Zusammenfassung
Die Auffassung menschlicher Subjektivität bei Hermann Hesse und Nikos Kazantzakis, so wie sie sich in ihren literarischen Figuren ausprägt (vgl. Kap. C), gestaltet sich hauptsächlich durch die Gegenüberstellung von Ich und Anderem, Fremdem. Die Analysen der Konstellation und der Topologie der Werke haben ergeben, daß diese Relation konstitutiv für die Identität des Subjekts ist. Diese wird immer als eine Differenz erfahren, die nicht nur vorwiegend räumlich real1 anzusiedeln ist, sondern eher räumlich imaginär in der antithetischen Beziehung zwischen „Innen“ und „Außen“. Die Aussage Zimas über G. Lukács und L. Goldmann kann demzufolge ohne weitere Problematisierung auf Hesse und Kazantzakis übertragen werden: „Beide Autoren sehen in der tiefen Kluft, die den Romanhelden von seiner Umwelt trennt, einen Beweis für den ‚inauthentischen‘ Charakter der [...] Realität und die Vereinsamumg des Individuums [...]. In Lukács’ Augen stellt sich die Individuation im Roman als eine Folge dieser Kluft zwischen dem individuellen Subjekt und der Wirklichkeit dar: ‚Das epische Inividuum, der Held des Romans entsteht aus dieser Fremdheit zur Außenwelt.‘“2
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Literatur
vgl. darüber Schäffter, Ortfried: Modi des Fremderlebens, a.a.O., S. 11–42. Schäffter meint darüber: “Fremdheit stellt sich uns daher immer seltener als eine ausschließlich räumlich erfahrbare Spannung dar.” (S. 11.)
Zima, P.: Roman und Ideologie, a.a.O., S. 33 f.
Zima nennt das Phänomen die “Flucht ins extrem Singuläre”. (ibid. S. 50.)
so in: Meyers Kleines Lexikon der Philosophie, mit einem Essay von Prof. Dr. Kuno Lorenz, Bibliographisches Institut, Mannheim, Wien, Zürich 1987.
Aus dem - in der deutschen Übersetzung nicht mitberücksichtigten - Prolog: im griechischen Original auf S. 10. (Übersetzung: W. Benning, in: Benning/Petropoulou, a.a.O. S. 526.)
Über die Beziehungen der Autoren zu Hegels Philosophie s. Benning/Petropoulou, a.a.O., S. 539 f. und 560. Hesse unterstellt sogar Marx, dieser habe sich bei Hegel “einen Ekel am sich selbst darstellenden und sich selbst genießenden Geist […] geholt. ” So heißt es in dem kurzen Aufsatz Karl Marx von 1932, S. 292.
vgl. Das Glasperlenspiel, S. 103. (s. Benning/Petropoulou, a.a.O., S. 560.)
Hegel, G. W.F.: Phänomenologie des Geistes, Reclam Verlag, Stuttgart 1987, S. 145.
Siddhartha, S. 447; Darüberhinaus muß an diesem Punkt noch erwähnt werden, daß Siddhartha sich bei den Kindermenschen von Kamala belehren läßt. Seine Beziehung zu Kamala bildet aber eine Thematik, die es im folgenden unter einer anderen Kategorie zu untersuchen gilt.
Aus dem griechischen Vorwort, gr. Originalfassung, S. B. (Übersetzung von der Autorin)
Die Schüler-Meister-Beziehung zwischen ihm und Sorbas erwähnt Kazantzakis selbst im –in der deutschen Übersetzung nicht enthaltenen- Vorwort des Buches, indem er Sorbas als eine der vier fir ihn wichtigsten Mentor-Figuren feiert. (Gr. Original, Vorwort, S. 7–8.)
ibid. griechische Originalfassung, S. 10. (Übersetzung von der Autorin)
s. Benning/Petropoulou, Anmerkung 42 auf S. 533. Das wirft natürlich die Frage auf, wie der Autor (nicht der Erzähler) sich selbst als “Tintenkleckser und Wortfeldherr” in der Perspektivik des Romans situiert. (Zur Problematik s. Rosenthal-Kamarinea, Isidora: Bemerkungen zur Typologie von Mann und Frau bei Nikos Kazantzakis, in: Hellenika (Jahrbuch), 1983, S. 29–40, S. 35.
Böhme, Gernot: Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. Darmstädter Vorlesungen, Suhrkamp Verlag, Frankfurt 1985, S. 85 (aus der 5. Vorlesung: “Geschlechtlichkeit”). Vgl. auch die Tabelle auf S. 84. (Hervorhebungen von der Autorin)
Kimmerle, Heinz: Derrida, 3. überarb. und erw. Auflage, Junius Verlag, Hamburg 1992 [Reihe: Zur Einführung], S. 71, vgl. Hegel, Phänomenologie des Geistes, a.a.O., S. 321 ff.
Freiheit oder Tod, S. 128. In demselben theoretischen Rahmen behandelt Kazantzakis auch die Beziehung von Frosaki zu Thodoris und in Sorbas die Beziehung zwischen Sorbas und den Frauen allgemein (s. Kap. VII. S. 96–104) und zu Madame Hortense speziell, sowie das Verhältnis der Witwe zu den Männern des Dorfes und vice versa. Sorbas geht sogar so weit, zu bezweifeln, ob die Frau überhaupt ein menschliches Wesen ist. (s. S. 175.)
s. Benning/Petropoulou, a.a.O., S. 548 ff. sowie S. 554 ff
Die Differenz Sexualität (Lust bzw. Verbotenes) - Ehe (Reinheit bzw. Gesetzmäßigkeit) zeigt sich am deutlichsten in der Gegenüberstellung von Eminé und Frau Katerina in “Freiheit oder Tod”; Eminé wird durch eine doppelte Zugehörigkeit im Territorium des Außen (Anderen) charakterisiert: 1. des geschlechtlichen und 2. des rassischen.
Zum Thema “Frauenbild” und zu seiner Entwicklung s. Karstedt, Klaudia: Die Entwicklung des Frauenbildes bei Hermann Hesse, Peter Lang Verlag, Frankfurt a.M., Bern, New York 1983. (Berliner Beiträge zur neueren dt. Literaturgeschichte; Bd. 3) Karstedt behandelt das Thema aus psychoanalytischer Sicht. ton Karstedt vertritt dieselbe Ansicht: sie kritisiert die Nicht-Beachtung des Individuellen; Hesse behandelt das Weibliche - so Karstedt - allgemein aus psychoanalytischer Perspektive, soweit es sich als Spiegelbild des Männlichen erweist oder seine Relation zum Männlichen beweisen kann. Karstedt stellt fest, daß meistens der Frau die Eigenständigkeit abgesprochen wird. “Die Rolle der Frau ist somit immer nur in Verbindung mit dem Urmütterlichen zu sehen, und sie darf nur die Rolle spielen, die ihr vom Mann zugewiesen wird.” (s. S. 275 f.)
vgl. Karstedt, K.: Die Entwicklung…, a.a.O., S. 275
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Petropoulou, P. (1997). Die semantischen Achsen der Subjektkonstitution. In: Die Subjektkonstitution im europäischen Roman der Moderne. Literaturwissenschaft. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09162-2_6
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