Zusammenfassung
Dieses Kapitel untersucht die Auswirkungen von Unsicherheit über die zukünftige Geldpolitik auf das Bankenverhalten aus empirischer Sicht. Die Ergebnisse des Reservehaltungs- und des Kreditangebotsmodells implizieren einen Rückgang der Nachfrage nach Zentralbankkrediten und des Zinssatzes am Interbankengeldmarkt, wenn die Unsicherheit über die zukünftigen Refinanzierungsbedingungen zunimmt. Ausgehend von der Erwartungstheorie der Zinsstruktur werden für deutsche Daten die erwarteten Zinsänderungen und die bestehende Prognoseunsicherheit auf der Basis von ARCH-M Modellen geschätzt. Die Schätzungen bestätigen die Modellergebnisse und zeigen ferner wie es der Bundesbank durch das Setzen von Zinssignalen gelang, das Niveau der Unsicherheit über den zukünftigen Kurs der Geldpolitik zu steuern.
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Literatur
Die Darstellung entspricht dem dritten Quadranten von Abb. 5.4 in Abschnitt 5.4.3.
Die EZB wird nach dem Vorbild der Bundesbank kein direktes Ziel für den Tagesgeldsatz veröffentlichen, sondern diesen indirekt über die Konditionen ihrer Wertpapierpensionsgeschäfte steuern, vgl. Kap. 3 und Abschnitt 5.4.3. Wie Abbildung 3.6 zeigt, führt dies zu einem sehr engen Zusammenhang zwischen dem Tagesgeldsatz und aktuellen Pensionssatz, vgl. NAUTZ (1994). Die U.S. Federal Reserve Bank verkündet dagegen seit 1994 explizite Ziele für die Höhe der Federal Funds Rate, vgl. Borio (1997). Eine Ausnahme bildet die Schweizerische Nationalbank, die in ihrer geldpolitischen Praxis größeren Wert auf die Steuerung der Bankreserven zu legen scheint als auf die Kontrolle des zugehörigen Zinssatzes, siehe RICH (1997).
Die zentrale Bedeutung des Tagesgeldsatzes in der geldpolitischen Praxis von Zentralbanken begründet die Schätzung von Reaktionsfunktionen der Geldpolitik, deren alleiniges Instrument der Tagesgeldsatz ist. Die Ergebnisse von CLARIDA ET AL. (1998) zeigen, daß das Zinssetzungsverhalten der wichtigsten Zentralbanken erstaunlich gut durch Reaktionsfunktionen approximiert werden kann, die dem einfachen Prinzip der sogenannten Taylor-Regel folgen, siehe TAYLOR (1993, 1998).
Die Grundzüge der Erwartungstheorie der Zinsstruktur finden sich bereits in FISHER (1930). Einen ausführlichen Überblick auch über empirische Arbeiten zur Zinsstrukturtheorie bietet beispielsweise SHILLER (1990).
Durch die Linearisierung werden Zinseszinseffekte vernachlässigt, was bei einem moderaten Zinsniveau unproblematisch ist. Ferner bleiben in dieser Formulierung Kuponeffekte unberücksichtigt, die insbesondere bei langfristigen Wertpapierzinssätzen eine Rolle spielen. Allerdings bleibt Gleichung (6.1) auch für Zinssätze von Kuponanleihen näherungsweise gültig, vgl. WOLTERS (1998).
Kuponeffekte führen bei dieser Durchschnittsbildung zu einer unterschiedlichen Gewichtung der zukünftigen Zinssätze, vgl. WOLTERS (1998).
Im allgemeinen Fall einer zeitabhängigen Risikoprämie ist die bivariate Kointe-gration nur gewährleistet, wenn auch die Risikoprämie stationär ist. In empirischen Studien wird die fehlende Kointegration zwischen Zinssätzen unterschiedlicher Laufzeit deshalb oft mit der Existenz instationärer Risikoprämien erklärt, vgl. EVANS und LEWIS (1994) oder TZAVALIS und WICKENS (1997). Empirische Evidenz für die Bedeutung instationärer Risikoprämien bei langfristigen Zinssätzen liefern u.a. NAUTZ und WOLTERS (1999) sowie WOLTERS (1998).
Zur Analyse von I(2)—Zeitreihen siehe JOHANSEN (1997). Zu den Eigenschaften und Anwendungsbeispielen fraktional integrierter Zeitreihen siehe HASSLER (1993).
Diese Spezifikation der Testgleichung ist in dieser Anwendung angemessen, weil deterministische Komponenten, wie saisonale Einflüsse oder ein linearer deterministischer Trend bei Zinssätzen plausiblerweise keine Rolle spielen. Einen einführenden Überblick über Theorie und Anwendung von Einheitswurzeltests gibt HASSLER (1994).
Die Bedeutung dieser unteren Schranke von Nominalzinssätzen für die Geldpolitik und die optimale Inflationsrate untersuchen u.a. SUMMERS (1991) und ORPHANIDES und WIELAND (1998).
Zentralbanken vermeiden in der Regel größere Zinsschwankungen, um die Stabilität des Finanzsektors nicht zu gefährden, siehe CUKIERMAN (1992).
Zum Zusammenhang zwischen der Erwartungstheorie der Zinsstruktur und der Reaktionsfunktion einer Zentralbank siehe u.a. KUGLER (1997) oder EIJFFINGER ET AL. (1998).
Da Linearkombinationen stationärer Variablen wieder stationär sind, folgt die Instationarität von R—i3 aus der Stationarität von i3—i und der Instationarität von R — i. Die Testergebnisse sind also in dieser Hinsicht konsistent.
