3.1 Motivation und Hintergrund

Die Entwicklungen hin zu einer zunehmend digitalisierten, vernetzten und agilen Arbeitswelt gehen mit veränderten Belastungen für die Beschäftigten einher. Ein viel diskutiertes, jedoch nicht hinreichend untersuchtes Phänomen ist die Komplexität von Arbeit. Aus arbeitswissenschaftlicher Sicht ist der Komplexitätsgrad von Arbeit keineswegs eindeutig positiv oder negativ zu bewerten (Latos & Harlacher et al. 2018). Im Kontext teambasierter Arbeitsorganisationsformen stellen sich insbesondere Fragen der Erfassung und Bewertung von Komplexität – als Grundlage für die Ableitung von Gestaltungsempfehlungen. Der Fokus dieses Beitrags liegt auf dem Projektmanagement und den dafür verantwortlichen Personen (im Folgenden vereinfachend als Projektmanager*innen bezeichnet), die sich bei der Ausübung ihrer Arbeitstätigkeit oft hohen Belastungen ausgesetzt sehen.

So zeigt beispielsweise die Studie „Burnout im Projektmanagement“ der Gesellschaft für Projektmanagement (GPM), dass Projektmanager*innen im deutschsprachigen Raum im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerung besonders häufig unter Erschöpfungszuständen leiden: Über 60 % der Studienteilnehmenden gaben an, dass sie sich chronisch müde bzw. matt fühlen (Reichhart und Müller-Ettrich 2014). Die Studie kommt u. a. zu dem Ergebnis, dass mehr als 35 % der befragten Personen einem erhöhten Burnout-Risiko unterliegen (Reichhart und Müller-Ettrich 2014). Wenngleich offensichtlich Analyse- und Gestaltungsbedarf besteht, belegt die geringe Anzahl an Veröffentlichungen zu den Themen psychische Belastung und Beanspruchung (s. DIN EN ISO 10075) im Kontext Projektmanagement bislang ein eher geringes Forschungsinteresse (Latniak 2014b; Gerlmaier und Latniak 2011; Gerlmaier 2011; Chrobok und Makarov 2019; Bowen et al. 2014; Enshassi et al. 2015; Leung et al. 2014, 2016; Wu et al. 2019; Latniak 2014a). Dies gilt insbesondere für Fragestellungen, die den Einfluss der Komplexität der Arbeit von Projektmanager*innen betreffen.

Bisherige Untersuchungen zu Komplexität im Projektmanagement beschränken sich meist auf das Management eines einzelnen Projekts (s. z. B. Geraldi et al. 2011; Botchkarev und Finnigan 2015; Lu et al. 2015; Dao et al. 2016). In der betrieblichen Praxis ist es allerdings keine Seltenheit, dass Projektmanager*innen für mehrere Projekte verantwortlich sind. Die Stichprobe der GPM-Gehaltsstudie 2017 teilt sich beispielsweise in etwa 48 % Projektmanager*innen im Einzelprojektmanagement und ca. 40 % Projektmanager*innen im Multiprojektmanagement (Schneider et al. 2017).

Es wird hier davon ausgegangen, dass Projektkomplexität in der Bearbeitung durch die Projektmanager*innen Projektmanagementkomplexität bedingt, die wiederum zu (psychischer) Belastung und Beanspruchung bei den betrachteten Personen führt. Dabei ist zu erwarten, dass eine höhere Komplexität zu einer höheren Belastung führt. Daherzielen die hier abgeleiteten Gestaltungsansätze darauf ab, die Handlungsfähigkeit der Projektmanager*innen zu erhalten bzw. zu erhöhen und dafür Belastungen zu reduzieren.

Während die Komplexität der Projektmanagementaufgabe – im Multi- wie auch im Einzelprojektmanagement – bislang kaum untersucht wurde, finden sich in der Literatur zahlreiche Studien, die sich mit der Beschreibung, Erfassung und Beherrschung der Komplexität von einzelnen Projekten befassen (s. z. B. Geraldi et al. 2011; Botchkarev und Finnigan 2015; Lu et al. 2015; Dao et al. 2016). Demnach wird die Projektkomplexität i. d. R. über die Anzahl und die Vielfältigkeit der Eigenschaften und Elemente eines Projekts und die zwischen ihnen bestehenden Relationen definiert. Berücksichtigt werden sowohl Projektinhalte, -aufgaben und eingesetzte Arbeitsmittel als auch Anzahl und Eigenschaften der am Projekt beteiligten Menschen. Als Folgen von Komplexität werden u. a. die Unvorhersagbarkeit von Projektzuständen sowie höhere Anforderungen an das Management des jeweiligen Projekts diskutiert.

Aus den vorliegenden Studien zur Projektkomplexität lassen sich Indikatoren für die Komplexität im Projektmanagement extrahieren, worauf an späterer Stelle noch näher eingegangen werden soll. Hierbei zeigen sich große Überschneidungen mit Faktoren der psychischen Belastung im Allgemeinen (Nübling et al. 2005; Lenhardt 2017; Richter 2000), aber auch im Kontext Projektmanagement (Enshassi et al. 2015; Chrobok und Makarov 2019). Unklar bleibt allerdings erstens, welche der zahlreichen Faktoren sich aus Sicht von Projektmanager*innen tatsächlich komplexitätssteigernd auswirken, und zweitens, inwieweit sich hieraus psychische Belastungen und Beanspruchungen ergeben, die zu negativen Folgen für die Zielgruppe führen können.

