Zusammenfassung
Der Begriff des Verbrechens in seinen entscheidenden Grundlagen ist schon im ersten Bande meiner Darstellung wiederholt berührte1. Es handelt sich jetzt um nähere Kennzeichnung unter Würdigung des Standes der Ansichten und um die daraus zu ziehenden Folgerungen.
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Referenzen
Vgl. insbes. Bd. I S. 1, 5, 14, 19 Anm. 5, 20, 26–32, 46, 505.
Vgl. Bd. I S. 1 Anm. 2.
Vgl. Bd. I S. 228. Carpzow beginnt sein Werk sofort mit Erörterungen über die Tötung.
Vgl. näher Bd. I S. 250/51.
Delicta sunt spontaneae actiones vel omissiones.
legibus contrariae.
dolus bzw. culpa.
quibus obligatio ad poenam cohaeret.
Vgl. Bd. I S. 286. Oben S. 33 ff. Merkwürdig berührt es heute, daß noch 1862 Geib: Bd. II S. 174 bei Erörterung des Satzes nullum crimen sine lege auch „ungeschriebene“ und „analogisch“ anzuwendende Gesetze für ausreichend erklärt und das Erfordernis geschriebenen Gesetzes als „Mißverständnis der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts“ bezeichnet.
Vgl. Bd. I S. 10/11, 287; dazu S. 277 P r e u ß. Landrecht (Schadenszuf ügung); Bayer. StrGB. 1813 Art. 2: Rechtsverletzungen (der Rechte des Staats oder eines Untertans); letzter Ausläufer Binding: vgl. Bd. I S. 29 Anm. 3.
Gegenüber der mittelalterlich theologischen Auffassung als Sünde wie gegenüber der Willkürjustiz des gemeinen Strafrechts. Vgl. Bd. I S. 232, 235ff., 287.
Vgl. näher Bd. I S. 10ff.; über sog. polizeiliches Unrecht Bd. I Sachverzeichnis S. XXII und näher unten S. 103 ff.
Vgl. näher Bd. I S. 26ff., 28ff.
Theorie d. Strafrechts Bd. I, 1859, S. 86ff. Hier nähere Ausführungen über den Verbrechensbegriff: Handlung, d. h. Willensäußerung (deshalb Willensfähigkeit und Gebrauch davon im Einzelfalle); den Staatszwecken zuwiderlaufend, deshalb bei Strafe verboten; dem Erfolg nach schädlich oder gefährlich. Weitere wesentliche Merkmale gibt es nicht.
Siehe darüber und dagegen unten S. 131 ff.
Vgl. bereits Schaper in H. H. II, 1871, S. 87 ff. Dann gleichzeitig und besonders scharf 1881: v. Wächter: Strafr. S. 126; v. Liszt: Lehrb. 1. Aufl. S. 63 (näher entwickelt in den späteren Auflagen). Siehe ferner: Allfeld: S. 98; v. Lilienthal: Grundr S. 18; Gerland: S. 72; Goldschmidt: Goltd. Arch. 54, 1907, S. 1ff. (Kritik über Belings Typentheorie); A. Baumgarten: Verbrechenslehre, 1913, S. 89/91; Mittermaier: Z. 44, 1924, S. 2 ff . Vgl. auch Birkmeyer: Strafr. 1904, S. 15/16; Graf Dohna: Z. 27, 1907, S. 329; Köhler: Strafrecht, S. 156; Wachenfeld: Lehrb. S. 67 ff.; van Calker: Grundr. S. 21; Doerr: Strafr. S. 26.
Vgl. z. B. v. Wächter, v. Liszt: a. a. O., R. Schmidt: Grundr. S. 69.
Ober und gegen Bindings Normentheorie und M. E. Mayers Kulturnormen vgl. Bd. I S. 17ff. 22ff.
Damit begnügte sich Berner: S. 69 und Thomsen: Strafrecht, 1906 S. 62.
Vgl. oben S. 87 bei Anm. 2; siehe auch Bd. I S. 31 Anm. 1.
Mit dieser Einsicht erklären sich zugleich manche Meinungsverschiedenheiten über den formellen oder materiellen Charakter des Verbrechensbegriffs. Beispiele: M. E. Mayer: S. 13 definiert das Verbrechen als tatbestandsmäßiges (darüber unten S. 90/91), rechtswidriges, zurechenbares Geschehnis (Kritik: Handlung ! ferner fehlt Strafbarkeit) und erklärt dies als Nominaldefinition; als Realdefinition betrachtet er (S. 57) den Widerspruch dieses Geschehnisses zu einer staatlich anerkannten Kulturnorm (vgl. dagegen Bd. I S. 22 ff.). — v. Lilienthal: a. a. O. unterscheidet: formell: Ungehorsam; materiell: gesellschaftsgefährliche Handlung; juristisch: schuldhafte, rechtswidrige, mit Strafe bedrohte Handlung. — van Calker: a. a. O. hält letzteres für formal; für materiell die Interessenstörung. — Allfeld: S. 99 betrachtet Rechtswidrigkeit und Schuld als materielle Merkmale. — Zur Kritik vgl. Sauer: Grundlagen S. 229; Mittermaier: Z. 44 S. 5.
Vgl. Bd. I S. 27. (Auch beim zivilen Unrecht handelt es sich keineswegs immer um Verletzung subjektiver Rechte sondern ebensowohl von Rechtsgütern. Vgl. BGB. § 823 und dazu oben Bd. I S. 11.)
Vgl. Bd. I S. 30.
Bd. I S. 6, 25.
Bd. I S. 26. Anders ausgedrückt: Unerlaubte Angriffe auf rechtlich geschützte Interessen (Rechtsgüter); vgl. Bd. I S. 30/31; dazu S. 10, 14.
Vgl. Bd. I S. 27, 46, 504/05 (anders die sittliche Bewertung; vgl. dort und Bd. I S. 8/9).
Vgl. Bd. I S. 27, 504/05.
So treffend v. Liszt S. 111.
Vgl. dazu eingehend oben S. 34 ff.
Vgl. Bd. I § 22.
Reflexreiz, absoluter Zwang; vgl. näher unten S. 129/30.
Vgl. unten Kap. III.
Vgl. unten Kap. IV.
Vgl. Beling: Verbrechen, 1906. Dazu neuerdings: Grundzüga S. 16ff. Zur Gesamtkritik über Beling siehe insbes. Goldschmidt: Goltd. Arch. Bd. 54 S. 1 ff . (1907); Kleinfeller: Krit. Vierteljahrsschrift Bd. 47 S. 98; Wachenfeld: Jurist. Literaturblatt 18 S. 133 (1906).
Vgl. Lehre v. Verbr. S. 6/7: „Es gilt, das tautologische (?) ‚mit Strafe bedroht‘ aus der Definition zu entfernen ... “ „Es gilt, den Denkprozeß zu zergliedern, vermittels dessen man zu dem Schlusse gelangt: folglich liegt ‚eine mit Strafe bedrohte Handlung‘ vor. Gelingt uns das so, daß kein Begriffsmerkmal in das andere übergreift, so, daß bei Fehlen auch nur eines der Begriffsmerkmale es auch an dem Verbrechen fehlt, so, daß umgekehrt bei Zusammentreffen der Begriffsmerkmale stets ein Verbrechen vorliegt, so haben wir eine exakte Definition des Verbrechens gewonnen.“
Vgl. oben S. 88.
Vgl. insbes. Grundzüge S. 16ff.
In dem eingeklammerten „straf“ liegt natürlich wiederum das Merkmal „mit Strafe bedrohte“ Handlung. Vgl. oben. Siehe auch Beling: S. 17: „Das Charakteristische der Typen ist, daß ein jeder eine eigene ihm zugehörige Grundstrafdrohung neben sich hat.“
„Da kein Typus (d. h. keine Verbrechensart, vgl. Grundriß S. 16) ohne solchen gesetzlichen Tatbestand ist, so ergibt sich die Tatbestandsmäßigkeit als ein innerhalb der Typizität liegendes (und innerhalb ihrer zentrales) allgemeines Verbrechensmerkmal.“ Grundz. S. 18.
Seit der Aufklärungszeit; vgl. oben S. 33 ff .
Denn „tatbestandsmäßig“ ist auch jede nicht strafbare, rechtmäßige oder rechtswidrige Handlung, an die das positive Recht Rechtsfolgen knüpft (z. B. ein Kaufvertrag, eine fahrlässige Sachbeschädigung). So mit Recht bereits Frank: 17. Aufl. S. 6.
Danach wäre z. B. der Todeserfolg bei der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (StrGB. § 226) im Sinne Belings nicht tatbestandsmäßig; denn er braucht nur verursacht, nicht verschuldet zu sein. — Andererseits behandelt aber Beling unter dem Oberbegriff der Tatbestandsmäßigkeit allgemeine Fragen, die wir heute gewohnt sind, dem H a n d l u n g s begriff unterzuordnen. (Handlung und Erfolg, Ausführung und Vorbereitung, Kausalität, Unterlassung). Ich sehe auch darin keinen Vorteil. Vgl. unten S. 128 Anm. 5.
