Zusammenfassung
In Kapitel 4 wird die umfassende Kritik an Diagnostik innerhalb der Fachdiskurse Sozialer Arbeit entfaltet, systematisiert und diskutiert. Schließlich wird begründet, dass diese „Selbstzweifel“ der Sozialen Arbeit entsprechende Professionalisierungsprozesse nicht bremsen müssen, hieraus vielmehr Impulse für die Entwicklung von Gütekriterien gewonnen werden können, die der Entwicklung von Verfahren sozialer Diagnostik dienen.
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Nicht weitergehend erörtert wird an dieser Stelle der immer vorhandene erkenntnistheoretische Zweifel an Verstehensvorgängen überhaupt, ausgehend von der Annahme, jegliches Verstehen sei eine diskursabhängige Konstruktion von Relevanz. Verstehensvorgänge stehen in diesem Zusammenhang immer unter dem Verdacht, das „an sich“ Vorhandene nicht erkennen zu können, sondern es im Vollzug qua Appellation zu erschaffen (vgl. Butler 2001). Zudem sind sie womöglich, durch einen ihnen innewohnenden Drang zur Wahrheit, Ausdruck eines hegemonialen Willens zur Macht, der sich selbst nicht erkennt (vgl. Foucault 1981). Diese Infragestellung enthebt jedoch angewandte (und forschende) Wissenschaften, wie die Soziale Arbeit, nicht von der Aufgabe, verantwortbare Verstehensverfahren zu entwickeln, deren Ergebnisse belastbar sind und nachfolgendes Interventionshandeln begründen. Sie bedürfen als Prämisse einer kritischen Ontologie.
Die Berechtigung hierzu ergibt sich aus der Logik von Foucault et al. selbst. Sie können keinen erhabenen Standpunkt einnehmen, von dem aus sie die Wahrheit über die Unmöglichkeit von Wahrheit auszusprechen in der Lage sind. Auch ihre wahrheitskritische Position ist in der Konsequenz ihres Denkweges nicht „wahr“ und steht genauso unter dem Verdacht, Ausdruck eines hegemonialen Machtwillens zu sein sowie das Ergebnis einer bestimmten Wahrheitspolitik. Sie wäre somit kontextual verständlich, aber nicht wahrer als ihr Gegenteil – und relativ. Das heißt: Mit Foucault et al. lernen wir, unsere Sprech- Denk- Verstehens- und Forschungsposition kritisch zu reflektieren und über die Bedingungen der Möglichkeit entsprechenden Handelns nachzudenken. Zugleich können wir es zu unterlassen, die damit verbundene Relativierung zu essentialisieren bzw. all unsere Objekterfahrungen bzw. Erkenntnisse zu relativieren. Auch die Relativierung ist relativ.
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Nauerth, M. (2016). Die Verstehenszweifel. In: Verstehen in der Sozialen Arbeit. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-10075-9_4
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