Skip to main content

Zustimmung als Prozess: Informiertes Einverständnis in der Praxisforschung mit von Ausweisung bedrohten Drogenabhängigen

  • Chapter
  • First Online:
Forschungsethik in der qualitativen Forschung

Zusammenfassung

Aus der langjährigen praktischen Arbeit der Autorin mit von Ausweisung bedrohten Drogenabhängigen entstand die Idee, den „Einfluss des Aufenthaltsstatus auf den Drogenkonsumverlauf und die Zukunftschancen hier geborener und/oder aufgewachsener Männer ohne deutsche Staatsbürgerschaft“ im Rahmen einer Dissertation zu untersuchen. Dabei wurde deutlich, dass eine Forscherin vor anderen ethischen Fragen als eine Sozialarbeiterin steht. Vor allem der Umgang mit den anvertrauten Informationen unterscheidet sich. Vor diesem Hintergrund werden die Bedeutung gesetzlicher Bestimmungen und ethischer Richtlinien verschiedener Disziplinen diskutiert und reflektiert. Ein besonderes Augenmerk richtet sich dabei auf das Informierte Einverständnis, das als Prozess, nicht als einmaliger Akt zu Beginn eines Forschungsvorhabens zu verstehen ist.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 59.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 74.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Notes

  1. 1.

    „Für eine Vielzahl ausreisepflichtiger Ausländer ist (die Duldung) die aufenthaltsrechtliche Grundlage eines – z. T. langjährigen – Aufenthalts und damit faktisch zu einem Ersatztitel zweiter Klasse mutiert“ (Will 2008, S. 59; kursiv i. O.).

  2. 2.

    Der Begriff der „Drogenabhängigkeit“ wird kontrovers diskutiert. Ich verwende den Begriff im Sinne des klinisch-diagnostischen Leitfadens der Weltgesundheitsbehörde WHO („Internationale Klassifikationen psychischer Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen, ICD-10“). Danach ist ein entscheidendes Charakteristikum von Abhängigkeit der „oft starke, gelegentlich übermäßige Wunsch, psychotrope Substanzen oder Medikamente (ärztlich verordnet oder nicht), Alkohol oder Tabak zu konsumieren“. Eine sichere Diagnose soll nur gestellt werden, wenn mindestens drei Kriterien erfüllt sind, u. a. verminderte Kontrollfähigkeit, körperliche Entzugserscheinungen, Nachweis einer Toleranz, fortschreitende Vernachlässigung sowie anhaltender Substanzkonsum trotz Nachweises von eindeutig schädlichen Folgen (Dilling et al. 2010, S. 99).

  3. 3.

    Als Betroffene bezeichne ich diejenigen, die von Abschiebung bedroht sind oder durch ihren (fehlenden) ausländerrechtlichen Status benachteiligt werden.

  4. 4.

    Nach Flicker et al. (2007) versucht beispielsweise die Community-Based Participatory Research (CBPR) die Entwicklung partnerschaftlicher Prozesse zwischen Forscher*innen und Beforschten durch Teilhabe am Forschungsprozess zu fördern. Siehe dazu auch von Unger (2012).

  5. 5.

    Auf die Gefahr von Re-Traumatisierungen durch den Forschungsprozess weist Miethe (Miethe und Gahleitner 2010, S. 574) hin. Suchtkranke neigen zudem nach Vogt (2006) nicht selten dazu, Re-Traumatisierungen mit Drogen zu behandeln.

  6. 6.

    Das jetzige Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) stammt vom 20.12.1990 (Neufassung von 2003), zuletzt geändert am 14. August 2009. Das Gesetz gilt für öffentliche und nicht-öffentliche Stellen des Bundes und der Länder, wobei die Länder teilweise eigene bzw. ergänzende Datenschutzgesetze besitzen. Es gilt jedoch Bundesrecht vor Landesrecht. Alle Informationen zum Datenschutz unter: www.bfdi.de, zugegriffen: 04. August 2013.