Ebenso im Ergebnis: Frank (oben Anm. 2). Kaum mehr als Erwähnung des Begriffs geben v. Liszt: S. 111; Allfeld: S. 99; dagegen Verwertung bei v. Liszt-Schmidt: S. 146. Gegen Beling insbes. Goldschmidt oben S. 89 Anm. 8; vgl. auch Hegler: Z. 36 S. 35. Sauer: Grundlagen (S. 210/11), betont die Vieldeutigkeit des Begriffs, auch im Sprachgebrauch der verschiedenen Schriftsteller und erblickt (S. 212/13) seinerseits darin ein „Symptom“ für das Vorliegen der Rechtswidrigkeit. Dies liegt aber offensichtlich nicht am Tatbestande an sich, sondern an der daran geknüpften Strafdrohung (weil die Strafe Unrechtsfolge ist). Für Beling z. B. M. E. Mayer: S. 4; Van Calker: Grundr. S. 21; Mittermaier: Z. 44, S. 8/9. — A. Baumgarten: Verbrechenslehre S. 89 betrachtet Belings Lehre nur als Weiterentwicklung der herrschenden.
„Durch eine im Schuldpunkt passende Strafdrohung gedeckt.“
Vgl. Beling: Grundz. S. 17 Nr.b, S. 18 Nr. c.
„Den gesetzlichen Strafdrohungsbedingungen genügend.“
Strafbarkeit von Auslandsdelikten; vgl. Grundz. S. 17 Nr. c.
Objektive Bedingungen der Strafbarkeit (wie z. B. Zahlungseinstellung bei Bankrott) usw. Vgl. z. B. auch v. Liszt: S. 111 Nr. 2; Birkmeyer: Strafr. S. 16; eingehend Hegler: Z. 36 S. 223ff. Dazu näher unten Kap. VI.
Lehrb. S. 13. — Mittermaier: Z. 44 S. 11 will statt „Handlung“ lieber „Verhalten“ sagen, m. E. kein Vorzug und jedenfalls keine schärfere Klärung. Das StrGB. selbst spricht von Handlung; vgl. StrGB. §§ 1 ff ., 51 ff . Über den Handlungsbegriff näher unten Kap. III.
Grundlagen S. 207ff., 215ff., 133/34.
A. a. O. S. 134.
Und zwar keineswegs nur als sog. Verwaltungsstrafrecht, wie Sauer (S. 137) ausführt. Notdiebstahl (StrGB. § 248a) und Mundraub (StrGB. § 370 Nr. 5) z. B. sind begrifflich geringfügige Diebstähle, also Angriffe auf das Eigentum, nicht auf Verwaltungsinteressen.
Vgl. BGB. § 823.
Vgl. oben S. 88. Merkwürdig M. E. Mayer: S. 13: „Liszt ersetzt das Merkmal der Tatbestandsmäßigkeit durch ‚mit Strafe bedroht‘ und koordiniert dadurch die Rechtsfolge mit ihren Voraussetzungen.“ Kritik: In Wahrheit bemüht sich vielmehr Mayer vergeblich, das übliche, mit Strafe bedroht durch ‚tatbestandsmäßig‘ zu ersetzen; vgl. oben S. 91 Anm. 2.
Z. 44 S. 7/8.
Beispiel: Passive Richterbestechung (StrGB. § 334 Abs. 1): 1913, 1914 keine Verurteilung, ebensowenig z. B. 1923, 1927 (vgl. Reichskriminalstatistik).
Das erkennt Mittermaier a. a. O. übrigens selbst an.
Vom Boden Nelsonscher Philosophie aus erstrebt neuerdings J. Kraft: Archiv f. Rechtsphilosophie Bd. 18, 1924, S. 192 ff . eine Bestimmung des Verbrechensbegriffs, mit dem Ergebnis, daß das Verbrechen ein rechtswidriger, schuldhafter Willensakt sei. Diese Definition aber umfaßt j edes, insbes. auch das zivile Unrecht.
Vgl. Beling: Verbrechen S. 6 und dagegen Goldschmidt: oben S. 89 Anm. 8.
Also die gegen die Vorschriften des positiven Rechts objektiv verstoßenden.
Frank: S. 7 will dies Merkmal logisch auf eine andere Stufe stellen als die übrigen, da es nicht zu ihnen hinzutrete, sondern das Ergebnis eines über sie gefällten Urteils sei; deshalb gehöre die Rechtswidrigkeit nicht zum Tatbestand. Kritik: Das Verbrechen ist eine durch bestimmte, zugleich tatsächliche und rechtlich bewertende Merkmale gekennzeichnete menschliche Handlung. Diese Merkmale (Handlung, Rechtswidrigkeit, Schuld, Strafbarkeit) sind daher seine Begriffsmerkmale.
Denn die Strafdrohung enthält zwar grundsätzlich die Erklärung als rechtswidrig (weil die Strafe ausschließlich Unrechtsfolge ist, vgl. Bd. I S. 20 Anm. 1), aber nicht ausnahmslos. Was im allgemeinen bei Strafe verboten ist, kann aus besonderen Gründen im Einzelfalle erlaubt oder gar geboten sein. Vgl. dazu eingehend unten Kap. IV.
Siehe dazu Bd. I S. 26/27; oben S. 89 bei Anm. 1/2; näher unten § 16, III.
Vgl. oben S. 90/91.
Vgl. oben S. 92 Anm. 3. Über subjektive und objektive, normative und faktische Tatbestandsmerkmale vgl. neuerdings Grünhut: Begriffsbildung und Rechtsanwendung im Strafrecht, Tübingen, 1926; Mezger: Vom Sinn d. strafrechtl. Tatbestände, Berlin, 1926. Am Verbrechensbegriff ändern diese Untersuchungen m. E. nichts. Über sog. subjektive Unrechtselemente vgl. unten § 16, III.
Über Einzelheiten vgl. neuerdings Freudenthal: Z. 48, 1927, S. 290 ff.
Die Schuld, also der subjektive Tatbestand, gehört hinter den objektiven. Denn erst auf Grund objektiver Feststellung der Tat erhebt sich die Frage nach den seelischen Beziehungen des Täters zu dieser. Vgl. auch Bd. I S. 27; Sauer: Grundlagen S. 203/05.
Eine unzutreffende Anordnung verführt leicht zu unrichtigem Aufbau der Gedanken oder sie nötigt zum dauernden selbständigen Abweichen von dem mangelhaft angelegten System. Der Entwurf des Deutschen StrGB. von 1925 ließ in dieser Richtung besonders viel zu wünschen übrig. Siehe dazu näher meine Kritik Z. 47, 1926, S. 18ff; ferner über die Entwürfe oben S. 2; S. 5 Anm. 1; S 8 Anm. 6.
Vgl. näher Bd. I S. 113 (fränkische Zeit), 129/30 (Mittelalter).
Vgl. Bd. I S. 177.
Vgl. Carpzow: Pract., Pars III, quaest 102 Nr. 56: v u l go distinguunt etc.; dazu näher Bd. I S. 236.
Insbes. an Julius Clarus.
Hier § 2: leviora: „Gefängnis-, Geld-, Schand- und dergleichen leichtere Sachen“; graviora: Leibes- und Lebensstrafen; atrocissima: verschärfte Todesstrafe.
Vgl. II 20 Überschrift und § 7ff. So noch die Preußischen Entwürfe vor 1847; vgl. Bd. I S. 317, 321.
Einführung in Frankreich 1791 (früher dort Zweiteilung, der mittelalterlich deutschen entsprechend); vgl. näher O. Meyer: Bedeutung u. Wert der Dreiteilung (Berliner Dissert.), 1891, S. 2ff.
Vgl. code pénal von 1810 Art. 1 ff., 464ff. Entscheidend ist auch im code pénal die angedrohte, nicht die verwirkte Strafe, wie O. Meyer (oben) u. v. Liszt S. 113 annehmen. Vgl. z. B. Garraud: Préas, 14. Aufl., 1926, S. 76/77; Stooss: Grundzüge d. schweizerischen Strafrechts, Bd. I, 1892, S. 165. Das Französische Recht gründet hierauf zugleich die Zuständigkeit der Gerichte: die crimes gehören vor die cours d‘assises (Schwurgerichte), die délits vor die tribunaux correctionnels (Strafkammern), die contraventions vor die tribunaux de police (Einzelrichter).
Contraventions (Übertretungen) z. B. sind nach dem code pénal nur die mit Gefängnis bis 5 Tage oder Geldstrafe bis 15 Francs bedrohten Delikte; nach dem Preuß. StrGB. 1851 § 1 dagegen die mit Gefängnis bis zu 6 Wochen oder Geldbuße bis zu 50 Talern bedrohten Handlungen.
StrGB. 1813 Art. 2 (dazu Bd. I S. 300); StrGB. 1861 Art. 1 (eigentümlich Art. 2).
Hier unter dem Einfluß des rheinisch-französischen Rechts in den Entwürfen seit 1847; vgl. näher Bd. I S. 321, 325, Goltd. Mat. I 49. Dreiteilung ferner in Oldenburg 1814 Art. 5 (entsprechend Bayern), 1858; vgl. auch Württemberg 1839 Art. 1, Hessen 1841 Art. 1/2. Näher über die deutschen Landesrechte O. Meyer: a. a. O. S. 8ff.
Die Motive (Reichstag 1870, S. 30) weisen darauf hin, daß die Dreiteilung keineswegs eine französische Neuschöpfung sei, sondern dem Grundgedanken des früheren deutschen Rechts (die Mot. z. Entw. I zitieren ausdrücklich Carpzow) entspreche. Auch in den Gebieten, wo die Dreiteilung nicht gesetzlich eingeführt sei, habe sich die Praxis daran gewöhnt, nur schwerere Fälle als Verbrechen, leichtere als Vergehen oder Übertretungen zu bezeichnen.
