Zusammenfassung
Die Analyse von Makrodaten ist ein Kernbereich der Vergleichenden Politikwissenschaft. Mit ihr werden Strukturen und Beziehungen von übergeordneten Einheiten, sog. Makroeinheiten, empirisch untersucht. Sie unterscheidet sich aufgrund dieser Ausrichtung von der Analyse von Mikrodaten, welche ihren Schwerpunkt auf die Untersuchung von Individuen legt, sowie der qualitativen Makroanalyse (QCA; Fuzzy-Set-Analyse). Ihre quantitativ-statistische Kernanalyseform ist die Aggregatdatenanalyse. Dieses Verfahren greift sowohl auf prozessproduzierte Daten als auch auf aggregierte Individualdaten zurück und nutzt statistische Auswertungsverfahren, die zumeist auf eine kausale Erklärung zielen. Quantitative Makroanalysen unterliegen den Problemen des ökologischen Fehlschlusses, des selection bias und geringer Fallzahlen. Gleichzeitig eröffnen sie Möglichkeiten auf globale und weitreichende Aussagen über gesellschaftliche Entwicklung. Neuere Ansätze verbinden Aggregatdatenanalysen mit Analysen von Individualdaten oder auch der qualitativen Makroanalyse, erhöhen die Zahl der verwendeten Ereignisse und fokussieren immer stärker die Verbindung zwischen Theorie und empirischer Analyse.
Notes
- 1.
Hier sei auf die Darstellung von Claudius Wagemann in diesem Band verwiesen.
- 2.
Umfragedaten sind über den Gedanken der repräsentativen Abbildung von Kollektiven auf Makroergebnisse ausgerichtet (Ländern, Kulturen, Regionen, seltener Zeitpunkten).
- 3.
Ein politikwissenschaftlicher Bereich der stark in diese Richtung arbeitet ist die politische Ökonomie.
- 4.
In den letzten Jahren gab es Verschränkungen mit anderen Analyseinstrumenten, die für die Vergleichende Politikwissenschaft Erkenntnisgewinne beinhalten. So versuchen Mehrebenenmodelle oder Multi-Level-Analysen eine systematische Verbindung zwischen Mikro- und Makroebene herzustellen (Creswell 2003; Rohlfing 2009; Tashakkori und Teddlie 2010).
- 5.
Globale Aggregatdaten sind als Einheiten an sich zu verstehen und prinzipiell nicht disaggregierbar (z.B. parlamentarisches politisches System oder präsidentielles politisches System).
- 6.
Zu Grundlagen der Analyse in der Vergleichenden Politikwissenschaft siehe Susanne Pickel in diesem Band.
- 7.
Siehe den Beitrag von Hans-Joachim Lauth in diesem Band.
- 8.
Dummy-Variablen stellen die Repräsentation einer spezifischen Einheit in binominaler Form dar (z. B. sozialistische Erfahrung/keine sozialistische Erfahrung). Sie werden dann benötigt, wenn ordinale oder nominale Informationen (z. B. Länderzuweisungen) vorliegen, die man für weiterführende (metrische) statistische Analysen verwenden möchte. Die Metrisierung erfolgt über die Binominalität. Typisch ist die Umsetzung von Ländern in Länderdummies (Deutschland vs. andere, Frankreich vs. Andere, usw.).
- 9.
Der Begriff ökologisch bezeichnet die Untersuchung von Aggregaten und räumliche Einheiten und wurde 1950 von Robinson als Begriff in der Sozialforschung etabliert. Ausführliche Überlegungen zur ökologischen Regression finden sich bei King (1997).
- 10.
Zu nennen sind z. B. die GESIS in Köln, das Roper Center und das ICPSR in Ann Arbor.
- 11.
Dies hat speziell zu einem Bedeutungsgewinn der politischen Kulturforschung beigetragen, welche ohne dieses Instrumentarium gar möglich wäre. Siehe hierzu den Beitrag von Pickel und Pickel in diesem Band.
- 12.
Dieses Problem geringer Fallzahlen für die Makroebene schlägt sich auch auf die sinnvolle Umsetzung von Mehrebenenanalysen nieder.
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Pickel, G. (2016). Quantitative makroanalytische Verfahren in der Vergleichenden Politikwissenschaft. In: Lauth, HJ., Kneuer, M., Pickel, G. (eds) Handbuch Vergleichende Politikwissenschaft. Springer Reference Sozialwissenschaften . Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-02338-6_3
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