Mit dem Ziel, Antworten auf diese Fragestellungen zu finden, wurden im Projekt „TransWork“ (Teilvorhaben des IAW der RWTH Aachen, FKZ: 02L15A162) zwei Befragungsstudien mit Projektmanager*innen durchgeführt. Da die Auswertung der zweiten Studie zu den Beanspruchungsfolgen noch nicht abgeschlossen ist, konzentriert sich dieser Beitrag auf die Erhebung zur Identifikation der relevanten Komplexitätsindikatoren. Weil die Untersuchung auf einen Einfluss des gewählten Projektmanagement-Ansatzes (klassisch, agil, hybrid) hinweist, sollen diese zunächst kurz voneinander abgegrenzt werden. Anschließend werden die Studie und ihre Ergebnisse auszugsweise vorgestellt und Empfehlungen für die Praxis und die weitere Forschung abgeleitet.

3.2 Abgrenzung der Managementansätze

Ausgangspunkt für die durchgeführten Untersuchungen bildete ein klassisches Begriffsverständnis, das sich eng an die Normenfamilie zum Projektmanagement anlehnt. In der DIN 69901-5 wird ein Projekt als Vorhaben definiert, das insbesondere durch die „Einmaligkeit seiner Bedingungen in ihrer Gesamtheit gekennzeichnet ist“ (DIN 69901-5 2009). Diese Einmaligkeit kann beispielsweise aus dem Projektgegenstand, den spezifischen Zielvorgaben, den zeitlichen, finanziellen oder personellen Gegebenheiten und/oder besonderen Risiken resultieren. Unter dem Begriff „Projektmanagement“ wird die „Gesamtheit von Führungsaufgaben, -organisation, -techniken und -mitteln für die Initiierung, Definition, Planung, Steuerung und den Abschluss von Projekten“ verstanden“ (DIN 69901-5 2009). Klassische Projektmanagement-Ansätze, die sich an der zitierten Norm oder einer vergleichbaren, standardisierten Vorgehensweise orientieren (Schelle et al. 2008; Sommer et al. 2014), haben ihren Ursprung in dem Bestreben, die in Projekten üblicherweise be- oder entstehenden Unsicherheiten und Risiken zu reduzieren. Die wesentlichen Zieldimensionen bilden im klassischen Projektmanagement die Dimensionen Qualität, Zeit und Kosten, die das sogenannte magische Dreieck des Projektmanagements mit seinen vielfältigen Zielkonflikten aufspannen (Burghardt 2013; Machado und Martens 2015; Radujković und Sjekavica 2017). Primäre Aufgabe des klassischen Projektmanagements respektive des/r hierfür weitgehend allein verantwortlichen Leiters/-in ist es, die Projektdurchführung mithilfe etablierter Methoden, Techniken und Tools zu strukturieren, zu planen, zu steuern und zu koordinieren, um auf diese Weise die Projektziele zu erreichen. Antizipation nimmt im klassischen Projektmanagement einen sehr hohen Stellenwert ein (Trepper 2012). Zugunsten einer höheren Stabilität im Projektverlauf und einer effizienten Realisierung sollen späte Änderungen der Anforderungen an das Projektergebnis möglichst vermieden werden. Motivation lieferte die Erkenntnis, dass gerade bei der Entwicklung komplexer Produktinnovationen (zu) spät eingebrachte, neue Anforderungen hohe Kosten und deutliche Verzögerungen bedeuten können (Bochtler et al. 1995).

In der Praxis werden verschiedene, z. T. unternehmensspezifische Phasenmodelle angewendet, die wesentliche Elemente des Fünf-Phasen-Modells der DIN 69901 berücksichtigen (Timinger 2017). Zu den Vorgehensweisen des klassischen Projektmanagements können auch das sog. Wasserfallmodell und das V-Modell gezählt werden, die ein stark sequenzielles Vorgehen beschreiben (Timinger und Seel 2016). In den letzten zwei Dekaden wird zunehmend Kritik am klassischen Projektmanagement laut. So werden vorausschauend angefertigte, stark strukturierte Pläne sowie detailliert vorgegebene methodische Standards als zu starr und unflexibel bemängelt (Cooper und Sommer 2016). Als weiterer wesentlicher Kritikpunkt wird häufig eine übermäßige Dokumentation angeführt (Schelle et al. 2008; Trepper 2012). Gerade bei diesen Defiziten setzt das agile Projektmanagement an.

Allgemein beschreibt Agilität die Fähigkeit von Teams und Organisationen, sich schnell und flexibel an das dynamische Umfeld anzupassen, dauerhaft zu lernen und sich zu verbessern. Bei Ansätzen des agilen Projektmanagements steht die Kundenzufriedenheit im Fokus (Goldman et al. 1996; Brown und Agnew 1982).

Als Orientierung für agiles Handeln in Softwareprojekten wurden 2001 Werte für eine erfolgreiche, agile Softwareentwicklung im sogenannten agilen Manifest verschriftlicht (Cockburn 2003; Beck et al. 2001). Hierin wird u. a. das Reagieren auf Veränderungen als wichtiger eingestuft als das Befolgen eines Plans. Ebenso nehmen die Individuen und ihre Interaktionen einen höheren Stellenwert ein als Prozesse und Werkzeuge. Die Zusammenarbeit mit dem Kunden während der Projektlaufzeit wird höher priorisiert als die Vertragsverhandlungen vor Projektbeginn und der Fokus der Arbeit soll stärker auf der Funktionalität der (Teil-)Produkte (sog. Inkremente) und weniger auf der Dokumentation liegen (Beck et al. 2001).

Wichtige Prinzipien des klassischen Projektmanagements werden im agilen Manifest nicht verworfen, sondern mit einer geringeren Priorität belegt. Die sog. agilen Werte wurden um 12 Prinzipien ergänzt (Cockburn 2003; Beck et al. 2001). Darin werden u. a. die Selbstorganisation der Projektteams, ein gleichbleibendes Arbeitstempo und die Kontinuität in der Teambesetzung betont.