So Österreich StrGB. 1852 (dazu aber Hiller StG. I 130) u. Entwürfe, zuletzt 1913. Serbien 1860 (StG. I 353), Belgien 1867 (StG. I 464). Ungarn 1878/79 (dazu StG. I 172); ein Teil der Schweizer Kantone (vgl. Stooss, Grundzüge d. Schweiz. Strafr. 1892, I, 165ff.); Portugal 1886 (StG. I 538); Rußland 1903 § 3; Türkei 1858 (StG. I 723). Eigenartig und abweichend die Englische Dreiteilung in treasons, felonies und inisdemeanors (vgl. StG. I 622).
So Holland 1881 (StG. I 193); Norwegen 1902 § 2; Schweden 1864 (StG. I 247); ein Teil der Schweizer Rechte und die Schweizer Entwürfe, vgl. zuletzt 1918; Italien 1889 (StG. I 588); Bulgarien 1896; Türkei 1926. In Spanien 1870 grundlegend Zweiteilung, stellenweise Dreiteilung (StG. I 503). Keine Einteilung in Dänemark 1866 (StG. I 210) und in Japan 1907.
Über Geldstrafe ohne Höchstbetrag vgl. näher oben S. 42/43.
So ausdrücklich §§ 4, 37 (Auslandsdelikt); 27, 27a (Geldstrafe); 40 (Einziehung), 49 (Beihilfe), 74 (Realkonkurrenz); vgl. auch 157 Nr. 1 (Meineid), 240 (Nötigung), 257 (Begünstigung).
Vgl. §§ 27 b (Geldstrafe); 43! (Strafbarkeit des Versuchs); 49a (Verbrechen); 67 (Verjährung); ferner §§ 126, 151, 241.
Vgl. §§ 6 (Begehung im Ausland grundsätzlich straflos), 27, 27b, 29 (Geldstrafe), 40 (keine allgemeine Einziehung), 43, 49, 257 (Straflosigkeit von Versuch, Beihilfe, Begünstigung), 67 Abs. 4, 70 Nr. 6 (kurze Verjährungsfristen); § 77 (bei Realkonkurrenz keine Gesamtstrafe); siehe auch § 240 (Nötigung). — Über Bestrafung der Fahrlässigkeit vgl. unten § 26 Nr. IX.
Schon nach der früheren Fassung der StrPO. war dies nur in begrenztem Umfang der Fall, heute auf Grund der VO. v. 4. Jan. 1924 noch weniger. Immerhin spielt die Dreiteilung auch jetzt im Prozeß noch eine Rolle für die Zuständigkeit; vgl. ferner z. B. StrPO. §§ 112 Nr. 1, 140, 153, 212, 374, 407, 413.
So schon ausdrücklich die Motive. Gem. Meinung. Vgl. auch E. 42, 398. Beleidigung (StrGB. § 185) z. B. ist Vergehen, weil Gefängnisstrafe zulässig ist, auch wenn im Einzelfalle auf Geldstrafe unter 150 M. oder auf Haft erkannt wurde.
Beispiel: Totschlag (§§ 212, 213) bleibt auch bei mildernden Umständen Verbrechen; ebenso nach der Fassung des Gesetzes Totschlag auf Provokation (§213; Beweis: „oder sind andere mildernde Umstände vorhanden“;; vgl. auch E. 33, 325). — Hierher gehört weiter vor allem die allgemeine Strafmilderung für jugendliches Alter (früher StrGB. § 57, jetzt Jugendgerichtsgesetz v. 16. Febr. 1923 § 9); vgl. näher RG. E. 3, 52; ebenso R. 8, 571. — Gleiches gilt für Versuch und Beihilfe; denn auch sie stellen nur milder bestrafte Erscheinungsformen desselben Delikts dar. Herrschende Ansicht: vgl. z. B. v. Liszt § 27, III, 3; Allfeld S. 103; Binding: Handb. I, 516; Lobe: § 1 Nr. 8. Dagegen insbesondere Frank § 1 I4; Olshausen § 1, 8a. (Für das StrGB. selbst ist die Frage praktisch bedeutungslos, da das zulässige Strafmaximum bei Versuch und Beihilfe stets im Rahmen der Dreiteilung bleibt.) Die Entwürfe erklären dementsprechend Strafschärfungen und Milderungen des Allgemeinen Teils für gleichgültig. Vgl. Entw. 1913 § 133; Entw.-1925 § 103. Entw. 1927 § 11. (Ebenso die Reichstagskommission in erster Lesung.) Schärfungen solcher Art sind dem geltenden Rechte fremd. (Die Reichstagskommission I. Lesung nimmt gewisse Schärfungen aus.)
So vor allem die milder und schwerer bestraften (sog. privilegierten und qualifizierten) Spezialfälle gegenüber dem Grunddelikt. Einfacher Diebstahl (§ 242) z. B. ist Vergehen, schwerer (§ 243) Verbrechen; Notdiebstahl (§ 248a), Vergehen, Mundraub (§ 370) Übertretung. — Körperverletzung (§§ 223, 223 a) ist Vergehen, bei schwerem Erfolg (§§ 224/26) Verbrechen. — Vorsätzliche Tötung (§§ 211–215) ist Verbrechen, Tötung auf Verlangen (§ 216) Vergehen (daher Versuch straflos); herrschende Ansicht, insbes. E. 28, 200 (Verein. Strafs.). — Dies gilt auch, wenn lediglich persönliche Momente bei einzelnen Delikten straferschwerend oder strafmildernd wirken. Denn auch dann handelt es sich um Sondertatbestände (nach der Schuldseite hin) mit eigener Strafdrohung. So ist z. B. R ückfalls diebstahl (§ 244) Verbrechen; entsprechendes würde ev. für Gewerbs- und Gewohnheitsmäßigkeit gelten. — Kuppelei (§§ 181/82) ist Vergehen, bei den persönlichen Voraussetzungen des § 181 Nr. 2 aber Verbrechen. Überschwemmung (§ 313 Abs. 1) ist Verbrechen, bei Absicht des Eigentumsschutzes (§ 313 Abs. 2) Vergehen. Vgl. auch Lobe: § 1 Nr. 7; v. Liszt: § 27 III 2. Ich glaube, mit meiner obigen Fassung im Text das hier Entscheidende scharf zu treffen (die üblichen Formulierungen sind minder bestimmt).
§ 145a StrGB. enthält eine durch spätere Einfügung entstandene Ausnahme. Da hier aber das Mindestmaß 300 M. beträgt, liegt jedenfalls ein Vergehen vor.
Beispiel: Vereinszollgesetz v. 1. Juli 1869 § 135.
So im Falle E. 42, 397 (Preuß. G.). — Die Reichsabgabenordnung v. 13. Dez. 1919 § 359 (Steuerhinterziehung) verweist auf die Strafdrohungen der einzelnen Gesetze. Diese Fassung ist aber geändert durch die 3. Steuernotverordnung von 1924 § 56 (RGB1. I S. 74). Danach droht § 359 jetzt Geldstraf e mit unbeschränktem Höchstbetrag an; als Mindestbetrag bei Zöllen und Verbrauchsabgaben das Vierfache des hinterzogenen Betrages, falls dieser festgestellt werden kann. Neben der Geldstrafe kann (bei vorsätzlicher Hinterziehung) auf Gefängnis bis zu 2 Jahren erkannt werden. Es handelt sich danach jetzt im Falle des § 359 stets um Vergehen.
So insbes. RG. E. 42, 397; ferner z. B. v. Liszt: § 27 III 1; Allfeld: S. 103; Lobe: § 1 Nr. 5; eingehend JACOBI: Z. 22, S. 165ff.
So Binding: Handb. I 515; Frank: § 1 13; M. E. Mayer: S. 18; Finger: S. 126.
Wenn Jacobi und Lobe dies ablehnen und hier eine Zusammenfassung verschiedener Delikte mit verschiedenen Wertgrenzen annehmen, so ist das eine lebensfremde. dogmatische Künstelei.
Über frühere Literatur, insbes. über die ganz überwiegend abfällige Beurteilung der Dreiteilung bei Schaffung des RStrGB. vgl. O. Meyer: a. a. O. S. 19/21; Binding: Handb. I S. 511, Grundr. S. 89; Finger: I S.123. Aus neuerer Zeit vgl. als Gegner insbes. H. Seuffert: Ein neues StrGB. f. Deutschland, 1902, S. 21 ff.; Rosenberg: Z. 24, 1903, S. 1 ff.; Binding: GerS. 77 S. 10; Wach: V. D. Allg. T. VI S. 4; Reform 1 S. 11 ff.; Jur. Ztg. 15 S. 13; Träger: GerS. 77 S. 81; Wachenfeld: S. 78. Zweifelnd v. Lilienthal: Aschaffbg. Monatsschr. 6 S. 531; Allfeld: S. 103. Für die Dreiteilung Berner: S. 74; O. Meyer: a. a. O.; Köhler: Hirths Annalen 43 S. 167. Ferner vor allem die sehr beachtliche B egründung zum Vorentwurf, 1909, S. 1–4; neuerdings v. Stienen: Z. 46, 1925, S. 16ff. Von einigen Seiten wird mit Recht vor Überschätzung der Bedeutung des Streites gewarnt. So Finger: I S. 123.
