Skip to main content

Der Hack-Attack-Hype – Ein kritischer Blick auf die Berichterstattung über Terrorismus und Cyber-Terrorismus

  • Chapter
  • First Online:
Die mediale Inszenierung von Amok und Terrorismus

Zusammenfassung

Die Autorin stellt die grundlegenden definitorischen Schwierigkeiten bei der Verwendung des Begriffes „Terrorismus“ bzw. „Terrorist“ da. Auch in der Debatte um das Phänomen des Cyber-Terrorismus spiegelt sich diese definitorische Problematik wieder. Anhand von Fallbeispielen werden Ausprägungen cyber-terroristischer Anschläge vorgestellt. Darüber hinaus werden verschiedene Mediengattungen hinsichtlich ihrer Rolle bei der Darstellung terroristischer Anschläge diskutiert. Anschließend erfolgt eine Erweiterung der Darstellung mit Fokus auf Social-Media-Kanäle.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 29.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 39.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Literatur

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Corresponding author

Correspondence to Francesca Bosco .

Editor information

Editors and Affiliations

Ergänzungen zum Thema Terrorismus und Social Media von Robert Kahr

Ergänzungen zum Thema Terrorismus und Social Media von Robert Kahr

Das terroristische Kalkül, sich mittels Gewalt die mediale Aufmerksamkeit zu sichern und hierdurch die eigenen Botschaften einem großen Publikum zu präsentieren, kann partiell vermieden werden. Medien können sich diesem Vorhaben – zuvorderst aus berufsethischen Gründen – widersetzen, oder diese Botschaften können anderweitig, etwa durch polizeiliche Behörden, zurückgehalten werden. Das digitale Zeitalter mit seinen neuen Kommunikationskanälen, wie Social Media, bietet allerdings nicht nur erweiterte Möglichkeiten zur Informationsbeschaffung, sondern ebenso zur Informationsverbreitung. Via Internet besteht die Möglichkeit, direkt, ungefiltert und über nahezu alle Grenzen hinweg zu kommunizieren. Diesen Umstand machen sich auch Terroristen zunutze, die nun unabhängig von Medien und völlig eigenständig ihre Propaganda an ein internationales, disperses Publikum im Netz richten können. Das von Brigitte Nacos vorgestellte Konzept des „mass-mediated terrorism“ (Nacos 2002 – siehe hierzu auch Kapitel 2 in diesem Band) muss folglich im Hinblick auf die neuen Möglichkeiten der Mediennutzung, wie sie insbesondere durch die Etablierung von Facebook, YouTube und Co. in den vergangenen zehn Jahren entstanden sind, erweitert werden. Um zu verstehen, wie sich im Zuge der Digitalisierung auch die Facetten der terroristischen Kommunikation verändert haben, werden im Folgenden zwei zeitlich weit auseinanderliegende Fälle gegenübergestellt – der erste Fall geschah lange vor der Verbreitung des World Wide Webs, während der zweite aktuellere Fall im Jahr 2014 stattfand. Social Media waren hier bereits allgegenwärtig (mittlerweile verfügt z. B. Facebook über 1,44 Mrd. aktive Nutzer weltweit, vgl. Facebook 2015).

Fall 1: Als die RAF im Herbst des Jahres 1977 den damaligen Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer entführte, verlangten die Terroristen, dass ein Foto des Entführten zusammen mit den Forderungen und Erklärungen der Täter in der Tagesschau gesendet werden sollten. Die Bundesregierung kam diesen Forderungen jedoch nicht nach und verhängte mit Billigung der Chefredakteure der führenden deutschen Medien eine Nachrichtensperre. Erst mehrere Tage später veröffentlichte die Frankfurter Rundschau ein ihr zugeleitetes Foto, das den entführten Schleyer zeigte.

Fall 2: Im Dezember 2014 nahm der islamistische Attentäter Man Haron Monis in einem Café in der Innenstadt von Sydney 17 Angestellte und Gäste als Geiseln. Er zwang dabei mehrere Geiseln, bei Fernseh- und Radiostationen anzurufen, um seine Forderungen zu übermitteln. Die Sender zeichneten diese Anrufe zwar auf, sendeten die Inhalte aber nicht. Als dem Täter klar wurde, dass die mediale Inszenierung seiner Tat zu scheitern drohte, zwang er die Geiseln, seine Forderungen über ihre Facebook-Profile zu verbreiten. Zusätzlich drehte er mehrere Videos, auf denen verängstigte Geiseln seine Forderungen verlesen mussten. Diese veröffentlichte er auf YouTube. Binnen weniger Minuten verbreiteten sich diese Inhalte über Twitter und die Weltöffentlichkeit bekam Kenntnis von den Botschaften und Forderungen des Täters.

Durch die Möglichkeit, über Social Media schnell, direkt und ungefiltert Inhalte ins Internet zu stellen, erfährt die terroristische Kommunikationsstrategie einen grundlegenden Paradigmenwechsel. Die Rolle der klassischen Medien als Multiplikatoren bleibt in diesem Bereich zwar wesentlich – im Zweifelsfall geht es aber auch ohne sie. Eine Inszenierung von Gewalt kann nunmehr verstärkt im Hinblick auf digitale Öffentlichkeiten erfolgen. Für diese Art terroristischen Handelns bietet sich in Anlehnung an Nacos der Begriff „social-mediated terrorism“ an. Hierunter werden das Einbeziehen der Herstellung und die Verbreitung von Inhalten mittels digitaler Medien und insbesondere via Social Media in die Planung terroristischer Anschläge verstanden. Digitale Kommunikationsstrategien zum Zwecke der Selbstinszenierung, der Nachwuchsgewinnung und der Propaganda nehmen in terroristischen Gruppierungen mittlerweile einen hohen Stellenwert ein. Moderne Terrorbewegungen wie der sogenannte Islamische Staat (IS), die somalische Miliz Al-Shabaab oder die nigerianische Gruppierung Boko Haram verfügen teils über eigene Abteilungen, die zuständig für die Erarbeitung und Steuerung von digitalem Content sind. So gelangen über Social Media auch Inhalte ungekürzt in die Öffentlichkeit, die aufgrund ihrer Grausamkeit allenfalls in Auszügen oder stark zensiert über journalistische Medien Verbreitung finden würden. Über das Internet allgemein und unverschlüsselt zugängliche Bilder und Videos von Massenexekutionen, Köpfungen oder Verbrennungen zeugen von der Grausamkeit der Gruppierungen und dienen ihnen als Demonstration der eigenen Stärke.

