Zusammenfassung
Zwei Fragen sind in der Lehre von den Rechtsquellen für das Strafrecht klarzustellen: Zunächst das Verhältnis von Gesetzes- und Ge — wohnheitsrecht. Sodann, entsprechend der Rechtsnatur des Reichs als Bundesstaat, die Stellung von Reichs- und Landesrecht. Ich behandle hier die erste Frage, die zweite bleibt dem folgenden Paragraphen vorbehalten.
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Beide führen auf dieselbe Quelle zurück. In primitiven Kulturverhältnissen fehlt gerichtliche Gewalt, die Parteien rufen evtl. Vertrauenspersonen als Schiedsrichter an (vgl. Bd. I S. 52). Dadurch wie später durch die Entscheidung der Volksversammlung entsteht allmählich Gewohnheitsrecht als feststehende Übung. Das Gesetzesrecht entwickelt sich dadurch, daß diejenigen, die das Recht sprechen, zugleich zu Organen seiner Feststellung für die Zukunft werden. Dementsprechend ist Aufgabe der Gesetzgebung zunächst vor allem nicht Schaffung neuen, sondern Aufzeichnung des vorhandenen Gewohnheitsrechts; vgl. Bd. I S. 42 Anm. 8, S. 109/110, 126 Anm. 2.
Vgl. Bd. I S. 16. Sonstige „Rechtsnormen“ gibt es nicht. Vgl. Bd. I S. 21ff. (betr. Bindings Normentheorie und Mayers Kulturnormen). Wissenschaft und Rechtsprechung sind von größter Bedeutung für die Auslegung bestehenden wie für die Entstehung neuen Gesetzes- bzw. Gewohnheitsrechts; aber sie sind keine selbständigen Rechtsquellen. Jedes Gericht kann jeden neuen Fall abweichend von bisherigen Ansichten der Wissenschaft oder Praxis entscheiden, solange kein Gewohnheitsrecht vorliegt. (Ausnahme Verf. Art. 1322; vgl. unten S. 46 Anm. 2.)
Schon weil man nicht schreiben und lesen kann.
Das Recht beruht insoweit auf der sich fortpflanzenden (auch unter dem Einfluß der Bedürfnisse sich allmählich wandelnden) Überlieferung. Es erscheint damit älteren Zeiten als der geheiligte Wille der Götter bzw. der Vorfahren.
Anders noch heute die Bedeutung des Gewohnheitsrechts (common law) im englischen Rechtsgebiet; vgl. Bd. I S. 415. In Deutschland war bekanntlich das Privatrecht im Gemeinrechtsgebiet noch bis zum 1. Jan. 1900 (Inkrafttreten des BGB.) Gewohnheitsrecht.
Einmal, weil keine Gesetzgebung lückenlos sein kann. Sodann, weil das Leben dauernd neue Rechtslagen und Rechtsbedürfnisse erzeugt. Deshalb wird insb. über alterte Gesetzgebung zwangsläufig in dauernd fortschreitendem Maße gewohnheitsrechtlich umgebildet und ausgeschaltet. Vgl. dazu als großes geschichtliches Beispiel die Zeit des Gemeinen Strafrechts im Verhältnis zur Carolina, Bd. I § 15 S. 229ff.; für österreich (StrGB. v. 1852) vgl. Bd. I S. 377 Anm. 8.
Bekämpft wurde das Gewohnheitsrecht, damals mit Recht, von der Aufklärung; vgl. näher unten S. 33. Dem folgte die Überschätzung durch die historische, privatrechtliche Schule als vermeintlich reinstem Ausdruck des Volksgeistes. Kritik: Das ist durchaus möglich und wohl z. B. zutreffend für das germanische Recht. Ebenso möglich ist aber auch das Gegenteil. Das gemeine Privatrecht wie der gemeine Zivilprozeß waren Gewohnheitsrecht, aber nicht Ausdruck deutschen Volksgeistes. Vgl. dazu Bd. I § 14 (Rezeption).
Vgl. oben Anm. 3 (betr. überalterte Gesetzgebung); dazu unten S. 40 Anm. 6.
Also bis zur Aufhebung oder Einschränkung dieser Rechtsvorschrift selbst durch neues Gesetz oder durch Gewohnheitsrecht. Der letztere Fall wird bei guten, auf der Höhe der Zeit stehenden Gesetzen praktisch nicht vorkommen, wohl aber bei sachlich unbrauchbarem oder veraltetem Gesetz.
Vgl. näher Bd. I S. 59, S. 61/62. Die Provokation bei Kapitalverbrechen an die Volksversammlung bedeutet ebenfalls keine gesetzliche Bindung der Versammlung.
Vgl. näher Bd. I S. 63/64.
Vgl. Bd. I S. 65 Anm. 1.
Vgl. Bd. I S. 65.
Vgl. Bd. I S. 66ff.
Vgl. Bd. I S. 101.
Vgl. näher Bd. I S. 110.
Vgl. näher Bd. I S. 125ff.
Vgl. noch die ausdrückliche Vorschrift der Tiroler Halsgerichtsordnung von 1499 Bd. I S. 140 Anm. 1 (dazu S. 164 Anm. 1).
Vgl. Bd. I S. 139/41, S. 158. 11 Vgl. näher Bd. I S. 176/78, S. 195ff.
Vgl. näher Bd. I S. 235/38, S. 258.
Vgl. näher Bd. I S. 262 Anm. 5 (Montesquieu), S. 267 (Beccaria), S. 286. Als Übertreibung, aber gegenüber den Mißständen jener Zeit begreiflich, erscheint dabei die Forderung, daß dein Richter auch die Gesetzesauslegung zu verbieten sei. Sehr richtig dagegen Feuerbach (vgl. Bd. I S. 296). Aber noch das Bayerische StrGB. von 1813 gestattete als Auslegungsmittel lediglich die amtlichen „Anmerkungen“ (vgl. Bd. I S. 298/99). Vgl. ferner unten S. 34 Anm. 1.
So, in etwas breiterer Fassung, wohl zuerst Feuerbach; vgl. Bd. I S. 293/94. Siehe zur geschichtlichen Entwicklung auch Elvers: D. Bedeutung d. Satzes nulla poena etc. (Göttg. Diss.), 1910; Schottländer: Strafr. Abh. H. 132, 1911 (Referat Z. 34 S. 247).
Schon 1750 fordert Friedrich der Grosse von den Gerichten genaue Gesetzesanwendung (vgl. Bd. I S. 274); die Vorrede zum Corpus iuris Fridericiani von 1749/51 verbietet bei strenger Strafe die Abfassung von Kommentaren (vgl. Bd. I S. 276 Anm. 4). Gesetzliche Aufnahme des obigen Grundsatzes dann im österr. StrGB. Josephs II. 17 8 7 (vgl. Bd. I S. 271 Anm. 4; dazu S. 377 Anm. 1, mit Bindung des Richters „an die buchstäbliche Beachtung“ des Gesetzes), in den Französischen Menschenrechten v. 26. Aug. 1789 (Bd. I S. 269 Anm. 3) und im Preußischen Landrecht von 1794 (Bd. I S. 277 Anm. 6). Geschichtlich führt dieser Grundsatz auf die englische Magna Charta von 1215 zurück. Vgl. Schottländer: a. a. O. Von hier gelangte er in die amerikanischen Kolonien und 1774 in die vom Kongreß zu Philadelphia erklärten Menschenrechte; vgl. Bd. I S. 286 Anm. 3.
Die auch in die deutschen Landes verfassungen übergeht. Vgl. preuß. Verf. v. 1850 Art. 8: „Strafen können nur in Gemäßheit des Gesetzes angedroht und verhängt werden.
Abweichend die Stellung des englischen common law (vgl. oben S. 32 Anm. 2). Dänemark gestattet noch analoge Bestrafung; vgl. dazu Bd. I S. 286 Anm. 4, S. 397/98. — Über den traurigen Umsturz im russischen Sowjet-Strafrecht vgl. Bd. I S. 422. Vgl. dazu Berner: Lehrb., 18. Aufl., 1898, S. 251 Anm.: Diesen Grundsatz aufzugeben, „könnte nur der Despotismus bereit sein“. — In der Türkei früher Einschränkungen (vgl. Bd. I S. 428), jetzt volle Annahme des Grundsatzes im StrGB. von 1926 § 1; vgl. oben S. 24.
So bereits meine Kritik: Z. 42, 1921, S. 405. Ebenso die herrschende Ansicht im Staatsrecht wie im Strafrecht. Vgl. bereits Arndt: Leipz. Z. 15, 1921, S. 201 ff.; AnschÜtz: Verfassung, Art. 116, mit dem Hinweis, daß nach der einstimmigen Erklärung des mit der Ausarbeitung der Grundrechte betrauten Unterausschusses des Verf.-Aussch. (Prot. S. 377) eine änderung nicht beabsichtigt war. Ferner Düringer, Stier-Somlo (vgl. AnschÜtz). — Siehe ferner Mittermaier: Strafr. Ztg. 9 S. 226; v. Liszt-Schmidt: S. 111; Beling: Grundzüge, S. 8/9; VAN Calker: Grundr., S. 20; Gerland: S. 56; Lobe: § 2 I 1; Olshausen: § 2 Nr. 3. Sieht man lediglich auf den Wortlaut des Art. 116, so wäre eine doppelte Auslegung möglich: In erster Linie in obigem Sinne (die Strafbarkeit muß „ ges etzlich bestimmt“ sein); denkbar aber auch: Es genügt, daß gesetzlich Straf barkeit vorgeschrieben ist, Näheres über diese braucht nicht gesagt zu sein. Ich halte letztere Auslegung für geradezu unzulässig. Keinem Gesetzgeber kann man ohne zwingenden Nachweis zumuten, daß er den Grundsatz nullum crimen sine lege zum Verfassungsgrundsatz erhebt, gleichzeitig aber den damit unmittelbar (geschichtlich wie sachlich) verbundenen Grundsatz nulla poena sine lege übersieht bzw. aufhebt. Und zwar ohne unzweideutige Erklärung und Begründung. Siehe dagegen überdies die Entstehungsgeschichte (oben bei AnschÜtz). Das Strafrecht ferner würde mit solcher Auslegung, die willkürliche Strafe gestattet, um 150 Jahre kulturell zurückgeworfen. Eigenartig Frank: § 2 I, der den § 21 StrGB. hinsichtlich des Grundsatzes nulla poena sine lege für fortbestehend erklärt. Ich sehe zu einem solchen Umweg, um zu erträglichem Ziel zu gelangen, keinen Anlaß.
Mehrfach wird hier in der Liter atur unter Anwendung des Grundsatzes lex posterior derogat priori die Aufhebung des § 21 StrGB. behauptet: So z. B. AnschÜtz, V. Liszt/Schmidt: a. a. O. Damit wird das obige sachlich e Verhältnis nicht berücksichtigt. Richtig behandeln den § 21 StrGB. als fortgeltend van Calker, Gerland, Lobe, Olshausen: a. a. O.; ferner Frank hinsichtlich des Grundsatzes nullum crimen sine lege (vgl. die vorige Anm.). Zur Begründung sei bemerkt: Der Satz lex posterior usw. ist lediglich eine Auslegungsregel. Er läßt sich daher nicht anwenden, wo Sinn und Zweck der Neuerung ihm entgegenstehen. Wenn BGB. § 227 die Notwehrdefinition des StrGB. § 53 wörtlich aufnahm, so nimmt niemand an, daß StrGB. § 53 deshalb beseitigt sei (BGB. § 227 stellt nur dessen zivilrechtliche Folgen sicher); entsprechend, wenn Gesetzesvorschriften den erhöhten Rang verfassungsrechtlicher Grundrechte erhalten. Dann enthält die Verfassung diese Rangerhöhung, nicht die Beseitigung der betr. Vorschriften. Weiteres Beispiel hierfür: Die Garantien richterlicher Unabhängigkeit des Gerichtsverfassungsgesetzes §§ 1, 6, 8, 9 im Vergleich zu Verf. Art. 104, 129. Würden die Grundrechte der Verfassung gestrichen, so beständen die betr. Gesetzesvorschriften als einfache Reichsgesetze fort (falls sie nicht ausdrücklich aufgehoben würden). Es wäre ihnen lediglich der erhöhte staatsrechtliche Schutz entzogen. Es war danach unzutreffend und unzweckmäßig, wenn der Entwurf 1919- den Grundsatz des § 21 StrGB. streichen zu müssen glaubte, weil dieser Satz nunmehr in der Verfassung stehe. Die wichtigste Kulturgrundlage des Strafrechts gehört sachlich an die Spitze des Strafgesetzbuchs; in die Verfassung lediglich ihre besondere Anerkennung als Grundrecht. So jetzt auch Entw. 1925, 1927 § 1.
In E. 55 S. 116 (betr. Art. 48 Verf.) behandelt der IV. Strafsenat (29. Okt. 1920), ferner in E. 56, 168 der Vereinigte II./III. Strafsenat (5. Okt. 1921) den § 2 StrGB. als fortgeltend (das Urteil betrifft die Zulässigkeit von Analogie; vgl. unten S. 39 Anm. 4). In E. 56, 318 dagegen erklärt der V. Senat (24. März 1922) den § 2 Abs. 1 als aufgehoben durch Verf. Art. 116 und deshalb Geldstrafdrohung ohne Höchstbetrag für zulässig. Kritik: Ob solche Geldstrafdrohung unter Umständen nach § 2 StrGB. zulässig ist, hätte der Prüfung bedurft (vgl. darüber unten S.42/43). Geradezu bedauerlich aber ist es, mit welcher Oberflächlichkeit dieses Urteil auf einer halben Seite eine strafrechtliche Grundfrage durch bloße Behauptung ohne Versuch sachlicher Begründung erledigt (siehe dagegen bereits Mittermaier, oben S. 34 Anm. 4). In E. 57, 49 erklärt der III. Senat (4. Jan. 1923), daß rückwirkende Kraft des Strafgesetzes durch Verf. Art.116 ausgeschlossen sei; StrGB. § 2 wird nicht erwähnt. In E. 57, 119 (betr. Inkrafttreten der Reichsabgabenordnung) bemerkt der V. Senat ohne Begründung (6. Febr. 1923), daß Verf. Art. 116 „an die Stelle“ von StrGB. § 2 getreten sei. Dagegen spricht in E. 57, 406 (betr. Inkrafttreten d. Republikschutzgesetzes) der II. Senat (8. Nov. 23) von dem „mit § 2 Abs. 1 StrGB. übereinstimmenden“ Art. 116 d. Verf. In E. 58, 406 (betr. Inkrafttreten d. Preistreibereiverordnung) verweist der I. Senat (14. Nov. 1924) auf „Anwendung“ des StrGB. § 2 „in Verbindung mit Art. 116“ d. Verf. In E. 62, 372 (betr. Analogie) arbeitet der I. Senat (23. Nov. 28) mit StrGB. § 2 Abs. 1 als geltendem Recht, ohne Erwähnung von Art. 116 der Verf; vgl. dies Urteil auch unten S. 38 Anm. 1.
So auch in feststehender Rechtsprechung das RG. Vgl. z. B. E. 55, 116; E. 55, 246/47; E. 58, 270.
V. Liszt hat früher den Grundsatz des § 21 StrGB. als „magna charta des Verbrechers“ bezeichnet, m. E. ein Paradoxon, wie v. Liszt sie gelegentlich liebte. Da das Wort aber in der Literatur öfters auftritt, sei bemerkt: die Magna charta, die Menschenrechte wie die neueren Grundrechte der Verfassungen wollten keinen Verbrecherschutz, sondern den erforderlichen Bürgerschutz schaffen. Der entscheidende erste Satz, nullum crimen sine lege, hat es überhaupt nicht mit Verbrechern zu tun. Der zweite Satz nulla poena sine lege schützt allerdings den Gesetzesübertreter vor willkürlicher Strafe, verhängt aber über ihn die gesetzliche Strafe. Die obige Bezeichnung ist daher teils geradezu unrichtig, teils schief. Vgl. dazu auch unten S. 44 Anm. 2.
Vgl. oben S. 33 ff.
Auch wenn solche höchst strafwürdig sind. Dann ist es evtl. Sache der Gesetzgebung, erweiterte Strafdrohun gen zu schaffen; auf Grund des geltenden Rechtes aber steht die Straflosigkeit unverbrüchlich fest. In dankenswerter Schärfe hat das Reichsgericht wiederholt diesen Standpunkt vertreten. Ich erwähne: E. 29, 111 (IV, 20. Okt. 1896 betr. Straflosigkeit des Elektrizitätsdiebstahls. Das war keine Unbeholfenheit, sondern Achtung des Gesetzes und der Rechtssicherheit). Entsprechend E. 42, 412 (I, 5. Juli 1909, Ferngespräche keine Depeschen nach StrGB. § 355). In beiden Fällen ergingen dann die erforderlichen, erweiternden Gesetze. Ferner E. 56, 87 (II, 6. Mai 1921; Betäubungsmittel keine Gewalt im Sinne des geltenden Rechts; anders die Entwürfe).
Solange nicht der § 21 StrGB. selbst durch Gesetzes- bzw. Gewohnheitsrecht beseitigt wird; vgl. oben S. 32 Anm. 6.
Also z. B. Notwehr- bzw. Notstandshandlungen nach StrGB. §§ 52–54 usw.