Vgl. Bd. I S. 16ff.
Vgl. dazu über das sog. Polizei- und Verwaltungsstrafrecht unten S. 103ff.
Vgl. die ausländischen Gesetze mit Zweiteilung (oben S. 95 Anm. 8).
Denn die Dreiteilung äußert heute Wirkungen im gesamten Reichs- und Landesstrafrecht einschließlich des Prozesses und evtl. bis ins Disziplinarrecht hinein. Vgl. auch oben S. 96.
Es ist ganz allgemein üblich, nur schwere, für das Volksempfinden besonders anstößige Delikte als „Verbrechen“ zu bezeichnen. Den Totschlag nennt das Volk „Verbrechen“ wegen des Wertes des Lebens, auch wenn im Einzelfall nur auf Gefängnis erkannt wurde. Beleidigung, leichte Körperverletzung, Sachbeschädigung usw. „Verbrechen“ zu nennen und als solche zu behandeln, wäre sprachwidrig und für das Bewußtsein der Gesamtheit nur verwirrend.
Es handelt sich deshalb hier um eine auch materiell wesentliche Frage, nicht nur um eine solche legislativer Technik, wie z. B. Wach a. a. O. annimmt.
Vgl. dazu bereits Bd. I S. 36, 349; ferner meine Kritik der Entwürfe 1913, 1919, 1925: Z. 42, 1921, S. 410; Z. 47, 1926, S. 39. Dazu jetzt Entw. 1927 § 11, anschließend die Reichstagskommission erster Lesung. Zutreffend schreibt die Denkschrift z. Entw. 1919 S. 349: „Die Abweichungen von den allgemeinen Vorschriften über Verbrechen und Vergehen finden ihre Rechtfertigung in der Eigenart der Übertretungen als der leichtesten (von mir gesperrt) Verstöße gegen das Strafgesetz.“ Material über die Frage bieten die beiden Göttinger Dissertationen: W. Nordbeck: Die Reformbestrebungen auf d. Gebiet d. Übertretungen, 1910 (gedruckt) und Heilbrunn: D. deutschen Polizeistrafgesetzbücher, Charakteristik und Bedeutung f. e. Reichs-Polizei-StrGB., 1923 (nicht gedruckt). Vgl. dazu weiter unten S. 103 ff.
I. Aufl., Bd. I, 1872, S. 187ff.; 2. Aufl., Bd. I, 1890, S. 364ff.; vgl. auch Handb. I, 1885, S. 167 ff. Zur Kritik der Normentheorie vgl. Bd. I S. 17 ff.
Z. B. Tötung, Körperverletzung, Sachbeschädigung usw.
Binding: Normen, II. Aufl., S. 364.
Beispiele: Ausnehmen von Eiern oder Jungen von jagdbarem Federwild (§ 368 Nr. 11); Abgraben oder Abpflügen fremder Grundstücke (§ 370 Nr. 1); Unberechtigtes Fischen oder Krebsen (§ 370 Nr. 4); Mundraub (§ 370 Nr. 5); Wegnahme von Viehfutter (§ 370 Nr. 6).
So bedeutet der Zweikampf mit tödlichen Waffen (Str GB. §§ 201 ff.) notwendig Gefahr für Leib oder Leben in concreto. Als ausdrückliches Tatbestandsmerkmal erscheint diese konkrete Gefährdung z. B. bei der Überschwemmung (mit gemeiner Gefahr für Menschenleben oder Eigentum, §§ 312–314).
Insbes. wegen befürchteter Schwierigkeit der rechtlichen Beurteilung bzw. der tatsächlichen Feststellung der Gefahr im Einzelfalle.
Bekämpft wird die Anerkennung dieser Sachlage von Binding: Normen, 2. Aufl., Bd. I S. 380ff.
Vgl. als Beispiel die Strafdrohungen der Brandstiftung.
Wer auf den verschiedenen technischen Auf bau das entscheidende Gewicht legt, wird diese Fälle evtl. zu der folgenden Gruppe der abstrakten Gefährdungsdelikte rechnen. So z. B. v. Liszt: 12./13. Aufl., 1903, S. 141 hinsichtl. der Brandstiftung; Allfeld: S. 100 betr. Aussetzung (§ 221).
Vgl. Binding: a. a. O. S. 399.
Vgl. a. a. O. z. B. S. 372.
A. a. O. S. 407.
Im Gegensatz zum sog. peinlichen oder kriminellen. Vgl. z. B. v. Liszt: S.112. A. Merkel: Lehrb. S. 46. Siehe dazu auch Binding: a. a. O. 401 ff 409 ff.
Dabei wird der Ausdruck abstrakte Gefährdung aber zum Teil auch für die oben S. 100/101 behandelten Fälle verwertet. Vgl. oben Anm. 2 (v. Liszt, Allfeld), M. E. Mayer: Lehrb. S. 129/30. — Beling (Verbrechen S. 217, Grundr. S. 23/24) lehnt, wie Binding, den Begriff des generellen bzw. abstrakten Gefährdungsdelikts ab und spricht von Typen ohne Verletzung und Gefährdung. — Vgl. ferner z. B. Frank: § 1, II; Finger: S. 105; Wachenfeld: S. 72; Köhler: S. 176ff.; Gerland: S. 86; Sauer: Grundlagen, S. 312 Anm. 3.
Aber keineswegs alle. Siehe Beispiele für Verletzungsdelikte oben S. 100 Anm. 4; für konkrete Gefährdung z. B. § 368 Nr. 7 (Schießen oder Feuerwerke „in gefährlicher Nähe“ von Gebäuden usw.).
Beispiele: Auflauf StrGB. § 116; Unbefugte Bildung bewaffneter Haufen (vgl. näher v. Hippel: V. D. Bes. Teil II S. 42); Teilnahme an geheimen Verbindungen (§ 128); Übertretung von Verordnungen zum Schutze d. Schiffahrt (§ 145); Veranstaltung von Lotterien ohne Erlaubnis (§ 286) usw. — Siehe ferner die Verbrechen des aufgehobenen Republikschutzgesetzes §§ 1/2.
Vgl. dazu näher Bd. I S. 10ff.
Die Verletzung des gleichen Rechtsguts, z. B. des Lebens, ist ceteris paribus sehr viel strafwürdiger als die konkrete Gefährdung und diese wiederum weit strafwürdiger als die abstrakte. Vgl. als Beispiel Tötung (StrGB. §§ 211 ff.), Zweikampf (§§ 201 ff.) und übermäßig schnelles Fahren (§ 360 Nr. 2) oder Feilhalten von Giften ohne Erlaubnis (§ 367 Nr. 3).
Vgl. darüber unten S. 146/47; ferner §§ 29, 30.
Weiter gehören hierher z. B. Aufruhr (StrGB. § 115) und Landfriedensbruch (StrGB. 125): vgl. v. Hippel: V. D.. bes. Teil. II. 1906. S. 25.
Die Beleidigung z. B. läßt sich einheitlich als Ehrverletzung ansehen. Bei näherer Betrachtung erscheint die Beleidigung gegenüber dem Verletzten selbst als Kränkung des Ehrgefühls (Verletzung), die üble Nachrede gegenüber Dritten als Gefährdung des guten Rufs. Vgl. ferner Bd. I S. 15.
So wäre es z. B. möglich, den § 366 Nr. 6 StrGB. (wer Hundeauf Menschen hetzt) wegen der regelmäßigen Gefährlichkeit dieser Tat als konkretes Gefährdungsdelikt (nicht als abstraktes) zu betrachten.
Vgl. Bd. I S. 213ff.
Beweis auch: Die Strafen sind teilweise „peinliche“ im Sinne der Carolina. Vgl. Bd. I S. 219/20.
Vgl. näher über seine Ansicht Bd. I S. 297, 300 Anm. 4.
Kommentar zum Württemberg. StrGB. I S. 23.
Vgl. oben Bd. I S. 349 Anm. 5; Reichstagsvorlage des StrGB. S. 87. Jenes Wort wird hier und seitdem regelmäßig in der Literatur Köstlin zugeschrieben. In Köstlins „Neue Revision d. Grundbegriffe d. Kriminalrechts“ (1845) S. 28 aber erscheint es als Zitat nach Hepp. Demgegenüber glaubt Köstlin, daß Hegel den Unterschied „so einfach als schlagend“ angegeben habe. Das Verbrechen sei das wirkliche, das Polizeidelikt das bloß mögliche Unrecht (von der Polizei deshalb verboten, weil es „die erfahrungsgemäß reale Möglichkeit“ wirklichen Unrechts enthalte). Vgl. näher Köstlin selbst S. 691 ff. (Gegenstand des Polizeidelikts nicht „das an und für sich Unrechte, sondern das Gefährliche“.)
Vgl. z. B. Goldscihmidt: Jur. Ztg. 7, 1902, S. 212.