  7. 7.

    Das Zeugnisverweigerungsrecht für Drogenberater findet sich in § 53 Abs. 1 Ziff. 3b der Strafprozessordnung (siehe dazu u. a. Remé 2007, S. 124).

  8. 8.

    Nach einem Schreiben des Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit vom 26. August 2010, GeschZ 531.1112.3.

  9. 9.

    Die ethnische Herkunft wird beispielsweise in der bundesweiten Drogenstatistik nicht erfasst. Sie ist aber gerade für die von mir untersuchte Gruppe von Bedeutung, weil sie ausländerrechtlich relevant sein kann. Das Gleiche gilt für Fragen der Gesundheit (vgl. dazu auch Padieu 2006, S. 31). Einerseits haben die Betroffenen gute Gründe, ihre Krankheiten nicht zu offenbaren, andererseits muss die Ungleichbehandlung öffentlich gemacht werden, damit Veränderungsprozesse herbeigeführt werden können. Zudem sind die Betroffenen in der Praxis häufig zur Offenlegung ihrer Erkrankungen gezwungen, weil eine notwendige finanzielle Unterstützung oder medizinische Hilfe begründet werden muss.

  10. 10.

    „Finally, ethics and law differ in important ways, and care must always be taken in making these distinctions. Different processes are involved in making ethical versus legal decisions, and they are subject to different regulations“ (AAA 2012, S. 3).

  11. 11.

    René Padieu ist Mitglied der Ethik-Komission des Europarates im Bereich Drogen. Er ist Statistiker und Mitverfasser der Erklärung zum Berufsethos des Internationalen Statistischen Instituts (Amsterdam, 1985) und arbeitete am Entwurf der Europarat-Entschließung Nr. R (97) 18 über den Schutz von zu statistischen Zwecken erfassten und verarbeiteten Personendaten mit.

  12. 12.

    „[…] members are not absolved from this responsibility by the consent given by research participants“ (BSA 2002,S. 26).

  13. 13.

    „Clarification should also be given to research participants regarding the degree to which they will be consulted prior to publication. Where possible, participants should be offered feedback on findings, for example in the form of a summary report“ (BSA 2002, S. 24).

Literatur

  • AAA. (2012). Statement on ethics principles of professional responsibility. http://www.aaanet.org/profdev/ethics/upload/Statement-on-Ethical-Principles-of-Professionals.pdf. Zugegriffen: 12. Dez. 2013.

  • Albertín Carbó, P. (2009). Reflexive practice in the ethnographic text: Relations and meanings of the use of heroin and other drugs in an urban community. Forum Qualitative Sozialforschung/Forum: Qualitative Social Research 10(2), Art. 23, May 2009. http://nbn-resovling.de/urn:nbn:de:0114-fqs0902235. Zugegriffen: 11. Dez. 2013.

  • Ambroselli, C. (2006). Drogenkonsum: Antworten der Gesellschaft. In Blickpunkt Ethik (Hrsg.), Drogenabhängigkeit ethisch betrachtet (S. 13–24). Berlin: Lit-Verlag. (Herausgegeben in Zusammenarbeit mit dem Europarat).

    Google Scholar 

  • Anokhina, I. P. (2006). Zwangstherapie. Der Ansatz der Russischen Föderation. In Blickpunkt Ethik (Hrsg.), Drogenabhängigkeit – ethisch betrachtet (S. 65–73). Berlin: Lit-Verlag. (Herausgegeben in Zusammenarbeit mit dem Europarat).

    Google Scholar 

  • BDS., & DGS. (1993). Ethik-Kodex der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) und des Berufsverbands Deutscher Soziologinnen und Soziologen (BDS). DGS-Informationen 1/93, 13–19. http://www.soziologie.de/de/die-dgs/ethik-kodex.html. Zugegriffen: 12. Dez. 2013.

  • Bourgeois, P., & Schonberg, J. (2009). Righteous Dopefiend. Berkeley: University of California Press.