Agile Vorgehensweisen und Methoden, wie Scrum und Extreme Programming (XP) (s. z. B. Abrahamsson et al. 2003), sind vor allem in der Softwareentwicklung verbreitet, gewinnen aber zunehmend auch in anderen Branchen an Bedeutung (Komus 2020). Ihnen zugrunde liegen eine iterative und inkrementelle Entwicklung sowie eine frühzeitige Erprobung unter Einbezug der Kunden und weiterer Stakeholder. Auch die späte Einbringung neuer oder geänderter Anforderungen ist explizit gewünscht (Abrahamsson et al. 2003).

Im Gegensatz zu den Methoden des klassischen Projektmanagements übernehmen die Projektteams die Planung der Arbeit selbstorganisiert und weniger fremdbestimmt. Zudem erfolgt diese Planung für verhältnismäßig kurze Zeiträume. Daraus resultiert – zumindest im Scrum Management – auch ein verändertes Rollenverständnis hinsichtlich der Rolle des Projektverantwortlichen. Während die Arbeitsplanung anhand des sog. Sprint Backlogs durch das Development Team selbst übernommen wird, erhebt und priorisiert der Product Owner die Anforderungen an die Ausgestaltung des zu entwickelnden Produkts. Der Scrum Master unterstützt das Team hinsichtlich der Anwendung der agilen Methoden und verbessert kontinuierlich die Zusammenarbeit (Pichler 2009). Laut Scrum-Guide besteht die Verantwortung des Product Owners darin, den Wert des Produkts zu maximieren. Er besitzt die alleinige Entscheidungsbefugnis darüber, welche Anforderungen mit welcher Priorität im sog. Product Backlog aufgenommen und verfolgt werden (Schwaber und Sutherland (2017), vgl. Sverrisdottir et al. (2014) zu den Unterschieden zwischen theoretischer Rollendefinition und praktischer Umsetzung).

Unter hybridem Projektmanagement werden in der Regel Vorgehensweisen zusammengefasst, die Elemente sowohl der klassischen als auch der agilen Ansätze berücksichtigen (Timinger und Seel 2016). Die Bandbreite an Umsetzungsvarianten ist entsprechend groß. In der Praxis finden sich beispielsweise agile Gesamtprojekte mit traditionellen Teilprojekten, klassische Gesamtprojekte mit agilen Teilprojekten sowie unternehmensübergreifende Projekte, in denen sich die Vorgehensmodelle und Methoden von Auftraggebern und Lieferanten unterscheiden. Als wiederholt in der Praxis auftretende Vorgehensmodelle können das Wasser-Scrum-Fall-Modell, das V-Scrum-Modell (Timinger 2017) sowie das Agile-Stage-Gate-Vorgehen (Cooper und Sommer 2016) angeführt werden. Die Ansätze vereint, dass die Erhebung von Anforderungen, das Entwerfen des Designs sowie die Integration und Erprobung sequenziell erfolgen, während die eigentliche Entwicklung bzw. Umsetzung mittels agiler Methoden erfolgt (Timinger 2017; Cooper und Sommer 2016).

Die Kombination von PM-Konzepten und -methoden kann zu Schwierigkeiten bei der Definition und Zuweisung von Rollen, Aufgaben, Handlungs- und Entscheidungsspielräumen führen. Nach Krieg (2017) wird die Rolle des Projektverantwortlichen im hybriden Projektmanagement von einem sogenannten „agilen Projektmanager“ übernommen. Wesentliche Aufgaben agiler Projektmanager*innen liegen in der Moderation der Kooperation und Kommunikation zwischen den klassisch geführten Einheiten und den in Teilen agil arbeitenden Teams. Dies betrifft beispielsweise die Definition von Meilensteinen, die Abgabe von Statusberichten und die Auswahl der Key Performance-Indikatoren (Krieg 2017).

Im Falle der Anwendung der Scrum-Methode sind darüber hinaus klassische Artefakte, wie das Lastenheft oder der Projektplan, in agile Pendants, wie User Stories oder iterative Planungsboards, zu überführen und die Projektteammitglieder in den agilen Methoden zu coachen. Damit übernehmen agile Projektleiter*innen im hybriden Management ggf. sowohl die Aufgabe des Product Owners als auch des Scrum Masters aus dem Scrum Management (Schwaber und Sutherland 2017; Timinger 2017). In der betrieblichen Praxis sind allerdings auch andere Rollenkonzepte denkbar.

Festzuhalten ist, dass sowohl klassisches als auch agiles Projektmanagement darauf gerichtet sind, Komplexität zu beherrschen. Dabei setzen sie unterschiedliche Schwerpunkte, die wiederum zu unterschiedlichen Belastungs- und Beanspruchungsmustern beitragen können, die sich aber auch in den erfragten Einschätzungen zu komplexitätstreibenden bzw. – reduzierenden Faktoren zeigen. Mit Rücksicht auf die Veränderungen im Projektmanagement wurden in der nachfolgend skizzierten Befragung die Projektmanager*innen gebeten, den für sie geltenden Management-Ansatz (klassisch, agil oder hybrid) anzugeben.

3.3 Identifizierung relevanter Komplexitätsindikatoren

Mit dem Ziel, Ansatzpunkte für die Operationalisierung und Erfassung von Projektmanagementkomplexität zu erhalten, wurde zunächst die eingangs zitierte Literatur zur Projektkomplexität analysiert. Geraldi et al. (2011) entwickelten bereits ein systematisches Vorgehen, das im Wesentlichen drei Schritte umfasst: 1) die Identifizierung von Veröffentlichungen, in denen ein Beschreibungsansatz von Projektkomplexität vorgestellt wird, 2) die Extraktion von komplexitätstreibenden Indikatoren sowie 3) ihre Dimensionierung. Dieses Vorgehen wurde auf die Veröffentlichungen angewendet, welche im Zeitraum Juli 2010 bis August 2017 erschienen sind (s. ausführlicher in Harlacher et al. 2018). Fasst man die Ergebnisse beider Analysen zusammen, ergeben sich insgesamt 169 Indikatoren für die Projektkomplexität. Unter Anlegung der von Weiber und Mühlhaus (2014) aufgestellten Kriterien (Verständlichkeit, Eindeutigkeit, Redundanzfreiheit; Ausführlichkeit; Beobachtbarkeit) wurden die identifizierten Indikatoren auf 92 reduziert.