Vgl. über den Stand der Ansichten insbes. Binding: Normen, 2. Aufl., I, 1890, S. 315 ff.; Frank: Studien zum Polizeistrafrecht (Universitätsprogramm, Gießen 1897); derselbe: Z. 18, 1898, S. 733 ff.; Mitt. d. IKV. 7, 1899, S. 186 ff.; ferner jetzt im Kommentar vor § 360; Guderian: Z. 21, 1901, S. 860ff.; Rosenberg: Z. 24, 1903, S. 1 ff. und in Aschrott-v. Liszt: Reform d. StrGB., Bd. II, 1910, S. 466ff. Siehe auch z. B. Goldschridt: Mitt. d. IKV. 12, 1905, S. 220 Anm. 2 (Übersicht über die Entwicklung der Ansichten); Stienen: Z. 35, 1914, S. 637; Z. 46, 1925, S. 16ff.; Allfeld: § 20 III 3; Ebermayer: 3. Aufl., 1925, Vor § 360. Vgl. Auch v. Bar: Handb. I, 1882, S. 347 F F.; Sauer: Grundlagen, 1921, S. 314ff. Siehe ferner die interessanten, aber ergebnislosen Verhandlungen der IKV. über besondere Behandlung der Übertretungen bzw. Polizeiübertretungen 1897 (Lissabon): Gutachten, Mitt. d. IKV. 6 S. 263 (Dorado), 272 (Cuche), 299 (de Medeiros), 354 (Hiller), 431 (da Silva); Verhandlungen 493/97 (Dorado, van Hamel); Beschluß: Vertagung. 2. Deutsche Landesgruppe, München 1898, Mitt. 7 S. 186 ff. (Referenten Frank, Rosenfeld); Ergebnis: Einsetzung einer Kommission. 3. 1899 (Budapest): Gutachten, Mitt. 8 S. 55ff. (Dorado-Montero), 77ff. (Poustoroslew), 92ff. (Reichard, Budapest), 131ff. (Kahn, Nancy), 184ff. (Fayer); Verhandlungen 289ff.; Ergebnis: keinen Beschluß zu fassen. 4. Deutsche Landesgruppe, Straßburg 1900, Mitt. 9 S. 104 (Bericht von Frank über die weitaussehenden Arbeiten der Kommission). 5. 1902 (Petersburg): Über das Verfahren bei Übertretungen; Berichte, Mitt. 10 S. 159, 322; 11 S. 220. 6. Deutsche Landesgruppe, Bremen 1902 (Strafbefehl), Mitt. 10 S. 508 ff. (Referent Mittermaier); Beschluß: Vertagung. 7. Dieselbe, Stuttgart 1904 (Verwaltungs strafrecht), Mitt. 12 S. 200 ff. (Referenten Frank, Goldschmidt); Beschluß (S. 265): Einsetzung einer neuen Kommission. Eine kritische Besprechung vorstehender Verhandlungen bietet Kitzinger: Die IKV., München 1905, S. 31 ff. Dazu die Verhandlungen des Juristentages: 1. 26. Juristentag, Berlin 1902 (Strafrechtsreform): Gutachten: v. Liszt: Bd. I S. 272/74, 302 (für Ausscheidung der Polizeidelikte. Allgemein anerkannte Begriffsbestimmung sei bisher nicht gefunden, an einem inneren Gegensatz zum kriminellen Unrecht aber werde heute kaum ernstlich gezweifelt. Bezeichnend dafür neuerdings Goldschmidts Verwaltungsstrafrecht); Verhandlungen Bd. III S. 210 ff. (Referenten Kahl, Kronecker (ebenfalls im Sinne v. Liszts), so auch Beschluß, S. 602. — 2. 29. Juristentag, Karlsruhe 1908 (Legalitätsprinzip, dabei Ausscheidung der Polizeiübertretungen). Berichte: Bd. V S. 449 (Gleispach), 453 (Feisenberger) 472 (Anträge); Verhandlungen 517ff.; Beschluß 870: „Übertretungen von rein polizeilichen Vorschriften sind als bloße Ordnungswidrigkeiten aus dem Gebiete des kriminellen Strafrechts auszuscheiden und sowohl materiell als auch bezüglich des Verfahrens besonderen Grundsätzen zu unterstellen.“
Vgl. den oben Anm. zit. Beschluß des Juristentages.
So z. B. Rosenberg (Reform, 1910, II S. 476) in dem Sinne: Verstöße gegen Polizeiverordnungen.
Vgl. StrPO. § 413. 4 Vgl. oben S. 101 Anm. 6.
Vgl. dazu oben Bd. I 297 Anm. 4, 300 Anm. 4.
Vgl. oben S. 98/99. Daß insbes. auch die Einteilung in Verletzungs Gefährdungs- und Ungehorsamsdelikte keine Abgrenzung der geringfügigen Delikte liefert, ist bereits oben näher nachgewiesen. Vgl. S.100 Anm. 4, 102 Anm. 1/2.
Einfache Beleidigung und Hausfriedensbruch z. B. sind nach Preuß. StrGB. von 1851 (§§ 343, 346 Nr. 1) Übertretungen, heute Vergehen.
Vgl. dazu oben Bd. I S. 349/50; im übrigen das Sachverzeichnis zu Bd. I S. XXII unter „Polizeistrafrecht“. Daß hinsichtl. des Angriffsobjekts kein begrifflicher Unterschied besteht, lehrt besonders deutlich auch die systematische Einteilung des Preuß. StrGB. Es ordnet die Übertretungen in 3 sachliche Titel: in Beziehung auf die Sicher — heit des Staates und die öffentliche Ordnung; auf die persönliche Sicher — heit, Ehre und Freiheit; auf das Vermögen. Das Reichsstrafgesetzbuch folgt inhaltlich dem Preußischen, hat aber die ausdrückliche Einteilung aufgegeben. Ihre Beibehaltung hätte vielleicht nutzlosen Streit erspart.
Vgl. Vorentw. 1909, oben Bd. I S. 362; Kommissionsentw. 1913 u. Entw. 1919, oben Bd. I S. 366. Neuerdings Entw. 1927 § 11. Näher v. Hippel: Z. 42 S. 410/11, Z. 47 S. 24, auch über den mißglückten Versuch einer begrifflichen Abgrenzung in der Denkschrift von 1919, der in der Begründung zum Entw. 1925 (S. 177) wiederkehrt. Die hier gegebene Kennzeichnung der Übertretungen als „bloße Ordnungswidrigkeit“ ist entweder eine bloße Umschreibung für Geringfügigkeit oder, wenn sie wirklich das „innere Wesen“ der Übertretungen kenn- zeichnen soll, unbrauchbar. Denn „Ordnungswidrigkeit“ sind z. B. nicht nur der grobe Unfug, sondern vielmehr noch die Verbrechen bzw. Vergehen des Aufruhrs. Landfriedensbruchs, Auflaufs, ferner der §§ 126, 127, 130 StrGB. usw. Was aber „bloße“ Ordnungswidrigkeit sein soll, bleibt unklar.
Vgl. dazu schon Bd. I S. 37, 349 Anm. 7; ferner oben S. 99 Nr. 3.
Vgl. dazu bereits kurz oben Bd. I 36/37 und betr. M. E. Mayer (Gegensatz zu Kulturnormen) dort S. 23/24. — Die Lehre Goldschmidts knüpft an Anmerkungen L. v. Steins und Otto Mayers an; vgl. z. B. Goldschmidt: Jur. Ztg. 7 S. 212.
Vgl. insbes. J. Goldschmidt: D. Verwaltungsstrafrecht, Berlin 1902; Begriff u. Aufgabe eines Verwaltungsstrafrechts; Jur. Ztg. 7, 1902, S. 212 und Goltd. Arch. 49, 1902, S. 71 ff.; Verw.-Strafr. im Verhältnis z. modernen Staats- und Rechtslehre. (in Festgabe f. Koch) 1903; Deliktsobligationen des Verwaltungsrechts, Berlin 1905; s. Abdr. aus Mitt. d. IKV. 12. 1905, S. 217 ff.; Materielles Justizrecht, Berlin 1905; Die Typentheorie (Kritik über Beling), Goltd. Arch. 54, 1907, S. 1 ff.; V. D. Allg. Teil IV, 1908, S. 338/39; Verwaltungsstrafrecht in Österreich, Z. 31, 1911, S. 495ff.; Was ist Verwaltungsstrafrecht? Strafr. Ztg. I, 1914, S. 222; Jurist. Wochenschr. 1917, S. 183ff. (Besprechung der Bundesratsverordg. über Rechtsirrtum; dazu v. Hippel: Leipz. Z. 11 S. 703). Siehe ferner den unter Mitwirkung Goldschmidts entstandenen „Gegenentwurf“ von 1911 und dessen Begründung S. IV/ V, 310/13. Dazu unten S.111/12.
Vgl. dazu die Literaturübersicht unten S. 118 Anm. 5, S. 119.
Leicht ist das nicht. Denn die Darstellung leidet vielfach an Verschwommenheit der Begriffe; auch die Breite erschwert teilweise knappe Wiedergabe. Dazu kommt in den wiederholten Arbeiten manche Umgestaltung.
Vgl. Verw. Strafr. 1902 (überwiegend geschichtlich), S. 529–586 der „Versuch einer Theorie“.
Vgl. Verw. Strafr. S. 548. Gegensatz: Rechtswidrigkeit, formelles Unrecht.
Die Sperrung rührt von mir her.
„bzw. fiktiv als solche Förderung erscheinenden“ („die Tätigkeit des verwaltenden Staates ist unwiderleglich vorteilbringend, die Unterlassung ihrer Unterstützung, wo dieselbe von ihr vorgesehen ist, ist unwiderleglich vorteilvereitelnd”, a. a. O. S. 545).
