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„Der Auswurf, Abfall, Abhub aller Klassen“ – Müllmetaphorik und Ungleichheit in der soziologischen Zeitdiagnose

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Metaphern soziologischer Zeitdiagnosen

Zusammenfassung

Zeitdiagnosen sind vermutlich die öffentlich sichtbarste und bekannteste Kommunikationsform der Soziologie. Sie bedienen das Bedürfnis nach Orientierung in einer zunehmend komplexen Welt und verdichten soziologische Erkenntnisse und Gesellschaftsanalysen zu klaren Interpretationen, die sich möglichst in einem einzigen eingängigen Schlagwort bündeln lassen. Gegenüber anderen Textgattungen der Soziologie zeichnen sie sich u. a. durch ihre intensive Gegenwartsbezogenheit aus: Ihr Gegenstand ist das Hier-und-Jetzt, der aktuelle Moment gesellschaftlicher Entwicklung, der als dramatische Umbruchsituation präsentiert wird. Eine solche Zeitdiagnose, die seit einigen Jahren ungebrochene Popularität auf sich zieht, ist die Rede von der zunehmenden Spaltung der Gesellschaft. Soziale Ungleichheiten hätten, so der Kern der Diagnose, ein Ausmaß und eine Drastik erreicht, die bisher ungesehen seien.

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Notes

  1. 1.

    Zum Zusammenhang von Animalität, Bestialität und der Darstellung niedriger sozialer Schichten vgl. Bogdal 1978.

  2. 2.

    Die metaphorische Verknüpfung von mangelnder Hygiene und moralischen Debatten ist dabei ein typisches Merkmal früher sozialwissenschaftlicher und sozialessayistischer Studien. Vgl. auch Kleeberg 2011, S. 32 ff. und für den deutschsprachigen Raum Habermas 2008.

  3. 3.

    Ich danke Rudolf Schmitt für die Hinweise zur ursprünglichen Verwendung des Terminus Abhub im Bergbau.

  4. 4.

    Das ist natürlich ein subjektiver Leseeindruck, den es in einer genaueren Analyse zu explizieren gälte – aber zumindest die eher geringe und teilweise sehr kritische Rezeption des Baumanschen Bandes kann hier noch als Indiz dafür genannt werden, dass die Überzeugungskraft des gewählten metaphorischen Modells in diesem Grad der Ausarbeitung gering scheint. So thematisiert etwa Nicolas Pethes die dann doch lückenhaft bleibende Verwendung der Metapher: „Eine Übertragung der Logik des Wegwerfens auf den Menschen muss, bei allem polemischen Effekt, entscheidende Aspekte der Ökonomie des Abfalls verfehlen – allem voran die Möglichkeit, das Verworfene durch neuerliche Wertzuschreibungen zu recyclen. Der Skandal, den Bauman zu Recht im Auge hat, besteht ja darin, dass es aus den Hyperghettos der Konsumgesellschaft gerade keine Rückfahrkarte mehr gibt.“ (Pethes 2009).

  5. 5.

    Letzteres nicht zuletzt auch durch die kaum verhohlen voyeuristische Darstellung einer vermeintlich freizügigeren bis zügellosen Sexualität (vgl. nochmals Habermas 2008).

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Farzin, S. (2016). „Der Auswurf, Abfall, Abhub aller Klassen“ – Müllmetaphorik und Ungleichheit in der soziologischen Zeitdiagnose. In: Junge, M. (eds) Metaphern soziologischer Zeitdiagnosen. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-07080-9_9

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