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Polanyi Twisted

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Theorien der Politischen Ökonomie im Film
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Zusammenfassung

Karl Polanyi führte mit dem Begriff der Entbettung und der Vorstellung einer Pendelbewegung zwischen staatlicher Regulation und Marktliberalismus zwei hoch aktuelle Ideen in die Politikwissenschaft ein. Gleichzeitig ist sein Hauptwerkt The Great Transformation eine doppelt verschlossene Schatztruhe: Zum einen ist das Werk in die Zeit seiner Entstehung eingebunden, die 1940er Jahre vor dem Einbruch des Zweiten Weltkrieges, zum anderen besitzt die Arbeit zahlreiche Bezüge zur englischen Geschichte. Die Idee dieses Beitrages ist es nun, diese beiden Hürden zu überwinden und anhand des Films Oliver Twist Studierenden einen Zugang zum Denken Polanyis zu bieten. Hierfür wird der Film zum einen genutzt, um die explizite soziale Kritik und zum anderen die impliziten Annahmen zu betrachten, um sich Polanyis Begriff der Transformation zu nähern.

Eine Einführung in die große Transformation anhand des Films Oliver Twist

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Notes

  1. 1.

    An dieser Stelle bedanke ich mich für den Hinweis von Christopher Holmes, welcher die s.g. Doppelbewegung in der Analyse Polanyis als einen dritten wichtigen Moment beschreibt. In Holms eigenen Arbeiten spielt die Doppelbewegung eine wichtige Rolle, da er stärker eine post-strukturalistische Lesart von Polanyi hat (u. a. Holms 2012), wo hingen dieser Beitrag Polanyi eher unter dem Blickwinkel einer kritisch bis neo-marxistischen Position sieht.

  2. 2.

    Bereits für die Verfilmung von Oliver Twist, 1948 (von David Lean) wurde auf jegliche beleidigende Anspielung verzichtet und das Wort Jude, genau wie in der moderneren Fassung, nicht ein einziges Mal gebraucht. Damals hatte die amerikanische Filmkontrollbehörde „Production Code Administration“ die Produzenten darauf aufmerksam gemacht, dass jede diskriminierende Anspielung zu vermeiden sei. Quelle (zuletzt geprüft am 2.12.2012): http://www.arte.tv/de/film/kino-auf-ARTE/104518,CmC=1423730.html.

  3. 3.

    Exkurs:An dieser Stelle sei ein kleiner Ausflug in die psychoanalytische Interpretation des menschlichen Seins, in Anlehnung an die kritische Politische Ökonomie erlaubt. Die Öffnung der „Schatztruhe“ durch Fagin stellt eine Art Ritual, oder auch Zwang dar, sich an den gehorteten Werten zu ergötzen. Denn „…die Einstellung des Geizkragens gegenüber seiner Geldtruhe, dem geheimen Ort, an dem er seine Besitztümer sammelt und aufbewahrt. Das Geheimnis liegt natürlich darin, daß in der Figur des Geizkragens der Exzeß mit dem Mangel zusammenfällt, die Macht mit der Ohnmacht/ Impotenz, geiziges Horten mit der Erhöhung des Objektes zum verbotenen/ unberührbaren Ding, das man nur beobachten, aber nie völlig genießen kann.“ (Zizek 2001: 18) In Anlehnung an Lacan führt Zizek aus, dass dies „…der Höhepunkt des Fetischcharakters des Objekts im menschlichen Begehren…“ (Lacan1958–59; zit. n. ebenda: 18) ist. Das diese Handlung somit einen Wert an sich darstellt ist von Marx, und von den TheoretikerInnen der kritischen Politischen Ökonomie die auf ihn folgten, nicht viel Beachtung geschenkt worden. Man muss hier auch zugestehen, dass es Marx um die „Wirklichkeit“ des kapitalistischen Wirtschaftssystem ging und sich seine Analysen hierauf richteten, und weniger auf die innere Psyche des Subjekts, wie es Freud oder Lacan Jahrzehnte später behandelten.

    Der Kapitalismus, wie wir in heute erleben, hat den Geiz, bzw. die Gier transformiert. Nicht nur, dass ein „Schatz“ investiert werden muss, damit er erhalten bleibt (gehortete Wertgegenstände müssen Rendite aus der Realwirtschaft abzweigen), die Gier ist der Konsum der Objekte unseres Begehrens selber in der heutigen Zeit. Der viel verwendete Begriff der Konsumgesellschaft spiegelt dies wider; wir stellen zur Schau am (Massen-)Konsum teilhaben zu können und diesen für jedermann sichtbar zu zeigen. Der Geizkragen hat sich durch den modernen Kapitalismus zum Gierhals transformiert; der unstillbare Hunger, das Verlangen nach ständig mehr, ist als feste Konstante erhalten geblieben.

    Sparsamkeit und das Erbringen eines Opfers hierdurch bleiben dem Konsum jedoch stets gegenüberstehend, auch wenn uns die Werbung mit „Drei zum Preis von Zweien“-Angeboten u. a. vom Gegenteil versucht zu überzeugen. „Statt einen freien Konsum ohne Opfer möglich zu machen, erzeugt die moderne > totale Ökonomie < , […], die Paradoxie der Sparsamkeit – […] der Konsum ist nur insoweit gestattet, als er wie die Erscheinungsform seines Gegenteils funktioniert.“ (Zizek 2001: 20) Nach dieser Lesart gilt „… der Jude als Inkanation der kapitalistischen Paradoxie der Sparsamkeit…“ (ebenda: 20) und tritt bei Oliver Twist durch die Figur des Fagin in Erscheinung.

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Hamenstädt, U. (2014). Polanyi Twisted. In: Theorien der Politischen Ökonomie im Film. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-03949-3_4

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-03949-3_4

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