In der hier in Betracht kommenden Richtung. Über die zeitliche Geltung des Strafgesetzes nach § 2 StrGB. vgl. unten § 5.
Verkehrt hier teilweise die Aufklärungszeit, vgl. oben S. 33/34. Grundlegend richtig Feuerbach: vgl. Bd. I S. 296. Heute allgemein anerkannt.
Vgl. auch RG. E. 56, 180: Prüfungspflicht des Richters, ob Landesrecht „gegen ein Reichsgesetz, gegen eine Rechtsverordnung des Reiches oder gegen Reichsgewohnheitsrecht verstößt“. Unzutreffend ist daher (vgl. oben) die in der Literatur öfters auftretende Behauptung, daß es im Strafrecht lediglich Gesetzesrecht gebe, Analogie und Gewohnheitsrecht aber durch § 21 StrGB. ausgeschlossen seien. Die Behauptung solchen gesetzlichen Verbots, das nirgends steht, widerlegt sich dann regelmäßig selbst durch das Zugeständnis, daß jenes vermeintliche Verbot durch mehr oder weniger weitgehende Ausnahmen durchbrochen sei. Kritik: Stände im Gesetz wirklich das Verbot, so könnte es auch keine Ausnahmen geben. Denn diese müßten gerade nach obiger Theorie dann ebenfalls im Gesetz stehen. In Wahrheit kommt daher jene Theorie auf Anerkennung von Gewohnheitsrecht und Analogie hinaus, aber ohne gesicherte Begründung und Begrenzung. In dieser Weise erscheint das Gewohnheitsrecht z. B. bei V. Liszt: S. 83ff. (anders wohl V. Liszt/Schmidt: S. 112). M. E. Mayer: a. a. O. S. 24ff. (zulässig nur „unechtes“ Gewohnheitsrecht, wie Verkehrssitte usw.); Wachenfeld: S. 39; vgl. auch Olshausen: § 2 Nr. 3.
Darüber hier in größter Kürze folgendes: Maßgebend ist einerseits die sog. grammatische, anderseits die sog. logische Auslegung. Die grammatische
Auslegung folgt dem Wortlaut des Gesetzes. Für sein Verständnis ist maßgebend zunächst der allgemeine Sprachgebrauch, weiter aber der juristische Sprachgebrauch (Beispiel: Unterscheidung von Eigentum und Besitz), evtl. der besondere Sprachgebrauch des einzelnen Gesetzes (Beispiel: „Angehörige“, vgl. StrGB. § 52 Abs. 2; „Beamter“, StrGB. § 359). Die sog. logische Auslegung fragt nach dem Sinn des Gesetzes. Er ist aus Entstehungsgeschichte, Zusammenhang und Zweck des Gesetzes zu entnehmen. Die Bedeutung der Entstehungsgeschichte hängt zunächst von der größeren oder geringeren Sicherheit ab, mit der sie einen bestimmten Willen des Gesetzgebers erkennen läßt. Ihre Bedeutung mindert sich ferner nicht selten durch Zeitablauf; das Leben geht weiter und erzeugt evtl. Anschauungen, denen gegenüber die Entstehungsgeschichte als veraltet erscheint. Endlich: Bei Widerspruch zwischen Gesetz und Entstehungsgeschichte geht das Gesetz vor. Je nach Lage des Einzelfalles kann danach die Entstehungsgeschichte entscheidend, wesentlich oder unerheblich für die Auslegung sein (vgl. dazu auch RG. E. 10, 220; E. 37, 334). Lassen Wortlaut und Entstehungsgeschichte Zweifel, so ist die Frage nach Zusammenhang und Zweck des Gesetzes maßgebend. Die folgende Darstellung dieses Bandes wird dafür ausgiebigstes Anschauungsmaterial liefern. Insgesamt ist diese Fragestellung von geradezu grundlegender Bedeutung. Von der sachgemäßen, d. h. ständigen und entschiedenen, zugleich aber objektiven und ausreichend vorsichtigen Handhabung dieser Methode hängt die Güte aller Gesetzesauslegung überhaupt ab. Insgesamt hat die logische Auslegung dauernd alle Zweifel der grammatischen zu entscheiden. Dazu gehört auch die Berichtigung eines offenbar ungeschickt gewählten Wortlauts im Sinne des Gesetzes (nicht nach subjektiver Willkür). Liefern die vorstehenden Gesichtspunkte im Einzelfall kein gesichertes Ergebnis, so ist letzten Endes stets das Gerechte und Zweckmäßige als Sinn des Gesetzes zu betrachten. Denn alles brauchbare Recht steht notwendig unter dem Zeichen der Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit. Unter ihm hat daher auch die Rechtsauslegung in Zweifelsfällen zu stehen. Auch hierfür verweise ich auf die folgende Darstellung.
Vgl. oben S. 36/37. So scharf und treffend auch neuerdings das RG. E. 62, 372 (Auslegung des Opiumgesetzes). Der Senat hat (im früheren Urteil E. 60, 365) „nicht etwa im Wege der entsprechenden Anwendung (Analogie) eine im Gesetz nicht enthaltene Strafvorschrift geschaffen. wozu er im Hinblick auf § Str GB. allerdings nicht befugt gewesen wäre“. Sondern er hat der „nicht eindeutigen Strafvorschrift eine Auslegung gegeben, die nach seiner Auffassung durch den Wortlaut nicht ausgeschlossen und bei Berücksichtigung der für die Auslegung wesentlichen Gesichtspunkte geboten ist. Bei der Auslegung ist der Richter nicht an den nur für die Beweiswürdigung in Frage kommenden Grundsatz in dubio pro reo gebunden; er darf und muß vielmehr etwa auftauchende Zweifel, wenn es die Auslegungsregeln fordern, auch in einem dem Angeklagten ungünstigen Sinne lösen. Er muß hierbei neben dem Wortlaut auch Zweck und Sinn des Gesetzes beachten, für dessen Erforschung die Entstehungsgeschichte und der Zusammenhang der Vorschriften unter sich und mit anderen bereits bestehenden Bestimmungen von Bedeutung ist.“ Vgl. dazu auch v. BAR: G. u. S. I, 1906, S. 14ff.
Vgl. oben S. 37.
Vgl. oben S. 37 Anm. 6.
Vgl. dazu Sachverzeichnis unter „Analogie“.
Vgl. E. 56, 168 (betr. analoge Anwendbarkeit des § 73 StrGB. auf den Fall, daß zunächst das Kriegsgericht verurteilt, dann aber erneut Verurteilung wegen Hochverrats erfolgte, wofür jenes Gericht nicht zuständig war). „Die sog. Analogie darf nicht dazu benutzt werden, für eine im Gesetz nicht ausdrücklich mit Strafe bedrohte Handlung die Strafbarkeit zu begründen. Im übrigen ist auch auf dem Gebiete des Strafrechts die Analogie beim Fehlen ausdrücklicher Vorschriften für einen zur Entscheidung stehenden Fall nicht unzulässig.“ Vgl. auch E. 2, 257; E. 32, 185/86.
Grundsätzlich zutreffend Binding: Handb. I S. 218ff.; vgl. auch Beling: Verbrechen S. 23, Grundzüge S. 8/9; Olshausen: § 2 Nr. 4; Exner: Gerechtigkeit und Richteramt, 1922, S. 39ff. M. E. Mayer S. 27 erklärt für zulässig Analogie intra legem, für unzulässig Analogie contra legem und praeter legem. v. Liszt: S. 86 läßt Analogie auf dem Gesamtgebiet der allgemeinen Lehren zu, v. Liszt/Schmidt: S. 112/13 außerdem zu Gunsten des Täters; Rittler: Z. 49, 1929, S. 452, 464 als Auslegungsmittel des Gesetzes und der herrschenden Wortvorstellungen. — öfters begegnet die Fassung, daß Analogie nur zu Gunsten (Strafausschließung bzw. Milderung), nicht zu Ungunsten des Täters zulässig sei. So Allfeld: S. 75; Frank: § 2 I2; van Calker: Grundriß S. 20; Lobe: § 2 Nr. 6. Das ist abzulehnen. Nirgends besteht ein gesetzliches Verbot, bei Zweifel über die Auslegung eines Deliktstatbestandes andere Tatbestände oder allgemeine Grundsätze heranzuziehen und sich auf dieser Grundlage per analogiam für die strengere Auslegung zu entscheiden. Vgl. auch RG. E. 62, 372, oben S. 38 Anm. 1. Entsprechendes gilt auf dem Gebiet der allgemeinen Lehren.
Vgl. Rittler: a. a. O.
Vgl. oben S. 32; dazu auch Rittler: a. a. O. S. 466.
Vgl. oben S. 36/37.
Das wird heute in der Literatur überwiegend anerkannt. Vgl. V. Bar: G. u. S. I S. 12/13; Binding: a. a. O.; Allfeld: S. 71; Frank: § 2 I 1 b; V. Liszt-Schmidt: S. 112; Beling: Grundzüge S. 9; Finger: I S. 110/111; Gerland: S. 56/57; van Calker: Grundriß S. 20; Lobe: § 2 Nr. 6; dagegen V. Liszt: 21./22. Aufl., S. 85; Wachenfeld: S. 40; M. E. Mayer: S. 24ff.
Vgl. oben S. 32 Anm. 3.
Hier ein Beispiel (Hannoverischer Kurier, 26. Okt. 1909): In Waldeck wurde 1909 ein Arbeiter, der am Gründonnerstag sein eigenes Land umgrub, angeklagt auf Grund der Kirchenordnung von 1550 und 1730 ! Das Schöffengericht sprach nach Vernehmung der ältesten Leute wegen desuetudo frei. Das Landgericht dagegen verurteilte, da ein sog. Usancerecht das Gesetz nicht außer Kraft setzen könne. Ein Musterbeispiel für die verfehlte Annahme, daß es im Strafrecht kein Gewohnheitsrecht gebe ! Sehr begreiflich daher die abfällige Kritik der Zeitung, die in den Worten gipfelt: „Es erben sich Gesetz und Rechte wie eine ew’ge Krankheit fort“ usw.
K. Meyer gab in Leipz. Z. 12 S. 185 die Gesamtzahl der Kriegsstrafverordnungen nach einer Statistik in der Presse auf über 40000 an!
Beispiel: Ausschluß der Rechtswidrigkeit, vgl. unten Kap. IV.
Beispiele: Strafbarkeit der Unterlassung, des dolus eventualis, der mittelbaren Täterschaft usw.
Beispiele: Kausalzusammenhang, Bewußtsein der Rechtswidrigkeit; subjektives Schulderfordernis bei der Fahrlässigkeit usw.
Neuerdings in diesem Sinne wertvoll Rittler: Z. 49, 1929, S. 454ff.
Bei spiel: StrG3. § 292 setzt Jagdbarkeit des betr. Tieres voraus; diese aber wird landesrechtlich, und zwar auch durch Gewohnheitsrecht, bestimmt; vgl. RG. E. 9, 299; E. 46, 111. Solche mittelbare Bedeutung des Gewohnheitsrechts wird auch in der Lit er a — turallgemein anerkannt. Im übrigen fehlt die wünschenswerte Klarheit. So spricht z. B. v. Liszt: S. 85 von Übertrgung der Aufstellung von Rechtssätzen an Wissenschaft und Praxis durch den Gesetzgeber. (Kritik: Ersatz des Gewohnheitsrechts, das zu Unrecht geleugnet wird, durch eine Fiktion.) Frank: § 2 la spricht von ausdrücklicher bzw. stillschweigender Verweisung des Gesetzes auf Gewohnheitsrecht (z. B. betr. Vorsatz u. Fahrlässigkeit); also ebenfalls die Fiktion der Vollständigkeit des Gsetzes. Nichts über ergänzendes Gewohnheitsrecht finde ich bei Allfeld, V. Liszt-Schmidt: a. a. O.; Gerland: S. 56/57. Gegen seine Anerkennung V. Bar: a. a. O. I S. 12/13; M. E. Mayer: S. 24ff.; Wachenfeld: S. 40. — Beling: Grundzüge S. 8/9 will nur strafaufhebendes und strafmilderndes, kein strafbegründendes Gewohnheitsrecht anerkennen. — Die gesamte Lage kennzeichnet Rittler: a. a. O. S. 452 dahin, daß man aus Bequemlichkeit und Tradition die Lehre von der Bedeutungslosigkeit des ungesetzten Rechtes im Strafrecht festhalte, ohne ihre Stichhaltigkeit neu zu untersuchen.
Vgl. oben S. 34 Anm. 4.
Vgl. näher die geschichtliche Darstellung in Bd. I. Zur Carolina insbes. Bd. I S. 196ff.
Vgl. Bd. I S. 235 ff., 258.
Vgl. auch Bd. I S. 280/81.
Todesstrafe bei Mord (StrGB. § 211); vgl. auch die nach Vielfachen eines hinterzogenen Betrages festgesetzten Geldstrafen im Zoll- und Steuerstrafrecht.
Vgl. EinfG. StrGB. §§ 5, 6, Frank: § 2 II. Dazu unten S. 57 ff.
Vgl. oben S. 34/35.
Gesetze v, 21. Dez. 1921, 24. April 1923, 13. Okt. 1923; VO. v. 23. Nov. 1923, 6. Febr. 1924.
Vgl. die jetzige Fassung von StrGB. § 27 Nr. 1.
Vgl. jetzt StrGB. § 27c Abs. 3.
Nur als Ausnahmen. Zweifellos verfassungswidrig wäre die Androhung unbestimmter Geldstrafen als Regel.
Vgl. näher oben S. 35 Anm. 2.
Vgl. StrGB. § 27 Nr. 1, 27a.
Verneint man dies, so wäre deren Erhöhung zu fordern.
Die Vermögenskonfiskation erscheint bei Feuerbach: Lehrb. 2. Aufl., 1803, S. 130 noch als selbstverständlich gültiges Strafmittel. Aufhebung dann im Bayer. StrGB. 1813 Art. 33. Für Preußen vgl. Bd. I S. 318/19, 321, 323, 326 Anm.; Verbot dann in der Verfassung v. 1850 Art. 10. Für Frankreich Bd. I S. 269/70.
Die ganze Frage der Zulässigkeit unbestimmter Geldstrafe ist, soviel ich sehe, bisher überhaupt nicht näher erörtert. Frank: § 2 II erblickt darin mit Recht einen Verstoß gegen StrGB. § 21, leider aber nicht gegen die Verfassung (vgl. oben S. 35 Anm. 1) und hält deshalb späteres Reichsrecht nach dem Grundsatz lex posterior für gültig, trotzdem er dies (§ 27 I 1) treffend als „eine verkappte Form der Vermögenskonfiskation und eine Umgehung des § 2“ bezeichnet. Wer inhaltliche Übereinstimmung von Verf. Art. 116 und StrGB. § 21 annimmt — also die herrschende Ansicht (vgl. oben S. 34/35) — muß konsequent zu meinem Standpunkt der Unzulässigkeit unbestimmter Geldstrafe kommen, es sei denn, daß ein verfassungsänderndes Reichsgesetz vorliegt (so § 9 des aufgehobenen Republikschutzgesetzes v. 1922). So V. Liszt-Schmidt: S. 377 Anm. 6. — Lobe: § 2 Nr. 8 verfährt nach dem Grundsatz lex posterior, erklärt aber Vermögenskonfiskation für unzulässig (Kritik: Warum, wenn wirklich obiger Satz maßgebend wäre?). Olshausen § 2 Nr. 7 nimmt ohne Begründung eine „zulässige Abweichung“ von StrGB. § 2 an. Geldstrafe ohne Höchstmaß enthalten außer dem Republikschutzgesetz (vgl. oben) insbes. die Preistreibereivo. v. 13. Juli 1923 § 12 und Reichsabgabenordnung v. 13. Dez. 1919 § 359. Vgl. unten S. 97 Anm. 4.
Der praktisch häufigste Fall betrifft den Zweifel, ob Diebstahl oder irgendeine Form von Begünstigung oder Hehlerei vorlag. Ferner z. B.: Diebstahl oder Unterschlagung; Betrug oder Diebstahl bzw. Unterschlagung. Siehe näher die auf Grund der Praxis aufgestellte, lehrreiche Zusammenstellung bei Zeiler: Z. 43, 1922, S. 596ff.
Auch hier zeigt sich wieder, wie verfehlt die Kennzeichnung des § 21 StrGB. als magna charta des Verbrechers ist. Vgl. oben S. 36 Anm. 2.
