Zusammenfassung
Politikwissenschaftliche Ansätze sind methodisch häufig von quantifizierenden Messverfahren geprägt und untersuchen Einstellungen, politische Systeme oder Institutionen im Sinne entpersonalisierter Gesellschaftsphänomene. Biographieforschung wird nur marginal betrieben und wenn, eher im Sinne einer historiographischen Annäherung an die Lebensgeschichte bedeutender Politiker(innen). Die Methodendiskussion aus anderen Sozialwissenschaften wird wenig rezipiert in der Politikwissenschaft. Aus dem Umfeld der sozialkonstruktivistischen Biographieforschung liegen jedoch zahlreiche Studien zu politikwissenschaftlichen Fragestellungen, beispielsweise zu sozialen Bewegungen, zu bürgerschaftlichem Engagement, zu Rechtsextremismus oder zum Nationalsozialismus und seinen Folgen in Nachkriegsdeutschland vor. Eine biographieanalytische Perspektive auf politikwissenschaftliche Fragestellungen ermöglicht, nicht nur Momentaufnahmen von Einstellungen oder Entscheidungen abzubilden, sondern sich an die Entstehung und Weiterentwicklung sozialer Phänomene anzunähern. Aus der biographischen Perspektive lassen sich politische Prozesse, Organisationen und Bewegungen in Vergangenheit und Gegenwart erklären.
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Alber, I. (2018). Politikwissenschaftliche Ansätze und Biographieforschung. In: Lutz, H., Schiebel, M., Tuider, E. (eds) Handbuch Biographieforschung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-18171-0_16
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