Eine Befragung sollte Aufschluss über die Relevanz der Indikatoren im Arbeitsalltag von Projektmanager*innen geben. Hierzu wurde eine Online-Studie mit 50 Projektverantwortlichen aus verschiedenen Branchen, wie Automobilindustrie, Chemieindustrie, IT oder Beratung, durchgeführt. Die durchschnittliche Projektmanagementerfahrung der Studienteilnehmenden betrug etwa 14 Jahre. Im Durchschnitt verantworteten die Befragten etwa vier Projekte parallel. Die Anzahl variierte von einem einzelnen Projekt (n = 5) bis hin zu zehn parallelen Projekten (n = 1). In Bezug auf den Projektmanagementansatz ordneten sich 16 Projektmanager*innen dem klassischen, 22 dem hybriden und 9 dem agilen Managementansatz zu. Drei Studienteilnehmende verzichteten auf eine Zuordnung.

Die Teilnehmer*innen der Studie wurden gebeten, den Einfluss jedes Indikators auf die Projektmanagementkomplexität anhand einer neunstufigen Skala von −4 (reduziert Komplexität stark) bis +4 (erhöht Komplexität stark) einzuschätzen. Darüber hinaus galt es, die folgenden beiden Aussagen auf einer fünfstufigen Skala von 1 (stimme nicht zu) bis 5 (stimme voll zu) zu bewerten:

  1. 1.

    Durch die Arbeit als Projektverantwortliche*r fühle ich mich sehr beansprucht.

  2. 2.

    Die Arbeit als Projektverantwortliche*r empfinde ich als sehr komplex.

Mit Rücksicht auf Untersuchungsziel und Stichprobengröße wurde die Studie deskriptiv ausgewertet (s. Harlacher et al. 2020). In Abb. 3.1 sind die Komplexitätsindikatoren mit dem größten positiven Einfluss aufgeführt (oben links für die gesamte Stichprobe; dabei gilt: je höher der für die jeweilige Stichprobe berechnete Mittelwert, desto kleiner die Rangzahl bzw. desto höher der Rangplatz; gleiche Mittelwerte erhalten den gleichen Rang). Als besonders komplexitätstreibend werden die Anzahl widersprüchlicher Gesetze und Regularien, die Widersprüchlichkeit der Ziele sowie die Fluktuation im Projektteam beurteilt. Ein positiver, „treibender“ Einfluss auf die Projektmanagementkomplexität wird darüber hinaus der Anzahl der in Entscheidungen involvierten Hierarchieebenen, der Anzahl an Fehlentscheidungen sowie der Veränderlichkeit der Projektinhalte zugesprochen. Auch das Auftreten von Konflikten zwischen Projektleitung und Projektteam führt aus Sicht der befragten Praktiker*innen zu einem Komplexitätsanstieg.

Abb. 3.1
figure 1

Komplexitätstreibende Indikatoren für die Projektmanagementkomplexität im Rangvergleich für die gesamte Stichprobe und differenziert nach Managementansatz; dargestellt sind jeweils die Indikatoren bis zum 10. Rangplatz und zusätzlich in Kursivdruck die Indikatoren, bei denen sich die größten Unterschiede zwischen den Managementansätzen zeigen

Der eingesetzten Skala entsprechend, finden sich am Ende der Rangliste die Indikatoren, die aus Sicht der Projektverantwortlichen den größten negativen Einfluss auf die Projektmanagementkomplexität haben, sich also senkend auswirken, s. Abb. 3.2. Neben der Klarheit der Verantwortlichkeiten im Team und der Ziele finden sich hier vor allem Indikatoren, die die Erfahrungen und die Qualifikation der Projektmanager*innen betreffen. Als besonders komplexitätsreduzierend wird außerdem die Unterstützung der Unternehmensleitung bei der Zielerreichung beurteilt.

Abb. 3.2
figure 2

Komplexitätsreduzierende Indikatoren für die Projektmanagementkomplexität im Rangvergleich für die gesamte Stichprobe und differenziert nach Managementansatz; dargestellt sind die wesentlichsten Indikatoren je Managementansatz und zusätzlich in Kursivdruck diejenigen, bei denen sich die größten Unterschieden zwischen den Managementansätzen zeigen

Da die Standardabweichungen in der Gesamtbetrachtung auffällig hoch ausfielen (s. Ergebnistabellen in Harlacher et al. 2020), wurde der Einfluss der stichprobenbeschreibenden Variablen untersucht. Die Aufteilung des Datensatzes nach dem gewählten Managementansatz führt zu einer erheblichen Verringerung der Varianz. Wie aus Abb. 3.1 hervorgeht, ergeben sich für die drei Projektmanagementansätze zudem unterschiedliche Rangfolgen.