Besonderes Verdienst um die Klärung der Frage mit dem Ergebnis des obigen Textes hat sich Reichsgerichtsrat Zeiler erworben. Vgl. Z. 42, 1921, S. 665ff. (und dort zit. frühere); Z. 43, 1922, S. 596ff. Eine sehr gründliche Bearbeitung erfolgte dann in der (leider nicht gedruckten) Göttinger Dissert. v. Dassel: Wahlweise Tatsachenfeststellungen, 1922/23. Löwe-Rosenberg: 1925, StrPO. § 267 Nr. 4b bemerkt mit Recht, daß der Gesetzgeber der StrPO. die Frage ausdrücklich der Wissenschaft und Rechtsprechung überwies (vgl. Hahn: Mat. I S. 223) und daß prozessuale Hindernisse nicht bestehen. Er erklärt für zulässig alternative Feststellung gleichartiger, gegen dasselbe Rechtsgut gerichteter Delikte (wie Diebstahl, Unterschlagung, Hehlerei). Allgemeine Anwendung des milderen Gesetzes forderte der 3. Deutsche Richtertag, Recht 17, 1913, S. 594 (Beispiele hier: Vorsatz bzw. Fahrlässigkeit; verschiedene Teilnahmeformen; Diebstahl oder Hehlerei). Geschichtlich zeigt v. Dassel, daß unser Problem seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts (Aufkommen des Schwurgerichts) erörtert wurde und daß das Reichsgericht über den Stand der Frage um 1868 nicht hinauskam. Wissenschaftlich erfolgten zunächst sehr begrenzte Anregungen (1851 verlangte Ubbelohde Wahlfeststellung zwischen Mord und Anstiftung zum Mord), bis die Arbeiten Zeilers das Gesamtproblem aufrollten.
Allein Zeiler hat in einem Jahre 90 Fälle gesammelt, gut die Hälfte aus seinem Senat. Er betont, daß vom Standpunkt des RG. jährlich Tausende von Gerichtsurteilen aufgehoben werden müßten. Vgl. Z. 43 S. 596, 605.
Ein derart Freigesprochener erklärte, so dämliche Richter habe er noch nie gesehen. Vgl. Zeiler: Z. 43 S. 610.
Das RG. (vgl. E. 53, 231, betr. Einbruchsdiebstahl und Hehlerei), erklärte „in feststehender Rechtsprechung“ (vgl. E. 22, 213; E. 23, 47; E. 35, 300) Wahlfeststellung für unzulässig, wenn die betr. Tatbestände (so hier) „in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht dergestalt voneinander abweichen, daß der eine den anderen ausschließt und zugleich rechtlich abweichend von ihm zu beurteilen ist“. Zulässig ist nach E. 55, 45 (und dort zit. früheren) Wahlfeststellung, „wenn es sich nur um verschiedene gleichwertige Ausführungsarten derselben Straftat handelt, die keine verschiedenen Tatbestände darstellen“. So hier Diebstahl mittels Einsteigens oder falscher Schlüssel. Wie eng aber das RG. dies Gebiet des Zulässigen faßt, ergibt besonders deutlich der Hinweis dieses Urteils, daß derselbe Senat diesen Tatbestand früher anders entschieden habe und daß andere Senate eine Verschiedenheit der Tatbestände annahmen betr. Einbruch und falsche Schlüssel, Einsteigen oder Einschleichen, Einbruch oder Einsteigen. Vgl. weiter die Angaben bei Löwe: oben — v. Dass El hat durchaus recht, wenn er solche Rechtsprechung als rationalistisch kennzeichnet. Sie mutet dem Richter eine Allwissenheit zu, die der Mensch nicht besitzt, und führt damit zu unhaltbaren Ergebnissen.
So jetzt wörtlich Verf. v. 1919 Art. 13 Abs. 1. Ebenso früher ausführlicher Verf. v. 1871 Art. 2. Das Reich „übt das Recht der Gesetzgebung nach Maßgabe des Inhalts dieser Verfassung und mit der Wirkung aus, daß die Reichsgesetze den Landesgesetzen vorgehen“. An Literatur vgl. insbes. Heinze: D. Verhältnis des Reichsstrafrechts zum Landesstrafrecht, 1871; derselbe in v. Holtz: Handb. II, 1871, S. 3 ff.; Seuffert: StG. I, 1894, S. 84ff.; Liepmann: Anmerkungen z. Lehre von den Grenzen des Landesstrafrechts, Z. 32, 1911, S. 587ff. Siehe auch Hälschner, Binding, V. Bar (vgl. näher die folgende Darstellung). Dazu neuestens Finger in „Reichsgerichtspraxis“ (Festschrift für das RG.), 1929, Bd. V, S. 93ff.
Bei Zweifel oder Meinungsverschiedenheit hierüber entscheidet jetzt evtl. auf Anrufen der zuständigen Reichs- oder Landeszentralbehörde das Reichsgericht mit Gesetzeskraft. Vgl. Verf. Art. 13 Abs. 2 und Ges. v. 8. April 1920 (RGBl. S. 510). Hier ausnahmsweise ist also dem obersten Gericht gesetzesgleiche Entscheidung delegiert. Vgl. näher AnschÜtz: Verfassung.
Vgl. StrPO., EinfG. § 6; ZPO., Einf G. §§ 14–17; I3 GB., Einf G. Art. 55 ff.
Vgl. Motive z. Entw. I (Juli 1869) S. 198/99, S. 200. Siehe dazu Bd. I S. 341ff. über die hohe nationale Bedeutung der binnen kurzer Zeit erreichten Rechtseinheit. Schon bei Schaffung des Preuß. StrGB. hatte man nähere Aufzählung betr. Aufhebung bzw. Aufrechterhaltung von Spezialgesetzen ins Auge gefaßt, die Durchführung scheiterte aber; vgl. Goltd. Mat. I S. 5ff.
Vgl. dazu die eingehende Vorführung älteren, aufrechterhaltenen Reichsrechts bei Lobe: zum EinfG., S. 1176ff.
Vgl. dazu RG. E. 56 S. 180ff. betr. Recht und Pflicht des Richters, Landesrecht (auch Verfassungsvorschriften) auf seine (formelle und sachliche) Gültigkeit gegenüber dem Reichsrecht zu prüfen. (Ebenso Verordnungsrecht.)
Vgl. näher unten S. 50 Anm. 2 (Abs. 3 betr. konkursrechtliche Vorschriften ist durch die Reichskonkursordnung von 1877 gegenstandslos geworden).
Vgl. § 5: „In landesgesetzlichen Vorschriften über Materie, welche nicht Gegenstand des StrGB. (für das Deutsche Reich) sind, darf nur Gefängnis bis zu 2 Jahren, Haft, Geldstrafe, Einziehung einzelner Gegenstände und die Entziehung öffentlicher ämter angedroht werden.“
Diese Gleichstellung hat auch das RG. wiederholt betont. Vgl. schon E. 7, 201; E. 37, 439. E. 52, 274 (wie beim Reichsrecht, unter Hinweis auf Verf. Art. 2 „im Zusammenhalt“ mit EinfG. § 22). Betr. älteres und künftiges Landesrecht vgl. E. 2, 33; E. 42, 100; E. 45, 52. Vgl. auch z. B. Lobe zu § 2 Einf G. Nr. I 1.
Entw. I StrGB. (Juli 1869) EinfG. Art. II erklärte die Aufhebung der Landesstrafgesetzbücher. Im Gegensatz dazu bestimmte Art. III: „Dagegen bleiben in Kraft die besonder en Bundes- und Landesstrafgesetze, insoweit sie Gegenstände betreffen, rücksichtlich derer das -gegenwärtige StrGB. nichts bestimmt, namentlich“ usw. Entsprechend Art. IV: „Wo eine Landesgesetzgebung fortan über Gegenstände, rücksichtlich derer in dem gegenwärtigen StrGB. keine Bestimmungen enthalten sind, Strafvorschriften erläßt“ usw. Die Motive dazu (S. 198ff.) betonen, daß das neue StrGB. nicht das gesamte Strafrechtsgebiet erschöpfen, wohl aber das gemeine Strafrecht regeln wolle. Deshalb bleiben, wie schon bisher im Landesrecht, auch künftig „Partikulargesetze“ (Reichs- und Landesrecht, in ersterer Richtung z. B. Postgesetz von 1867) neben dem StrGB. erforderlich, wo letzteres „keine Bestimmungen treffen will“. Der Entw. II (31. Dez. 1869) bringt dann im EinfG. § 3 die heutige Fassung: „Materien, welche nicht Gegenstand des StrGB. sind.“ Vermutlich ist danach das Wort „Materie“ gewählt, um nicht zweimal „Gegenstand“ zu sagen. Sehr viel besser wäre dann „Gebiet“ gewesen. Eine Begründung besitzt Entw. II nicht, und im Entw. III (Reichstagsvorlage, 1870) fehlt eine Begründung zum Einführungsgesetz. Entlehnt ist das Wort „Materie“ offenbar aus dem Preußischen StrGB. von 1851 EinfG. Art. II, indirekt damit aus dem Code pénal Art. 484. Auf letzteren verweist v. Liszt S. 92 Anm. Auch der Ausdruck „besondere“ Strafgesetze stammt bereits aus dem Preuß. StrGB. Betr. „Materie“ vgl. auch RG. E. 10, 220: „Eine zusammengehörige Gruppe von Rechtsverhältnissen.“ Ebenso E. 42, 100.
Richtig hier z. B. v. Liszt S. 91: § 22 EinfG. drücke den Grundsatz der Verfassung (Reichsrecht bricht Landesrecht) mit wenig glücklichen Worten aus. Materie, d. h. „Gegenstand“ des StrGB. Ebenso v. Liszt-Schmidt: a. a. O. (Vgl. auch Seuffert: StG. I 86. M. E. Mayer: S. 62, Materie gleich Stoff). Als Beispiel für die oben abgelehnte Methode vgl. Lobe zu EinfG. § 2 Nr. II; ferner Liepmann: unten S. 55 Anm. 4, 5.
Gleichgültig, ob diese auf Gesetzes- oder auf gemeinem Gewohnheitsr echt beruhen. Denn in ihrer Geltung sind beide Rechtsquellen gleichwertig; vgl. oben S. 32, dazu S. 41. Ebenso Lobe: Nr. I 3. Vgl. auch z. B. RG. E. 39, 1, das den Begriff des fortgesetzten Delikts als reichsrechtlich feststehenden behandelt.
Vgl. dazu oben Anm. 1.
Wie schon bisher das Landesrecht.
„Beispielsweise“ Steuer- und Zollgesetze, Gesetze betr. Mißbrauch d. Presse, des Vereinsrechts, betr. Holzdiebstahl.
Deshalb bestimmt EinfG. Art. VI, heute EinfG. StrGB. § 8: „Der Landesgesetzgebung bleibt vorbehalten, Übergangsbestimmungen zu treffen, um die in Kraft bleibenden Landesstrafgesetze mit den Vorschriften des StrGB. in Übereinstimmung zu bringen.“
Vgl. oben S. 47. Demgemäß begrenzen der Entwurf (oben S. 48 Anm. 1) wie das StrGB. selbst (oben S. 47) bestehendes und künftiges Landesrecht mit den gleichen Worten. Es wäre auch sachlich geradezu sinnlos gewesen, künftiges Landesrecht in weiterem Umfang zuzulassen als schon bestehendes.
Vgl. dazu K. Meyer: Straf r. Ztg. I, 1914, S. 552 ff. Bayern: Gesetz v. 26. Dez. 1871 Art. 4 und Art. 4 d. AusfG. z. StrPO.; Württemberg: Gesetz v. 27. Dez. 1871 Art. 4. Vgl. auch unten S. 51 Anm. 3.
EinfG. § 3: „Wenn in Landesgesetzen auf strafrechtliche Vorschriften, welche durch das R Str GB. außer Kraft gesetzt sind, verwiesen wird, so treten die entsprechenden Vorschriften der letzteren an die Stelle der ersteren.“ Die Literatur betont mit Recht, daß solche Verweisung auch stillschweigend erfolgen könne und erwähnt als Hauptbeispiel den obigen Fall der Allgemeinen Lehren vom Verbrechen.
Als Darstellungen des neben dem Reichsrecht bestehenden Landesstrafrechts vgl.: Für Preußen: Groschuff, Eichhorn, Delius, 2. Aufl. 1904; Lindemann: Sammlung, 2. Aufl. 1912; Hellwig: Sammlung, 1923. Bayern: Schiedermair: Strafr. Nebengesetze, 1914. Württemberg: Beling: Württ. Strafgesetzgebung, 2. Aufl. v. Hegler, 1919. Sachsen: v. Feilitzsch: Sächs. Landesstrafrecht 1902. Baden: Glock (2. Aufl. v. Salzer) 1911; Hafner u. Kern 1925. Mecklenburg: Goesch u. V. DÜRING 1887. Ferner unten S.52 Anm. 3.
„In Kraft bleiben die besonderen Vorschriften des Reichs- und Landesstrafrechts, namentlich über strafbare Verletzungen der Preßpolizei-, Post-, Steuer-, Zoll-, Fischerei-, Jagd-, Forst- und Feldpolizeigesetze und über den Holz(Forst-)diebstahl.“ Erwähnt war ferner das Vereins- und Versammlungsrecht. Hier erfolgte reichsrechtliche Regelung durch das Vereinsgesetz v. 19. Apr. 1908 (Aufhebung des landesrechtlichen Vorbehalts in § 23). Betr. Preßpolizeirecht vgl. jetzt Reichspreßgesetz von 1874 §§ 5, 30. Dazu betr. Preuß. Preßgesetz von 1851 RG. E. 59, 160. Betr. Postgesetz v. 28. Okt. 1871 vgl. E. 51, 257. Ûber Steuerund Zollgesetze unten S. 55 Anm. 3.
Dieser Irrtum taucht stellenweise auch in der Literatur auf; vgl. z. B. v. Liszt: S. 93; V. Liszt-Schmidt: S. 119/20. Richtig z. B. Seuffert: StG. I S. 86: Das Reichsrecht gelte hier nur s u b — Sidiär. Ebenso Frank, Lobe, Olshausen usW. Beispiel: Feld- und Forstdiebstahl sind begrifflich Diebstahl an bestimmtem Ort und bestimmten Gegenständen. Dennoch gilt hier das Landesrecht. Soweit solches nicht erlassen würde, träte Bestrafung nach StrGB. § 242 ff. (bzw. 3705) ein. So auch RG. E. 45, 202. Vgl. dazu für Preu ßen: Forstdiebstahlsgesetz von 1878 (mit späteren änderungen, vgl. GS. 1924 S. 127); Feld- und Forstpolizeigesetz, früher 1880, jetzt 21. Jan. 1926 (GS. S. 83ff.); hier § 4: „Entwendungen sowie rechtswidrig und vorsätzlich begangene Beschädigungen (§ 303 StrGB.) und Begünstigung in Beziehung auf solche Entwendungen oder Beschädigungen unterliegen dén Bestimmungen dieses Gesetzes nur dann, wenn der Wert des Entwendeten oder der angerichtete Schaden 10 Reichsmark nicht übersteigt.“ Daß es sich hier um (ausnahmsweise zulässige) Eingriffe in reichsrechtlich geregelte Materien handelt, ist schlechterdings unbestreitbar. Über den Rechtszustand für ganz Deutschland vgl. die Göttinger Dissertationen: Lerche: D. Begriff d. Forstdiebstahls, 1922 (nicht gedruckt; kurze Darstellung des Verf. in Z. 46, 1925, S. 179ff.); Leuss: Der Felddiebstahl, 1924 (nicht gedruckt). Vgl. auch unten S. 55 Anm. 1. Andererseits kann das Forststrafrecht nicht in andere reichsrechtliche Vorschriften eingreifen, die nicht unter den Begriff des Forstdiebstahls fallen. Vgl. RG. E. 48, 182 (betr. StrGB. § 3608). Aneignung von Fallwild fällt unter StrGB. § 292, ist daher reichsrechtlich geregelt, vgl. E. 19, 49.
RG. E. 42, 100 bemerkt dazu treffend, daß im Zweifel abschließende Regelung anzunehmen sei, weil „Rechtseinheit auf dem Gebiete des Strafrechts ein Hauptzweck des Str GB. ist.“ So auch bereits E. 10, 223.
Aufgehoben ist z. B. das bis zum RStrGB. geltende Preuß. Gesetz v. 31. März 1837 über Widerstand gegen Forstbeamte usw. durch StrGB. § 117–119. Ferner aufgehoben landesrechtliche Bestrafung der studentischen Schlägermensur (nach RG. E. 1, 443, E. 8, 87, E. 60, 257, weil diese als Zweikampf mit tödlichen Waffen unter das RStrGB. fällt; nach richtiger Ansicht, weil der Zweikampf durch §§ 201ff. StrGB. abschließend reichsrechtlich geregelt, Zweikampf mit nicht tödlichen Waffen daher straflos ist). Ungültig ist ferner z. B. Landesrecht, das die uneidliche falsche Aussage vor Behörden unter Strafe stellt; vgl. näher RG. E. 42, 100ff. (weil StrGB. §§ 153ff. reichsrechtlich abschließend regeln). Ebenso Landesrecht, das das Streikpostenstehen straft; vgl. E. 34, 121. Desgleichen ungültig Bestrafung eigenmächtiger Selbsthilfe als solcher, vgl. E. 7, 63 (streitig). Für zulässig erklärte RG. z. B. Landesrecht betr. irreführende Reklame bei Ankündigung von Heilmitteln, vgl. E. 47, 119; ferner E. 33, 273, die landesrechtliche Bestrafung des Konkubinats (wilde Ehe) unter dem Gesichtspunkt der Erregung von ärgernis (streitig); ferner Verbote des Spielens in auswärtigen Lotterien, E. 36, 260; E. 39, 1 (streitig); dazu E. 37, 439. Weiter E. 47, 52: Entziehung eines Minderjährigen aus der Fürsorgeerziehung (weil nicht in die reichsrechtlich geregelte Materie des § 235 StrGB. eingreifend). E. 46, 85: Gewisse falsche Anzeigen (die nicht in die Materie des § 164 StrGB. eingreifen). E. 39, 148: geistliche Wahl beeinflussung. Weitere Beispiele betr. Seuchengesetzgebung und Fleischbeschau vgl. E. 47, 57; E. 48, 255; E. 48, 261; Geschäfte des Masseurs E.37, 175; ÜberversicherungnachPreuß.Recht, E.19, 13. Als reichsrechtlich geregelt erklärte RG. die Materie der Körperverletzung (E. 42, 317), des Widerstandes (E. 24, 313), des Betrugs (E. 19, 13); als nicht abschließend geregelt die Gruppen strafbarer Eigennutz (E. 10, 220, E. 37, 139) und Delikte wider die öffentliche Ordnung (E. 46, 85).