Konnte zur Abwehr der Botschaften des „mass-mediated terrorism“ auf die ethische Integrität der Medien gehofft werden, die ihrem Publikum derartige Bilder ersparen und nicht als „Erfüllungsgehilfen“ der Täter fungieren wollten, gestaltet sich der Umgang mit „social-mediated terrorism“ deutlich schwieriger. Nicht länger entscheidet eine Redaktion über Publikation oder Unterbindung, sondern nunmehr ein jedes Mitglied der digitalen Community. Dabei werden sich stets unbedachte oder gar sympathisierende User finden, welche die terroristischen Inhalte teilen und weiterverbreiten. Ferner definieren sich einzelne Kanäle wie das Videoportal LiveLeak oder das bereits im Kontext des School Shootings von Winnenden genannte Imageboard 4chan darüber, dass ausdrücklich keinerlei Inhalte zensiert werden.

Der Umstand, dass solche grausamen Inhalte nun durch das Internet ohnehin zugänglich sind, wird in der Folge in einigen Fällen von klassischen Medien als Rechtfertigung dafür angeführt, derartige Fotos und Videos ebenso unzensiert zu senden. So bettete der amerikanische Nachrichtensender Fox ein 22-minütiges martialisches IS-Propagandavideo auf seiner Homepage ein, das u. a. die Verbrennung des jordanischen Piloten Muadh al-Kasasbeh zeigt.

Letztendlich liegt die Verantwortung für einen Widerstand gegen die terroristische Nutzung digitaler Medien sowohl bei klassischen Massenmedien als auch bei der Netzgemeinschaft. Ein Beispiel hierfür ist die Kampagne #ISISmediablackout, welche infolge der Ermordung des US-Journalisten James Foley im August 2014 von Kollegen und Aktivisten initiiert wurde (Kimball 2014). Dabei wurden User aufgefordert, Fotos, Videos oder sonstige IS-Inhalte nicht weiterzuverbreiten. Auch Twitter selbst reagierte und kündigte kurz darauf an, Accounts zu sperren, über die derartiger Content geteilt wird.

Trotz der Konkurrenz durch alternative Informationsquellen im Internet behalten journalistische Medien ihre wichtigen Funktionen zur Aufklärung und Einordnung komplexer Sachverhalte. Dabei beeinflussen sie parallel zu den althergebrachten Kanälen mit ihren Social-Media-Profilen die öffentliche Meinungsbildung. Folglich bedarf es einer kritischen Reflektion der Medienschaffenden, inwiefern sie ihre gesellschaftliche Verantwortung angesichts terroristischer Akteure wahrnehmen, die durch das Töten Unschuldiger nach Selbstinszenierung streben. Um dies zu erreichen, haben sie die Möglichkeit, den öffentlichen Diskurs über Print, Fernsehen, Radio und diverse digitale Kanäle dahingehend mitzugestalten, dass dem destruktiven Gebaren Botschaften von Toleranz und gesellschaftlicher Geschlossenheit entgegengebracht und den terroristischen Botschaften kein Gehör geschenkt wird. So entstand bereits während der Geiselnahme von Sydney unter dem Hashtag #illridewithyou eine Aktion, bei der Twitter-User anboten, muslimische Männer und Frauen bei Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu begleiten, um sie vor islamfeindlichen Angriffen zu schützen. Diese Aktion fand breiten Anklang in den Medien. Die Attentate von Paris sind ein weiteres Beispiel: Bereits wenige Minuten, nachdem der Anschlag auf die Charlie Hebdo-Redaktion bekannt geworden war, twitterte der französische Musikjournalist Joachim Roncin aus Solidarität mit den Getöteten „Je suis Charlie“ (Roncin 2015). Dieser Slogan mit der nunmehr berühmten weißen Schrift auf schwarzem Grund wurde auf den Titelseiten der Weltpresse sowie in Social Media als Symbol gegen den Terror und als Zeichen der Anteilnahme verbreitet. Folglich bieten digitale Medien nicht nur Terroristen neue Möglichkeiten – auch die Netzgemeinde, politische Akteure und die Massenmedien können diese neuen Kanäle nutzen, um konstruktive Botschaften zu teilen und somit das terroristische Kalkül zu durchkreuzen.

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2016 Springer Fachmedien Wiesbaden

About this chapter

Cite this chapter

Bosco, F. (2016). Der Hack-Attack-Hype – Ein kritischer Blick auf die Berichterstattung über Terrorismus und Cyber-Terrorismus. In: Robertz, F., Kahr, R. (eds) Die mediale Inszenierung von Amok und Terrorismus. Springer, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-12136-5_8

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-12136-5_8

  • Published:

  • Publisher Name: Springer, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-12135-8

  • Online ISBN: 978-3-658-12136-5

  • eBook Packages: Psychology (German Language)

Publish with us

Policies and ethics