Eher geringe Unterschiede ergeben sich beispielsweise für den Indikator „Fluktuation im Projektteam“, der für Projektmanager*innen im hybriden Projektmanagement den Indikator mit dem größten Einfluss darstellt. Im klassischen Ansatz erreicht dieser Indikator allerdings immer noch Rang 9 und im agilen Ansatz Rang 10 (gemeinsam mit zahlreichen weiteren Indikatoren, die insbesondere den externen Einfluss von Stakeholdern, Lieferanten, Politik und Gesetzgebung betreffen). Deutliche Unterschiede zeigen sich hingegen beim Zeitdruck, der im klassischen Managementansatz als stark komplexitätstreibend eingestuft wird, während ihm von Manager*innen hybrider und agiler Projekte ein eher geringer Einfluss auf die Komplexität zugesprochen wird. Die Anzahl an Änderungen am Projektziel hat für Projektverantwortliche hybrider Projekte eine sehr hohe komplexitätssteigernde Wirkung; von Manager*innen agiler Projekte wird diese wesentlich geringer eingeschätzt. Noch deutlicher unterscheiden sich die Beurteilungen des Indikators „Schwierigkeiten im Umgang mit den zur Zielerreichung eingesetzten Technologien“. Während dieser Indikator bei hybrid arbeitenden Manager*innen auf Rang 7 landet, wird ihm von den Anwender*innen der anderen Managementansätze ein eher unerheblicher Einfluss auf die Komplexität attestiert. Weitere Unterschiede zeigen sich u. a. bei der Anzahl kurzfristiger Veränderungen der Marktsituation und der Anzahl an Kunden, die die Komplexität für Manager*innen agiler Projekte deutlich stärker beeinflussen als für Manager*innen mit klassischem bzw. hybridem Ansatz. Gleiches gilt für den Indikator „Leistungsdruck“.

Verschiebungen in den Rangfolgen ergeben sich auch bei den Indikatoren, die als komplexitätssenkend eingestuft werden (Abb. 3.2). Abstände von mindestens 15 Rangplätzen zeigen sich beispielsweise bei folgenden Aspekten: Aus Sicht von klassischen Projektmanager*innen reduzieren die Motivation der Teammitglieder und die inhaltliche Realisierbarkeit die Komplexität im Projektmanagement. Im Unterschied dazu betonen hybride und agile Projektmanager*innen die Bedeutung des Wissenserwerbs der Projektmitglieder aus ähnlichen Projekten. In der Rangliste der Verantwortlichen mit agilem Managementansatz erhalten darüber hinaus die Erfahrung mit den Stakeholdern und die zeitliche Realisierbarkeit Rangplätze, die ein hohes Potenzial zur Komplexitätsreduzierung vermuten lassen. Von Nutzer*innen der anderen beiden Ansätze wird der (senkende) Einfluss dieser Indikatoren deutlich geringer eingeschätzt.

Nicht dargestellt, aber erwähnenswert sind auch folgende Indikatoren, die aus Sicht der Befragten nur einen geringfügigen Beitrag zur Erklärung von Komplexität im Projektmanagement leisten: die Anzahl an Unterstützungssystemen, Altersunterschiede im Projektteam sowie die Detaillierungsgrade der eingesetzten Pläne.

Bei der Auswertung der beiden zusätzlichen Items zur wahrgenommenen Komplexität sowie zur empfundenen Beanspruchung ergeben sich – differenziert nach Projektmanagementansatz – folgende Ergebnisse (s. Harlacher et al. 2020): In der Gruppe der mit hybriden Ansätzen arbeitenden Projektmanager*innen finden sich niedrigere Mittelwerte für die Komplexität und die Beanspruchung als für die Gruppe, die klassische Vorgehensweisen anwendet. Projektverantwortliche, die vorrangig agile Methoden anwenden, weisen in beiden Dimensionen die geringsten Werte auf. Es lässt sich folgende Tendenz feststellen: Mit zunehmender Agilität sinken sowohl die wahrgenommene Komplexität als auch die subjektiv empfundene Beanspruchung.

3.4 Diskussion der Ergebnisse

Die Ergebnisse der Online-Befragung zeigen, dass die Komplexität im Projektmanagement aus Sicht der Zielgruppe durch zahlreiche Indikatoren positiv oder negativ beeinflusst wird. Bezogen auf die Gesamtstichprobe fällt auf, dass sich unter den „TOP 10“ der Komplexitätstreiber mehrheitlich Indikatoren finden, die in der Regel außerhalb des direkten Einflussbereiches von Projektmanager*innen liegen und die Widersprüchlichkeit und Veränderlichkeit von Zielen, Anforderungen und Regularien betreffen. Nicht oder nur eingeschränkt zu beeinflussen sind auch die Fluktuation im Projektteam sowie die Anzahl an Hierarchieebenen, die bei Entscheidungen einbezogen werden müssen. Inwieweit sich die als ebenfalls komplexitätserhöhend eingestuften Konflikte zwischen Projektleitung und Projektteam aus den zuvor genannten externen sowie arbeitsorganisatorischen Einflussfaktoren ergeben, kann auf der Grundlage der Untersuchung nicht festgestellt werden. Weiterführende Studien sollten die Zusammenhänge in den Blick nehmen und dabei ggf. auch soziale und fachliche Konflikte differenzieren.

Die hohe Relevanz der Zielkonflikte, der arbeitsorganisatorischen Aspekte und der Konflikte mit dem Projektteam könnte beim klassischen Projektmanagement auf die bekannten Nachteile von Matrixorganisationen zurückzuführen sein (Schlick et al. 2018; Schelle et al. 2008), als Folgen unklarer Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse zwischen Projekt- und Linienmanager*innen bzw. von Mehrfachunterstellungen der Teammitglieder. Ähnliche Ursachen sind auch beim hybriden und agilen Projektmanagement zu vermuten, wobei hier je nach Ausgestaltung noch weitere Positionen und Rollen hinzukommen, die es zu definieren und abzugrenzen gilt (Krieg 2017; Sverrisdottir et al. 2014). Komplexe hybride organisatorische Strukturen mit unklaren Rollen und Verantwortlichkeiten können allerdings auch Ergebnis von gescheiterten oder nur halbherzig umgesetzten, top-down angeordneten „Agilisierungsoffensiven“ sein.