In den meisten Staaten erfolgte die Aufhebung durch Landesgesetz (in Preußen nicht). Vgl. für Bayern und Württemberg oben S. 49 Anm. 5; Sachsen EinfG. 15. April 1873 usw. Vgl. näher Seuffert: StG. I 92 (1894).
So für Preußen insbes. § 270 Preuß. StrGB. (betr. Abhalten vom Bieten bei öffentlichen Versteigerungen; dazu RStrGB. § 367 Nr. 16). Vgl. RG. E. 10, 220; E. 27, 106; E. 35, 393; E. 37, 139. Dazu Galli: Jur. Ztg. 12, 1907, S. 59; andrée: § 270 Preuß. StrGB. 1907 (Göttinger Dissert.); Wohlwill: Jur. Ztg. 17, 1912, S. 1443. Kritik: Es ist widerspruchsvoll, daß diese überall vorkommenden Dinge in Preußen strafbar sind, anderwärts evtl. nicht. — Ferner: Preuß. StrGB. § 345 Nr. 7 enthält das Verbot des Tragens verborgener Waffen, auf das RStrGB. § 367 Nr. 9 verweist; vgl. dazu RG. E. 36, 248; E. 42, 304.
Im einzelnen bedarf dies aber auch hier der Prüfung. So enthält z. B. StrGB. § 3705 (Mundraub) eine abschließende Regelung dieses Sonderfalls des Diebstahls. Vgl. auch RG. E. 10, 220 (der Gesamtabschnitt der Übertretungen nicht bindend geregelt; „nur im einzelnen als Materien anzusehen, welche den Gegenstand des StrGB. bilden“). In gleichem Sinne E. 36, 249 (eingehendes Urteil); vgl. ferner E. 48, 182 (§ 3608 StrGB. reichsrechtlich geregelt); E. 49, 115 (§§ 366 Nr. 2–10, 3616 nicht abschließend geregelt).
Vgl. insbes. das allgemeine Blankettgesetz des § 366 Nr. 10 StrGB.: „Wer die zur Erhaltung der Sicherheit, Bequemlichkeit, Reinlichkeit und Ruhe auf den öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder Wasserstraßen erlassenen Polizeiverordnungen übertritt“. Sieh3 ferner StrGB. § 3606, 365, 3661, 366a, 367 Nr. 2 bis 5a, 8, 9, 11, 13 bis 16; 368 Nr. 1 bis 3, 8; 369 Nr. 1, 3.
So Bayern, Württemberg, Baden, Hessen, Braunschweig; vgl. dazu näher Bd. I S. 349/50. Im einzelnen ist auch hier evtl. Prüfung nötig, ob reichsrechtliche Regelung vorliegt. So erklärte RG. E. 42, 100 die Bestrafung uneidlicher falscher Aussage nach Braunschweigischem PolStrGB. von 1899 für ungültig; vgl. oben S. 51 Anm. 2. Die in Preußen noch fortgeltenden Bestimmungen des Hannoverischen PolStrGB. von 1847 wurden durch Preuß. Gesetz v. 18. Okt. 1928 aufgehoben (vgl. GS. S. 197). Pr eu ß en litt insgesamt unter einer Flut von überaltertem Polizeiverordnungsrecht. Durch Verordg. d. Min. d. Innern (Jan. 1929) wurden sämtliche vor dem 1. Jan. 1890 erlassenen Polizeiverordnungen der Oberpräsidenten, Regierungspräsidenten, Kreis- und Ortspolizeibehörden (mit Ausnahme der Verordnungen der Strom-, Schiffahrts- und Hafenpolizei) mit Wirkung v. 1. Mai 1929 aufgehoben und darauf verwiesen, daß Polizeiverordnungen nur in unabweisbar notwendigen Fällen zu erlassen seien. Nach Zeitungsnotizen wurden auf diese Art ca 10000 Polizeiverordnungen beseitigt. Damit ist ein wichtiger Schritt in der Richtung des Abbaus überflüssigen Strafrechts geschehen, der aber der reichsund landesrechtlichen Fortsetzung bedarf. Vgl. dazu näher Bd. I S. 577.
Vgl. dazu oben S. 49 bei Anm. 6. Ebenso RG. wiederholt, z. B. E. 37, 139 und dort Zitierte; auch E. 52, 274.
Vgl. oben S. 50 Anm. 2.
Und zwar (mit Recht) gleichmäßig für älteres Reichsrecht wie für älteres und neues Landesrecht. Vgl. dazu eingehend E. 52, 274 (und dort zitierte frühere). Ergebnis: Im allgemeinen ist § 73 StrGB. maßgebend. „Grundgedanke“ im Zollund Steuerrecht aber ist Strafenhäufung, wie sie „vorbildlich in § 158 Vereinszollgesetz zum Ausdruck gelangt“. Dieser Gedanke, abgesehen von ausdrücklicher Vorschrift, sei insbes. anzuwenden bei Zusammentreffen von Hinterziehung und Ordnungsstrafen, bei mehrfacher Hinterziehung, insbes. Verkürzung verschiedener Abgaben, bei Bestrafung nach Mehrfachem des hinterzogenen Betrages; vgl. auch E. 52, 342. Mit Recht betont dabei E. 49, 403, daß eine Anwendung des § 73 StrGB. insoweit gegen dessen Sinn verstoßen würde.
Vgl. E. 2, 33; E. 30, 31; aber auch E. 31, 362. Die weitere Frage strafrechtlicher Haftung des Erben für Geldstrafen (E. 45, 52; E. 47, 10) gehört zum Strafensystem; vgl. unten S. 54 Anm. 4. Über Ausschluß von Betrug durch das Sondergesetz vgl. E. 51, 257 und dort zit.; E. 56, 16; E. 56, 65. Anders betr. Urkundenfälschung, vgl. E. 50, 167 (und dort zitierte).
Vgl. E. 45, 76.
Vgl. E. 39, 1.
In den obigen Fällen der Konkurrenz handelt es sich in Wahrheit überhaupt nicht um Gegensätze zum Reichsrecht, sondern um sinngemäße Auslegung des StrGB. § 73 (vgl. oben Anm. 2 am Schluß) und der Grundsätze über Gesetzeskonkurrenz. 7
E. 39, 1.
Von 1904, betr. Spielen in auswärtigen Lotterien.
Auch praktisch für verfehlt. Wie sollen Staatsanwaltschaft und Gericht hier bei fortgesetztem Delikt alle Einzelfälle feststellen? Vor diese Aufgabe stellt sie das Gesetz. Vgl. dazu auch unten S. 56 Anm. 4.
Kritik: Bei „erschöpfender“ Regelung ist selbstverständlich Landesrecht ausgeschlossen. Das Urteil betrifft Preuß. StrGB. § 270 (vgl. oben S. 51 Anm. 4). Vgl. auch RG. E. 18, 192 betr. Aufhebung der Bestimmungen des Preuß. StrGB. über Teilnahme.
Vgl. E. 37, 40: „Wie die Landesgesetzgebung den Kreis der Antragsberechtigten nicht einschränken kann (E. 29, 214), so kann sie ihn auch nicht ausdehnen.“
Vgl. z. B. E. 2, 33; E. 39, 1; E. 45, 52 (siehe aber dazu auch unten Anm. 4); vgl. auch E. 4, 50.
Vgl. oben betr. Strafantrag. Weiter insbes. E. 10, 220 (223): „Eine Regelung dieser Art“ (d. h. eine „erschöpfende“, vgl. das Vorausgehende) „ist im StrGB. nicht bloß insoweit erfolgt, als die einleitenden Bestimmungen und der erste von der Bestrafung im allgemeinen handelnde Teil in Frage stehen“ (sondern auch im bes. Teil). E. 19, 13: „Die Bestimmungen des besonderen Teils des StrGB. über Betrug werden durch diejenigen des allgemeinen Teils ergänzt.“ Danach grundsätzlich Straflosigkeit der Vorbereitung im Gegensatz zum Versuch. Folglich Landesrecht ungültig, das Vorbereitung zum Betrug straft. — Ferner E. 45, 52: Hier zunächst die unrichtige Behauptung, daß für die allgemeinen Lehren keine abschließende Regelung vorliege. Dann aber: „Ob Ausnahmen zu machen wären“ (Kritik: Das wäre viel mehr als bloße. „Ausnahmen“) „hinsichtlich solcher Bestimmungen des Allgemeinen Teils, die die Rechtsstellung des Einzelnen gegenüber der Strafgewalt des Staates schlechthin festlegen, also in diesem Sinne Rechte der Untertanen begründen wollen“ (Kritik: So Frank: unten S. 57 Anm.), „kann bei der gegebenen Sachlage unerörtert bleiben, weil derartiges hier nicht in Frage kommt“. (Es handelte sich um Erbenhaftung im Steuerrecht.) — Vgl. ferner über die grundsätzlich maßgebende Bedeutung des § 73 StrGB. (Entsprechendes muß für § 74 gelten) oben S. 53 Anm. 2. Über Verjährung vgl. näher unten § 40 Nr. X.
Vgl. oben S. 49.
Auf dem Gebiet des Forst- u. Felddiebstahls (oben S. 50 Anm. 3) hat sich dieser Entwicklungsgang in Preußen noch neuerdings fortgesetzt. Vgl. Preuß. Ges. v. 1. Juli 1923 (GS. S. 291): Hier Hinweis auf die Allgemeinen Lehren des Reichsrechts und Anpassung an das Jugendgerichtsgesetz. Vgl. im übrigen betr. Forstdiebstahl Lerche: Z. 46, 1925, S. 101 ff. Ferner die neue Fassung des Feld- u. Forstpolizeigesetzes, 21. Jan. 1926 (GS. S. 83ff.). Hier z. B. (§ 5) zwar allgemeine Strafbarkeit von Versuch und Beihilfe, aber Strafmilderung gemäß RStrGB.
Eingehende Übersicht vgl. bei Lobe: a. a. O., EinfG. § 2 V 6.
So insbes. im Zoll- und Steuerrecht, wo das Landesrecht wesentlich auf gleichem Standpunkt blieb wie das ältere aufrechterhaltene Reichsrecht. Weitere Einheitlichkeit brachte hier die Reichsabgabenordnung von 1919: vgl. § 355 (StrGB. maßgebend, soweit nichts Abweichendes vorgeschrieben); § 358 (Straffreiheit unverschuldeten Rechtsirrtums); §§ 360/61 (Versuch, Beihilfe, Begünstigung); §§ 368/69 (Hehlerei, Rückfall); §§ 383/84 (Konkurrenz, Verjährung).
So insbes. v. Liszt: S. 91 (Ausnahme StrGB. §§ 21, 9, weil verfassungsrechtlich); v. Liszt-Schmidt: S. 119/20 (Ausnahmen Auslegungsfrage, jetzt Jugendgerichtsgesetz); Allfeld: S. 67; Seuffert: StG. I, 1894, S. 86 (verbindlich aber, S. 92, StrGB. §§ 7, 9, 11, 12); Beling: Verbrechen S. 296ff. (aber mit Ausnahmen); Grundzüge, 1925, S. 111; Liepmann: Z. 32, 621; Lobe: a. a. O., EinfG. § 2 V. Wesentlich in diesem Sinne auch Olshausen zu § 2 Nr. 13; P. Merkel: Grundr. S. 30/31; Gerland: S. 59.
So insbes., daß die allgemeinen Lehren nur in Beziehung auf die einzelnen Delikte Bedeutung erlangen (v. Liszt, V. Liszt-Schmidt, Allfeld). Kritik: Das ist richtig, wenn es sich um Entscheidung des Einzelfalles handelt. Unrichtig dagegen, wenn die Dogmatik ein Gesamtwerk auf die Bedeutung seiner Grundlagen zu würdigen hat. Ebenso unrichtig vom Standpunkt des Gesetzgebers, um dessen Erfassung es sich hier handelt. — Beling gelangt zu seinen Ansichten auf Grund seiner eigenartigen „„Typentheorie“ (vgl. über diese unten § 8, III). — Lobe: a. a. O. II 3 verneint zunächst, daß die allgemeinen Lehren eine geregelte „Materie“ seien, erklärt dann aber die Frage ihrer verbindlichen Geltung als eine selbständig zu prüfende. Nach der Entstehungsgeschichte kommt er zu dem Ergebnis, daß sie. Jedenfalls nicht schlechthin zwingendes Recht schaffen“. Später (Nr. V 6) findet er die im Sinne der Verbindlichkeit aufgestellten Ansichten nicht befriedigend; daher bleibe nur die Auffassung der Unverbindlichkeit übrig (abgesehen von Einf G. StrGB. §§ 5/6). Nach Liepmann: Z. 32, 621 erledigt sich die Frage damit, daß die allgemeinen Vorschriften zwar „Materien des Strafrechts“, aber nicht „des Gesetzbuchs“ sind. Kritik: Bloße Wortauslegung als Ersatz sachlicher Prüfung.
Vgl. oben S. 50 Anm. 2; dazu die vorausgehende Darstellung.
Vgl. oben S. 47. Ebenso bei den einzelnen Deliktstatbeständen; vgl. oben S. 51 Nr. 2.
Genau dieselbe Auslegungsfrage erhebt sich gegenüber Sondervorschriften des Reichsrechts: ält er es Reichsrecht ist aufgehoben, soweit es den allgemeinen Grundsätzen des StrGB. widerspricht; aufrechterhalten, soweit es diese lediglich ergänzt. Neu es Reichsrecht würde bei Widerspruch das StrGB. insoweit abändern, andernfalls es ergänzen. Anders ausgedrückt: Soweit eine bestimmte Vorschrift als reichsrechtliche dem StrGB. widerspr echen würde, ist dieselbe Vorschrift als landesrechtliche ungültig.
Vgl. auch RG. oben S. 51 Anm. 1; über Strafantrag oben S. 54 Anm. 2; Verjährung unten § 40 Nr. X. Über Bestrafung von Körperschaf ten vgl. unten S. 124 Anm. 2. Weiter einigeBeispiele: Unzulässig wäre z. B. jede änderung der Begriffe Vorsatz und Fahrlässigkeit; zulässig dagegen, wenn ein einzelnes Delikt dolus directus fordert und den dolus eventualis straflos läßt; denn das kommt auch im Reichsrecht vor. Unzulässig wäre grundsätzliche Bestrafung der Vorbereitung, zulässig dagegen ihre Bestrafung bei einzelnen landesrechtlichen Delikten; denn solche findet sich auch im Reichsrecht. Unzulässig ist Ausschaltung der reichsrechtlichen Grundsätze üüber Konkurrenz und fortgesetztes Delikt durch die Vorschrift: quot crimina tot poenae (vgl. Preuß. Lotteriegesetz, oben S. 53). Soweit das Reichsrecht Handlungen für objektiv rechtmäßig erklärt, ist das Landesrecht daran gebunden. Möglich ist aber evtl. Verleihung von Befugnissen an Landesbeamte mit der Wirkung objektiver Rechtmäßigkeit. Zulässig ist Landesrecht betr. Rückfall (bei landesrechtlichen -Delikten); denn dies Gebiet ist reichsrechtlich nicht geregelt.
