Zusammenfassung
Solange man Sprache lediglich instrumentell sieht, als ein Mittel, die Gedanken auszudrücken, was mehr oder weniger gelingen kann, solange kommt man nicht umhin, die Bedingungen dieses Gelingens zu überprüfen, indem man sich in den Sprecher hineinversetzt. Diesem Ansatz steht jedoch die Vorstellung entgegen, daß sich sprachliches Handeln nach gesellschaftlichen und historischen Differenzierungen vollzieht. Diese gehen nicht mit der Identifizierung des Ichs mit dem Zentrum des Sprechakts zusammen. Die Position des Subjekts im Sprechen und die Position des Agens im Handeln liegen eher auseinander, eine Eins-zu-eins-Zu-ordnung gelingt praktisch nie; sie wäre der eigens zu begründende Ausnahmefall, für den sich daher auch spezifische Begriffe eingebürgert haben, wie etwa Magie, Kontemplation, Wunder, Zauber. Seit Nietzsche und Freud kann das abendländische Subjekt-Denken als genügend erschüttert gelten, so daß überstürzte Apotheosen des Subjekt-Begriffs oder seiner Antipodin, der Intention, hinfällig geworden sind. Mit der Fokussierung aufs sprachliche Handeln sind jedenfalls andere Kategorien gegeben, mit denen sich die Chance verbindet, eine reflektierte Empirie zu verankern (vgl. Bourdieu 1982).
Das Maß der Bestimmtheit in Nachrichten wechselt, je nach der Art ihrer Übermittlung. Ein Bote kam gerannt, seine Erregung teilte sich dem Empfänger mit. Man mußte sofort handeln. Die Erregung wurde zum Glauben an die Botschaft. Ein Brief ist ruhiger, schon weil er während der Übermittlung geheim war. Man glaubt ihm, aber mit Vorbehalten, und fühlt sich nicht gleich zur Gegenhandlung gedrängt. Das Telegramm verbindet manche Eigenschaften des Briefes mit denen der alten mündlichen Boten. Es ist zwar geheim, dem Überbringer nicht bekannt, aber man wird allein damit bedient; es ist noch plötzlicher als der Bote, es hat etwas vom Tod und flößt darum viel mehr Furcht ein. Einem Telegramm glaubt man. Nichts ist einem peinlicher als die Entdeckung, daß man in einem Telegramm belogen wurde. (Elias Canetti: “Die Provinz des Menschen”)
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Sauer, C. (1998). Sprachliche Kommunikation und polyphoner Text. In: Der aufdringliche Text. DUV: Sprachwissenschaft. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-08347-4_3
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Publisher Name: Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-8244-4285-0
Online ISBN: 978-3-663-08347-4
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