Zusammenfassung
Der globale wirtschaftliche Strukturwandel und der Bologna-Prozess haben widersprüchliche Auswirkungen auf die europäischen Universitäten. Der Beitrag von Liesner geht diesen gegenläufigen Entwicklungen nach und verfolgt das Ziel, die ökonomischen Grundlagen des Reformprozesses herauszuarbeiten. Dazu wird zunächst der wirtschaftliche Strukturwandel an den Hochschulen selbst dargestellt, bevor die Ziele, der Kontext und die bisherige Umsetzung der gegenwärtigen Reform skizziert werden. Es lässt sich festhalten, dass in Deutschland die unter dem Stichwort ‚Bologna‘ stattfindende Reform in den ersten zehn Jahren ihrer Laufzeit weitgehend umgesetzt wurde. Eine umfassende Beurteilung ihrer Wirkungen wird zwar erst in einigen Jahren möglich sein, doch bereits jetzt ist sichtbar, dass die Bilanz – gemessen an den selbstdeklarierten Zielen – negativ ausfällt: Die Organisation der neuen Studiengänge verändert die Vorstellung von universitären Bildungsprozessen und ignoriert dabei weitgehend den Forschungsstand der wissenschaftlichen Pädagogik. Der Umbau in einen unternehmensförmigen Dienstleistungsbetrieb gefährdet zudem den ursprünglichen Anspruch der Universität, allein der Erkenntnis verpflichtet zu sein, weil diese immer stärker unter einen enggeführten ökonomischen Verwertungsdruck gerät.
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Notes
- 1.
Vgl. ausführlich zu den Innenansichten einer „Normaluniversität“: Link-Heer 2006.
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Danksagung
Es handelt sich bei diesem Text um eine mit Unterstützung des Tübinger Teams erstellte überarbeitete Fassung des Beitrags von Andrea Liesner von 2010: Universitäre Bildung und wirtschaftlicher Strukturwandel. In: Andrea Liesner, Ingrid Lohmann (Hrsg.), Gesellschaftliche Bedingungen von Bildung und Erziehung: Eine Einführung (S. 245–258). Stuttgart: Kohlhammer.
Wir danken dem Kohlhammer Verlag für die freundliche Genehmigung zum Wiederabdruck.
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Liesner, A. (2014). Ökonomisierung der Hochschulen durch den Bologna-Prozess. In: Tremmel, J. (eds) Generationengerechte und nachhaltige Bildungspolitik. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-02742-1_11
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