In diesem Sinne auch ein bedeutender Teil der Literatur: Unbedingte Unzulässigkeit von Landesrecht nehmen an Berner: S. 42 und Binding: Handb. I S. 306ff. Prüfung im einzelnen bei Heinze: H. H. II S. 17ff. Wesentlich im Sinne des obigen Textes insbes. Hälschner: Gem. Strafr. I S. 111: Landesrecht nur zulässig, soweit „das StrGB. selbst“ dies gestattet (so z. B. Straflosigkeit des Versuchs bei Vergehen; nähere Bestimmung seiner Strafbarkeit innerhalb der reichsrechtlichen Schranken; ebenso letzteres bei Konkurrenz; Vorschriften über Ruckfall). A. Merkel: Lelhrb. S. 6/7. Maßgebend die Auslegung der Grundsätze des Reichsrechts; zulässig insbes. engere Begrenzung der Strafbarkeit. V. Bar; G. u. S. I S. 49ff. Gerade der Allgemeine Teil „enthält die Grundanschauungen der Gesetzgebung über das Strafrecht“. Dazu kommt, „daß man den meisten Bestimmungen des Allgemeinen Teils geradezu Gewalt antun muß, um sie nicht als kategorische zu verstehen“. Ausnahmen seien nur zulässig im Sinne der Straflosigkeit bzw. Strafmilderung (da das Landesrecht überhaupt nicht zu strafen braucht). Vgl. auch Finger I S. 154. Frank zu § 22 EinfG. V erklärt älter es Landesrecht als allgemein fortbestehend (infolge einer m. E. unzutreffenden Auslegung des EinfG. § 8; vgl. dagegen oben S. 49 Anm. 3, S. 56/57). Für künftiges Landesrecht entscheidet er dahin: Die meisten Vorschriften des Allgemeinen Teils „wollen die Strafgewalt des Staates dem Individuum gegenüber beschränken, also Rechte der Unter — tanen in dem Sinne begründen, in dem man von ‚Grundrechten‘ spricht“. Hier sei das Landesrecht gebunden, könne diese Sicherung zwar festigen, aber nicht einschränken. Freiheit dagegen bestehe betr. Versuch und Teilnahme, weil das Landesrecht die einzelnen Tatbestände so fassen könne, daß sie jene der Täterschaft gleichstellen. Kritik: Das wäre, sobald es grundsätzlich geschähe, eine einfache Umgehung des Reichsrechts, daher ungültig. Möglich könnte z. B. die Aufstellung einzelner „Unternehmens“tatbestände sein, da solche auch reichsrechtlich vorkommen. Vgl. ferner Van Calker: Grundr., S. 15 (grundsätzlich wie Frank); M. E. Mayer: S. 65/66 (wie Binding, aber mit Ausnahme „reiner Gestaltungsmittel“; solche seien die § 1, 43–50. Kritik: Nicht überzeugend); Köhler: S. 149 (maßgebend, ob die betr. Bestimmungen „die offensichtliche Tendenz aufweisen, allgemeingültige Grenzen aufzustellen“. In dieser Hinsicht macht Köhler Zu weitgehende Ausnahmen); Wachenfeld (S. 49/50, mit näherem Eingehen).
Also Annahme der oben S. 46 als wünschenswert gekennzeichneten Methode gesetzlicher Entscheidung.
Nicht berührt werden dadurch die selbständigen Rechtsgebiete der Dis — ziplinar- und der sog. Exekutivstrafe (Erfüllungszwang). So auch die durchaus herrschende Ansicht. Vgl. dazu Bd. I S. 34/35.
So an die Stelle der Preußischen polizeilichen Gefängnisstrafe für Übertretungen die Haft des Reichsrechts. Vgl. RG. E. 13, 95; E. 59, 160. Geldstrafe darf nur in Reichswährung erkannt werden; vgl. E. 54, 46. — Beseitigt sind durch obige Vorschrift die letzten Reste der Prügelstrafe in Deutschland (meist schon 1848 aufgehoben, so Preußen). Ebenso Widerruf, Abbitte und Ehrenerklärung als Strafen (meist schon im Partikularrecht des 19. Jahrhunderts beseitigt, vorhanden noch in Hannover und Kurhessen; vgl. Hellfritz: Widerruf, Abbitte, Ehrenerklärung, Greifsw. Diss., 1905).
Vgl. auch V. Liszt, V. Liszt-Schmidt, V. Bar, Frank: a. a. O. Dagegen Lobe zu § 6 Nr. 2; Einzeluntersuchung gibt Olshausen, vgl. § 6 Nr. 5. Für Geld — straf en vgl. jetzt Geldstrafengesetz v. 27. April 1923 Art. V22: „Hinsichtl. der landesrechtlichen Geldstrafen, Ermächtigungen und Bußen kann durch das Landesrecht Abweichendes bestimmt werden.“
So auch Allfeld: 69; Frank zu § 6 EinfG. Nr. 1; Lobe: Nr. 3; Olshausen: Nr. 3.
Vgl. RG. E. 15, 305 (Schließung eines Vereins); E. 28, 45 (Verbot des Weitererscheinens einer Zeitung).
In der Literatur teilweise bestritten; dagegen z. B. früher v. Liszt: Z. 9 S. 766; Olshausen zu § 6 Abs. 2; keine Stellungnahme bei Frank. Dafür z. B. Binding: Handb. I S. 304. — Zur Begründung folgendes: Die früher im Landesrecht vorhandene Gefängnisstrafe bis zu 6 Wochen ist durch die Haft ersetzt (vgl. oben S. 57 Anm. 3). Auch ganz abgesehen davon ist die Analogie hier die einzig verständige Art der Auslegung, das argumentum a contrario sinnlos. Denn Arbeit im Freien statt Einsperrung ist Strafmilderung, muß daher erst recht bei der leichtesten Freiheitsstrafe Platz greifen (vgl. dazu oben S. 39). Kriminalpolitisch ist die obige Vorschrift lehrreich, weil sie der letzte Rest der sog. Zwangsarbeit ohne Einsperrung war, die dann in der kriminalpolitischen Reformbewegung eingehend erörtert wurde. Vgl. Bd. I S. 554. Das Ergebnis ist heute die Zulassung freier Arbeit als Ersatz uneinbringlicher Geldstrafe; vgl. jetzt StrGB. § 28 b.
Herrschende Ansicht, insbes. auch in der Praxis; vgl. z. B. Preuß. Forstdiebstahlsgesetz von 1878 § 14. Dagegen z. B. v. Liszt: S. 93. Auch hier ist die weitere Auslegung allein sinnvoll. Andernfalls wäre Erlassung neuen Landesrechts in dem betr. Staate insoweit vereitelt und ferner dem einen Lande gestattet. was dem anderen verboten ist. Der Wortlaut zwingt nicht zu so verfehlter Auffassung. Angedroht oder nachzulassen „ist“ auch die Strafe in neueren Gesetzen. Auch hier ist ferner mit Analogie zu arbeiten, das argumentum a contrario verfehlt. Denn es handelt sich um Strafmilderung, zugleich um eine zu fördernde Maßnahme, die in der Richtung der modernen Kriminalpolitik liegt.
So die Motive z. Entw. 1, EinfG. S. 199. M. E. wäre heute eine wesentlich geringere Höchstgrenze für das Landesrecht anzusetzen.
Vgl. oben S. 49 Anm. 6.
Vgl. RG. E. 9, 139. — Beispiel vgl. E. 1, 287: Preuß. VO. von 1867 verwies hinsichtl. der Strafe auf Preuß. StrGB. § 268. An die Stelle ist damit RStrGB. § 286 getreten, obgleich diese Strafdrohung härter ist.
Für Bayern galt statt Verf. Art. 68 das Landesgesetz v. 5. Nov. 1912.
Weitere Literatur darüber z. B. bei v. Liszt/Schmidt: S. 139. Als zusammenfassende Darstellungen nenne ich die Göttinger Dissertationen: W. Rieger: Der Belagerungszustand (1916) und F. Wyneken: Z. Reform d. deutschen Kriegszustandsrechts (1917).
Vgl. RG. E. 55, 117/19: Hier näher begründete Zurückweisung vereinzelter abweichender Ansichten. Ferner eingehend E. 56, 188/90: Ergebnis: „Die Regelung (des Art. 48) ist ihrem Inhalt nach erschöpfend und läßt für eine auf dieselbe Materie bezügliche landesgesetzliche Regelung keinen Raum mehr.“ So auch v. Liszt/Schmidt a. a. O.; AnschÜtz: Verf. zu Art. 48 Nr. II, 6.
Abs. 1 betr. das Exekutionsrecht gegen Länder und das Einschreiten mit bewaffneter Macht in Abs. 2 bleiben hier außer Betracht.
Persönliche Freiheit, Hausfrieden, Brief-, Post- und Telegraphengeheimnis, freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinsfreiheit, Unverletzlichkeit des Eigentums.
Vgl. dazu die Verhandlungen des Juristentages, 1925, Bd. 33, S. 68ff. Siehe auch Göttinger (nicht gedruckte) Dissertation K. Schäfer: D. Ausnahmezustand de lege lata und de lege ferenda, 1922.
So die zweifellose Praxis in wiederholten Verordnungen der Reichspräsidenten Ebert und V. Hindenburg. Ebenso in feststehender Rechtsprechung das Reichsgericht (vgl. E. 55, 115ff.; E. 56, 161ff.; E. 56, 188/90; E. 59, 185ff.) wie die herrschende Ansicht in der Lit eratur. Abwegig war die zunächst an einzelnen Stellen auftretende Ansicht, daß Art. 48 erst mit Erlassung des vorgesehenen Reichsgesetzes in Kraft trete. Vgl. dazu näher das RG.
Wiederholt unter Präsident Ebert geschehen: Vgl. VO. v. 19. März 1920 § 1 (RGBl. S. 467); 25. März 1920 § 1 (RGBl. S. 470); zweite VO. z. Schutze d. Republik v. 29. Juni 1922 Art. I (RGBl. S. 532). Im Ergebnis anerkannt auch vom RG. Vgl. E. 55, 115: Bis zur Erlassung des Reichsgesetzes „ist die Befugnis des Reichspräsidenten eine unbeschränkte.“ Er hat das Recht, „nach seinem freien Ermessen Gebote und Verbote zu erlassen und auch den Strafrahmen für Zuwiderhandlungen... beliebig festzusetzen“. E. 56, 189: „Ein nur durch den Inhalt der Ermächtigung beschränktes und durch das vorbehaltene Reichsgesetz beschränkbares, im übrigen aber völlig unbeschränktes und unbeschränkbares Recht zur Erlassung aller ihm notwendig erscheinenden Maßnahmen...“ -Nahezu unbeschränkte„diktatorische‘ Gewalt.“ Vgl. auch E. 59, 187: „reichsver fassungsmäßige Diktaturgewalt“.
Vgl. E. 56, 163ff. (Art. 105 d. Verf. steht nicht im Wege); E. 56, 189. Beispiel: VO. d. Präsidenten Ebert üb. d. Bildung außerordentlicher Gerichte v. 29. März 1921 (RGBl. S. 371), vgl. mein Referat Z. 42 S. 498.
Also insbes. an den Grundsatz (Art. 116): nullum crimen, nulla poena sine lege. Vgl. näher oben S. 34 ff. Bindung an die Bestimmungen der Verfassung betont auch E 56, 163.
Danach nicht zur Androhung der Todesstrafe.
Vgl. dazu E. 56, 162/63: Es genügt die Gegenzeichnung eines von mehreren zuständigen Ministern.
Vgl. näher E. 55, 115ff.; E. 59, 195. Es genügt jede Bekanntmachung, „die der Allgemeinheit eine wirkliche Kenntnis ermöglicht“.
Vgl. näher E. 56, 165; E. 59, 189.
Vgl. E. 59, 88.
Praktisch ist dies mangels Einzelkenntnis der tatsächlichen Unterlagen nur in beschränktem Maße möglich. Zu verneinen ist die Rechtsgültigkeit daher nur „bei offensichtlicher Verkennung der rechtlichen Erfordernisse“ des Art. 48 oder bei „rein willkürlichem Mißbrauch der Ermächtigung zur Verfolgung ihr völlig fremder Zwecke“. So E. 59, 188.
So E. 59, 189. Deshalb auch die Möglichkeit, ändernd in Reichsrecht, einschließlich der erwähnten Artikel der Verfassung einzugreifen. Greift der Reichspräsident selbst mit Maßnahmen ein, so treten daher die landesrechtlich erfolgten nicht ohne weiteres außer Kraft, sondern nur, soweit dies der Willenskundgebung des Reichspräsidenten entspricht.
§ 155: Alle beim kriegführenden Heere sich aufhaltenden Personen unterliegen dem MilStrGB. (Einzelheit § 156); entsprechend ausländische Offiziere mit Gefolge (§ 157) und Kriegsgefangene (§ 158); Bestrafung der letzteren bei Bruch des Ehrenworts usw. gemäß § 159; über Bestrafung von Delikten auf dem Kriegsschauplatz bzw. im besetzten Gebiet §§ 160/61.
Vgl. dazu die Haager Landkriegsordnung von 1907 Art. 43: „Nachdem die gesetzmäßige Gewalt tatsächlich in die Hände des Besetzenden übergegangen ist, hat dieser alle von ihm abhängenden Vorkehrungen zu treffen, um nach Möglichkeit die öffentliche Ordnung und das öffentliche Leben wiederherzustellen und aufrecht zu erhalten, und zwar, soweit kein zwingendes Hindernis besteht, unter Beachtung der Landesgesetze“. Dazu näher meine Arbeit: Strafverfolgungen deutscher Fabrikanten im besetzten Gebiet, in Niemeyer: Z. f. intern. Recht 27, 1919, S. 186ff., 200ff.
2b Vgl. dazu Goldschmidt: Z. 37, 1916, S. 52ff.; Kiesow: Jur. Ztg. 21, 1916, S. 486 (betr. das östliche Etappengebiet); Bendix: Z. 38, 1917, S. 51 ff. (Einführung neuen Strafrechts in Litauen); -Über Polen: Strafr. Ztg. 4, 1917, S. 363; Mende: GerS. 86, 1918, S. 207ff. (besetztes Gebiet, insbes. Belgien).
Vgl. näher Bd. I S. 345. An Literatur betr. zeitliche Geltung hebe ich hervor: Seeger: Abhandlungen II, 1, 1862; Binding: Handb. 1 S. 225ff.; v. BAR: G. u. S. I S. 59ff. (hier auch Geschichte); Träger: V. D. Allg. T. VI, 1908, S. 317 ff. (Rechtsvergleichung u. Kritik); derselbe: GerS. 77, 1911, S. 100ff.; Z. 42, 1921, S. 721ff. (Entwürfe); Silberschmidt: Z. 22, 1901, S. 58ff. (Einzelfragen); Kohlrausch: Z. 23, 1903, S. 41ff. (Einfluß außerstrafrechtlicher änderungen); Käckell: Strafr. Abh. Heft 187, 1915 (ebenso); Goldschmidt: Jur. Ztg. 17, 1912, S. 1316 (Antragsdelikte); Eberh. Schmidt: Z. 37, 1916, S. 97ff. (Kriegsnotgesetze); Hagemann: Goltd. Arch. 62, 1916, S. 305ff. (ebenso); Bendin: Z. 39, 1918, S. 406ff. (Gesetzesänderung); Mezger: Z. 42, 1921, S. 348ff. (grundsätzlich zu § 2“).
Früher Art. 2. Ebenso für preußische Gesetze, früher gemäß Gesetz v. 16. Febr. 1874 (GS. S. 23), jetzt nach Preuß. Verf. von 1920 Art. 61.
Längere Fristen für Konsulargerichtsbezirke; vgl. RG. v. 10. Juli 1879 (RGBl. S. 197) § 47 und 7. April 1900 (RGBl. S. 213) § 30. Entsprechend Schutz — gebietsgesetz v. 25. Juli 1900 (RGBl. S. 509) § 3.
Um schädliche Zuwiderhandlungen und Durchsteckereien in der Zeit zwischen Verkündung und Inkrafttreten, namentlich auf wirtschaftlichem Gebiet (z. B. verbotene Ausfuhr), zu verhüten. Ferner zur sofortigen Bekämpfung schwerer, augenblicklicher Gefahr. Vgl. als Beispiel E. 57, 49 (Verordnung des Reichspräsidenten v. 1. Febr. 1922 gegen den drohenden Eisenbahnerstreik). Siehe ferner E. 57, 407 (Republikschutzverordnung v. 27. Juni 1922).
Feststehende Rechtsprechung des RG. Vgl. E. 57, 49. (Es bedarf dann nach RG. evtl. der Prüfung, ob eine am Tage der Verkündung begangene Tat vor oder nach der Verkündung erfolgte; für letztere erklärt RG. als entscheidend den Beginn der Übergabe der betr. Nummer des Reichsgesetzblatts an das mit der weiteren Verbreitung befaßte Postzeitungsamt in Berlin.) Ebenso E. 57, 405.
War in solchen Fällen die Handlung nicht bereits aus sonstigen Gründen rechtswidrig, so liegt schuldloser Rechtsirrtum vor. Man wird aber annehmen müssen, daß der Gesetzgeber hier bewußtermaßen trotzdem strafen will. So auch E. 57, 405. (Unrichtig die weitere Behauptung des Urteils, daß dies nicht im Widerspruch mit den allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen stehe.) Vgl. dazn über das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit unten § 25.
Vgl. dazu oben S.34ff. Ein solcher Verstoß war der Gesetzentw. z. Errichtung eines Staatsgerichtshofs v. 1919; vgl. zur Kritik Triepel:Jur. Ztg. 24 S. 366ff.
Vgl. auch RG. E. 57, 50.
Erlassen 21. Okt. 1878; dann wiederholte Verlängerungen 31. März 1881; 30. Sept. 1884; 30. Sept. 1886 bis 30. Sept. 1890.
Vom 21. Juli 1922 (RGBl. S. 585), auf 5 Jahre (§ 27); Verlängerung durcr Ges. v. 2. Juni 1927 (RGBl. S. 125) um 2 Jahre. Jetzt neues Gesetz, vgl. oben S. 13 Anm. 1, 2. Über den Entw. vgl. Lorenz: Jur. Ztg. 22 S. 1501; Beratung in der Reichstagskommission oben S. 8 Anm. 4.
Wie Seuchenbekämpfung usw.
Vgl. näher oben S. 47. Über änderungen des StrGB. durch neuere Gesetze vgl. Bd. I S. 346ff. Beispiel: Ersatz der §§ 281–283 StrGB. durch die Bankrottdelikte der Konkursordnung §i 239ff.
Beispiel: StrGB. §§ 80, 81 Nr. 1 usw. haben ihre praktische Bedeutung durch die Staatsform der Republik verloren.