Wiederholt in Goltd. Arch.49 S. 85; anders neuerdings, vgl. unten S. 109 Anm. 2.
Verw. Strafr. S. 54.
Verw. Strafr. S.562.
9 A. a. O. S. 566.
Zumal angesichts der gesetzlichen Kodifikation vieler Verwaltungsdelikte.
A. a. O. S. 566/67. Ebenso Jur. Ztg. 7 S. 213/14; Goltd. Arch. 49 S. 89.
Denn daraus erhellt, daß es sich um eine im Interesse des — imaginären — öffentlichen Wohls erlassene Verwaltungsvorschrift handelt.
Denn dies ist das untrügliche Zeichen, daß eine wirkliche Rechtsvorschrift in Frage steht.
Verw. Strafr. S. 577; ebenso Jur. Ztg. 7 S. 213; Goltd. Arch. 49 S. 89/90.
Verw. Strafr. S. 585.
Eine Verfolgung dieses Entwicklungsgangs im einzelnen ist im Rahmen meiner Gesamtdarstellung nicht möglich.
Goltd. Arch. 49 S. 81/82. Im vorausgehenden wendet sich Goldschmidt gegen die Auffassung der Polizeiübertretungen als abstrakte G e f ährdungsdelikte. Es gibt abstrakte Gefährdungsdelikte, die keine Polizeiübertretungen sind (z. B. Brandstiftung). Es gibt Polizeiübertretungen, die konkrete Gefährdungsdelikte (z. B. § 367 Nr. 6, 7, 12), und solche, die Verletzungsdelikte sind (z. B. § 360111, 3601, 363). Es gibt ferner abstrakte Gefährdungsdelikte, die keine Polizeiübertretung sein können, weil ihnen das Moment der Öffentlich — k e i t fehlt.
Goltd. Arch. 49 S. 84.
Strafr. Ztg. I S. 222.
Wie auch andere Sätze des Verwaltungsrechts (organisierende verpflichtende)
Das ist besonders deutlich, wenn, wie in Preußen, ein Polizeistrafverordnungsrecht besteht. Aber auch bei dem süddeutschen System der Blankettstrafgesetze „bleiben die Strafdrohungen materiell jedenfalls auch Verwaltungsvorschriften“.
Das tritt besonders klar hervor, wenn, wie in Osterreich, den Verwaltungsbehörden die Strafgewalt zusteht. Es gilt aber auch bei Zuständigkeit der ordentlichen Strafgerichte. Diese üben dann „Verwaltungskontrolle“, d. h. wenigstens der Sache nach Verwaltungsgerichtsbarkeit aus, genau so wie (lie Zivilgerichte, wenn für öffentlich-rechtliche Verhältnisse der Rechtsweg zugelassen ist.
Nach Art und Weise oder nach dem Objekt des Angriffs; ebenso nach Bewirkungs- und schlichten Tätigkeits-, nach Begehungs- und echten Unterlassungs delikten (anders hier früher: vgl. oben S. 107 bei Anm. 6); desgleichen nach der Bedeutung der Schuld, der Pflichtwidrigkeit im Tatbestande (anders früher, wie Verf. selbst bemerkt). Alles das habe nur symptomatische Bedeutung. Ferner: „Wäre es nur das Kriterium der Polizeidelikte, Verletzung der spezifisch polizeilichen Interessen (Frank), d. i. Polizeiwidrigkeit im materiellen Sinn zu sein, so entfiele nicht nur jeder generische Unterschied zu den Justizdelikten, sondern es fielen auch Aufruhr und Landfriedensbruch unter den Begriff der Polizeidelikte.“
Das gebe zugleich Ausdruck dem Gedanken, daß diese Normen „kulturell indifferente“ oder „wandelbare“ sind. (Das Justizdelikt dagegen hat als Rechtsgüterverletzung oder -gefährdung „ethischen Charakter“; vgl. z. B. Festgabe f. Koch: S. 424.)
Danach „kann man wohl sagen“, daß die angedrohte Strafe hier „in erster Linie der Übertretung eines Verwaltungsbefehls gelte“. „Dahingestellt mag bleiben“, ob hiernach das Verwaltungsstrafrecht „auch Strafrecht ist. Es ist jedenfalls kein in erster Linie dem Justizzweck dienstbares. also kein Justizstrafrecht.“
Es gelten selbständige Grundsätze über Deliktsfähigkeit, Schuld, Teilnahme, Konkurrenz, Verfolgung usw. (vgl. näher unten).
Die Sperrung rührt von mir her.
Vgl. IKV. 12-S. 217.
Goldschmidt zitiert dazu: GVG. § 13, EinfG. StrPO. § 6 Nr. 3, StrPO. § 453ff.; maßgebend ist also danach die Zulässigkeit polizeilicher Strafverfügung.
Das Polizeistrafrecht bildet „den wichtigsten Zweig des Ver — waltungsstrafrechts“, vgl. Goltd. Arch. 49 S. 74.
IKV. 12 S. 235.
„Nach der historischen Entwicklung und nach dem Willen des Gesetzgebers sollen die Übertretungen die Polizeidelikte repräsentieren.“
Vgl. Goltd. Arch. 49 S. 90/91; dazu auch Verw. Strafr. S. 580/83; Jur. Ztg. 7 S. 214; IKV. 12 S. 239ff.
Weder Ideal- noch Gesetzeskonkurrenz, sondern zwei verschiedene Unrechtsfälle.
Goldschmidt findet es anstößig, daß dasselbe Gesetz den Mord wie das unterlassene Raupen enthalte und rechtlich gleich behandele. Dabei ist Goldschmidts Ansicht: Das Verwaltungsstrafrecht kann grundsätzlich nur im Rahmen des sonstigen Verwaltungsrechts kodifiziert werden (ebenso wie der Schadens. ersatz nur im Rahmen des bürgerlichen Rechts), daher reichsrechtlich einstweilen nur für Postrecht und große Teile des Finanzrechts; im übrigen ist es der Landesgesetzgebung zu überlassen; vgl. IKV. 12 S. 219.
Die daher auch über (lie Rechtsgültigkeit von Polizeiverordnungen zu urteilen haben.
Also der Verfolgungspflicht. — Im Verwaltungsstrafrecht kommt ferner Deliktsfähigkeit juristischer Personen und Haftung für fremde Schuld vor. 3
Vgl. IKV. 12 S. 232.
Im Strafrecht heißt es: „Wer usw. wird bestraft“, im Verw.-Strafr.:.,Wer vorsätzlich oder fahrlässig die und die verwaltungsrechtliche Pflicht verletzt, ist zur Zahlung einer Geldstrafe usw. verpflichtet“ „Der so Verpflichtete erfüllt seine Strafpflicht selbsttätig, wie der zur Zahlung einer Vertragsstrafe oder eines Schadensersatzes Verpflichtete.“ Früher (Goltd. Arch. 49 S. 89) behauptete Goldschmidt, die Polizeistrafe sei generisch von der Exekutivstrafe nicht verschieden.
IKV. 12 S. 219, 251. Da eine materielle Beschlußfassung teils (über wissenschaftliche Ansichten) untunlich, teils verfrüht wäre.
Vgl. Vorwort S. IV/V und Begründung S. 310/13.
Vgl. Vorw. IV.
Unter den Titeln: Militärverwaltung, Sicherheitspolizei, Ordnungs- und Sittenpolizei, Handelspolizei, Jagdpolizei.
Vgl. dazu Begr. 311: „Mit dem qualitativen Unterschied zwischen polizeilichem und kriminellem Unrecht ist der quantitative schwererer Strafbarkeit des kriminellen, geringerer Strafbarkeit des polizeilichen eng verbunden. Sobald wir uns in die Notwendigkeit versetzt sehen, ein Delikt mit Gefängnis zu bedrohen, hat es für uns ein Polizeidelikt zu sein aufgehört, ist es in dem ‚Abschichtungsprozeß‘ (Goldschmidt), der sich andauernd zwischen Polizei- und Justizdelikten vollzieht, aus einem Polizei- ein Justizdelikt geworden.“
Vgl. dazu bereits Bd. I S. 36, 349.
Vgl. oben S. 104/05.
Vgl. oben S. 107 bei Anm. 13; S. 108; S. 109 Anm. 2.
Ein delegiertes Verordnungsrecht besteht nur insoweit, als nicht die Gesetzgebung selbst regelnd eingreift; polizeiliche Strafverfügung aber ist auch in solchen Fällen zulässig.
Vgl. oben S. 108 Anm. 8, S.109 Anm. 1.
Ob Goldschmidt heute noch auf das Merkmal der Öffentlichkeit Gewicht legt (vgl. oben S. 108 Anm. 4), ist mir sehr zweifelhaft. Der Gegenentwurf, der ja Goldschmidts Ansicht durchführen will (vgl. oben S. 111) enthält jedenfalls Tatbestände, die nicht unter diesen Begriff fallen. Vgl. z. B. Auswanderung Wehrpflichtiger (§ 35722), Angabe falschen Namens (§ 3591), Betreten fremden Jagdgebiets (§ 361) usw.
