Skip to main content

Zusammenfassung

Mein Studienobjekt ist ein allgemein bekanntes Chaos. Nichts ist den Menschen vertrauter als ihr gewöhnliches, alltägliches soziales Verhalten; wenn aber ein Soziologe irgendwelche Verallgemeinerungen darüber anstellt, so läuft er Gefahr, daß seine Leser ihm von vornherein nicht glauben und ihn nicht weiter beachten. Ihr Verhalten ist ihnen seit ihrer Kindheit selbstverständlich, und sie haben daher ein Recht darauf, darüber eine Meinung zu besitzen. Für den Physiker dagegen besteht die Gefahr nicht, daß die Atomteile, deren „soziales Verhalten“ er beschreibt, ihm widersprechen. Der Soziologe kann seine Tätigkeit nur damit rechtfertigen, daß sein Studienobjekt, so vertraut es ist, bis heute in intellektueller Hinsicht ein Chaos geblieben ist. Jedermann hat darüber nachgedacht, und die Menschheit hat Jahrhunderte hindurch die gebräuchlichsten Verallgemeinerungen in Sprichwörter und Maximen über soziales Verhalten — was es ist und was es sein sollte — aufgenommen: Jeder hat seinen Stolz. Eine Hand wäscht die andere. Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem anderen zu. Ohne Fleiß kein Preis. Wer da hat, dem wird gegeben. Noblesse oblige. Jedem das Seine. Aug‘ um Aug‘, Zahn um Zahn ... usw. Was dieses Studienobjekt, das alltägliche soziale Verhalten, zum Chaos macht, ist die Tatsache, daß diese Maximen und Sprichwörter zwar ein gut Teil Wahrheit enthalten, doch nie die ganze Wahrheit aussagen, und daß niemand versucht, sie im Zusammenhang zu ergründen. Hat beispielsweise noblesse oblige irgend etwas mit fairem Tausch zu tun? So trifft jeder Mensch auf solche Weise seine Verallgemeinerungen über die eigene soziale Erfahrung, aber er gebraucht sie ad hoc nur innerhalb der Situationsbereiche, auf die sie jeweils anwendbar sind; er läßt sie wieder fallen, sobald sie nicht mehr unmittelbar bedeutsam sind, und er fragt niemals, wie sie untereinander verbunden sind. Natürlich besitzt jedermann für diesen Mangel, falls dabei überhaupt von Mangel gesprochen werden kann, eine Entschuldigung: Die soziale Erfahrung kommt oft so schnell auf uns zu, daß uns kaum Zeit bleibt, sie als Ganzes zu erfassen. So ist der Zweck dieses Buches, aus dem vertrauten Chaos eine gewisse intellektuelle Ordnung zu schaffen.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 44.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 59.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

Literatur

  1. Vgl. T. Parsons, The Social System (Glencoe, Ill., 1951), S. 552.

    Google Scholar 

  2. E. Bott, Family and Social Network (London 1957), S. 58–59.

    Google Scholar 

  3. G. C. Homans, Theorie der sozialen Gruppe, Köln und Opladen, 1960, 2. Aufl. 1968.

    Google Scholar 

  4. M. De Wolfe Howe, ed., Holmes-Laski Letters, Bd. I (Cambridge, Mass., 1953), S. 277.

    Google Scholar 

Download references

Authors

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 1968 Westdeutscher Verlag GmbH, Köln und Opladen

About this chapter

Cite this chapter

Homans, G.C. (1968). Einleitung. In: Elementarformen sozialen Verhaltens. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-02391-3_1

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-02391-3_1

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-663-00478-3

  • Online ISBN: 978-3-663-02391-3

  • eBook Packages: Springer Book Archive

Publish with us

Policies and ethics