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Empirische Regelmäßigkeiten des Rauchverhaltens

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Rauchen, ein ganz normales Konsumverhalten?
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Zusammenfassung

Geht es darum, das Rauchverhalten aus empirischer Sicht zu beschreiben, so bietet es sich an, Statistiken in aggregierter Form heranzuziehen. Ausgehend von diesen Statistiken lassen sich sowohl Entwicklungen als auch Unterschiede zwischen (Bundes-)Ländern skizzieren. Nichtsdestotrotz sollte man dabei nicht vergessen, dass es sich hier um emergente Phänomene handelt, die als das Ergebnis individueller Handlungen anzusehen sind. Deshalb können Zusammenhänge auf der Aggregatebene (z. B. zwischen den Verkaufszahlen und dem Zigarettenpreis) nur unter bestimmten Voraussetzungen auf das Verhalten einzelner Individuen übertragen werden. Dazu kommt, dass insbesondere die Verkaufszahlen, aber auch die Prävalenzraten von mehreren, möglicherweise grundlegend verschiedenen Handlungen auf der Individualebene geprägt sind. Gemeint ist damit, dass z. B. ein abnehmender Trend der Verkaufszahlen sowohl Veränderungen beim Einstiegsverhalten (im Zeitverlauf fangen immer weniger Jugendliche mit dem Rauchen an) als auch beim Ausstiegsverhalten (im Zeitverlauf hören Raucher immer früher auf) oder bei der Wahl der Konsummengen (im Zeitverlauf rauchen Raucher immer weniger) repräsentieren kann. Dennoch eignen sich Statistiken in aggregierter Form dafür, geeignete Forschungsfragen als Ausgangspunkt für theoretische Ansätze zum Rauchverhalten zu generieren. Darüber hinaus stellen die so gewonnenen empirischen Regelmäßigkeiten Annahmen dar, die theoretische Modelle zum Rauchverhalten erfüllen sollten. Sollte es sich z. B. herausstellen, dass der Raucheinstieg ausschließlich im Jugendalter erfolgt, so macht es wenig Sinn, Erklärungsmodelle zu entwerfen, die implizit unterstellen, dass Nichtraucher auch in späteren Lebensphasen noch mit dem Rauchen anfangen.

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Notes

  1. 1.

    Für eine detaillierte Beschreibung dieser Datenquelle vgl. Abschnitt 4.1.

  2. 2.

    Verlässliche Zahlen zum Einstiegsalter und zu den Prävalenzraten lassen sich nur im Rahmen von Umfragen erfassen. Da der Mikrozensus von 1992 nicht als Scientific-Use-File verfügbar ist, ist der Mikrozensus von 1995 der älteste Individualdatensatz, der im Rahmen dieser Arbeit verwendet wird. Um Trends abzubilden, ist es zudem wichtig, methodisch ähnlich gestaltete bzw. im Zeitverlauf wiederholt durchgeführte Umfragen zu verwenden. Dazu kommt, dass bei einer Aufgliederung der Prävalenzraten nach Alter, Geschlecht und Bundesländern relativ große Stichproben notwendig sind, um hinreichend präzise Werte zu erhalten. Trotz einiger methodischer Schwächen dieser Datenquellen wird deshalb im Folgenden fast ausschließlich auf die Mikrozensen von 1995, 1999, 2003 und 2005 Bezug genommen, bei denen im Rahmen eines Ergänzungsmoduls nach dem Rauchverhalten gefragt wurde. Für eine detaillierte Beschreibung dieser Datenquellen vgl. Abschnitt 4.1.

  3. 3.

    So lässt sich z. B. mit einem t-Test trotz der großen Fallzahlen von 1.432 Männern und 1.202 Frauen kein signifikanter Unterschied der Mittelwerte nachweisen.

  4. 4.

    Weiter unten (Abschnitt 2.5) wird für das Jahr 2003 ein Raucheranteil von insgesamt 33,9% im Bundes-Gesundheitssurvey berichtet. Derartige Unstimmigkeiten sind auf methodische Probleme der Datenerhebungen zurückzuführen und werden später noch ausführlich diskutiert (Abschnitt 4.2). Es kann jedoch vorweggenommen werden, dass die Zahlen im Mikrozensus einen Bias nach unten aufweisen. Diese Verzerrung wird hier jedoch bewusst in Kauf genommen, da es im Folgenden vor allem darum geht, Kohorteneffekte zu identifizieren. Möglich erscheint dies, da Ausmaß und Richtung des Bias aufgrund der identischen Befragungsmethoden in allen Mikrozensen gleich sind.

  5. 5.

    Neuere Studien zum Rauchverhalten bei Jugendlichen berichten z. T. sogar bereits höhere Prävalenzraten bei 15-jährigen Mädchen als bei gleichaltrigen Jungen (Richter et al., 2008, S. 66).

  6. 6.