    Google Scholar 

  • BSA. (2002). Statement of ethical practice for the British Sociological Association (BSA). Durham, UK. http://www.britsoc.co.uk/about/equality/statement-of-ethical-practice.aspx. Zugegriffen: 12. Dez. 2013.

  • Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003 (BGBl. I S. 66), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 14. August 2009 (BGBl. I S. 2814). http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/bdsg_1990/gesamt.pdf. Zugegriffen: 23. März. 2014.

  • Caplan, A. L. (2006). Ethical issues surrounding forced, mandated or coerced treatment. Journal of Substance Abuse Treatment, 31, 117–120.

    Article  Google Scholar 

  • DGfE. (2010). Ethik-Kodex. Berlin: Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft. http://www.dgfe.de/fileadmin/OrdnerRedakteure/Service/Satzung/Ethikkodex_2010.pdf. Zugegriffen: 11. Dez. 2013.

  • Dilling, H., Mombour, W., & Schmidt, M. H. (Hrsg.). (2010). Internationale Klassifikation psychischer Störungen, ICD-10, Kapitel V (F) Klinisch-diagnostische Leitlinien. Bern: Huber. (7., überarbeitete Aufl.).

    Google Scholar 

  • Flick, U. (2007). Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.

    Google Scholar 

  • Flicker, S., Travers, R., Guta, A., McDonald, S., & Meagher, A. (2007). Ethical dilemmas in community-based participatory research: Recommendations for institutional review boards. Journal of Urban Health, 86(4), 478–493.

    Google Scholar 

  • Fox, M., Martin, P., & Green, G. (2007). Doing practitioner research. London: Sage.

    Google Scholar 

  • Großmaß, R., & Perko, G. (2011). Ethik für soziale Berufe. Paderborn: Schöningh UTB.

    Google Scholar 

  • Heckmann, W. (2008). Drogenabhängigkeit. In D. Kreft & I. Mielenz (Hrsg.), Wörterbuch Soziale Arbeit, Aufgaben, Praxisfelder, Begriffe und Methoden der Sozialen Arbeit und Sozialpädagogik (S. 213–219). Weinheim: Juventa. (6., vollständig überarbeitete und aktualisierte Aufl.).

    Google Scholar 

  • Höffe, O. et al. (Hrsg.). (2008). Lexikon der Ethik. München: Beck. (7., neubearbeitete und erweiterte Aufl.).

    Google Scholar 

  • Hopf, C. (2004). Forschungsethik und qualitative Forschung. In U. Flick, E. von Kardorff & I. Steinke (Hrsg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch (S. 589–600). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.

    Google Scholar 

  • Lichtenauer, A. (2012). Menschen mit Kommunikationsbeeinträchtigungen und schweren Behinderungen als kompetente Interviewpartner. Voraussetzungen einer gelingenden Befragung, dargelegt am Beispiel eines Projekts aus der Evaluationsforschung. In D. Gredig & S. Schnurr (Hrsg.), Forschen in der Sozialen Arbeit. Exemplarische Antworten auf typische methodische Herausforderungen (S. 36–59). Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren.

    Google Scholar 

  • Lowman, J., & Palys, T. (1998). When research ethics & the law conflict. CAUT/ACPPU Bulletin Online, Canada‘s Voice for Academics 45(6). http://www.aaanet.org/profdev/ethics/upload/Statement-on-Ethical-Principles-of-Professionals.pdf. Zugegriffen: 01. Aug. 2011.

  • Miethe, I., & Gahleitner, B. (2010). Forschungsethik in der Sozialen Arbeit. In K. Bock & I. Miethe (Hrsg.), Handbuch Qualitative Methoden in der Sozialen Arbeit (S. 573–580). Opladen: Budrich. (unter Mitarbeit von B. Ritter & S. Schäfer).

    Google Scholar 

  • NASW (National Association of Social Workers). (2005). Standards for social work practice with clients with substance use disorders. Washington. www.socialworkers.org. Zugegriffen: am 12. Dez. 2013.

