Skip to main content

Zukunftsforschung, kritischer Rationalismus und das Hempel-Oppenheim-Schema

  • Chapter
  • First Online:
Zukunft und Wissenschaft

Part of the book series: Zukunft und Wissenschaft ((ZUFORSCH))

Zusammenfassung

Zukunftsforschung, zukunftsorientierte Forschung oder Futures Studies und Foresight im Englischen werden hier als verschiedene Begriffe für einen Typus von Forschung gesehen, der sich im Kern durch ein auf die Zukunft bezogenes Erkenntnisinteresse auszeichnet. Wie die Bezeichnungen für zukunftsorientierte Forschung haben sich auch die Themenbereiche, zu denen schwerpunktmäßig Zukunftsforschung betrieben wurde und wird, immer wieder verschoben. Trotz der damit einhergehenden Vielfalt an Bezeichnungen und Forschungsansätzen bleibt es das gemeinsame Merkmal der verschiedenen Ausprägungen zukunftsorientierter Forschung, auf wissenschaftlichem Weg Erkenntnisse über zukünftige Ereignisse und Entwicklungen erlangen zu wollen.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 69.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Hardcover Book
USD 89.99
Price excludes VAT (USA)
  • Durable hardcover edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Notes

  1. 1.

    Beispielsweise macht Giro (2008) die Antwort auf die Frage „Ist Zukunftsforschung wissenschaftlich?“ daran fest, ob die soziologischen Verfahren der Prognoseerstellung kritisch-rationalistischen Anforderungen genügen – eine Engführung, die der Gleichsetzung von Wissenschaft insgesamt mit einem kritisch-rationalistischen Wissenschaftsverständnis geschuldet ist.

  2. 2.

    Das Beispiel ist aus Chalmers (2007, S. 10f.) entnommen und stammt ursprünglich von Polanyi (1973, S. 101).

  3. 3.

    Beispielsweise lassen sich über methodische Verfahren, wie die Verwendung geeigneter Forschungsinstrumente, und auch durch Forschungsarrangements, z. B. die Arbeit in Gruppen, individuell geprägte Wahrnehmungsschwächen oder -verzerrungen einschränken.

  4. 4.

    Die These eines kontinuierlichen Erkenntnisfortschritts wurde später u. a. von Thomas S. Kuhn bestritten. In seinem bedeutenden Essay „Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen“ (Kuhn 1989) legt er dar, dass es verschiedene Phasen wissenschaftlicher Produktivität gibt. Auf wissenschaftliche Durchbrüche folgt demnach eine Periode, in der unter den neuen Vorzeichen „normalwissenschaftlich“ gearbeitet wird, bis die bestehenden Theoriemodelle aufgrund von ungelösten Problemen und Anomalien in eine Krise geraten. Diese führen irgendwann zu einer neuen wissenschaftlichen Revolution, auf die wiederum eine normalwissenschaftliche Periode folgt. An der Idee eines prinzipiellen Erkenntnisfortschritts wollte jedoch auch Kuhn festhalten (vgl. ebd. S. 217).

  5. 5.

    Zumindest gilt dies in einem logisch-theoretischen Sinne. In der Praxis gilt auch bei Popper, dass ein Gesetz weder endgültig verifiziert noch endgültig falsifiziert werden kann. Das liegt an der oft komplexen Struktur aus Gesetz(en), Randbedingungen und Hilfshypothesen, die es nicht erlaubt, aus Beobachtungen endgültig auf die Falsifizierung eines Gesetzes rückschließen zu können. Es wäre ja möglich, dass die Theorie wahr ist und die aus ihr abgeleitete Hypothese lediglich aufgrund eines Beobachtungsfehlers oder einer intervenierenden Variable (Randbedingung), die nicht Teil der Forschung war, nicht bestätigt werden konnte (vgl. Popper 1979, S. 354f.). Wir werden später auf diesen Aspekt zurückkommen.

  6. 6.

    In ihrem Aufsatz nennen Hempel und Oppenheim einschränkend einige logische und empirische Bedingungen für die Gültigkeit des von ihnen entwickelten Schemas, auf die hier jedoch nicht weiter eingegangen wird (vgl. dazu Hempel und Oppenheim 1948, S. 137f.).

  7. 7.