Jenem geschähe lediglich sein Recht, wenn er stets nach dem Gesetz der Begehungszeit abgeurteilt würde. Denn dieses galt zur Zeit seiner Tat.
Und zwar evtl. lange Jahre; vgl. die Verjährungsfristen für schwerere Delikte (dazu die Möglichkeit der Unterbrechung der Verjährung). — Es muß als Mangel der Motive zum StrGB. bezeichnet werden, daß sie keine klare Begründung für diese rückwirkendeKraft des milderen Gesetzes geben. Vgl. unten S.67Anm.4. In der Grundlage völlig zutreffend hier die ständige Rechtsprechung des R G. Vgl. z. B. E. 57, 209: „Innerer Grund“ der Vorschrift des § 22 „die Annahme des Gesetzgebers, daß die Tatbestands- und Strafbestimmungen des neueren Gesetzes aus einer geläuterten Anschauung über die Rechtswidrigkeit und Strafwürdigkeit einer bestimmten Handlung hervorgegangen und darum nach den Zwecken der staatlichen Rechtspflege und den Anforderungen wahrer Gerechtigkeit auf alle, auch die schon vor ihrem Inkrafttreten liegenden Handlungen anzuwenden seien“. E. 61, 134/35: Maßgebend, daß die Strafbarkeit „infolge einer veränderten Rechtsanschauung tatbestandlich oder hinsichtlich der Strafdrohung gemildert oder ganz aufgehoben wird“. Siehe auch schon E. 21, 294 (Sozialistengesetz; hier richtiger Ausgangspunkt, aber unrichtige Folgerung, vgl. unten S. 65 Anm. 3); ferner E. 56, 415; E. 56, 425 usw.
Beispiele: StrGB. § 95 bedrohte die Majestätsbeleidigung mit Gefängnis bzw. Festungshaft von 2 Monaten bis 5 Jahre. Das Ges. v. 17. Febr. 1908 forderte einschränkend Handeln „in der Absicht der Ehrverletzung, böswillig und mit Überlegung“. Aburteilung früherer Fälle nach älterem Recht noch 5 Jahre lang (vgl. StrGB. § 67) hätte lediglich gröblich verletzend gewirkt und das Ansehen des Monarchen geschädigt. — Man denke weiter z. B. an Aburteilung älterer Fälle von Notdiebstahl (Novelle v. 1912, StrGB. § 248a) als gewöhnlicher oder gar schwerer Diebstahl — ebenfalls noch 5 bzw. 10 Jahre lang.
Schon nach dem Wortlaut des § 2 StrGB., wenn man das bestreiten wollte, nach Analogie; denn das argumentum e contrario wäre hier direkt sinnlos. Vgl. auch RG. E. 61, 134/35, oben S. 64 Anm. 4. Wesentlich übereinstimmend auch die herrschende Ansicht in der Literatur.
Das wird verkannt in E. 21, 294. Das RG. erklärt hier leider spätere Aburteilung auf Grund des Sozialistengesetzes für zulässig, indem es dieses als Gesetz zur Bekämpfung vorübergehender Gefahren behandelt (vgl. dazu die folgende Nummer des Textes). In Wirklichkeit bestand die sozialistische Gefahr unverändert fort, der Gesetzgeber aber gab ihre strafrechtliche Bekämpfung auf, änderte also seine strafrechtliche Rechtsanschauung. Durchaus gleichgültig ist es dafür, ob das Gesetz von vornherein befristet war, entscheidend lediglich, aus welchem Grunde es außer Kraft trat. Gegen das RG. betr. Sozialistengesetz z. B. auch v. Liszt: a. a. O. S. 89; Frank: § 2 V b. Gegenüber dem Republikschutzgesetz ist die Praxis der Gerichte bisher eine verschiedene. Zutreffend RG. E. 57, 209, daß das Republikschutzgesetz allerdings ein sog. „Zeitgesetz“ (auf Zeit erlassenes) sei, dennoch gegenüber der vorausgehenden Verordnung zum Schutze der Republik als das mildere anzuwenden sei, da es auf verbesserter Rechtsanschauung des Gesetzgebers beruhe. Dementsprechend ist heute natürlich die Ablehnung der Verlängerung dieses Gesetzes die maßgebende, veränderte Rechtsauffassung des Gesetzgebers. Im Ergebnis für Straffreiheit auch Frank: § 2 V am Schluß; Best: Jur. Ztg. 20 S. 1411, 1611 (gegen das folgende RG.). Verfehlt neuestens das Reichsgericht E. 63, 244 mit der Behauptung der Anwendbarkeit des Republikschutzgesetzes auf früher begangene Handlungen. Die Begründung ist in doppelter Hinsicht unrichtig: 1. Der unsichere Begriff des Zeitgesetz es wird falsch verwertet (vgl. unten S. 66 Anm. 4). 2. Weil Regierung und Reichstagsmehrheit für die Verlängerung waren, wird behauptet, daß sich die „Rechtsanschauung des Gesetzgebers“ nicht „geläutert“ habe. Kritik: Geändert — und nur das ist wesentlich — hat sich allerdings die Anschauung des Gesetzgebers. Denn dies ist der Reichstag (nicht die Regierung). Und hier wurde die Verlängerung abgelehnt; ob eine Mehrheit dafür war, ist demgegenüber nach der Verfassung rechtlich gleichgültig. Der Standpunkt des RG. ist auch für spätere Zeit sehr unglücklich. Wie denkt man sich solche Bestrafungen bei den langen Verjährungsfristen für schwere Verbrechen nach 10, 15, 20 Jahren ? Man fordert damit geradezu die unerfreuliche Notwendigkeit einer Amnestie heraus.
So das RG. beim Sozialisten- und Republikschutzgesetz; vgl. oben.
Bis zum Ablauf der Verjährungsfristen.
Übereinstimmend auch die Literatur, mit gewissen Abweichungen im einzelnen; vgl. darüber z. B. v. Liszt-Schmidt: S. 116/17.
Das betont auch RG. E. 21, 295, wendet es aber unrichtig auf das Sozialistengesetz an. Im übrigen vertritt das RG. in ständiger Rechtsprechung den obigen Standpunkt. Vgl. insbes. E. 56, 415; E. 56, 425 (Verordnungen des Reichspräsidenten gemäß Art. 48 Verf. sind als auf vorübergehende Ausnahmeverhältnisse berechnet auf später anzuwenden); E. 57, 209; E. 61, 134/35; und dort zit. frühere Urteile. Zur Kennzeichnung derart vorübergehender Gesetze spricht das RG. von „Zeitgesetzen“. Dies Wort aber ist doppeldeutig. Nicht darauf kommt es an, ob das Gesetz für eine festbestimmte Zeit erlassen wurde, sondern allein, ob es nur der Bekämpfung vorübergehender Gefahren diente, ob es also wegen veränderter tatsächlicher Verhältnisse oder wegen veränderter Rechtsanschauung des Gesetzgebers außer Kraft trat. Zu diesem Endergebnis gelangt auch E. 57, 209, nachdem es sich (vgl. näher das Urteil) mit dem Wort „Zeitgesetze“ selbst unnötige Schwierigkeiten geschaffen hat.
Das wird teilweise nicht genügend erkannt. Daher das Suchen nach verbesserter Abgrenzung. Vgl. insbes. Mezger, V. Liszt-Schmidt: a. a. O. Ich kann in diesen Bestrebungen in der Hauptsache keinen Fortschritt finden.
Abgesehen von dem hier nicht interessierenden Falle des desuetudo; vgl. oben S. 64 Nr. 4.
Vgl. die Fälle oben S. 63/64 Nr. 1–3.
Vgl. Reichstagsvorlage S. 31: „Der Gesetzentwurf wendet... dem Straffälligen die Wohltat auch des mildesten Zwischengesetzes zu“ (worüber wissenschaftlich Meinungsverschiedenheit bestehe).
Vgl. z. B. v. Liszt: S. 89; v. Liszt/Schmidt: S. 116; Frank: § 2 Nr. IV; Lobe: § 2 Nr. 2.
Es ist sprachlich durchaus üblich, bei Vergleich von nur zwei Maßregeln die eine als die „schwerste“ oder „mildeste“ zu bezeichnen. Vgl. z. B. RG. E. 61, 135: „Die Entscheidung der Frage, ob das ältere oder das neuere Gesetz das mildeste Gesetz ist“ usw.
Die durchaus sinnlos wären; vgl. oben S. 64 Anm. 3. Dagegen läßt sich auch nicht etwa einwenden, daß der Täter bei Aburteilung während der Geltung des sog. „Zwischengesetzes“ besser weggekommen wäre. Denn damals war dies kein Zwischengesetz. Die mildere Bestrafung wäre daher nicht als Verbrecherprämie, sondern im öffentlichen Interesse erfolgt.
V. Liszt erwähnt als Beispiel für die Anwendbarkeit der Zwischengesetze die vorübergehende Abschaffung der Todesstrafe vor 1870 in einigen deutschen Staaten. M. E. ein Musterbeispiel für das Unbefriedigende obiger Ansicht. Welchen Sinn soll es haben, einen Mörder von der Todesstrafe zu befreien, die zur Zeit der Tat und der Aburteilung galt ? Es erinnert lebhaft an die mittelalterliche Berücksichtigung von Zufälligkeiten; vgl. Bd. I S. 133 Anm. 3, S. 141.
Beispiel: Strafbarkeit bzw. Straflosigkeit des Versuchs, Verjährung usw.
So auch die Literatur wie in „ständiger Rechtsprechung“ das RG. Vgl. insbes. grundsätzlich E. 57, 121; E. 61, 76; E. 61, 134/35 und dort Zitierte. Im einzelnen hat das RG. diesen Standpunkt für zahlreiche Fälle näher durchgeführt; vgl. die Generalregister des RG. zu § 2 Abs. 2 StrGB. und die Kommentare. Erklärt das neuere Gesetz ein Delikt zum Antragsdelikt (Novelle von 1912 § 248 a usw.), so ist Strafantrag auch für frühere Taten erforderlich. So E. 46, 269 (mit eingehender Begründung). Ebenso überwiegend die Literatur. Vgl. z. B. v. Liszt: S. 90; Goldschmidt: Jur. Ztg. 17 S. 1316. Über fortgesetztes Delikt vgl. unten § 39, II.
Vgl. E. 61, 134/35 („ständige Rechtsprechung“): Hat der Tatrichter danach richtig entschieden, so ist die Revision zu verwerfen. Bei Zurückverweisung in die Vorinstanz aus sonstigen Gründen hat der Tatrichter eine inzwischen eingetretene Gesetzesänderung zu berücksichtigen. Ergibt sich danach zweifellos Freisprechung, so kann bereits das Revisionsgericht nach StrPO. § 354 auf diese erkennen. Siehe auch z. B. E. 46, 337.
Dazu näher über die Entwürfe 1913, 1919, 1925 meine Arbeiten: Z. 42 5.405; Z.47 S. 22.
Auch wenn der Gesetzgeber etwas Unrichtiges beabsichtigt hat. So Denkschrift 1919 S. 16 (für Anwendbarkeit von Zwischengesetzen).
Daß ausdrückliche gesetzliche Entscheidung wünschenswert gewesen wäre, ergeben insbes. die Erfahrungen mit der Rechtsprechung des RG. beim Sozialistenund beim Republikschutzgesetz; vgl. oben S. 65 Anm. 3.
Schon die Italiener hatten Anlaß zur Beschäftigung mit diesen Fragen; vgl. Bd. I S. 95. Dazu Neumeyer: D. geschichtl. Entwicklung d. intern. Strafrechts bis auf Bartolus: I 1901, II 1916. Vgl. ferner Meili (unten). Für die Gegenwart vgl. v. Rohland: D. intern. Strafrecht I, 1877; v. Liszt: Gutachten f. d. 16. Juristentag, 1882, abgedruckt Z. 2 S. 50ff., Abh. I 90ff.; dazu v. Liszt, V. Lisztschmidt: Lehrb. § 23; Binding: Handb. I, 1885, S. 370 ff.; v. Martitz: Internationale Rechtshilfe, Bd. I, 1888, S. 36–134.; v. Bar: Lehrb. d. intern. Privatu. Strafrechts, 1892; G. u. S. I 1906, S. 99 ff.; Heinze: Universelle und partikuläre Strafrechtspflege, 1896 (dazu mein Referat Z. 19, S. 282); Beling: Z. 17, 1897, S. 303ff. (Schweizer Entwurf); Congrès pénitentiaire international, Brüssel, 1900 (Referat Herm. Schmidt: Z. 23 S. 155 ff.); Neumeyer: D. verbotene Handlung im intern. Strafr., Z. 23, 1903, S. 436ff.; ferner Z. 27, 1907, S. lff.; Hegler: Prinzipien d. intern. Strafrechts, Strafr. Abh. H. 67, 1906; ferner jetzt Anlage I zum Strafgesetzentwurf v. 1927 (Reichstagsvorlage) S. 5–31; Meili: D. hauptsächlichsten Entwicklungsperioden d. intern. Strafrechts seit der mittelalterlich italienischen Doktrin, Zürich 1908; Lehrbuch d. intern. Strafrechts u. Strafprozeßrechts, daselbst 1910; Mendelssohn-Bartholdy: V. D. Allg. T. VI, 1908, S. 85ff. (Rechtsvergleichung u. Kritik); Grundsätze d. intern. Strafrechts, in Festgabe f. Kohler, 1919 (in Goltd. Arch. 67 S. 65ff.); ferner über die Entwürfe Strafr. Ztg. 1, 1914, S. 89ff.; 8, 1921, S. 258ff.; Reform 1926 S. 40ff.; Kitzinger: V. D. Allg. T. I, 1908, S. 179 ff.; Kleinfeller: D. intern. Strafr. (Entwürfe) in Niemeyer: Z. f. intern. Recht 20, 1910, S. 109ff.; Heimberger (betr. Vorentwurf) in Festgabe f. KrÜger: 1911, S. 243ff.; KöNIG: Grundzüge d. intern. Strafr., 1915 (Referat Z. 38 S. 686); Kohler: Intern. Strafr. 1917. Vgl. auch: Tafel: D. Geltung d. Territorialitätsprinzips im deutschen Strafr., 1903; Hintrager: in Z. f. intern. Priv.- u. Strafr. 9 S. 61ff. (Englisch-Amerikanisches Recht); Heymann: Territorialitätsprinzip und Distancedelikte, 1914; Traub: D. universelle Schutzprinzip, Strafr. Abh. H. 167, 1916; Mittermaier in Festgabe f. O. Liebmann: 1920 S. 206ff. (Gebietsabtretungen des Versailler Vertrages).
Erste Ansätze dazu erblicken v. Liszt, v. Liszt-Schmidt: a. a. O., in den Strafverordnungsbefugnissen der internationalen Fluß- und Sanitätskommissionen. Auf der Tagung der International law Association in Wien (Aug. 1926) sprach man sich für die Errichtung eines dem Haager Ständigen Schiedsgerichtshof anzugliedernden Strafgerichtshofs aus. Er soll nur nach Maßgabe abzuschließender Abkommen tätig werden; ein materielles Strafrecht wäre also überhaupt erst zu schaffen. Den ganzen Entwurf kennzeichnete Strupp (D. A. Z. 21. Aug. 26) als die schwächste, schärfster Kritik bedürftige Leistung dieser Kongreßarbeit.
Z. B. betr. Kabelschutz, Sklavenhandel, Mädchenhandel, Opiumhandel usw.
Die anderweiten strafrechtlichen Auffassungen Sowjetrußlands sind lediglich abzulehnen. Vgl. dazu Bd. I S. 421–423; oben S. 22/23.
Mittelbar schützt der Staat also hier zugleich eigene Interessen. Entsprechendes gilt, wenn wir in manchen Fällen ausländischen Interessen bei Verbürgung der Gegenseitigkeit Strafschutz im Inland gewähren. Vgl. Str GB. §§ 102, 103. Systematisch gehören diese Fälle in den besonderen Teil des Strafrechts.
Denn der Geldverkehr ist nicht an die Landesgrenze gebunden, gefälschtes Geld kann diese ohne weiteres überschreiten. Vgl. dazu auch unten S. 74 Anm. 3.
Es sei denn, daß diese aufgezwungen wären. So das traurige Kriegsverbrechergesetz v. 18. Dez. 1919 (RGBl. S. 2125) § 1.
Vgl. dazu auch unten § 15 Nr. IX.
Dazu § 8: „Ausland im Sinne dieses Strafgesetzes ist jedes nicht zum Deutschen Reich gehörige Gebiet.“
Eingehende Behandlung gibt hier die (nicht gedruckte) Göttinger Dissertation: G. Feine: D. völkerrechtliche Stellung der Staatsschiffe, 1921.
Vgl. RG. E. 23, 266 (demgemäß auch StrPO. § 10); E. 50, 220. Fremde Handelsschiffe im deutschen Hafen sind Inland; vgl. E. 2, 17. Entsprechendes wie für Schiffe hat für Luftfahrzeuge zu gelten.
So Zollstellen auf fremdem Staatsgebiet für die dort begangenen Zolldelikte. Vgl. RG. E. 13, 410; E. 48, 28; E. 57, 62 (stillschweigende Vereinbarung). Über Brücken und Gewässer an der Landesgrenze vgl. E. 9, 370.
