Zusammenfassung
Will man die Berichterstattung über Philosophie sinnvoll strukturieren, muss man sich zunächst zwei Dinge vergegenwärtigen. Nämlich wie es bestimmte Themen überhaupt schaffen, in die Medien zu gelangen, und wie Medien mit Themen umgehen, die eine tendenziell schwierige Struktur aufweisen (und das ist für die Philosophie zweifelsfrei der Fall). Deshalb werden hier zwei theoretische Analysen vorgenommen. Zum einen werden schlaglichtartig die Erkenntnisse der Selektionsforschung zusammengetragen, die Aufschluss über die Auswahlkriterien von Medien geben (vgl. Abschnitt 3.1). Dieser Überblick belegt, dass die Selektionsforschung überwiegend unterstellt, Auswahlkriterien seien konstante Größen der journalistischen Arbeit.
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Referenzen
In der Nachrichtenforschung geht es nicht ausschließlich um Nachrichten, sondern i. d. R. um politische Berichterstattung. Die Nachrichtenforschung wird aber auch zur Strukturierung diverser anderer Themen verwendet.
Wenn man so will, handelt es sich nur um einen graduellen Unterschied zur Gatekeeper-Forschung, der noch keine politischen oder ideologischen Gründe für die Nachrichtenauswahl benennt, sondern eher weitläufig von „persönlichen Vorlieben“ und „institutionellen Vorgaben“ spricht.
Östgaard (1965) meint, dass die Nachrichten die Welt in unvollkommener und tendenziöser Weise abbilden. Er stellt die Hypothese auf, dass die Bedeutung einzelner Handlungsträger (besonders politischer Führer von Elite-Nationen) übertrieben und somit deren Bedeutung verstärkt werde. Ferner spekuliert er, dass die Welt durch die Nachrichten konflikthafter dargestellt werde als sie tatsächlich sei und in den Nachrichten die Effektivität von gewaltsamen Konfliktlösungen betont werde. Außerdem bestehe die Tendenz, die Staaten der Welt in solche mit hohem und andere mit niedrigem Status aufzuteilen — und zwar in stärkerem Maße als es die Wirklichkeit vorgibt.
Galtung und Ruge bleiben den Beleg ihrer Befunde der „common-sense perception psychology“ schuldig. Eine knappe und verständliche Zusammenfassung der Wahrnehmungspsychologie findet sich bei Mietzel (1987). Exakte Ableitungen sind die Thesen natürlich nicht; die psychologischen Befunde dienen lediglich als Basis.
Dies sind Frequenz, Aufmerksamkeitsschwelle, Eindeutigkeit, Bedeutsamkeit (kulturelle Nähe, Relevanz), Konsonanz (Erwartbarkeit, Wünschbarkeit), Überraschung (Unvorhersehbarkeit, Seltenheit, Kuriosität), Kontinuität und Variation als interkulturell gültige Faktoren und Bezug zu einer Elite-Nation, Bezug zu einer Elite-Person, Personalisierung sowie Negativismus als Faktoren, die für westliche Kulturnationen gelten.
Diese Dimensionen sind Zeit, Nähe, Status, Dynamik, Valenz und Identifikation.
Für Schulz ist Komplexität eher ein Darstellungs- denn ein Ereignismerkmal (vgl. Schulz, 1976, S. 116).
Bei diesem Ansatz muss der Ereignisbegriff als theoretische Voraussetzung subjektiv sein. Würde ein Kongruenzverhältnis von Ereignissen und Beiträgen angenommen, wäre die Instrumentalisierung von Nachrichtenfaktoren unmöglich.
Das heißt, unterschiedliche Faktoren haben unterschiedlich starken Einfluss auf die Platzierung und den Umfang eines Artikels. Kepplinger und Bastian verstehen den spezifischen Nachrichtenwert eines Nachrichtenfaktors als eigenständige unabhängige Variable mit Einfluss auf den Umfang der Berichterstattung neben den ereignis- bzw. beitragsimmanenten Nachrichtenfaktoren. Sie schlagen vor, Nachrichtenwerte einzelner Faktoren in experimentellen Versuchsanordnungen zu untersuchen.
