Zusammenfassung
Vor mehr als 40 Jahren hat der Verfassungsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde einen Satz geprägt, der seitdem immer wieder aufgegriffen, kommentiert und neu interpretiert wurde: „Der freiheitliche säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist.“ (Böckenförde 1967: 60) Böckenförde nahm damit die offenbar für viele DebattenteilnehmerInnen beunruhigende Frage nach den inneren moralischen und gesellschaftlichen Bindungskräften bzw. nach den stabilisierenden Werten auf, die sowohl die differenzierte neuzeitliche Gesellschaft als auch den modernen freiheitlichen Staat und letztlich auch die aktuelle pluralistischrechtsstaatliche Demokratie von der Basis her tragen. Zugespitzt lautete die Frage bei Böckenförde: „Worauf stützt sich dieser Staat am Tag der Krise?“. (ebenda S. 61) Bei dieser Frage setzte Böckenförde voraus, dass der säkularisierte Staat die inneren moralischen Stabilisierungskräfte ohnehin nicht mit den Mitteln des Rechtszwangs oder des autoritären Gebots garantieren könne. Diese Fähigkeit, sollte sie überhaupt angenommen werden können, versagt im Übrigen gerade dann, wenn der Staat selbst als Garantieinstanz der ihn begründenden Werte in der Anarchie von sich erbittert bekämpfenden Gruppen zerfällt, wenn sein institutionelles Entscheidungsgefüge angesichts stets drohender Komplexitätsüberlast dauerhaft blockiert ist oder wenn er schlicht durch ein feindliches Prisenkommando aufgebracht wurde.
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Literatur
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Himmelmann, G. (2010). Wertebildung und Demokratie – Lernen in der Schule. In: Schubarth, W., Speck, K., von Berg, H.L. (eds) Wertebildung in Jugendarbeit, Schule und Kommune. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92551-6_11
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