Zusammenfassung
Korruption ist der An- und Verkauf indisponibler Fachentscheidungen durch die Zuwendung bzw. Annahme von Vorteilen. Korruption im Allgemeinen führt zu einer Verletzung der staatlichen Neutralität oder des fairen Wettbewerbs. Korruption im Gesundheitswesen kann darüber hinaus zu einer Gefährdung der gesundheitlichen Interessen der Patienten führen. Deshalb stößt Korruption im Gesundheitswesen auf eine besonders sensible öffentliche Wahrnehmung und eine intensivierte strafrechtlichen Kontrolle. Der Begriff des „Vorteils“ ist im Korruptionsstrafrecht überaus weit definiert. Er kann bereits im Abschluss eines Vertrages und damit auch einer Kooperationsvereinbarung liegen. Da Kooperation im Gesundheitswesen systemnotwendig, politisch erwünscht und teilweise sogar gesetzlich geboten ist, liegen erlaubte Kooperation und verbotene Korruption in keinem anderen Bereich unserer Wirtschaftsordnung so nah bei einander wie im Gesundheitswesen. Zu denken ist etwa an die (universitäre) Drittmittelforschung oder die beratende Tätigkeit von Ärzten für die Pharma- und Medizinprodukteindustrie. Die Grenzbestimmung erfolgt in der Praxis in einer wertenden Beurteilung anhand der gesamten Interessenlage der Beteiligten. Bei der Korruptionsbekämpfung im Krankenhaus geht es deshalb vor allem um die Verfolgung legitimer Interessen und die konsequente Beachtung der überkommenen Prinzipien der Antikorruption: des Transparenz-, des Trennungs-, des Äquivalenz- und des Dokumentationsprinzips. Korruptionsprävention am Krankenhaus ist die Umsetzung dieser Prinzipien im Alltag und deren konsequente Anwendung auf jedwede Kooperationsbeziehung mit der Industrie und der niedergelassenen Ärzteschaft.
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Notes
- 1.
Vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 17.2.1993 – C-159/91, C-160/91 – Poucet und Pistre, Tz. 18 f.; EuGH, Urteil vom 16.3.2004 – C-264/01, C-306/01, C-354/01 und C-355/01, C-264/01, C-306/01, C-354/01, C-355/01 – AOK-Bundesverband, Tz. 46 – juris; EuGH, Urteil vom 11.7.2006 – C-205/03 P – FENIN, Tz. 25 f. Allerdings handelt es sich bei den genannten Entscheidungen um Einzelfallentscheidungen, die nicht ohne Weiteres verallgemeinerungsfähig sind. Zudem hat der EuGH in diesen maßgeblich auch auf die solidarische Finanzierung der Sozialversicherung und den fehlenden Gewinnzweck abgestellt (s. etwa EuGH, Urteil vom 16.3.2004 – C-264/01, C-306/01, C-354/01 und C-355/01, C-264/01, C-306/01, C-354/01, C-355/01 – AOK-Bundesverband, Tz. 47 – juris), worauf es im Rahmen des § 299 StGB ja gerade nicht ankommt.
- 2.
Eine ergänzende Einbeziehung des ärztlichen Mitarbeiters in den Vertragsschluss kann im Einzelfall aufgrund der Besonderheiten der spezifischen Kooperationsform erforderlich sein, was etwa im Bereich von Forschungsverträgen bei Verzicht auf das positive und negative Publikationsrecht nach § 42 Nr. 1 und 2 ArbnErfG zur Sicherung von Patentanmeldungen wegen § 22 ArbnErfG der Fall sein kann.
- 3.
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die Musterberufsordnung der Bundesärztekammer keine rechtliche Verbindlichkeit besitzt, sie aber durch die Landesärztekammern weitgehend in ihr verbindliches Satzungsrecht übernommen wurde. Eine im hiesigen Kontext relevante Besonderheit besteht allerdings für die Berufsordnung im Kammerbezirk Niedersachsen. Hier existiert keine dem § 32 Abs. 2 S. 1 MBO-Ä entsprechende Regelung, sodass die Annahme von Vorteilen zur passiven Fortbildungsteilnahme im Kammerbezirk berufsrechtswidrig ist. Allerdings hat die Ärztekammer Niedersachsen über die Verfolgung von diesbezüglichen Verstößen einstweilen ein Moratorium verhängt.
- 4.
Zu diesbezüglichen Konkretisierungen s. Ziff. 9.5 der FSA-Vorstandsleitlinien (Stand: 27.1.2015).
- 5.
Vgl. hierzu auch das Urteil des BGH vom 9.9.2010, Az.: I ZR 157/08 – FSA-Kodex I sowie dessen Beschluss vom 16.6.2011, Az.: I ZR 200/09 – FSA-Kodex II, in dem der BGH eine automatische wettbewerbsrechtliche Relevanz von Verstößen gegen die FSA-Kodizes verneint. Wegen des Stufenverhältnisses zwischen Wettbewerbsrecht und Strafrecht (ultima ratio) kann sich damit aus Verstößen gegen die Regelungen der pharmazeutischen Selbstkontrolle erst recht keine unmittelbar strafrechtliche Relevanz ergeben.
- 6.
Die sozialversicherungsrechtliche Möglichkeit des Einsatzes eines Honorararztes im stationären Leistungsgeschehen, ohne zugleich ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV zu begründen, wird vorliegend unterstellt (str.; s. hierzu SG Berlin Urteil vom 10.2.2012, Az.: S 208 KR 102/09, Urteil vom 3.11.2015, Az. S 122 KR 2119/12; SG Braunschweig, Urteil vom 25.7.2014, Az.: S 64 KR 412/13; a.A. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.4.2013, Az.: L 5 R 3755/11).
- 7.
In diesem Zusammenhang ist allerdings die Entscheidung des OLG Düsseldorf MedR 2009, 664 zu beachten, dass in einer nach GOÄ berechneten Vergütung einen „finanziellen und damit einen eindeutig sachfremden Anreiz zur Empfehlung“ eines Krankenhauses sah, weil „eine solche Abrechnung der Behandlung von Kassenpatienten […] für die teilnehmenden Vertragsärzte attraktiv“ sei.
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Geiger, D. (2016). Korruption. In: Schmola, G., Rapp, B. (eds) Compliance, Governance und Risikomanagement im Krankenhaus. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-10667-6_3
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