Einige Indikatoren, denen eine große komplexitätsreduzierende Wirkung attestiert wird, korrespondieren sehr gut mit den stärksten Treibern, wie z. B. die Klarheit von Verantwortlichkeiten und Zielen. Nicht zuletzt angesichts der bestehenden Widersprüchlichkeiten ist auch die hohe Relevanz der Unterstützung durch die Unternehmensleitung bei der Zielerreichung nachvollziehbar. Mit den ebenfalls als komplexitätssenkend eingestuften Indikatoren, die sich auf die Erfahrungen und Qualifikationen der Projektmanager*innen selbst beziehen, rücken personenbezogene, individuelle Aspekte in den Vordergrund, die weder bei der Messung von Komplexität noch bei der Ableitung von Gestaltungsmaßnahmen vernachlässigt werden sollten (zur Differenzierung von subjektiver und objektiver Komplexität s. Latos & Harlacher et al. (2018)).

Nach der Aufteilung der Stichprobe nach dem Managementansatz wurden Unterschiede in der Rangfolge der Indikatoren erkennbar, die sich zumindest teilweise anhand der in Abschn. 3.2 beschriebenen Merkmale der Ansätze erklären lassen. Als besonders komplexitätstreibend stuften die befragten klassischen Projektmanager*innen den Indikator „Zeitdruck“ ein. Im klassischen Projektmanagement werden die zeitbezogenen Ziele ebenso wie die Qualitäts- und Kostenziele typischerweise vor Projektbeginn vom Auftraggeber vorgegeben respektive mit diesem ausgehandelt und vertraglich fixiert – ungeachtet der zahlreichen Unsicherheiten und zum Teil sogar ohne Beteiligung der (späteren) Projektmanager*innen. Die Verantwortung für die Einhaltung liegt hingegen vollständig bei den Projektmanager*innen, die allerdings – je nach Organisationsform – nicht oder nicht allein über die Kapazitäten der Teammitglieder verfügen dürfen (Schelle et al. 2008). Die Bedingungen im klassischen Projektmanagement begünstigen zum einen die Entstehung von Zeitdruck, zum anderen lässt sich Zeitdruck im stark plangetriebenen klassischen Managementansatz weitaus schwerer kompensieren als in agilen Ansätzen, bei denen die Qualität der Arbeitsergebnisse explizit Vorrang hat und die zeitliche Arbeitsplanung kurze Planungszeiträume umfasst sowie insbesondere durch das Entwicklungsteam selbst vorgenommen wird (Schwaber und Sutherland 2017).

Beim hybriden Projektmanagement erwiesen sich neben den bereits genannten externen und arbeitsorganisatorischen Einflussfaktoren auch Anzahl und Umfang von Änderungen der Projektziele als besonders relevant für die Komplexität. Dieses Ergebnis ist eher überraschend. Schließlich ist es ein wesentliches Merkmal der auch beim hybriden Management zur Anwendung kommenden agilen Methoden, auf Änderungen schnell und flexibel reagieren zu können (Schwaber und Sutherland 2017; Abrahamsson et al. 2003). Von den befragten agil arbeitenden Projektverantwortlichen wurde diesen Indikatoren ein deutlich geringerer Einfluss auf die Komplexität zugeschrieben.

Im Hinblick auf die Ableitung von Gestaltungsempfehlungen ist außerdem die Beurteilung des Indikators „Schwierigkeiten im Umgang mit den zur Zielerreichung eingesetzten Technologien“ interessant, die bei den hybrid arbeitenden Projektmanager*innen deutlich höher ausfällt als bei den anderen Befragten. Hier ist zu vermuten, dass die kombinierte Anwendung der Managementansätze mit einer schwer(er) beherrschbaren Vielfalt an Techniken und Tools einhergeht.

In den Ergebnissen der agilen Stichprobe spiegeln sich die prägenden Merkmale dieser Managementansätze wider, insbesondere die Ausrichtung auf Kunden und andere Stakeholder. Zusätzlich zur Widersprüchlichkeit der Ziele taucht bei den Anwender*innen dieser Ansätze auch die Unterschiedlichkeit der inhaltlichen Ansprüche der Stakeholder unter den stärksten Komplexitätstreibern auf. Die Sensitivität für Veränderungen des Umfeldes (Märkte, politische Situation etc.) schlägt sich ebenfalls in einer höheren Komplexität nieder. Zu vermutende Zusammenhänge mit dem „Leistungsdruck“, als weiterem Treiber mit großem Einfluss, sind durchaus zu vermuten, müssten allerdings noch empirisch untersucht werden.

Bei der Beurteilung der Ergebnisse sind verschiedene Limitationen zu beachten. Zum einen waren die Stichprobengrößen nach der Aufteilung des Datensatzes vergleichsweise klein. Zum anderen muss angesichts der Bandbreite an Umsetzungsalternativen der Managementansätze in der Praxis davon ausgegangen werden, dass die Zuordnung zu einem der Ansätze gegebenenfalls mit Unsicherheiten behaftet war. So ist beispielsweise nicht auszuschließen, dass sich auch Projektmanager*innen aus Unternehmen, die sich zum Zeitpunkt der Befragung in einem noch laufenden Prozess zur Einführung agiler Konzepte befanden, aufgrund (noch) unklarer Rollen und Zuständigkeiten einem hybriden Projektmanagementansatz zugeordnet haben.

Im Zuge der Befragung wurden aus der Literatur extrahierte Indikatoren hinsichtlich ihres Einflusses auf die Projektmanagementkomplexität bewertet, die Häufigkeit des Auftretens eines Indikators bei der Arbeitsbewältigung wurde dabei allerdings nicht explizit erfasst.

Trotz der genannten Limitationen kann hier abschließend festgehalten werden, dass sich insbesondere unter den TOP 10 der identifizierten Komplexitätstreiber zahlreiche Indikatoren finden, die in der Arbeitswissenschaft als Indikatoren für psychisch belastende Arbeitsbedingungen gelten (z. B. Zeit- und Leistungsdruck, Widersprüchlichkeit von Zielen, Rollenklarheit und -konflikte; s. Richter (2000), Sonntag und Feldmann (2018)) und in vereinzelten Studien bereits mit dem Auftreten bestimmter Erkrankungen in Verbindung gebracht werden konnten (s. Nübling et al. 2005; Rau und Buyken 2015).

