Die Chemie und die Therapie

Zusammenfassung

Wenn man heute von Forschung auf dem pharmazeutischen Sektor spricht, so wird man unwillkürlich an die Entwicklung der letzten Jahrzehnte auf den Gebieten der Vitamine und Hormone, der Sulfonamide, Antibiotica und Antihistamine denken. Alle diese Gruppen von Arzneimitteln sind typische Kinder unseres Jahrhunderts, und es ist für sie kennzeichnend, daß sie sich innerhalb kürzester Zeit aus kleinsten Anfängen zu riesigen Forschungsgebieten in dem Augenblick ausgeweitet haben, als sich die industrielle Produktion ihrer bemächtigte. Entscheidend für diesen rasch sich vollziehenden Fortschritt war eine enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, chemischer Industrie und Technik, die es erlaubte, soweit es sich um die Erforschung natürlicher Wirkstoffe handelte, alle nur denkbaren, von der Natur gegebenen Möglichkeiten auszunutzen bzw. ganze Stoffklassen synthetisch hergestellter Substanzen in immer neuen Abwandlungsformen in chemischer und medizinischer Richtung durchzuuntersuchen und für alle diese Verbindungen und Produkte die Aufklärung ihrer Konstitution bzw. Synthese durchzuführen sowie ihre Giftigkeit und ihren therapeutischen WirkungsCharakter festzustellen.

„Wenn wir die mechanischen Affekte der Teilchen des Rhabarbers, des Schierlings, des Opiums und eines Menschen kennen würden, so wie ein Uhrmacher jene einer Uhr kennt…, so wären wir imstande, vorauszusagen, daß der Rhabarber einen Menschen abführen, der Schierling ihn töten und Opium ihn schlafen machen muß.“

Locke, Essay concerning human understanding, 1690.