Nach Konsulargerichtsbarkeitsgesetz v. 7. Apr. 1900 § 19 Nr. 2 grundsätzliche Anwendbarkeit des Reichsstrafrechts. Vgl. dazu RG. E. 26, 99: betr. Konsulargerichtsbarkeit in China. Die Verurteilung des Deutschen durch Landgericht Bremen wird hier bestätigt, weil unmittelbar das deutsche StrGB. gültig war (Kritik: also auf Grund StrGB. § 3); eine Feststellung der Strafbarkeit nach den Gesetzen des Tatorts — StrGB. § 4 Nr. 3 — sei danach nicht erforderlich.
Vgl. RG. E. 44, 403. Für die Eingeborenen galten hier besondere Strafverordnungen. Vgl. dazu Karlowa: D. Strafgerichtsbarkeit über Eingeborene, Heidelberger Diss. 1911.
Vgl. näher RG. E. 3, 71: Von Ausländern in einem in Deutschland befindlichen Gesandtschaftsgebäude begangene Delikte sind also gemäß § 3 StrGB. strafbar (falls nicht der Täter persönlich gemäß §§ 18, 19 GVG. exterritorial ist). Das Gesandtschaftsgebäude ist auch kein Asyl für Verbrecher. Demgemäß wurde (Mai 1924) ein deutscher Verbrecher, der sich in die Russische Gesandtschaft flüchtete, dort polizeilich festgenommen.
Wegen Verbrechen und Vergehen gegen Personen oder Streitkräfte der besetzenden Macht. Daraus ergibt sich die Möglichkeit von Doppelbestrafungen. Vgl. dazu näher E. 54, 139; E. 59, 9.
Vgl. RG. E. 55, 267.
Herrschende und richtige Ansicht, insbes. feststehende Rechtsprechung des RG. Vgl. dazu eingehend meine Arbeit (Zeit und Ort der Tat): Z. 37, 1916, S. 13ff. und jetzt unten § 15 Nr. VIII ff. Herrschende Ansicht auch im Ausland, vgl. Z. 37 S. 4.
Vgl. RG. E. 11, 20 (Mittäterschaft oder Beihilfe im Ausland, Haupttat im Inand, dann Inlandsdelikt); entsprechend E. 13, 337 (für Mittäterschaft und mittelbare Täterschaft); E. 19, 147; E. 20, 169 (für Beihilfe); E. 25, 424 (für Anstiftung). Vgl. näher Z. 37 S. 24/25.
Vgl. E. 9, 10 (nähere Begründung).
Vgl. RG. E. 1, 222: Der Begriff des Auslands ist insoweit durch StrGB. § 8 und die Reichsverfassung nicht geändert. E. 50, 20: Der Grundsatz des § 3 StrGB. gilt „auch innerhalb Deutschlands für das Verhältnis der Landesstrafgesetze untereinander“. Entsprechendes galt für Landesstrafgesetze der deutschen Kolonien im Verhältnis zum Reichsgebiet. So auch ein mir bekannt gewordener Beschluß des Kammergerichts v. 24. Jan. 1911 (Unzuständigkeit des heimischen Gerichts zur Aburteilung wegen der nur für Südwestafrika erlassenen Diamantenverordnung).
Prozessual dagegen haben gemäß den allgemeinen Vorschriften des G VG. und der StrPO. die Behörden anderer Länder evtl. die nachgesuchte Rechts — hilf e zu gewähren. So auch HELBER: Jur. Ztg. 10, 1905, S. 732 (gegen das Landgericht Hamburg). Schon früher war hier das Gesetz betr. Rechtshilfe v. 21. Juni 1869 maßgebend. (BundGesBl. S. 313ff. §§ 20–36.) Dazu unten § 15 Nr. III.
Beispiele: Deutsch-belgischer Vertrag v. 29. Apr. 1885 über gegenseitige Bestrafung bei im Grenzgebiet begangenen Forst-, Feld-, Fischerei- und Jagddelikten. Erneut in Kraft gesetzt 1920 (vgl. RGBl. S. 1397). Ferner: Sämtliche Delikte der Seemannsordnung (2. Juni 1902, RGBl. S. 175ff. § 121) sind auch bei Begehung im Ausland strafbar; darunter befinden sich zahlreiche Übertretungen (§§ 93ff.).
Mit Recht betont dazu RG. E. 15, 222, daß StrGB. § 4 nicht Rechtsnormen zugunsten des Angeklagten gebe, sondern „das Interesse der öffentlichen Rechtsordnung und des Staatswohles wahren“ will. Es handle sich darum, „die Ausnahmen von dem Prinzipe der Territorialität bestimmt zu begrenzen“ und dabei „die durch das internationale Recht und die Billigkeit gebotene Rücksichtnahme auf das ausländische Recht“ zu üben.
Legalitätsprinzip. Obige prozeßrechtliche Vorschrift des §42 StrGB. ist als älteres Reichsrecht aufrechterhalten durch EinfG. StrPO. § 5 Abs. 1. Vgl. RG. E. 44, 119. Sachlich ist die Vorschrift wohlbegründet, weil Auslandsdelikte unter Umständen geringeres Interesse haben, insbes. auch im Verhältnis zu den Schwierigkeiten und Kosten der Verfolgung. Auch kann es Einzelfälle geben, in denen man internationale Rücksichten nehmen will.
Vgl. auch die Motive (Reichstagsvorlage S. 32): „Die in § 4 unter Nr. 1 und 2 gegebenen Vorschriften sind durch die notwendige Rücksichtnahme auf die Erhaltung und Sicherung der Existenz und Integrität des Bundes, wie der einzelnen Bundesstaaten als solcher, bedingt.“
Auch hierzu treffend die Motive a. a. O.: Geschützt werde nicht nur inländisches Geld, da „die Allgemeinheit, wie die kommerzielle und juristische Bedeutung des Geldverkehrs und Geldgebrauchs mit einem, in die Landesgrenzen der einzelnen Staaten gelegten Unterschiede nicht zu vereinigen sein würde“. Vgl. dazu oben S. 71 Anm. 2.
Von seinen Beamten muß der Staat selbstverständlich Reinheit der Amtsführung fordern, auch im Ausland und auch, wenn sie Ausländer sind. Beispiel: Wahlkonsuln.
Der weitere Fall der Beleidigung von Bundesfürsten ist durch die veränderte Verfassung unpraktisch geworden.
So die Motive a. a. O. (vgl. dazu StrGB. § 91 Abs. 2). Kritik: Es ist möglich, daß Auslandstaten des Ausländers völkerrechtlich rechtmäßig sein können. Dann entfällt die Strafbarkeit. Im übrigen kann der Ausländer militärischen Landesverrat (StrGB. §§ 87–91) zwar nicht als Täter („Ein Deutscher, welcher“ usw.), wohl aber als Teilnehmer, insbes. in höchst gefährlicher und strafwürdiger Weise als Anstifter begehen. Liegt dann auch die Tat des Deutschen im Ausland, so bleibt hiernach der Ausländer straflos (bei inländischer Haupttat wäre auch die Teilnahme Inlandsdelikt; vgl. oben S. 73 Anm. 1). Diplomatischen Landesverrat (StrGB. § 92) kann der Ausländer beliebig auch als Täter, im Falle der Nr. 3 sogar unter Verletzung besonderen Treuverhältnisses begehen. Die obige gesetzliche Schranke ist daher völlig verfehlt. Die Entwürfe bringen Ausdehnung, vgl. unten S. 81.
Früher von 1922 § 11, jetzt 25. März 1930 § 7.
Dem Ausländer also wird hier die Teilnahme am Auslandsdelikt des Deutschen freigestellt. Eine törichte Verkennung berechtigter inländischer Interessen.
Vgl. § 298: Bestrafung des Schiffsmanns wegen Bruch des Heuervertrages „ohne Unterschied, ob das Vergehen im Inlande oder im Auslande begangen worden ist“. Vgl. auch StrGB. § 145.
Vgl. die Seemannsordnung v. 1902, oben S. 73 Anm. 5. Ferner einige andere den Verkehr auf See betreffende Gesetze (Zusammenstellung vgl. v. Liszt): Robbenschutz 1876; Nordseefischerei 1884 § 1; Flaggengesetz 1899 § 24; Branntweinhandel auf der Nordsee 1894; Kabelschutz 1887; Schiffsmeldungen 1911 § 2; vgl. auch Auswanderungsgesetz 1897 § 43 (Bestrafung des Schiffsführers).
Eine völlige Verkennung dieses Bedürfnisses zeigt v. Bar: G. u. S. I S. 103ff., 118ff. Nach seiner Ansicht ist das Schutzprinzip völkerrechtswidrig. Siehe dagegen die obigen deutschen Gesetze. Weiter z. B. die geltenden Schweizer Rechte (vgl. Stooss: Grundzüge I1892, S. 150ff.; Mendelssohn: V. D. a. a. O. S. 182 ff.); Norwegen: StrGB. 1902 § 12 Nr. 4 usw. Vgl. auch Mendelssohn, S. 311: „Die Kompetenz des Strafgesetzgebers zur Regelung der räumlichen Geltung wird formell überall anerkannt.“ Dazu die Entwürfe unten S. 81. Wo es sich um Bestrafung gemeiner Verbrecher handelt, besteht hier regelmäßig überhaupt keine Interessenkollision. Seine eigenen Lebensbedingungen aber sieht sich jeder Staat trotz solcher Kollision zu schützen genötigt Von Völkerrechtswidrigkeit kann auch hier keine Rede sei n.
Über die Entwürfe unten S. 81. Hier ein Beispiel: im Interesse des Auslands strafen wir den Deutschen, der dort z. B. einen Mord beging (StrGB. vgl. unten S. 76). Der Ausländer, der im Ausland einen Deutschen ermordete, kann bei uns ungestraft weilen. Ein wahrhaft bedauerlicher Standpunkt. Und das Ergebnis? Weisen wir den Täter aus, so mag er dasselbe nochmals tun und wieder zu uns kommen. Dann droht ihm höchstens die Übertretungsstrafe des § 361 Nr. 2 (Ausweisungsbruch). Ausliefern können wir ihn nur, wenn das Ausland an der Bestrafung Interesse nimmt; vielleicht trifft ihn dann dort die verdiente Strafe. Ein praktisch mühsamer und unsicherer Weg zur Erreichung des erforderlichen Ziels. Und zu wessen Nutzen ?? Nicht des Auslands, sondern des Verbrechers.
So auch der allgemeine Standpunkt der europäisch-kontinentalen Rechte. Anders das englisch-amerikanische Recht, das Auslieferung des Inländers kennt. Scheinbar ein Entgegenkommen an das Ausland, im Ergebnis ein Schutz des Inländers gegen Strafe. In der Tagespresse (D. A. Z. 12. Jan. 1926) wurde berichtet, daß „zum erstenmal seit Menschengedenken“ ein Engländer ausgeliefert wurde (an Spanien, wegen dort begangenen Mordes).
Über die rechtliche Bedeutung solcher Aufnahme in die Verfassung vgl. oben S. 34/35.
Über diesen Zusammenhang vgl. oben S. 71 bei Anm. 1.
Das ist auch dann der Fall, wenn es sich um Angriffe (z. B. Widerstand) gegen die ausländische Staatsgewalt handelte. Vgl. RG. E. 8, 53ff. (Ausnahme nur, wenn das deutsche Recht das Gegenteil bestimmt. Beispiel StrGB. § 112). Ist nach deutschem Recht Verjährung eingetreten, so entfällt damit die Strafbarkeit; vgl. E. 40, 402.
Gleichgültig, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt. Ist diese Voraussetzung gegeben, so richtet sich die Bestrafung im übrigen nach deutschem Recht. So sind z. B. die deutschen Grundsätze über Konkurrenz anzuwenden; vgl. E. 42, 330. Handelt es sich aber um eine zivilrechtliche Vorfrage für die Bestrafung (z. B. Eigenschaft der Sache als fremder), so ist dafür das ausländische Zivilrecht maßgebend; E. 27, 135.
Der zur Zeit der Tat Ausländer war, jetzt aber Deutscher und damit gegen Auslieferung geschützt ist.
Vgl. dazu RG. E. 16, 319: Nur teilweise Strafvollstreckung im Ausland ist kein Hindernis. Es erfolgt dann Bestrafung in Deutschland unter Strafanrechnung gemäß StrGB. § 7. Möglich bleibt Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte in Deutschland; vgl. StrGB. § 37.
Vgl. E. 22, 341: Maßgebend ist danach der Zeitpunkt der Einleitung der inländischen Strafverfolgung (vgl. § 4 im Anfang). Läuft während dieser die ausländische Verjährungsfrist ab, so ist dies gleichgültig.
Dazu E. 44, 433 (unter Berichtigung von E. 27, 161). Maßgebend für die Antragserfordernisse wie für die Zurücknahme ist das Recht des Tatorts. Es genügt Antragstellung bei der dort zuständigen Behörde.
Der Gesichtspunkt der Bestrafung im Interesse des geschädigten Auslandes (indirekt damit auch im deutschen Interesse, vgl. oben S. 71 Anm. 1) kommt auch in einzelnen Bestimmungen des besonderen Teils unseres StrGB. zum Ausdruck: Vgl. StrGB. § 102: Bestrafung von Hochverrat gegen befreundete Staaten bei Verbürgung der Gegenseitigkeit. (Strafbar hier der Deutsche, der im In- oder Ausland, ferner der Ausländer, der während seines Aufenthalts im Inland handelte.)
Z. B. im Eismeer usw.; damals auch in breitem Umfang in Afrika.
Vgl. näher dazu meinen Aufsatz (Kritik der Peters-Debatte im Reichstag): Jur. Ztg. 2, 1897, S. 213ff. So früher auch die herrschende Ansicht in der Literatur; dagegen z. B. Binding, v. Liszt. § 4 Nr. 3 greift deshalb nicht durch, weil hier von Bestrafung im Interesse des geschädigten Auslands keine Rede sein kann. Das Recht unzivilisierter Völker, z. B. Strafbarkeit bzw. Straflosigkeit nach Negerrecht, ist gleichgültig; vgl. näher oben.
So insbes. Allfeld: S. 86 Anm. 40; v. Liszt: S. 100; v. Liszt-Schmidt: S. 130; dagegen z. B. Lobe: § 3 Nr. 5 (aber ohne Berücksichtigung obigen Gesetzes). § 77 lautet: „Die im § 2 bezeichneten Personen“ (Deutsche und Schutzgenossen) „können nach den in Gemäßheit dieses Gesetzes in den Konsulargerichtsbezirken Anwendung findenden strafrechtlichen Vorschriften“ (Kritik: also nicht nur bei Aburteilung durch die Konsulargerichte) „wegen eines Verbrechens oder Vergehens auch dann verfolgt werden, wenn sie die Handlung in einem Gebiete begangen haben, das keiner Staatsgewalt unterworfen ist.“ „Im übrigen (Kritik: also für andere Personen) können durch kaiserliche Verordnung die in Gemäßheit dieses Gesetzes in den Konsulargerichtsbezirken geltenden Vorschriften in Gebieten der im Abs. 1 bezeichneten Art ganz oder teilweise für anwendbar erklärt werden.“ Dies Gesetz hat wohl die erforderlichen Folgerungen aus der Peters-Debatte im Reichstag und der an ihr geübten Kritik gezogen (vgl. oben Anm. 4). Zu bemängeln ist, daß nicht statt dessen eine kurze Vorschrift in das RStrGB. eingestellt wurde.
Vgl. oben S. 72 (auch Luftschiffe).
Dagegen nehmen z. B. v. Liszt, v. Liszt-Schmidt: a. a. O. an, daß schon beim Schwimmen außerhalb des Schiffes die Grundsätze über staatenloses Gebiet Platz greifen. Ich halte solche Auffassung für lebensfremd. Erst bei Aufgabe der Rückkehr zum Schiff geht die Eigenschaft als Schiffsbesatzung und damit die rechtliche Zugehörigkeit zum Schiff verloren.
Also einmal in den Fällen des § 4 Nr. 1, 2 StrGB. (Schutzprinzip); ferner, wenn im Ausland Bestrafung wegen einer Tat erfolgte, die nach unserem Recht Inandsdelikt ist. Endlich evtl. bei § 4 Nr. 3 StrGB. vgl. oben S. 76 Anm. 7. Vgl. dazu RG. E. 35, 41: Ist im Ausland wegen mehrerer Delikte auf eine Gesamtstrafe erkannt, so kann nur teil weise Anrechnung erfolgen. Sie bestimmt sich zunächst nach den Gründen des ausländischen Urteils, subsidiär nach richterlichem Ermessen. Bei Verschiedenheit der Strafarten hat sachgemäße Umrechnung zu erfolgen. (Im vorliegenden Falle billigte das RG. die Umrechnung von 8 Monate schwerem Kerker nach österr. Recht in ein Jahr Gefängnis.)
Auch nicht um die Ergänzung von Lücken, die durch die Begrenzung des räumlichen Geltungsgebietes der Strafrechtssätze entstehen; so v. Liszt: § 23.