3.5 Empfehlungen für die weitere Forschung

Die Literaturanalysen haben offengelegt, dass sich die bisherige Komplexitätsforschung vorrangig auf die Analyse der Komplexität innerhalb eines einzelnen Projektes konzentriert. Es besteht ein Mangel an empirischen Untersuchungen, die die Arbeitstätigkeit von Projektmanager*innen in Gänze betrachten und das Phänomen der Komplexität in diesem speziellen Kontext untersuchen. Die vorgestellte Studie bedeutet einen ersten Schritt in diese Richtung, indem sie Komplexitätsindikatoren liefert, die aus Sicht von Projektmanager*innen einen großen Einfluss auf die Komplexität im Projektmanagement haben. Diese Indikatoren können in weiterführenden Untersuchungen (mit größeren Stichprobenumfängen) für die Operationalisierung von Komplexitätsdimensionen herangezogen werden.

Die Ergebnisse der Befragung lassen Zusammenhänge zwischen Dimensionen der Komplexität und der psychischen Belastung und Beanspruchung von Projektverantwortlichen vermuten, die empirisch überprüft werden sollten. Von Interesse ist insbesondere die Frage, inwieweit ein Komplexitätsanstieg tatsächlich mit einer erhöhten psychischen Beanspruchung einhergeht bzw. inwieweit die identifizierten Komplexitätsdimensionen als Prädiktoren für negative Fehlbeanspruchungsfolgen (Richter und Hacker 2017), wie ein erhöhtes Burn-Out-Risiko, fungieren können. Trotz bekannter Schwierigkeiten bei der Messung psychischer Belastung und Beanspruchung (Nachreiner und Schütte 2002; Böckelmann und Seibt 2011; DIN EN ISO 10075-1 2018) sind Forschungsaktivitäten, die sich der Beantwortung dieser und verwandter Fragen in der Projektarbeit widmen, zu begrüßen (s. z. B. Gerlmaier und Latniak 2011) und auszubauen. In Anbetracht des gefundenen Einflusses des Projektmanagementansatzes erscheint eine entsprechende Differenzierung bei zukünftigen Untersuchungen angezeigt, mindestens aber eine Kontrolle dieser Variable. Eine zweite, ebenfalls im Rahmen des Forschungsprojekts TransWork durchgeführte, größer angelegte Online-Befragung verspricht hierzu weitere Erkenntnisse. Die Ergebnisse werden derzeit im Rahmen eines Promotionsvorhabens aufbereitet.

3.6 Empfehlungen für die Gestaltung von Arbeit im Projektmanagement

Zentrale Ansatzpunkte für die Beherrschung von Komplexität im Projektmanagement betreffen die Organisation, die beteiligten Personen sowie die eingesetzten Technologien, womit die drei klassischen Dimensionen der sozio-technischen Systemgestaltung angesprochen sind. Die organisatorische Dimension umfasst im vorliegenden Kontext sowohl die projektinterne Arbeitsorganisation als auch das organisationale Umfeld. In der Studie haben sich vor allem organisatorische Gestaltungsaspekte als besonders komplexitätstreibend erwiesen, sodass sich auch die Gestaltungsempfehlungen hierauf konzentrieren. Im Rahmen von betrieblichen Aktivitäten zur Analyse und Gestaltung von Projektarbeit sollten allerdings stets alle drei Dimensionen sowie alle Beteiligten (nicht nur die hier betrachtete Zielgruppe) in den Blick genommen werden.

Die Tätigkeit von Projektmanager*innen ist anspruchsvoll, abwechslungsreich und eröffnet in der Regel auch Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten im Prozess der Arbeitsbewältigung. Das Ziel einer (Um-)Gestaltung kann deshalb nicht darin bestehen, aus einer in Bezug auf den Arbeitsinhalt „komplexen“ Tätigkeit eine einfache, monotone zu machen. Die folgenden Empfehlungen zielen vielmehr darauf ab, Komplexität dort zu reduzieren, wo sie zu vermeidbaren Belastungen der Zielgruppe sowie darüber hinaus zu Ineffektivität und Produktivitätsverlusten in Unternehmen führt.

Bezogen auf das Umfeld von Projekten sind Unternehmen gefordert, die Widersprüchlichkeit von Zielen, Anforderungen und Regularien zu reduzieren. Es gilt unternehmensspezifische Zielsysteme, Regelwerke und Standards auf den Prüfstand zu stellen, Widersprüche aufzudecken und ggf. parallel bestehende Ziel- und Managementsysteme zu verschlanken und zu integrieren. Bei unvermeidbaren Widersprüchen mit Regelwerken anderer Länder oder Partnerorganisationen sind verbindliche Prioritätsregeln zu vereinbaren und transparent zu machen.

Transparenz ist auch in Bezug auf die Aufbauorganisation gefordert – sowohl innerhalb als auch außerhalb von Projekten. Auf der Grundlage der Studie kann keine generelle Empfehlung für die Auswahl des klassischen, agilen oder hybriden Projektmanagementansatzes gegeben werden. Von Bedeutung erscheint jedoch, die mit den jeweiligen Ansätzen verbundenen Rollen, Aufgaben und Entscheidungsbefugnisse zu definieren und Konfliktpotenziale zu reduzieren. Angesichts der hohen Volatilität und Dynamik der Wettbewerbsbedingungen und den daraus resultierenden Flexibilitätsanforderungen geht es nicht darum, Stellenprofile zu erstellen, in denen sämtliche Tätigkeitsbestandteile detailliert festgeschrieben sind. Überlappungen zwischen bewusst unscharf bzw. offen gehaltenen Rollenbeschreibungen sind im Sinne der Förderung von projekt- und bereichsübergreifender Kooperation und Kommunikation durchaus erlaubt. Allerdings sollten eben auch diese Überlappungen für die Beteiligten transparent sein. Unterdeckungen in Form von nicht zugeordneten, aber für die Ablauforganisation relevanten Aufgaben und Entscheidungsbefugnissen sollten hingegen vermieden werden.