  • Padieu, R. (2006). Informationsverarbeitung und Datenvertraulichkeit. In Blickpunkt Ethik (Hrsg.), Drogenabhängigkeit – ethisch betrachtet (S. 25–40). Berlin: LIT-Verlag. (Herausgegeben in Zusammenarbeit mit dem Europarat).

    Google Scholar 

  • Remé, H. (2007). Stichwort Betäubungsmittelgesetz (BtmG). In R. Mulot (Hrsg.), Fachlexikon der Sozialen Arbeit (S. 124–125). Nomos: Baden-Baden. (6., völlig überarbeitete und aktualisierte Aufl).

    Google Scholar 

  • Schimpf, E., Stehr, J. (Hrsg.). (2012). Kritisches Forschen in der Sozialen Arbeit. Gegenstandsbereiche – Kontextbedingungen – Positionierungen – Perspektiven. Wiesbaden: Springer VS.

    Google Scholar 

  • Schmidtbauer, W., & von Scheidt, J. (2004). Handbuch der Rauschdrogen. Überarbeitete und erweiterte Aufl. Frankfurt a. M.: Fischer.

    Google Scholar 

  • Springer Loewy, R. (2010). Ethical issues in addiction medicine. In N. S. Miller & M. S. Gold (Hrsg.), Addictive disorders in medical populations (S. 31–51). Chichester: Wiley-Blackwell.

    Google Scholar 

  • Strafgesetzbuch (StGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), geändert durch Artikel 5 Absatz 18 des Gesetzes vom 10. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3799). http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/stgb/gesamt.pdf. Zugegriffen: 23. März. 2014.

  • Strafprozeßordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), geändert durch Artikel 5 Absatz 4 des Gesetzes vom 10. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3799). http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/stpo/gesamt.pdf. Zugegriffen: 23. März. 2014.

  • Swartz, S. (2011). ‘Going deep’ and ‘giving back’: Strategies for exceeding ethical expectations when researching amongst vulnerable youth. Qualitative Research, 11(1), 47–68.

    Google Scholar 

  • Vogt, I. (2006). Suchthilfe in ethischer Perspektive. In S. Dungs, U. Gerber, H. Schmidt, R. Zitt (Hrsg.), Soziale Arbeit und Ethik im 21. Jahrhundert (S. 423–438). Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt.

    Google Scholar 

  • von Unger, H., & Narimani, P. (2012). Ethische Reflexivität im Forschungsprozess: Herausforderungen in der Partizipativen Forschung. Discussion Paper SPI 2012 – 304. Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), Berlin. http://bibliothek.wzb.eu/pdf/2012/i12-304.pdf. Zugegriffen: 02. Juli. 2013.

  • von Unger, H. (2012). Partizipative Gesundheitsforschung. Wer partizipiert woran?. Forum Qualitative Sozialforschung/Forum: Qualitative Social Research 13(1), Art. 7. http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs. Zugegriffen: 5. Dez. 2013.

  • Will, A. (2008). Ausländer ohne Aufenthaltsrecht. Aufenthaltsrechtliche Rahmenbedingungen, Arbeitsrecht, Soziale Rechte. Baden-Baden: Nomos.

    Google Scholar 

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Corresponding author

Correspondence to Petra Narimani .

Editor information

Editors and Affiliations

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2014 Springer Fachmedien Wiesbaden

About this chapter

Cite this chapter

Narimani, P. (2014). Zustimmung als Prozess: Informiertes Einverständnis in der Praxisforschung mit von Ausweisung bedrohten Drogenabhängigen. In: von Unger, H., Narimani, P., M´Bayo, R. (eds) Forschungsethik in der qualitativen Forschung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-04289-9_3

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-04289-9_3

  • Published:

  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-04288-2

  • Online ISBN: 978-3-658-04289-9

  • eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)

Publish with us

Policies and ethics