Über die Entwicklung im früheren Deutschen Bund vgl. Grimm: Z. 48, 1928, S. 488 ff. Eine grundlegende internationale Darstellung für die damalige Zeit gab v. Martitz: Internationale Rechtshilfe in Strafsachen Bd. I 1888, II 1897. Den früheren deutschen Rechtszustand bieten: Hetzer: Deutsche Auslieferungsverträge, 1883; Menzen: ebenso, 1891; Grosch: D. deutsche Auslieferungsrecht, 1902; Cohn: D. Auslieferungsverträge, 1908; Schildmacher: D. Auslieferungsverfahren usw., 2. Auf l., 1911. Über internationale Regelung wurde verhandelt auf dem Congrès Pénitentiaire international, Brüssel 1900 und auf der Tagung der IKV. in Brüssel 1910; vgl. dazu Rosenblatt: Z. 35 S. 176ff. Die bestehenden deutschen Auslieferungsverträge mit den Kriegsgegnern wurden durch den Weltkrieg aufgehoben (vgl. RG. E. 50, 141), sind aber zum Teil wieder erneuert. Nähere Zusammenstellung der heute geltenden Verträge gibt v. Liszt-Schmidt: § 23. Wir haben danach heute Auslieferungsverträge mit folgenden Ländern: Italien (1871/1920), England (1872/1920); Schweiz (1874), dazu über die deutsch-schweizerische Praxis Delaquis: Z. 48, 1928, S. 475ff.; Belgien (1874/1900/1920); Luxemburg (1876/1912); Schweden und Norwegen, 1878 (Zusatz für Norwegen 1907); Spanien (1878); Holland (1896, RGBl. 1897); Griechenland (1907/1920); Paraguay (1909, RGBl. 1915); Bulgarien (1911, RGBl. 1913); Tschechoslowakei (1922, RGBl. 1923). Zum Abschluß von Auslieferungsverträgen ist heute allein das Reich zu — ständig; vgl. Verf. Art. 6 Nr. 3, Art. 78 Abs. 2. ältere Verträge der Länder blieben in Geltung, soweit sie der Krieg nicht aufhob. Frankreich hat diese Verträge erneuert.
Ein Hohn auf Recht und politischen Verstand war die in Art. 227, 228 des Versailler Vertrages geforderte Auslieferung des Kaisers und unserer Heerführer. Vgl. dazu die Literatur Strafr. Ztg. 7, 1920, S. 244. Ferner Gutachten von Frank und Rachfahl, 1919; Finger: GerS. 87, 1919, S. 1 ff.
Vorangegangen ist hier Belgien mit seinem Auslieferungsgesetz v. 1833 (abgeändert 1874). Es folgten England 1870 (abgeändert 1873, 1895); Holland 1875; Luxemburg 1875; Schweiz 1892; Norwegen 1908; Rußland 1912 (Übersetzung: Z. 33 S. 683ff.); ferner Kanada 1907; Argentinien 1885; Brasilien 1911; Peru 1888; Kongostaat 1886.
Vgl. dazu die Verhandlungen der Deutschen Landesgruppe der I K V., 1906, Mitt. 14 S. 354ff., sowie des 34. Juristentages (Köln), 1926. Schon 1892 stellte v. Bar im Reichstag einen solchen Antrag. Besonderes Verdienst haben sich in neuerer Zeit auf diesem Gebiet Frank und Ministerialrat Dr. Mettgenberg erworben. Vgl. Frank: D. Kampf um ein deutsches Auslieferungsgesetz, 1905; ferner als Referent der IKV. 1906 und weiter in Festgabe f. O. Liebmann 1920, S. 139ff. Mettgenberg: Gutachten f. d. 34. Juristentag; vgl. auch früher Z. 28, 1908, S. 849ff. (Mittelamerika); Z. 35, 1913, S. 26ff. (DeutschBulgarischer Vertrag). Zum Juristentag ferner Gutachten von Kraus.
Abdruck Z. 48, 1928, S. 509 ff. Einführung von Bumke: daselbst S. 425; Besprechung von Mettgenberg: S. 427ff. Über Einzelfragen Lederle: S. 466ff., Dr. G. JoËl: S. 487 ff. Dazu die Verhandlungen des 13. Reichstagsausschusses (Rechtspflege), 5. Febr. bis 17. Apr. 1929 (Sitzungen Nr. 10 u. 11, 18).
Notwendig dafür ist (§ 5) ein Haftbefehl oder das vollstreckbare Straferkenntnis einer zuständigen ausländischen Behörde; ferner Gewähr gegen Mißbrauch zu anderweiter Verfolgung (vgl. näher § 6); endlich, daß das deutsche zuständige Gericht die Auslieferung für zulässig erklärt oder der Verfolgte sich mit ihr zu Protokoll eines Richters einverstanden erklärt hat (§ 7). Genaue Regelung des Verfahren s geben die §§ 8–33.
Ohne subsidiäre Freiheitsstrafe.
§ 3 Abs. 2: „Politische Taten sind die strafbaren Angriffe, die sich unmittelbar gegen den Bestand oder die Sicherheit des Staates, gegen das Oberhaupt oder gegen ein Mitglied der Regierung des Staates als solches, gegen eine verfassungsmäßige Körperschaft, gegen die staatsbürgerlichen Rechte bei Wahlen oder Abstimmungen oder gegen die guten Beziehungen zum Ausland richten.“ Einschränkend dazu § 3 Abs. 3: „Die Auslieferung ist zulässig, wenn sich die Tat als ein vorsätzliches Verbrechen gegen das Leben darstellt, es sei denn, daß sie im offenen Kampfe begangen ist.“
„Derart, daß sie diese vorbereiten, sichern, decken oder abwehren sollte.“
Vgl. dazu die Beschlüsse des 9. Internat. Gefängniskongresses in London (1925) betr. weite Ausdehnung der Ermessensfreiheit bei Strafverfolgung (Opportunitätsprinzip); Bericht von Bumke: Z. 97 S. 191ff. Im ersten Halbjahr 1929 erfolgten vom Ausland 140 Auslieferungsgesuche an Deutschland, vor allem wegen Diebstahl, Unterschlagung, Betrug; vgl. näher Jur. Ztg. 35 S. 156.
Vgl. oben S. 74/75.
Über die Entw. 1913. 1919. 1925 vgl. meine Kritiken: Z. 44 S. 406ff..: Z. 47 S. 23.
D. h. hier der Bestrafung von Auslandsdelikten ohne Rücksicht auf die Nationalität des Täters: vGl. dazu oben S. 74/75.
So jetzt auch die Reichstagsvorlage von 1927 wie die Beschlüsse der Reichstagskommission erster Lesung.
Dies seit 1925.
Während der Amtsausübung oder in Beziehung auf sein Amt.
Soweit wir vertragsmäßig zur Auslieferung verpflichtet sind oder diese freiwillig gewähren, verzichten wir damit auf den eigenen Schutz deutscher Interessen. Ebenso bei politischen und damit zusammenhängenden Delikten, soweit sie nicht unter die obige Liste der Weltverbrechen fallen (vgl. dazu oben S. 80). Will man die Vorschrift, so stelle man sie ergänzend neben diej enige des Entw. 1913.
Vgl. dazu die Literatur des Völkerrechts. Strafrechtlich insbes. Beling: D. strafr. Bedeutung d. Exterritorialität, 1896 (Referat von mir: Z. 17 S. 434) und dagegen Harb Urger: Krit. Vierteljahrsschr. 40, 1898, S. 122ff. Vgl. auch die kurzen Ausführungen bei v. Bar: G. u. S. I 236 ff.; Kleinfeller: V. D. Allg. T. I S. 323 ff.
Vgl. darüber näher unten 27. VII.
Daher z. B. Notwehr dagegen zulässig, Teilnahme Dritter strafbar.
Man spricht hier üblicherweise von Exterritorialität. Der Ausdruck umfaßt aber sowohl materielle wie lediglich prozessuale Befreiungen.
Als Oberhaupt der katholischen Kirche. Kraft Herkommens, das sich auf Grund des italienischen Garantiegesetzes von 1871 gebildet hat. Vgl. v. Bar: G. u. S. I S. 236 Anm. 2. — Über Beling: vgl. unten S. 83 Anm. 2.
So auch v. Liszt, V. Liszt-Schmidt. Es folgt dies aus der entsprechenden Behandlung des Gesandtschaftspersonals nach GVG. §§ 18/19 (vgl. unten S. 84 Nr. 4), kam auch amtlich als Auffassung der deutschen Regierung zum Ausdruck: Aus Anlaß von Arrestgesuchen bei deutschen Gerichten gegen ausländische Regierungen legte die Regierung 1884 dem Reichstag einen Gesetzentwurf vor zu GVG. § 17a: „Ein nicht zum Deutschen Reiche gehöriger Staat sowie das Oberhaupt eines solchen Staates unterliegen der inländischen Gerichtsbarkeit nicht“ (desgl. Familienmitglieder und Begleitung). Der Ausdruck „Gerichtsbarkeit“ umfaßte damals auch das materielle Recht (vgl. unten). Wegen (leider) abweichender Ansicht der Reichstagskommission kam die Vorlage nicht zu weiterer Behandlung (vgl. Drucksachen 1884/85 S. 114, 379).
Ausnahme, wenn sie „Staatsangehörige eines der deutschen Länder sind“. Dann „sind sie nur insofern von der inländischen Gerichtsbarkeit befreit, als das Land, dem sie angehören, sich der Gerichtsbarkeit über sie begeben hat“.
Beling: a. a. O., 1896, schreibt S. 1: „Die deutsche Strafrechtswissenschaft lehrt seit Dezennien fast mit Einhelligkeit den Satz: wie der Souverän im eigenen Lande aus staatsrechtlichen, so seien die sog. Exterritorialen aus völkerrechtlichen Gründen von der Herrschaft des materiellen Strafrechts des Aufenthaltsstaates befreit.“ Kritik: Selbstverständlich konnte danach auch der deutsche Gesetzgeber jener Zeit nur von diesem Standpunkt ausgehen. Demgemäß verweisen die Motive zum StrGB. (Reichstagsvorlage S. 31) hinsichtl. der „Exterritorialen “ nur kurz auf das Völkerrecht. Die Motive zum Gerichtsverfassungsgesetz (Hahnmugdan: I S. 65) schreiben: „Die Gerichtsbarkeit der deutschen Gerichte erstreckt sich auf alle Personen, welche sich innerhalb des Deutschen Reiches aufhalten (ohne Unterschied der Nationalität). Hiervon sind nur die durch völkerrechtliche Grundsätze (und die durch die Reichsverfassung) gebotenen Ausnahmen zu machen.“ Der Ausdruck „Gerichtsbarkeit“ kann hier schon beim Stand der damaligen Wissenschaft nur im weitern Sinne gemeint sein. Auch sachlich ist dies allein möglich. Denn der Text verweist auf das Territorialitätsprinzip des StrGB. § 3. Prozessual wäre der Ausdruck in diesem Zusammenhang überdies falsch. Denn wir können auch im Ausland befindliche Täter, evtl. mittels Auslieferung, verfolgen.
So zuerst Zorn, 1882, dann Binding, Olsha Usen, Merkel, Bennecke (vgl. Beling: a.a. O. S. 3ff.). Für die herrschende Ansicht namentlich Harburger und V. Kries. Neuerdings für die nur prozessuale Auffassung insbes. Beling: a. a. O. Ihm sind Frank: § 3 V und Lobe: § 37 gefolgt. Die überwiegende Ansicht hält an der materiellen Auffassung fest. Vgl. insbes. v. Liszt, V. Liszt- Schmidt: a. a. O., Allfeld: S. 91; V. Bar: G. u. S. I S. 236.
Beispiel: Beling (S. 24 ff.) lehnt die ältere materielle Auffassung (17. bis ins 19. Jahrhundert) ab, daß der Gesandte nicht „subditus“ des Empfangsstaats sei, weil heute feststehe, daß die Staatshoheit auch den im Inland weilenden Fremden ergreife. Kritik: Das beweist doch nicht, daß dieser Satz ausnahmslos gilt (vgl. oben die Begründung zum GVG.). Der Gesandte ist Vertreter seines Staates und deshalb nicht subditus des Empfangsstaats. — Belings Standpunkt führt weiter (S. 118 ff.) dahin, sogar ausdrücklich die Exterritorialität der fremden Staatshäupter für eine lediglich prozessuale zu erklären. Ich halte das für graue Theorie. Praktisch hat sich der Versuch materieller Bestrafung bei dem unsinnigen Verlangen der Auslieferung des Deutschen Kaisers ad absurdum geführt
Amtlich (völkerrechtswidrige) oder außeramtlich.
Zutreffend auch RG. R. X 85: Die Exterritorialität des Gesandten bedeute „in strafrechtlicher Hinsicht nicht bloß die Befreiung von der inländischen Gerichtsbarkeit, sondern die Unanwendbarkeit des inländischen Strafrechts“. Unzutreffend dagegen E. 52, 167, wo im Anfang kurz unter Hinweis auf Binding und Beling und die angeblich „überwiegende“ Ansicht der rein prozessuale Standpunkt für die „Exterritorialität“ vertreten wird. Praktisch war das hier unschädlich. Denn es handelte sich nicht um Gesandte, sondern um einen ausländischen Truppenkörper, über dessen Behandlung das RG. dann selbständig entscheidet; vgl. unten S. 85 Anm. 2.
Herrschende Ansicht (dagegen V. Liszt, V. Liszt-Schmidt wegen der angeblich unerträglichen Folgerungen).
D. h. dem materiellen und Prozeßrecht.
Vgl. dazu das eingehende Urteil des RG. R. X 83 ff. mit dem Nachweis, daß die Konsularverträge regelmäßig gewisse persönliche und sachliche Befreiungen enthalten. So hier der Konsularvertrag mit den Vereinigten Staaten von 1871: Befreiung von Verhaftung und Gefangenhaltung, außer bei Verbrechen, ferner Unverletzlichkeit der Archive, Amtsräume und Wohnungen.
Also unter Anerkennung ihrer Tätigkeit seitens des Empfangsstaats.
Das wurde deutscherseits anerkannt (gegenüber Frankreich) im Fall Schnäbele, 1887 (die deutsche Note sprach von „freiem Geleit“ und stellte für den Fall der Rückkehr Schnäbeles ohne amtliche Vereinbarung Bestrafung wegen früherer Delikte in Aussicht). Vgl. dazu v. Kries: Arch. f. öffl. Recht 1890, S. 356; Beling: a. a. O. S. 151 ff. Immerhin bedürfen Fälle solcher und ähnlicher Art der näheren Prüfung, insbes. unter Berücksichtigung der Gegenseitigkeit. Nach Reichsgesetz v.10. Aug. 1920 § 1 (RGBl. S. 1569) „kann“ die Reichsregierung bestimmen, inwieweit nichtdeutsche Mitglieder usw. der gemischten Schiedsgerichtshöfe „die diplomatischen Vorrechte und Befreiungen“ genießen. Für den sog. Wieder gut — machungsausschuß setzte Art. 240 des Versailler Vertrages die gleiche Befreiung wie für Gesandte fest.
So auch betr. Auslieferung das RG.; vgl. E. 41, 275 am Schluß (auch bereits E. 29, 270; E. 34, 385; E. 37, 88).
So nachdrücklich auch RG. E. 52, 168.
So z. B. zeitweilig unsere österreichischen Bundesgenossen im Weltkriege. Anders liegt es bei im Kriegsfalle übergetretenen und demnächst internierten fremden Truppen. Sie unterliegen dem inländischen Strafrecht. So das in Görlitz internierte griechische Armeekorps. Vgl. RG. E. 52, 167 (hier erfolgte der Übertritt im Widerspruch zu der gegenwärtigen eigenen Regierung).
Nicht bei den Mitgliedern landesherrlicher Familien. Für sie bestand nur die prozessuale Möglichkeit der Einrichtung von Sondergerichten gemäß Landesrecht. Vgl. EinfG. StrPO. § 4, EinfG. GVG. § 5.
Verf. Art. 43 Abs. 3: „Der Reichspräsident kann ohne Zustimmung des Reichstags nicht strafrechtlich verfolgt werden.“
Alte Verf. Art. 30, StrGB. § 11; heute Verf. Art. 36. Die Befreiung umfaßt äußerungen im Plenum, in den Kommissions- und Fraktionsverhandlungen und Berichten; nicht sonstige politische Tätigkeit. Tätlichkeiten sind straf — bar. Werden Abgeordnete ordnungsmäßig von der Sitzung ausgeschlossen, so ist unbefugtes Eindringen als Hausfriedensbruch, evtl. als Widerstand gegen die Staatsgewalt (Polizei) strafbar. Vgl. RG. E. 47, S. 270ff. Über Notwehr vgl. unten S. 206 Anm. 2.
Früher Verf. Art. 31; heute Art. 37. Die vorstehenden materiellen und prozessualen Befreiungen der Abgeordneten (Art. 36, 37) wurden durch Gesetz v. 22. Mai 1926 (RGBl. S. 243) ausgedehnt (für Reichstag und Landtage) hinsichtlich des Präsidenten, seiner Stellvertreter und der ständigen und ersten stellvertretenden Mitglieder der Ausschüsse des Art. 35 (bzw. der Landtagsausschüsse) auf die Zeit zwischen zwei Tagungen (Sitzungsperioden) oder Wahlperioden.
Ebenso ausländische; vgl. oben S. 84 Nr. 3.
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von Hippel, R. (1971). Rechtsquellen und Geltungsgebiet. In: Deutsches Strafrecht. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-52599-5_2
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