    Hier könnte man vermuten, dass die unterschiedlichen Prävalenzraten zwischen den Bundesländern etwas mit dem Urbanisierungsgrad zu tun haben. Dies ist jedoch nicht der Fall, da insbesondere Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg mit ca. 10% der Gesamtbevölkerung mit Wohnsitz in Städten, die eine Einwohnerdichte von über 100.000 EW/km2 aufweisen, durch einen geringen Urbanisierungsgrad gekennzeichnet sind.

  7. 7.

    Obwohl die Angaben zur Operationalisierung der WHO-Daten relativ dürftig sind, kann dieser Wert dem Bundes-Gesundheitssurvey von 2003 (33,89 %) zugeordnet werden. Dieser Wert unterscheidet sich deutlich vom weiter oben genannten Wert aus dem Mikrozensus von 2003 (28 %), wobei diese Problematik später noch ausführlich diskutiert wird (Abschnitt 4.2).

  8. 8.

    Für die übrigen Länder sind über die WHO keine Daten zu den Prävalenzraten verfügbar.

  9. 9.

    Gleichzeitig weist Nauru mit einem Raucheranteil von 52,4% bei Frauen auch die höchste Prävalenzrate überhaupt für Frauen auf.

  10. 10.

    Als Beispiel sei hier nur der Wert für die Schweiz genannt (22% im Jahr 2004), der im Hinblick auf die Schweizer Pro-Kopf-Verkaufszahlen (2336,36 Zigaretten pro Kopf im Jahr 2000) zu niedrig erscheint, da z. B. in Deutschland ein Raucheranteil von 33,9% (2003) mit 1553,15 Zigaretten pro Kopf im Jahr 2000 korrespondiert. Für eine ausführliche Diskussion der Validität der verwendeten Datensätze vgl. Abschnitt 4.2.

  11. 11.

    Da es sich bei den Verkaufszahlen um prozessproduzierte Daten handelt, die bei der Besteuerung anfallen, stellt hier vor allem der Zigarettenschmuggel ein großes Problem dar. Auch hierzu vgl. Abschnitt 4.2.

  12. 12.

    Problematisch an dieser Sichtweise ist jedoch, dass insbesondere für ärmere Länder, für die wiederum oft ein starkes Bevölkerungswachstum charakteristisch ist, meistens keine verlässlichen Daten zum Rauchverhalten vorliegen. Insbesondere zu zeitlichen Trends liegen z. B. für afrikanische Länder keine Daten vor. Demnach wäre es also prinzipiell denkbar, dass es auch Länder gibt, für die eine von demographischen Effekten unabhängige, zunehmende Rauchprävalenz vorliegt.

  13. 13.

    Technisch ausgedrückt, beträgt die Korrelation zwischen den Zigarettenverkaufszahlen und den Einwohnerzahlen der Länder ca. 0,79. Demnach lassen sich ca. 63% der Varianz der Zigarettenverkaufszahlen im Ländervergleich durch die Populationsgröße erklären. Ein entsprechendes Regressionsmodell wird in Abschnitt 5.2.1 diskutiert.

  14. 14.

    Die Kategorien wurden bewusst im Hinblick auf theoretische Überlegungen zu den Risiken des Zigarettenrauchens (Abschnitt 3.2.6) gewählt, da im Rahmen der British Doctors Study (DOLL ET AL., 2004) explizit Mortalitätsraten für diese Konsummengenkategorien berechnet wurden.

  15. 15.

    Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass viele Befragte nicht genau wissen, wieviele Zigaretten sie im Durchschnitt pro Tag konsumieren und deshalb gerundete Mengen angeben.

  16. 16.

    Zeigen lässt sich dies z. B. im Rahmen eines Regressionsmodells, wobei der Koeffizient für das Alter bei Männern ca. 0,24 und bei Frauen ca. 0,11 beträgt. Nahezu identische Standardabweichungen der Schätzkoeffizienten lassen zudem darauf schließen, dass die Altersverteilung der Konsummenge bei Männern und Frauen auf ähnliche Mechanismen zurückzuführen ist.

  17. 17.

    Naheliegend ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich im Hochsommer viele Raucher urlaubsbedingt nicht in Deutschland aufhalten. Dies könnte wiederum eine Erklärung für die etwas niedrigeren Verkaufszahlen im 2. Quartal sein.

  18. 18.

    Zugrundegelegt wurden die am 01.04.2011 gültigen Steuersätze. Da die Steuersätze und auch die Berechnung (insbesondere, was die Berücksichtigung der Umsatzsteuer betrifft) einer laufenden Veränderung unterworfen sind, kann für die aktuelle Gesetzgebung nur auf ZOLL (2011b) verwiesen werden.

  19. 19.