Die Anwendbarkeit der üblichen t—Werte in der geschätzten Kointegrationsbezie-hung erfordert eine geeignete Normierung der Zeitreihen, vgl. PHILLIPS (1991).
Die Vernachlässigung des langfristigen Zinssatzes für die Prognose des Tagesgeld-satzes erweist sich auch mit Blick auf das trivariate Vektorfehlerkorrekturmodell als unproblematisch. Die fehlende Signifikanz verzögerter Differenzen der Umlaufsrendite zeigt, daß auch der kurzfristige Einfluß des Kapitalmarktzinssatzes auf den Tagesgeldsatzes gering ist. HASSLER und WOLTERS (1998) verwenden zur Prognose des Tagesgeldsatzes zusätzlich die Zinssätze für Sechs-und Zwölfmonatsgeld, wobei letztere allerdings erst seit Beginn der neunziger Jahre von der Bundesbank zur Verfügung gestellt werden.
In Übereinstimmung mit den Implikationen der Erwartungshypothese zeigten Schätzungen der Fehlerkorrekturgleichungen für den Dreimonatsgeldsatz, daß der Zinsabstand (i3 — i)t−1 keinen Prognosegehalt für den längerfristigen Zinssatz (i3) besitzt. Im Vergleich zu den Einzelgleichungs—Kleinst—Quadrate Schätzungen brachten Systemschätzungen der beiden Fehlerkorrekturgleichungen (mit der SUR—Methode oder im VECM) nahezu unveränderte Ergebnisse.
Bei der Interpretation der Schätzergebnisse darf die signifikant negative Konstante nicht als Hinweis auf einen fallenden linearen Trend im Tagesgeldsatz mißverstanden werden. Eine einfache Umparametrisierung der Schätzgleichung (6.7) zeigt, daß die Konstante der Kointegrationsbeziehung zugeschlagen werden kann. Der Wert −β0/γ > 0 kann auf diese Weise als durchschnittliche Liquiditätsprämie des Dreimonatsgeldsatzes gegenüber dem Tagesgeldsatz interpretiert werden.
Die Abkürzung ARCH steht für AutoRegressiv Conditional Heteroskedasticity.
So wird von Alan Greenspan, dem Präsidenten der U.S. Federal Reserve Bank, im Anschluß an eine Pressekonferenz zur künftigen amerikanischen Geldpolitik der Ausspruch kolportiert: “If I made my point too clear, you must have misunderstood me”.
Die breite Resonanz auf ihre Leitzinsänderungen empfand die Bundesbank dabei häufig als störend und unangebracht. Ihrer Meinung nach neigte die Öffentlichkeit dazu, die wirtschaftspolitischen Implikationen von Leitzinsänderungen zu überschätzen. Tatsächlich galt es anfangs als wichtiger Vorteil der Pensionsgeschäfte, daß Zinssänderungen “geräuscharm” vollzogen werden konnten, vgl. DEUTSCHE BUNDESBANK (1993, S.79). Angesichts der Bedeutung des Pensionssatzes und der öffentlichen Resonanz auf Pensionssatzänderungen konnte davon allerdings sehr bald nicht mehr die Rede sein.
Zum Informationsgehalt eines neuen Pensionssatzes in Abhängigkeit des Auktionsverfahrens, siehe NAUTZ (1995a, 1997). Für eine Diskussion der Vor-und Nachteile verschiedener Varianten des Zinstenders aus auktionstheoretischer Sicht, siehe NAUTZ (1995b) und NAUTZ und WOLFSTETTER (1997).
Dabei wurde für die Varianzgleichung wieder das ARCH—Modell zugrundegelegt, da dieses in der empirischen Anwendung die Heteroskedastie der Residuen bereits hinreichend gut erfassen wird.
AHRENS et al. (1995) und ALEXANDER (1998) untersuchen die Regimeabhängigkeit der Volatilität deutscher Geldmarktsätze mit Hilfe eines Ansatzes, der sich in mehreren Punkten von der in dieser Arbeit angewandten Vorgehensweise unterscheidet. Erstens werden die Prognosegleichung des Tagesgeldsatzes, also die Mittelwertgleichung des (G)ARCH-Prozesses und die zugehörige Varianzgleichung in einem ineffizienten zweistufigen Verfahren geschätzt. Dieses Verfahren liefert zweitens sogar inkonsistente Schätzungen der Volatilitäten, wenn in der Mittelwertgleichung (G)ARCH-M Effekte signifikant sind. Schließlich werden in beiden Arbeiten die in der ersten Stufe geschätzten Prognosegleichungen des Tagesgeldsatzes im wesentlichen univariat spezifiert. Auf diese Weise wird der hochsignifikante Informationsgehalt der Zinsstruktur vernachlässigt und folglich die Höhe der Prognosefehler überschätzt.
Dazu müssen die Signale der Zentralbank glaubwürdig sein. In Analogie zu den Problemen einer diskretionären Geldpolitik im Sinne von KYDLAND und PRESCOTT (1977) oder BARRO und GORDON (1983) könnte auch in diesem Zusammenhang eine “zu hohe” Flexibilität der Zentralbank zur Zeitinkonsistenz der optimalen Geldpolitik führen, vgl. ILLING (1997, S.155ff).
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Nautz, D. (2000). Unsicherheit über die zukünftige Geldpolitik: Empirische Ergebnisse. In: Die Geldmarktsteuerung der Europäischen Zentralbank und das Geldangebot der Banken. Wirtschaftswissenschaftliche Beiträge, vol 175. Physica, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-57686-7_6
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