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Neue Schulformen, neue Ungleichheiten

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Bildung und Ungleichheit in Deutschland

Zusammenfassung

Mit der Einführung neuer Sekundarschulformen ist die Erwartung verknüpft, eine gemeinsame Schule für alle Schüler_innen neben dem grundständigen Gymnasium anzubieten. Die Einsortierung der Schüler_innen in abschlussbezogene Bildungsgänge wird dabei vom Grundschulübergang in die Sekundarstufe I verschoben und erfolgt schulintern durch gestuft angelegte Differenzierungen. Die bundeslandspezifischen Schulformvarianten unterscheiden sich darin jedoch erheblich, was insbesondere in der Anlage von Cooling-out-Prozessen sichtbar wird, mit denen die leistungsschwachen Schüler_innen aus der allgemeinbildenden Schule heraus in berufliche Bildungsgänge gelenkt werden. Durch einen kontrastierenden Vergleich der niedersächsischen Oberschule und der Hamburger Stadtteilschule wird aufgezeigt, inwiefern der Anspruch an eine bundesweite Gleichheit der Schulverhältnisse durch die neue Schulformvielfalt weiter ausgehöhlt wird.

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Notes

  1. 1.

    An diesem Punkt könnten diskurstheoretische Analysen weiterhelfen, um die in den Bildungsinstitutionen reproduzierten Machtstrukturen genauer zu erfassen, die sich in den Differenzierungspraktiken sedimentieren.

  2. 2.

    Z. B. wird die höchste Abiturquote (gemessen am Anteil der gleichaltrigen Wohnbevölkerung) 2014 im Ländervergleich in Hamburg mit 55,8 % erreicht; in Niedersachsen beträgt die Quote 37,6 % und Schlusslicht ist Bayern mit 31,4 % (vgl. Statistisches Bundesamt 2015, S. 477 ff.). Ohne den ersten Schulabschluss wiederum verließen im selben Jahr in Hamburg und Niedersachsen je 4,9 % der gleichaltrigen Schüler_innen die allgemeinbildende Schule; die meisten Schulabgänger_innen ohne Abschluss gibt es in Sachsen-Anhalt mit 9,7 % (vgl. Statistisches Bundesamt 2015, S. 450).

  3. 3.

    Ähnlich argumentieren auch Gomolla & Radtke (2007, S. 23):

    Die Erklärung der Ungleichverteilung von Bildungschancen und -abschlüssen kann die Ursachen entweder in den Eigenschaften der Kinder oder in den Entscheidungsprozeduren der Organisation Schule suchen, oder beide Ursachenkomplexe kombinieren. Wenn Pädagogen selbst ihre Tätigkeit beschreiben, wird die Schule als Organisation präsentiert, die mit dem Ziel arbeitet, die Schüler bestmöglich zu fördern. Dazu kommt es darauf an, ausgehend von einer zuverlässigen Diagnose der besonderen Begabungen, jedem Kind das bestmögliche Bildungsangebot zu machen, das seinen Fähigkeiten und Bedürfnissen gerecht wird. Auf dieser Basis werden Leistungen bewertet und Promotionsentscheidungen getroffen. […] Diese pädagogische Deutung hat den Vorzug, dass sie die Selektionsentscheidungen der Schule, die einen jeweils folgenreichen Eingriff in das Leben von Kindern bedeuten, mit dem Begriff des Förderns in mildem Licht weichzeichnet und als positive Dienstleistung an den Kindern und ihren Eltern erscheinen lässt.

  4. 4.

    Die Ausnahme ist die Transformation von einer Gesamtschule. Welche Gründe könnte es aber geben, um im lokalen Bedingungsgefüge eine Gesamtschule in eine Oberschule zu transformieren? Vorstellbar sind sowohl politische Beweggründe der mit Entscheidungsmacht ausgestatteten Akteur_innen (Schulträger, Schulleitungen u. a.), eine ‚ungeliebte‘ Schulform loszuwerden, oder aber Anreize durch eine bessere finanzielle und personelle Ausstattung. Weniger wahrscheinlich sind hier hingegen pädagogische Erwägungen, weil die Konzepte der beiden Schulformen einander zu sehr gleichen.

  5. 5.

    Dabei spielen auch viele Faktoren hinein, die die schulischen Steuerungsmöglichkeiten an diesem Übergang übersteigen, z. B. die Einstellungspraktiken der Betriebe oder das regional bestehende Verhältnis von Angebot und Nachfrage in den einzelnen Ausbildungsberufen.

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Klomfaß, S. (2017). Neue Schulformen, neue Ungleichheiten. In: Baader, M., Freytag, T. (eds) Bildung und Ungleichheit in Deutschland. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-14999-4_11

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