    Die grafischen Darstellungen und die Betonung der verschiedenen Strukturelemente bei Erklärungen bzw. Prognosen entstammen Steinmüller (1997, S. 17f.).

  8. 8.

    Wir werden unter Ad 3 noch näher auf diesen Umstand eingehen.

  9. 9.

    Prognosen, die sich auf die Theorie der langen Wellen, auch bekannt als die Kondratieff-Zyklen (s. Schumpeter 1939; Nefiodow 1999), beziehen, sind ein einprägsames Beispiel hierfür. Aufgrund der induktiv-statistisch gebildeten Theorie der langen Wellen ist es plausibel anzunehmen, dass demnächst eine neue technologische Basisinnovation zu einem anhaltenden weltweiten Wirtschaftsaufschwung führen wird; es ist aber alles andere als zwingend, dass sich die historisch beobachtete Regelmäßigkeit in Zukunft fortsetzen wird. Dasselbe prognostische „Restrisiko“ gilt allgemein für Trendfortschreibungen, sofern man die Ursachen, die zu der bisherigen Entwicklung geführt haben, nicht kennt und lediglich die Entwicklung selbst beobachtet.

  10. 10.

    In diesem Aufsatz hoben Helmer und Rescher ebenfalls die Unterschiede in der logischen Struktur von wissenschaftlichen Erklärungen und Prognosen hervor. Eine entscheidende Stelle lautet im Original (Helmer und Rescher 1959, S. 31):

    „With regard to prediction as opposed to explanation, analyses of scientific reasoning often emphasize the similarities between the two, holding that they are identical from a logical standpoint, inasmuch as each is an instance of the use of evidence to establish an hypothesis, and the major point of difference between them is held to be that the hypotheses of a prediction or of an explanation concerns respectively the future or the past. This view, however, does not do justice to several differences between prediction and explanation which are of particular importance for our present purposes.“

  11. 11.

    Eine Ausnahme hiervon stellen die Situationen dar, in denen das zukünftige Ereignis normativ festgelegt wird und der Forschungsprozess darauf abzielt, die für die Erreichung notwendigen Entwicklungsschritte zu identifizieren, z. B. über Roadmaps, Backcasting-Verfahren oder normative Szenario-Prozesse.

  12. 12.

    Popper trifft die Unterscheidung zwischen Natur- und Sozialwissenschaften hier anhand des Komplexitätsgrades der jeweiligen Gegenstandsbereiche. Dieses Unterscheidungsmerkmal muss aus unserer Sicht relativiert werden. Die Physik und die Naturwissenschaften beschäftigen sich heute mit Fragestellungen, die hinsichtlich ihres Komplexitätsgrades von dem Beispiel der Gewichte und des Fadens, der bei 1 kg Belastung reißt, gelinde gesagt, weit entfernt sind. Die Kernaussage des Zitats halten wir jedoch nach wie vor für gerechtfertigt, v. a. weil in naturwissenschaftlich-technischen Forschungszusammenhängen die Möglichkeit für experimentelle Versuchsanordnungen und damit auch die Möglichkeit, kausale Wirkungszusammenhänge zu identifizieren, viel eher gegeben ist als bei sozialwissenschaftlichen Fragestellungen.

  13. 13.

    Helmer und Rescher beziehen sich dabei konkret auf die Geschichtswissenschaften.

  14. 14.

    Nicht immer geht es in der Zukunftsforschung um die wahrscheinlichen Entwicklungen, d. h. um Prognosen. An verschiedener Stelle wurde auf die Modi der möglichen und wünschenswerten Entwicklungen hingewiesen, mit denen sich Zukunftsforschung ebenfalls wissenschaftlich befasst (s. z. B. Marien 2002, S. 270; Kreibich 2008, S. 9).