Vgl. die gesamtdeutsche Journalistenenquete von Schneider, Schönbach und Stürzebecher (1993).
Siehe hierzu auch das Phasenmodell der öffentlichen Thematisierung von Mathes und Pfetsch (1991); demnach durchlaufen publizistische Konflikte und öffentliche Krisen in der Regel drei Phasen: eine Latenzphase, in der die Thematik nur in kleineren Kreisen behandelt wird; eine Etablierungsphase, in der das Thema größere öffentliche Beachtung erfährt, und schließlich eine Kulminierungsphase, in der die Berichterstattung drastisch zunimmt. Schließlich verschwinden die Themen dann (unabhängig davon ob, das behandelte Problem gelöst wurde).
Die Etablierung systemtheoretischer Ansätze in der Kommunikationsforschung (z. B. Görke, 1999; Kohring, 1997; Marcinkowski, 1993; Rühl, 1980) kann auch als ein Hinweis für eine konstruktivistische Sichtweise auf die Behandlung komplexer Themen durch die Medien betrachtet werden.
Im Prinzip lassen sich Spuren des Konstruktivismus bis zu Platon und seinem Höhlengleichnis zurückverfolgen (vgl. Boventer, 1992). Für die Kommunikationswissenschaften in Deutschland ist die Debatte jedoch erst in den frühen neunziger Jahren mit dem Funk-Kolleg „Medien und Kommunikation. Konstruktion von Wirklichkeit“ angestoßen worden.
Als Beispiele für quasi-konstruktivistische Felder der Kommunikationswissenschaft nennt Burkart (1999, S. 62 ff.) den symbolischen Interaktionismus, den Nutzenansatz und die Nachrichtenwerttheorie.
Der erkenntnistheoretische Realismus hat das Problem, dass für ihn Sinneswahrnehmungen den einzigen Zugang zur Welt darstellen. Daraus ergibt sich, dass die Fähigkeit zur Wahrnehmung der Wirklichkeit durch die Wahrnehmung der Wirklichkeit (Erhebung von Daten) bewiesen werden soll, was tauto-logisch ist. Für den Konstruktivismus ergibt sich die Schwierigkeit, dass bei konsequenter Denkweise ja auch der Konstruktivismus selbst als Konstruktion zu gelten hat; Gleiches gilt für die Rezeption konstruktivistischer Forschungsergebnisse.
Medien in Bezug zu sozialem Wandel stellen einen bisher vergleichsweise wenig beachteten Bereich der Kommunikationsforschung dar. Einen Überblick über Theorien des sozialen Wandels ohne Bezug auf die Massenmedien bietet Weyman (1998).
Hier werden öffentlichkeitstheoretische Arbeiten im Hinblick auf ihre Anwendbarkeit für eine Langzeitanalyse behandelt. Die Dimension Zeit steht also im Mittelpunkt.
Dernbach spricht bei Themen von „komplexen Strukturelementen individueller Human-, gesellschaftlicher und medialer Massenkommunikation“ und verwendet den Thema-Begriff somit in ähnlicher Weise wie der Framing-Begriff benutzt wird (vgl. Kap. 4.4).
Um Missverständnissen vorzubeugen: Das ist sicherlich auch nicht das erklärte Ziel der verschiedenen Ansätze der Selektionsforschung. Die hier geübte Kritik bezieht sich wesentlich auf die Brauchbarkeit solcher Ansätze für die Untersuchung der Berichterstattung über Philosophie.
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Harden, L. (2002). Mediale Selektion und Verarbeitung von Themen. In: Rahmen der Orientierung. Sozialwissenschaft. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-08903-2_3
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