Öffentliche Ordnung als Fürsorgeobjekt der Verwaltung, vgl. oben S. 108. Ferner: Unterlassung der Unterstützung der Verwaltung, oben S. 107 Nr. 1. Dazu sei kritisch bemerkt: a) Die öffentliche Ordnung als Fürsorgeo b j e k t der Verwaltung wäre zweifellos ein von der Verwaltung zu schützendes Interesse, also, soweit dieser Schutz durch Rechtsvorschriften erfolgt, ein rechtlich geschütztes Interesse (Rechtsgut); vgl. oben Bd. I § 3. Mag dabei die Verwaltung ihrem Wesen nach Willensbetätigung sein (oben S. 108 bei Anm. 5), das Verwaltungsrecht (daher auch das Verwaltungsstrafrecht als Teil jenes) ist staatliche Willenserklärung, und zwar Rechtssatz, ganz gleichgültig, ob es von den zuständigen gesetzgebenden Organen unmittelbar erlassen oder seine Erlassung an Verwaltungsorgane delegiert ist (Polizeiverordnung; vgl. dazu über das Wesen der Rechtsvorschrift oben Bd. I S. 6, 10). Es liegen in dieser Hinsicht also keine Besonderheiten gegenüber dem allgemeinen Strafrecht vor. b) Von unterlassener Unterstützung mag manbei Unterlassungsdelikten reden. B e g e h u n g s delikte dagegen sind aktive Zuwiderhandlungen gegen den staatlichen Willen, im Verwaltungsstrafrecht genau wie anderwärts. c) Auch die Kennzeichnung des Verwaltungsbefehls als „unwiderleglich vorteilbringend“ (oben S. 107 Anm. 5, 12), gilt von jedem Rechtssatz. Denn sie besagt lediglich, daß eine ordnungsmäßig erlassene Rechtsvorschrift gilt, auch wenn sie inhaltlich verfehlt ist. Selbstverständlich bleibt dabei die Erlassung verfehlter Vorschriften im Verwaltungsrecht ebenso verwerflich wie anderwärts.
Vgl. Bd. I S. 16. Wenn dabei Goldschmidt die Normen des Verwaltungsstrafrechts als kulturell indifferente und wandelbare bezeichnet gegenüber den „ethischen“ Normen des Justizstrafrechts (oben S. 109 Anm. 3), so trifft dies in erheblichem Umfang nicht zu und bedeutet wohl auch für Goldschmidt selbst keine wirkliche Abgrenzung, sondern nur eine Art Indic. Vgl. dazu über Recht und Ethik oben Bd. I S. 8/9. Als ethisch erhebliche Norm des Verwaltungsstrafrechts vgl. z. B. Gegenentw. §: Übertretung der gegen Störung der Feier-, Sonn- und Festtage erlassenen Vorschriften. Goldschmidt findet es ferner anstößig (oben S. 110 Anm. 7), daß das Str GB. schwerste und leichteste Delikte umf aßt. Man kann gerade darin die Aufgabe eines vollständigen Gesetzbuchs erblicken. Teilt man aber Goldschmidts Standpunkt, so folgt daraus höchstens die Ausscheidung der geringfügigen Delikte (Übertretungen), nicht aber die Anerkennung eines besonderen Begriffs des Verwaltungsstrafrechts.
Vgl. dazu Gegenentw. § 349ff. Es ist daher willkürlich, diese Rechtsfolge als Erscheinungsform des Verwaltungszwangs zu kennzeichnen und darauf die Behauptung eines besonderen verwaltungsrechtlichen Unrechts zu stützen (oben S. 108/09), das gegenüber dem bürgerlichen Strafrecht selbständig sein soll (oben S. 107 bei Anm. 8/9). Abwegig ist es ferner, diese Strafe mit dem Erfüllung szwang (sog. Exekutivstrafe) zusammenzustellen (oben S. 111 Anm. 4; über den grundsätzlichen Unterschied beider siehe dazu oben Bd. I S. 35). Und lediglich eine Fiktion ist der Satz (oben S. 111 Anm. 4), daß Geldstrafen des Verwaltungsrechts im Gegensatz zu sonstigen Geldstrafen bloße Obligationen seien, die frei- willig erfüllt würden. — Durch die Rechtsfolgen unterscheiden sich b ü r g e rliches und strafrechtliches Unrecht (vgl. oben Bd. I S. 14), nicht Straf — recht und sog. Verwaltungsstrafrecht.
Wenn die Begründung zum Gegenentw. (oben S. 111 Anm. 9) unter ausdrücklicher Berufung auf Goldschmidt erklärt, ein Delikt, das Gefängnisstrafe verdiene, habe damit aufgehört, ein Polizeidelikt zu sein, so ist das in Wahrheit eine Unterscheidung des kriminellen vom polizeilichen Unrecht lediglich nach der Strafwürdigkeit, wie die Unterscheidung von Verbrechen, Vergehen und Übertretungen. Dieser Standpunkt, klar durchdacht, führt auf keinen Begriff eines besonderen Verwaltungsstrafrechts, sondern lediglich auf den Begriff des Bagatell strafrechts, das als Übertretungen die geringfügigen Delikte umfaßt. Das aber verwirft Goldschmidt gerade.
Vgl. oben S. 109 Anm. 2, 4.
Oben S. 109 bei Anm. 4; vgl. auch S. 107 bei Anm. 12.
Oben S. 108/09.
Vgl. oben Bd. I S. 4 (anders in früheren Kulturperioden des Privatstrafrechts; vgl. dazu Bd. I Sachverzeichnis, S. XXII „Privatstrafe“).
Goldschmidt selbst nimmt ja an, daß sog. Verwaltungsstrafrecht auch im Wege der Gesetzgebung erlassen werden kann (oben S. 107 Anm. 10, 108 Anm. 8, 109 Anm. 1); der Gegenentwurf ferner will einem künftigen Reichspolizeistrafg e s e t z buch, also einer gesetzlichen Regelung dieses Gebiets, vorarbeiten (vgl. Vorwort z. Gegenentw. S. V).
Vgl. oben S.107 bei Anm. 12. 8 Vgl. Bd. I S.16. 9 Vgl. auch oben S.101 Nr. 3.
Oben S. 108.
Oben S. 108. 2 Vgl. dazu noch unten S. 116 Anm. 2.
Oben S. 110 bei Anm. 1, 2, 3.
Wegen der Zulässigkeit polizeilicher Strafverfügung; vgl. oben S. 110 Anm. 1.
Was Goldschmidt bestreitet; vgl. oben S. 108 Anm. 4.
Beispiel: Der Gegenentw. § 361 straft unter dem Titel „Jagdpolizei“ das unbefugte Betreten fremden Jagdgebiets. Das ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt, gerichtet gegen das Jagdrecht. Das Wort „Jagdpolizei“ ist daher hier völlig überflüssig und unklar.
Das meint vielleicht Goldschmidt; vgl. seinen Begriff des reinen Ungehorsams. Dazu oben S. 112 Anm. 7 Nr. a.
Sie würden das Strafgesetz zum Geßlerschen Hut machen, dem sinnlos Reverenz erwiesen werden müßte; vgl. oben S. 101 Nr. 3.
Oben S. 111 Anm. 9.
Vgl. oben S. 114 Anm. 1.
Diese ganze Unklarheit und Unbestimmtheit tritt neuerdings ganz besonders deutlich zutage in dem Gutachten von Goldschmidt U. Anders über Abgrenzung von Kriminal- und Administrativdelikten in der Tschechoslowakei. Vgl. Gutachtenband d. 3. Deutschen Juristentages in d. Tschechoslowakei, Reichenberg 1927, S. 39 ff. Hier nur ein Beispiell (vgl. daselbst S. 43): Der Forst- und Felddiebstahl ist heute Spezialfall des Diebstahls. Goldschmidt aber hält für ebenso möglich eine andere Betrachtungsweise, nämlich ihn überhaupt nicht als Eigentumsdelikt zu bestrafen, sondern als Verwaltungsdelikt, als „Störung der guten Ordnung des Gemeinwesens“. Ich möchte fragen: Welches Delikt läßt sich dann nicht als Verwaltungsdelikt betrachten? Stören etwa sonstiger Diebstahl, Raub, Körperverletzung usw. jene gute Ordnung weniger ? Auf die Flüssigkeit (Kritik: Unbestimmtheit) seiner Begriffsbestimmung legt neuerdings Goldschmidt ganz besonderes Gewicht.
Vgl. oben S. 110/111.
Als solche insbes. von mir in wiederholten Arbeiten vertreten; vgl. zuletzt V. Hippel: Das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit (Vortrag auf der IKV. zu Hamburg), Berlin: de Gruyter 1924; ferner Z. 47, 1926, S. 48ff.; an diesen Stellen Angabe meiner früheren Arbeiten. Gegen Goldschmidt vgl. meine Bemerkung Leipz. Z. 11, 1917, S. 703. Im übrigen jetzt näher unten § 25.
Vgl. StrPO. § 153 (in heutiger Fassung der VO. v. 4. Jan. 1924.
Vgl. dazu Protokoll der Strafrechtskommission Nr. 76 S. 6ff.
Ich habe dies schon in der Strafrechtskommission beantragt; vgl. Antrag Nr. 97 I v. 24. April 1911; siehe im übrigen betr. Übertretungen in den Entwürfen v. Hippel: Z. 42, 1921, S. 410/11.
Vgl. dazu bereits Bd. I S. 37, jetzt näher unten § 26 Nr. IX.
Oben S.110Nr.3.
