. häufiger konfessionslose Personen, erwerbstätige Frauen, Personen mit Kindern aus früheren Partnerschaften etc. Andere Untersuchungen führen das höhere Scheidungsrisiko in zweiter Ehe auf geringere psychische und soziale Barrieren gegen eine Trennung zurück (Heekerens 1988). Das Gebot der Unauflöslichkeit der Ehe verliert bei der ersten Scheidung an normativer Gültigkeit. Diese Argumentation verweist auf einen Sozialisationseffekt und nicht auf einen Selektionseffekt. Die Erfahrung Geschiedener mit den emotionalen und finanziellen Trennungskosten reduziert die Ängste vor dem Aufwand und den Folgen einer zweiten Scheidung. Diese beiden Argumentationslinien bilden keinen Widerspruch, sie ergänzen sich. Ohne Zweifel werden im Laufe einer Scheidung Erfahrungen gesammelt, die im zukünftigen Privatleben Entscheidungen beeinflussen. Ebenso steht außer Frage, dass in einer zweiten Ehe mindestens ein Partner dauerhafte Merkmale einer erhöhten Trennungsneigung in die Partnerschaft bringt. Es stellt sich die Frage, ob bereits voreheliche Trennungen die Norm der Unauflöslichkeit der Ehe mildern und ob sie ein Selektionsfilter für Menschen mit höherer Trennungsneigung sind.
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Literatur
Männer und Frauen dieser Stichprobe bilden keine Paare. Insgesamt haben sich 26,8% der Frauen und 18,6% der Männer scheiden lassen.
Im Anteil von 3,8% sind überproportional langfristige voreheliche Beziehungen außerhalb eines gemeinsamen Haushaltes enthalten. Der Monatsdurchschnitt dieser Partnerschaften liegt bei 56. Kurze Beziehungen wurden, weil subjektiv unbedeutend, nur selten berichtet.
Für Diekmann et al. (1995) gilt dieses Phänomen allerdings nur bei Söhnen, wogegen Hullen (1998) Söhnen und noch stärker den Töchtern geschiedener Eltern ein erhöhtes Risiko attestiert.
Die Konfessionszugehörigkeit hat in multivariaten Analysen dieser Stichprobe keinen signifikanten Effekt auf das Scheidungsrisiko.
Zur ersten Ausprägung „nie“ gesellen sich die konfessionslosen Personen, die nicht nach ihren Kirchenbesuchen befragt wurden. Dazwischen stehen die Kategorien „ein-bis dreimal im Monat”, „mehrmals im Jahr“ und „seltener”.
Die Rolle eines Hausmannes wird in dieser Stichprobe äußerst selten angenommen.
Genaue Aussagen über die Erwerbstätigkeit der Partnerin dieser Männer sind leider nicht möglich, da im Erhebungsjahr 1985 in 113 von 325 Scheidungsfällen keine Angabe zum Erwerb der Partnerin erhoben wurde.
Die erhöhte weibliche Erwerbsquote entwickelt in diesem Prozess eine Eigendynamik. Sie verstärkt erstens direkt die Scheidungsneigung, weil der eigene Verdienst die Gelegenheiten zur Scheidung verbessert. Zweitens übt die Wahrnehmung der gestiegenen Instabilität von Ehen einen Druck auf alle Frauen aus, eine eigene finanzielle Sicherheit zu schaffen (Beck et al. 1999; Diekmann 1994). Dies führt zu stärkeren Arbeitsmarktaktivitäten der Frauen und daraus resultiert wiederum eine höhere Scheidungsquote. Diekmann (1994) spricht in diesem Zusammenhang von einer Scheidungsspirale.
Wie beschrieben liegt der Median des Heiratsalters bei Studenten weit über dem Median der Nichtstudenten.
In der Regel mindert sich der Nutzen für den Mann, weil die Kinder den Müttern zugesprochen werden.
Die Standardabweichung des Zeitpunkts der ersten Eheschließung beträgt 5,2 Jahre.
Zur weiteren Diskussion sind zwei Beiträge von Brüderl et al. (1999) und Niephaus (1999) erschienen.
Die Kategorie „Fleiß“ als Erfolgsfaktor sollten die Befragten auf einer Skala von 0 (spielt keine Rolle) bis 5 (spielt eine große Rolle) einordnen. „Fleiß, Glück, Herkunftsfamilie und Begabung spielen eine mehr oder minder große Rolle, um im Leben Erfolg zu haben. Bitte sagen Sie mir zu jedem dieser 4 Faktoren auf einer Skala von 0 bis 5, wie groß seine Rolle bei Ihnen ist.” Den eigenen Erfolg konnte man mehreren Personen (Eltern, Verwandte, Bekannten) oder sich selbst allein verdanken. „Glauben Sie, dass es außer Ihnen selbst noch Personen gibt, denen Sie das, was Sie heute erreicht haben, in erster Linie zu verdanken haben?“
Die negative Richtung der Effekte ist durch ein (-1) hinter dem Effekt gekennzeichnet. Dies hat den Vorteil, dass die Beträge der Effekte vergleichbar sind. Die Signifikanz-sterne werden nur an die unstandardisierten Effekte gesetzt, sie gelten aber auch für die standardisierten.
Auch andere Konzepte von religiöser Bindung, die den Charakter der Sozialisation in der Schule hervorheben, sind mit dem Datensatz konstruierbar. Die Studie gibt Auskunft über die Beliebtheit des Schulfaches „Religion“ im 10. Schuljahr und über eine konfessionelle Trägerschaft der Gymnasien. Die Effekte beider Konzepte sind in multivariaten Analysen geschätzt worden und sind nicht signifikant.
Die Konfessionslosigkeit versteckt sich in der Variable der Kirchgangshäufigkeit.
Andere Konzepte von Erfolgsstreben und Zielverfolgung sind mit dem Datensatz möglich, zeigen in den Analysen aber keine signifikanten Effekte auf die Ehestabilität, z.B. Brandtstädters (1997) Aspekt der „hartnäckigen Zielverfolgung vs. flexibler Zielgestaltung“.
Dieser Effekt hat seine Ursache in der Persönlichkeit und weniger in der Erwerbstätigkeit der Frauen. Die Erfolgsattribuierung und der Erwerb vor der Scheidung korrelieren äußerst schwach (r = 0,05).
Die voreheliche Partnerschaft im gemeinsamen Haushalt und in getrennten Haushalten korrelieren positiv mit der Elternschaft vor der Eheschließung (r = 0.16) und negativ mit dem Kirchgang (r = -14).
Beides, die niedrige Erklärungskraft in vielen Cox-Regressionen und der Verzicht auf eine Angabe in einer Reihe von Untersuchungen, schwächt die Qualität der Wissenschaft und sollte noch einmal genauer hinterfragt werden.
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Hellwig, J.O. (2001). Die kleine Scheidung. In: Meulemann, H., Birkelbach, K., Hellwig, JO. (eds) Ankunft im Erwachsenenleben. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09269-8_6
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