Literatur

  • Albert H (1980) Theorie und Prognose in den Sozialwissenschaften. In: Topitsch E (Hrsg) Logik der Sozialwissenschaften, 10. Aufl. Verlagsgruppe Athenäum, Hain, Scriptor, Hanstein, S 126–143

    Google Scholar 

  • Arcade J, Godet M, Meunier F, Roubelat F (2009) Structural Analysis with the MICMAC Method & Actors’ Strategy with MACTOR Method. In Glenn JC, Gordon TJ (Hrsg) Futures Research Methodology, Ver. 3.0. American Council for the United Nations University, The Millennium Project. (CD-ROM). Washington DC

    Google Scholar 

  • Chalmers AF (2007) Wege der Wissenschaft. Einführung in die Wissenschaftstheorie. Springer, Berlin/Heidelberg, Herausgegeben und übersetzt von Niels Bergemann und Christine Altstötter-Gleich. verbesserte Auflage. Im englischen Original zuerst 1975

    Google Scholar 

  • Giro B (2008) Ist Zukunftsforschung wissenschaftlich? Der wissenschaftstheoretische Gehalt soziologischer und futurologischer Prognoseverfahren. VDM Verlag, Saarbrücken

    Google Scholar 

  • Helmer O, Rescher N (1959) On the Epistemology of the Inexact Sciences. Management Science 6(1):25–52

    Article  Google Scholar 

  • Hempel CG, Oppenheim P (1948) Studies in the Logic of Explanation. Philosophy of Science 15(2):135–175, http://www.sfu.ca/~jillmc/Hempel%20and%20Oppenheim.pdf. Abgerufen am 21.6.2011.

    Article  Google Scholar 

  • Kreibich R (2008) Zukunftsforschung für die gesellschaftliche Praxis. ArbeitsBericht Bd 29/2008. Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung, Nr, http://www.izt.de/fileadmin/downloads/pdf/IZT_AB29.pdf. Abgerufen am 19.8.2011.

    Google Scholar 

  • Kuhn ThS (1989) Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, 10. Aufl. Suhrkamp, Frankfurt a M

    Google Scholar 

  • Lenk H (1986) Zwischen Wissenschaftstheorie und Sozialwissenschaft. Suhrkamp, Frankfurt a M

    Google Scholar 

  • Marien M (2002) Futures studies in the 21st Century: a reality-based view. Futures 34:261–281

    Article  Google Scholar 

  • Nefiodow LA (1999) Der sechste Kondratieff. Wege zur Produktivität und Vollbeschäftigung im Zeitalter der Information. Rhein-Sieg Verlag, St. Augustin

    Google Scholar 

  • Popper K (1979) Die beiden Grundprobleme der Erkenntnistheorie. J.C.B. Mohr, Tübingen

    Google Scholar 

  • Popper K (2003) Das Elend des Historizismus. Mohr Siebeck, Tübingen

    Google Scholar 

  • Popper K (2005) Logik der Forschung, 11. Aufl. Mohr Siebeck, Tübingen, Zuerst 1935

    Google Scholar 

  • Polanyi M (1973) Personal Knowledge. Routledge & Kegan Paul, London

    Google Scholar 

  • Rescher N (1998) Predicting the future. An Introduction to the theory of forecasting. State University of New York Press, Albany

    Google Scholar 

  • Schülein JA, Reitze S (2005) Wissenschaftstheorie für Einsteiger, 2. Aufl. UTB Verlag, Wien

    Google Scholar 

  • Schumpeter JA (1939) Business Cycles: A Theoretical, Historical and Statistical Analysis of the Capitalist Process. McGraw-Hill Book, New York/London, 2 Bände

    Google Scholar 

  • Steinmüller K (1997) Grundlagen und Methoden der Zukunftsforschung. Szenarien, Delphi, Technikvorschau. WerkstattBericht Bd 21. Sekretariat für Zukunftsforschung, Gelsenkirchen

    Google Scholar 

  • Voros J (2007) On the philosophical foundations of futures research. In: van der Duin P (Hrsg) Knowing tomorrow? How science deals with the future. Eburon Academic Publishers, Delft, S 69–90

    Google Scholar 

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Corresponding authors

Correspondence to Elmar Schüll or Heiko Berner .

Editor information

Editors and Affiliations

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2012 Springer-Verlag Berlin Heidelberg

About this chapter

Cite this chapter

Schüll, E., Berner, H. (2012). Zukunftsforschung, kritischer Rationalismus und das Hempel-Oppenheim-Schema. In: Popp, R. (eds) Zukunft und Wissenschaft. Zukunft und Wissenschaft. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-28954-5_9

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-28954-5_9

  • Published:

  • Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg

  • Print ISBN: 978-3-642-28953-8

  • Online ISBN: 978-3-642-28954-5

  • eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)

Publish with us

Policies and ethics