Überflüssige Doppelbestrafungen; vgl. dazu unten § 36 Nr. Vff.
Vor den ordentlichen und vor den Verwaltungsgerichten (so Goldschmidt). Deliktsfähigkeit juristischer Personen ferner und subsidiäre Haftung für fremde Schuld sind Spezialfragen, die nur aus besonderen sachlichen Bedürfnissen beurteilt werden können, nicht aus dem formalen Begriff des sog. Verwaltungsstrafrechts. Vgl. dazu unten S. 121ff., 123 Anm. 3, 124 Anm.
Anders für Österreich, wo noch die Verwaltungsbehörden zuständig waren (oben S.109 Anm.1). Gegenüber diesem polizeistaatlichen Zustand war bereits die Übertragung an Verwaltungsgerichte ein Fortschritt; deshalb auch die sympathische Aufnahme der GoLDschuiDTschen Lehre in Österreich; vgl. unten S. 119 Anm.
Vgl. auch Graf Dohna: Verw.-Arch. 30, 1924, S. 237/38. „Die Gegenüberstellung von Rechtswidrigkeit und Verwaltungswidrigkeit bedeutet letzten Endes nichts anderes als eine Verleugnung der Idee des Rechtsstaats.“
Mit gleichem Recht könnte man die Vermögensdelikte den Zivilgerichten, die Handelsdelikte den Kammern für Handelssachen übertragen usw., weil hier zivil- bzw. handelsrechtliche Interessen in Frage stehen und jene Gerichte darüber angeblich besser Bescheid wüßten.
Das einheitliche Wesen des Strafrechts liegt in der Anwendung der öffentlichen Strafe als Unrechtsfolge. Vgl. darüber näher Bd. I S. 31/32.
Goldschmidt selbst verweist (oben S. 110 Nr. 3) darauf, daß hier die ganze strafrechtliche Begriffstechnik in Betracht komme. Ebenso aber auch die strafrechtliche Kriminalpolitik.
Dabei handelt es sich nicht um bloß theoretische Fragen, sondern um die Rechtssicherheit des Staatsbürgers und den Schutz der persönlichen Freiheit. -Über weitere bedeutende Schwierigkeiten und Bedenken der Übertragung an die Verwaltungsgerichte vgl. Schultzenstein: Verw.-Arch. 11, 1903, S. 149ff.
So Goldschmidt selbst: Jur. Zta. 7 S. 213.
Vgl. oben S. 103 ff.
Über amtliche Erwägungen in dieser Richtung (oder in Richtung des Verwaltungsstrafrechts?) vgl. MARX: Strafr. Ztg. 9, 1922, S. 215 ff.; Hofacker: Z. 44, 1924, S. 326.
Beweis: Die vorausgehende Darstellung.
Von strafrechtlicher Seite wesentlich für Goldschmidt: Kohler: Leitfaden 1912, S. 44, 163ff.; Klee in Aschrott-Kohlrausch: Reform d. Strafr. 1926, S. 381, ferner Goltd. Arch. 71, 1927, S. 2/4; Hofacker: Staatsverwaltung und Strafrechtsreform 1919 und Z. 44, 1924, S. 325; Umhauer: Beitrag z. Lehre v. Polizeidelikt. Freiburg. Dissert.; Pollak: D. Finanzdelikt als Verwaltungsdelikt, Strafr. Abh. Nr. 150, 1911; Krakenberger: D. rechtl. Natur d. Ordnungsstrafe, Strafr. Abh. 156, 1912. v. Liszt: S. 112 und v. Liszt-Schmidt: S. 147 bezeichnen (unter Zitierung von Gold Schmidts Arbeiten) die Ausscheidung des Polizeidelikts (dem die Verletzung oder Gefährdung eines Rechtsguts nicht wesentlich sei) „aus dem Begriff des Unrechts und damit des Verbrechens als eine der wichtigsten legislativen Aufgaben“. Ich möchte annehmen, daß hier eine Ungenauigkeit im Ausdruck vorliegt. Denn der Begriff des Unrechts und damit des Verbrechens liegt selbstverständlich auch beim Polizei- bzw. Verwaltungsdelikt vor. Schärfer läßt sich ein Verhalten überhaupt nicht als Unrecht kennzeichnen als durch eine daran geknüpfte Strafdrohung. Die Frage ist lediglich, ob wir es hier mit einem Sondergebiet innerhalb des Unrechts zu tun haben. Gegen Goldschmidt vgl. insbes.: Binding: Normen, 2. Auf l., II 2, S. 1204/05, III S. 390 Anm.; Beling: Verbrechen, S. 34/36, 131; Wachenfeld: S. 75; Köhler: S. 160; Rich. Schmidt: Grundriß 1925, S. 76/77; Merkel, P.: Grundriß I, 1927, S. 20, 206; Gerland: Reichsstrafr. 1922, S. 85 (gegen Polizeidelikt überhaupt). — Ferner Graf Dohna: Verw.-Arch. 30, 1924, S. 237/38, 242 (vgl. auch oben 5. 117 Anm. 4). Sauer: Grundlagen 1921, S. 314ff. (vgl. auch 137, 599); Stienen: Z. 35 S. 637 ff.; Fischer: Rechtswidrigkeit 1911, S. 111; eingehend jetzt Trops: Begriff u. Wert eines Verwaltungsdelikts, Strafr. Abh. 1926 (Göttinger Dissert.), derselbe in Hessische Rechtsprechung 1926, S. 105ff.; Peters: Z. 48 S. 553. Kritisch Frank: vor § 360 (für Polizeidelikt, aber gegen Goldschmidts Sonderauffassung); teilweise ablehnend Allfeld: S. 101/02. Bedenken gegen den ungenügend geklärten Begriff äußerten v. Lilienthal, Rosenfeld, Liepmann, Jaffa (Tagung d. IKV., Mitt. 12, 1905, S. 253ff.). Gegen Goldschmidts Begriff eines sog. materiellen Justizrechts vgl. Hegler: GerS. 93 S. 440ff.; Binder: Prozeß u. Recht, Leipzig 1927, S. 239ff. — Überwiegend ablehnend gegenüber dem Verwaltungsstrafrecht auch die staatsrechtliche Theorie: Vgl. Otto Mayer: Verw.-Arch. 11, 1903, S. 348 ff. („Alles in allem: ein tüchtiges Buch, fleißig und scharfsinnig gearbeitet; es fehlt nur einigermaßen der rechte Blick für das, was wirklich ist und was Wert hat.“). Derselbe: Verwaltungsrecht, 2. Aufl. I S. 268ff. (näher über Polizeistrafrecht; „das läßt sich alles unter dem Namen‚Verwaltungsstrafrecht‘ zusammenfassen; nur muß man sich davon nicht allzuviel versprechen.“). — Schwerwiegende praktische Bedenken gegen die Übertragung an die Verwaltungsgerichte bei Schultzenstein: Verw.-Arch. 11, 1903, S. 149ff. — Ablehnend Lamp: Arch. f. öffl. Recht 18, 1903, S. 104ff.; G. Meyer-Dochow: Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 1913, S. 16 Anm. 7 („ein besonderes Verwaltungsstrafrecht gibt es nicht“). Ebenso Fleiner: Institutionen d. Verwaltg.R. 3. Aufl. 1913, S. 205/06. Vgl. ferner G. Meyeranschütz: Staatsrecht 7. Aufl. 1914, S. 676. — Selbständige Begriffsbestimmung des Polizeistrafrechts bei Rosin in Fleischmann: Wörterb. d. Staats- u. Verwaltungsrechts 2. Aufl. 1914, Bd. III S. 112 ff. — Jul. Hatschek: Institut. d. Verwaltungsrechts 1919, S. 181 ff. findet bei Goldschmidt zwei Fehler: 1. die Verkennung, daß vielfach polizeiliche Interessen heute bereits den Charakter von Rechtsgütern haben; 2. die Forderung der Übertragung an die Verwaltungsgerichte. Als berechtigten Kern betrachtet er die Klarstellung, daß es innerhalb der Polizeidelikte die Fälle „reiner Polizeiwidrigkeit“ gibt (Verletzung bloß polizeilicher Konventionalregeln, sog. Polizeigüter). Goldschmidt wird dem schwerlich zustimmen. M. E. arbeitet Hatschek hier unklar mit den Begriffen Rechtsnorm, Konventionalregel, Rechtsgut, Polizeigut. — Teilweise für Goldschmidt, aber mit mehrfachen Bedenken Fleischmann: Zeitschr. f. Eisenbahnrecht 19, 1903, S. 299 und Z. 24, 1904, 774ff. Für Goldschmidt Löwenthal: Verw.-Arch. 32, 1926, S. 168 ff. (dazu Peters: Z. 48 S. 555). Von österreichischer Seite für Goldschmidt (zur Erklärung vgl. oben S. 117 Anm. 3 und Goldschmidt selbst Z. 31 S. 495ff.) insbes. Otto Hatschek: Studien z. Österr. Polizeistrafr. Goltd. Arch. 57, 1910, S. 1 ff. Über den Osterr. Entw. eines Verwaltungsstrafgesetzes vgl. Z. 44, 1924, S. 326. Jetzt Gesetz, vgl. oben S. 15; dazu Langner (vgl. Referat von Peters: Z. 48 S. 556).
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von Hippel, R. (1971). Begriff und Einteilungen. In: Deutsches Strafrecht. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-52599-5_3
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