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„Intersectional Invisibility“: Anknüpfungen und Rückfragen an ein Konzept der Intersektionalitätsforschung

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Fokus Intersektionalität

Zusammenfassung

In ihrem Text „The Intersectionality of Race and Gender Discrimination“ (Crenshaw 2000) geht die amerikanische Juristin und Menschenrechtsaktivistin Kimberlé Crenshaw von der These aus, dass innerhalb des Menschenrechtsdiskurses weder die geschlechtsbezogenen Aspekte rassistischer Diskriminierung noch die rassistischen Implikationen der geschlechtsbezogenen Diskriminierung angemessen begriffen sind. Sie nennt dieses systematische Überblenden „Intersectional Invisibility“. In meinem Beitrag stelle ich zunächst Crenshaws wesentliche Argumente vor, insbesondere ihre Überlegungen zur Problematik der „Intersectional Invisibility“, die sie auf einer primär antidiskriminierungspolitischen Folie refl ektiert. Anschließend werde ich darstellen, wie das Konzept der „Intersectional Invisibility“ in der amerikanischen Sozialpsychologie aufgegriffen wurde. Hier geht es um Wechselwirkungen und Interferenzen auf der Ebene der Fremdwahrnehmung und Kategorisierung von Individuen und Gruppen, um sozialpsychologische Prozesse der Herstellung von Über-Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit und deren Abhängigkeit von unterschiedlich kombinierten Formen der Gruppenzugehörigkeit. Das Beispiel aus der Sozialpsychologie zeigt, in welcher Weise fachliche Spezialisierungen die transdisziplinär geprägte Intersektionalitätsdiskussion durch Ausdifferenzierung bestimmter Aspekte der Thematik weiterbringen können. In diesem Fall ist es die Forschung zu Konstruktionsprozessen sozialer Zugehörigkeit und zu kognitiven Urteilsheuristiken, die Crenshaws Überlegungen ergänzen und mit einem sozialpsychologischen Akzent vertiefen. Allerdings werden dabei auch fachspezifi sche Engführungen sichtbar, die ich aus einer sozialpsychologisch/subjekttheoretischen und einer soziologisch/gesellschaftstheoretischen Perspektive kommentiere. Dabei gehe ich von der Frage aus, welche Anknüpfungspunkte das Konzept der „Intersectional Invisibility“ für eine feministische Forschung bietet, die den komplexen Vermittlungen von Geschlechterverhältnissen mit anderen Verhältnissen sozialer Teilung Rechnung trägt. Das Verständnis von „Intersectio nal Invisibility“ kann erweitert werden durch einen gesellschaftstheoretisch informierten Blick auf Strukturzusammenhänge, die den Einblick in ihr Gewordensein und damit auch ihre spezifi sche Herrschaftsförmigkeit verstellen. In der Begründung des Sinns und der Notwendigkeit der Ausarbeitung eines makro- bzw. gesellschaftstheoretischen Begriffsrahmens wird jedoch zugleich erkennbar, dass die intersektionelle Perspektive nicht nur den Horizont der Gesellschaftsanalyse erweitert, sondern zugleich die Möglichkeit unterminiert, ohne Kurskorrekturen an überkommene Formen der Gesellschaftstheorie anzuknüpfen (Knapp 2008). Umgekehrt wird aber ebenso deutlich, dass der Versuch der gesellschaftstheoretischen Öffnung/ Fundierung einer intersektionellen Forschungsperspektive die Möglichkeit deplausibilisiert, sich mit einem „gruppistisch“ (Brubaker 2007) gefassten Verständnis sozialer „Kategorien“ zu bescheiden (zu einer kontroversen Diskussion dieser Problematik siehe: Querelles-Net Forum 2008). Das hat Folgen für die Konzeptionalisierung von „Intersectional Invisibility“.

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Knapp, GA. (2010). „Intersectional Invisibility“: Anknüpfungen und Rückfragen an ein Konzept der Intersektionalitätsforschung. In: Lutz, H., Vivar, M.T.H., Supik, L. (eds) Fokus Intersektionalität. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92555-4_12

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