Zusammenfassung
Bis zum 18. Jahrhundert lagen Geburt und Geburtshilfe ausschließlich in den Händen von Frauen. ihr Wissen kann als kollektives, lebensweltliches Wissen bezeichnet werden. Hebammen waren Expertinnen dieses Wissens und oftmals zusätzlich Heilkundige. Schon im 13. Jahrhundert begann die Kirche sich für den geburtshilflichen Bereich zu interessieren; sie übertrug den Hebammen die Pflicht zur Nottaufe. Von der Kirche ging auch die erste verstärkte Kontrolle der Hebammentätigkeit aus, welche sich während der Hexenverfolgungen in besonderem Mißtrauen gegen die Hebemütter äußerte. In den Hebammenordnungen wurden schließlich seit dem 15. Jahrhundert Pflichten und Aufgaben der Hebammen genauestens fixiert, eine Praktik, die die Frauengemeinschaft das erste Mal rechtlich aufspaltete. Geburtshilfe wurde amtlich kontrolliert und verwaltet. Besonderes Interesse hieran hatten die Stadtärzte sowie andere heilkundlich Tätige, denn sie wollten das Gesundheitssystem, um ihrer eigenen professionellen Möglichkeiten willen, geordnet sehen. Die Ärzte wurden im 16. Jahrhundert schließlich zur wichtigsten Kontrollinstanz des Hebammenwesens. In diese Zeit fallen auch die ersten Auseinandersetzungen zwischen Medizinern und Hebammen, bzw. die Kritik an den Praktiken der Letzteren veränderte sich. Galten die Hebammen zunächst vor allem als religiös und sittlich dubios, wurde nun ihr Wissen als minderwertig abqualifiziert oder gänzlich in Frage gestellt. Anhand der Rekonstruktion frühneuzeitlichen geburtshilflichen Überlieferungswissens durch Pulz habe ich gezeigt, daß Hebammen und Ärzte, unter ihnen vor allem Chirurgen, ein verschiedenartiges Verständnis von »Wissen« hatten. Das Beispiel der Justine Siegemund kann nicht als vollständig repräsentativ für zeitgenössische Kolleginnen betrachtet werden, denn als protestantische Hebamme ist die Siegemundin mit ihrer Arbeitsweise genau zwischen den traditionellen, volkstümlichen Praktiken ihrer Kolleginnen und den wissenschaftlichen ihrer Kritiker anzusiedeln. Dennoch kann man ihr Wissen nicht als ein gesondertes Wissen verstehen, denn es ist auf ganz ähnliche Weise erworben wie das anderer Laiengeburtshelferinnen ihrer Epoche.
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Beaufaÿs, S. (1997). Resumée. In: Professionalisierung der Geburtshilfe. Zugänge zur Moderne. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-08879-0_4
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-08879-0_4
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