Zusammenfassung
Als homolog erkannte Merkmale geben nicht automatisch Aufschluss über die Verwandtschaft ihrer Merkmalsträger, weil es kulturell tradierte homologe Merkmale gibt. Ferner enthält das System abgestufter stammesgeschichtlicher Verwandtschaften erstens sowohl alte, große Gruppen kennzeichnende (plesiomorphe) Homologien als auch in Zweiggruppen neu entstandene (apomorphe) Homologien. Zweitens können homologe Merkmale untereinander enger verwandt sein als ihre Merkmalsträger, weil sowohl Verhaltensweisen wie Stoffe und Organe zuweilen zwischen verschiedenen Arten übernommen werden. Homologe Verhaltensweisen (etwa Lautäußerungen) setzen nicht auch homologe ausführende Organe voraus. Das Homologisieren hilft nicht, angeborene von erworbenen Merkmalen zu unterscheiden.
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Notes
- 1.
Mit „verwandt“ kann man allerdings zweierlei meinen (s. Mayr 1965): genealogisch oder genetisch verwandt. Genetisch sind die Krokodile den Reptilien näher verwandt, genealogisch aber den Vögeln, mit denen sie die Pseudosuchier als Vorfahren gemeinsam haben, die nicht in die Vorfahrenreihe der heutigen Reptilien gehören. Die Vögel haben sich aber evolutorisch weiter von den Krokodilen entfernt als diese von den meisten Reptilien. In der Verhaltensforschung spielen solche Unterschiede bislang keine Rolle, denn an verwandten Arten ist hier das Konvergenzproblem sehr groß; und es wird ja auch nicht dadurch kleiner, dass die Abzweigstellen tiefer in der Vergangenheit liegen.
- 2.
Innerhalb weitläufigerer Verwandtschaft entspricht dem das bekanntere Beispiel der konvergent flossenartigen homologen Vordergliedmaßen von Pinguin und Wal.
- 3.
Diese Sprachsymbolik, die auf der photogeomenotaktischen Transposition aufbaut, findet sich bei den Arten Apis mellifera, indica und dorsata.
- 4.
In der deutschen zoologisch-physiologischen Literatur findet man – anders als bei den Psychologen – statt des ursprünglich von Pawlow benutzten deutschen Wortes „Bekräftigung “ weithin seine englische Übersetzung reinforcement. Das ist ein historischer Rest, der den Umweg zeigt, auf dem das Interesse an Pawlows Befunden neu geweckt wurde.
- 5.
Das im gleichen Sinne oft gebrauchte Argument, die Evolution sei doch sicher nicht „plötzlich stehen geblieben“, enthält einen Denkfehler: Wenn sie plötzlich stehen bliebe, hätten wir genau das, was wir heute haben, nämlich einen (eingefrorenen) Zeitquerschnitt mit allen gerade erreichten Stadien.
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Wickler, W. (2015). Gruppenphylogenetische Verhaltensforschung. In: Vergleichende Verhaltensforschung und Phylogenetik. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-45266-0_3
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