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Zusammenfassung

Wer gewohnt ist, mit den Ohren zu denken, der muß am Klang des Wortes Kulturkritik sich ärgern nicht darum bloß, weil es, wie das Automobil, aus Latein und Griechisch zusammengestückt ist. Es erinnert an einen flagranten Widerspruch. Dem Kulturkritiker paßt die Kultur nicht, der einzig er das Unbehagen an ihr verdankt. Er redet, als verträte er sei’s ungeschmälerte Natur, sei’s einen höheren geschichtlichen Zustand und ist doch notwendig vom gleichen Wesen wie das, worüber er erhaben sich dünkt. Die von Hegel, zur Apologie von Bestehendem, immer wieder gescholtene Insuffizienz des Subjekts, das in seiner Zufälligkeit und Beschränktheit über die Gewalt von Seiendem richte, wird unerträglich dort, wo das Subjekt selber bis in seine innerste Zusammensetzung hinein vermittelt ist durch den Begriff, dem es als unabhängiges und souveränes sich entgegensetzt. Aber die Unangemessenheit von Kulturkritik läuft dem Inhalt nach nicht sowohl auf Mangel an Respekt vor dem Kritisierten hinaus wie insgeheim auf dessen verblendet-hochmütige Anerkennung. Der Kulturkritiker kann kaum die Unterstellung vermeiden, er hätte die Kultur, welche dieser abgeht. Seine Eitelkeit kommt der ihren zu Hilfe: noch in der anklagenden Gebärde hält er die Idee von Kultur isoliert, unbefragt, dogmatisch fest. Er verschiebt den Angriff. Wo Verzweiflung und unmäßiges Leiden ist, soll darin bloß Geistiges, der Bewußtseinszustand der Menschheit, der Verfall der Norm sich anzeigen. Indem die Kritik darauf insistiert, gerät sie in Versuchung, das Unsagbare zu vergessen, anstatt wie sehr auch ohnmächtig zu trachten, daß es von den Menschen abgewandt werde.

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Literatur

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Karl Gustav Specht

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© 1951 Springer Fachmedien Wiesbaden

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Adorno, T.W. (1951). Kulturkritik und Gesellschaft. In: Specht, K.G. (eds) Soziologische Forschung in Unserer Zeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-02922-9_21

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