    Steckzigaretten waren eine Zeitlang vor allem deshalb attraktiv, weil sie aufgrund einer günstigen Besteuerung nur ca. halb so teuer wie Fabrikzigaretten waren. Nachdem dieses Steuerschlupfloch durch den Europäischen Gerichtshof geschlossen wurde, endete die offizielle Produktion von Steckzigaretten am 31.03.2006. Danach wurden nur noch Restbestände der ursprünglichen Steckzigaretten verkauft. Neuere Steckzigaretten (z. B. f6 Quick Sticks) sind immer noch etwas günstiger als vergleichbare Fabrikzigaretten, wobei nun eine Definitionslücke bei der Mengensteuer genutzt wird: „Für Zigaretten wird der stückbezogene Steueranteil bis zu einer Länge des Tabakstrangs von 8 Zentimetern, Filter und Mundstück nicht einbegriffen, erhoben (§ 3 Abs. 5 TabStG). Für Tabakstränge mit einer Länge von mehr als 8 Zentimeter wird der stückbezogene Steueranteil je darüber hinaus begonnene 3 Zentimeter Länge des Tabakstrangs, Filter und Mundstück nicht einbegriffen, erhoben.“ (ZOLL, 2011a) Da die neuen Steckzigaretten (XL-Zigaretten) jeweils auf 20 cm langen Tabaksträngen basieren werden somit 20 Tabakstränge zum Herstellen von 60 Zigaretten steuerlich wie 40 Zigaretten behandelt.

  20. 20.

    Dieser Wert ergibt sich daraus, dass für Steckzigaretten Tabakstränge mit durchschnittlich 0,633 Gramm Tabak pro Strang verkauft wurden (DEUTSCHER BUNDESTAG, 2006). Für Drehtabak gilt allgemein, dass sich aus 40 Gramm Tabak etwa 50-100 Zigaretten drehen lassen (COCKEYED, 2002a,b). Dies wiederum entspricht einer Tabakmenge von 0,4-0,8 Gramm pro Zigarette.

  21. 21.

    Dazu kommt noch ca. 1 Cent pro Zigarette für Zigarettenpapier. Vernachlässigt werden dabei jedoch Opportunitätskosten, die sich dadurch ergeben, dass das Drehen von Zigaretten mit einem erhöhten Zeitaufwand verbunden ist und auch erst gelernt werden muss.

  22. 22.

    Ein anderer Grund für diese Beschränkung sind die oft unzureichenden Informationen zu den Eigenmarken größerer Discounter. Im Gegensatz zu den etablierten Herstellern, wo die Befragten meist sehr genau sagen konnten, dass sie z. B. „Marlboro lights“ konsumieren, wurde bei den günstigeren Produkten meistens nur „Discounter“ oder „Billigmarke“ angegeben, so dass im Nachhinein auch keine Preise zugeordnet werden konnten.

  23. 23.

    2008 konnten 303 Marken bzw. Produktvarianten von Fabrikzigaretten über DTV Tabak, die umsatzstärkste Verbund-Gruppe im europäischen Tabakwarengroßhandel (DTV TABAK, 2008), bezogen werden. Produktvarianten sind dabei z. B. „Marlboro 100“, „Marlboro lights“ oder „Marlboro“.

  24. 24.

    Zu beachten gilt es hierbei jedoch, dass die Verteilung der Marktanteile nicht mit der Verteilung der Raucher bestimmter Marken gleichgesetzt werden kann, da die Markenpräferenz evtl. nicht unabhängig von der Konsummenge ist. Möglicherweise ist dies auch der Grund dafür, dass der Anteil der Marlboro-Raucher etwas höher als der Marktanteil in der Grundgesamtheit ist, wohingegen der Marktanteil für „Pall Mall“ deutlich höher als der Anteil der Pall Mall-Raucher in der Stichprobe (ca. 1 %) ist.

  25. 25.

    Da es sich um zensierte Daten handelt, besteht die Möglichkeit, dass einige der befragten Raucher zu einem späteren Zeitpunkt die Art und Marke bzw. Produktvariante wechseln werden. Beschränkt man sich jedoch auf die Subpopulation der Raucher, die bereits seit mehr als 30 Jahren rauchen, so gilt hier, dass nach wie vor ca. 82% der Raucher ihrer Art und Marke bzw. Produktvariante treu bleiben.

  26. 26.

    Diese Beobachtung deckt sich mit den oben geschilderten Überlegungen zur Substitution von Fabrikzigaretten und Feinschnitt auf der Aggregatebene (Abschnitt 2.7).

  27. 27.

    Dieses Phänomen hat vor allem damit zu tun, dass die ersten Filterzigaretten (Marke: HB) in Deutschland erst 1955 eingeführt wurden. Insofern handelt es sich bei den Wechseln von „ohne Filter“ zu „mit Filter“ fast überwiegend um Raucher, die vor 1955 mit dem Rauchen angefangen haben.

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Wimmer, T. (2013). Empirische Regelmäßigkeiten des Rauchverhaltens. In: Rauchen, ein ganz normales Konsumverhalten?. Forschung und Entwicklung in der Analytischen Soziologie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-00338-8_2

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