Aus Sicht der befragten Projektmanager*innen zählt auch die Fluktuation im Projektteam zu den stärksten Komplexitätstreibern. Hier lassen sich Bezüge zu Befunden der Erfolgsfaktorenforschung im Bereich des Projektmanagements herstellen, die eine kontinuierliche Besetzung des Projektteams favorisieren.

In Abhängigkeit des Projektmanagementansatzes ergeben sich weitere Ansatzpunkte für die Reduzierung von Komplexitätsanforderungen. Um beispielsweise im klassischen Projektmanagement Zeitdruck zu vermeiden, sollte bereits im Zuge der Verhandlungen mit dem Projektauftraggeber eine Priorisierung der Projektziele vorgenommen werden (z. B. Qualität vor Termin). Ein Absenken des Anspruchs an die langfristige Planbarkeit von Projekten sowie kürzere Planungszeiträume können ebenfalls dazu beitragen, das Entstehen von Zeitdruck zu verhindern. Nicht zuletzt kann auch eine realistischere Schätzung des geplanten Aufwands mithilfe neuartiger Verfahren Abhilfe verschaffen (s. Beitrag von Hacker et al. in diesem Band). Die Bezüge zu den agilen Konzepten sind offensichtlich. Eine höhere Agilität im Sinne des agilen Manifests lässt sich folglich auch im klassischen Projektmanagement erreichen, indem Kunden und Stakeholder regelmäßig einbezogen, die Zieldimensionen im Vorfeld priorisiert, die Planungszeiträume verkürzt und die Verantwortlichkeiten der Projektleitung zugunsten einer stärkeren Selbstorganisation im Projektteam reduziert werden.

Im agilen Managementansatz erscheint es besonders wichtig, Projektverantwortliche bei der Verarbeitung und Priorisierung der unterschiedlichen Interessen und Anforderungen der externen Projektstakeholder sowie aller anderen Einflüsse aus dem dynamischen Projektumfeld zu unterstützen. Dabei ist u. a. dafür Sorge zu tragen, dass Auftraggebern und anderen Stakeholdern die agile Arbeitsweise bekannt ist. Es gilt z. B. ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass die in frühen Phasen erstellten Produktinkremente zwar funktionsfähig sind, aber nicht alle Funktionen umfassen. Soll ein Anstieg der subjektiv wahrgenommenen Komplexität vermieden werden, ist zusätzlicher Leistungsdruck durch unternehmensinterne Stakeholder kontraproduktiv. Der in agilen Ansätzen postulierte Anspruch eines ertragbaren, gleichmäßigen Arbeitstempos sollte nicht nur für die Entwicklungsteams gelten, sondern auch für Projektverantwortliche bzw. im Fall von Scrum für Product Owner und Scrum Master realisiert werden.

Die bereits genannten Gestaltungsempfehlungen zur Zielharmonisierung, -priorisierung und Rollenklärung sollten auch bei hybriden Ansätzen zu einer Reduzierung der Komplexität führen. Aus der Kombination der Ansätze können zusätzliche Anforderungen und Herausforderungen entstehen. So ist besonderes Augenmerk darauf zu legen, dass die Vielfalt der zum Einsatz kommenden Methoden und Technologien noch beherrschbar ist und Überforderungen durch fehlende Qualifikationen oder ergonomisch schlecht gestaltete Benutzungsschnittstellen vermieden werden.

Einige der genannten Maßnahmen haben bereits das Potenzial, nicht fachlich begründete Konflikte zwischen Projektleiter*in und Projektteam zu vermeiden. Darüber hinaus erscheint es angebracht, den Umgang mit Konflikten durch spezifische Trainings und Teamentwicklungsmaßnahmen zu unterstützen. Die Kompetenz der Projektmanager*innen hat sich in der Untersuchung als ein zentraler Ansatzpunkt für die Senkung von Komplexität im Projektmanagement erwiesen. Auf eine Aufzählung der vielfältigen Methoden und Konzepte zur Erfassung und Förderung beruflicher Handlungskompetenz soll hier verzichtet und stattdessen auf die einschlägige Literatur verwiesen werden (s. z. B. Kauffeld und Frerichs 2018; Kauffeld 2009).

Damit die Gestaltung nicht an den individuellen Wahrnehmungen und Bedürfnissen der Beschäftigten sowie den spezifischen organisationalen Bedingungen und Bedarfen des Unternehmens vorbeiläuft, ist eine vorgeschaltete Analyse der konkreten betrieblichen Ausgangs- und Arbeitssituation und der jeweils individuellen Arbeitssituation dringend zu empfehlen. Sowohl bei der Instrumentenauswahl als auch bei der Durchführung der Analyse sind die vielfältigen Belastungen und Anforderungen, die bei der Leitung und Bearbeitung von Projekten auftreten können, zu berücksichtigen, um negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Beteiligten, z. B. infolge von dauerhaft als zu hoch wahrgenommener Komplexitätsanforderungen, zu vermeiden. Des Weiteren wird empfohlen, entsprechende Aktivitäten durch Qualifizierungsmaßnahmen zu flankieren, die auf die Entwicklung von Arbeitsgestaltungskompetenz auf allen Hierarchieebenen abzielen. Hiermit ist die Hoffnung der Autor*innen verbunden, dass die Kenntnis der Auswirkungen von Entscheidungen auf die Arbeitsbedingungen anderer nicht zuletzt auch dazu beiträgt, dass bei der Einlastung neuer Projekte neben den fachlichen Fähigkeiten auch die zeitlichen und gesundheitlichen Ressourcen der Beschäftigten angemessen Beachtung finden.