Auszug
Fragt man nach Sensationen, Tabus und Skurrilitäten in den Medien, so sollte zunächst geklärt werden, welche Bedeutung diesen Termini zugrunde liegt und wie sie miteinander verknüpft sind. Dem Deutschen Terminus »Sensation«, der aus dem Französischen entlehnt wurde, liegt das Lateinische Wort sensus, (»Wahrnehmung«, »Empfindung«) zugrunde. Aus sensus wurde im Mittellateinischen sensatio (»das Empfinden«), dessen Bedeutung die Franzosen mit der Bezeichnung sensation übernahmen. Während des 18. und 19. Jahrhunderts widerfuhr dem Terminus in Frankreich eine Bedeutungsverschiebung, von der allgemeinen Wahrnehmung, Empfindung, hin zu einem »Ereignis, das Aufsehen erregt« (Duden 1989: 668). Das Ergebnis dieser Bedeutungsverschiebung von Allgemeinem zum Besonderen, die nach Türcke zum »Alltag jeder lebendigen Sprache« gehört (Türcke 2002: 7), findet sich auch in unserem heutigen Verständnis von Sensation wieder, als ein »Aufsehen erregendes Ereignis«, »Riesenüberraschung« und »verblüffende Leistung« (Duden 1989: 668)1. Demnach ist Sensation heute nicht mehr allein Wahrnehmung, sondern sie zieht die Wahrnehmung aufgrund bestimmter Merkmale, die uns verblüffen oder staunen lassen, auf sich.
Obwohl der Terminus sensation Lateinischen Ursprungs ist, lassen sich bereits im Griechischen äquivalente Begriffe zur Beschreibung dieses Sachverhalts finden. So bedeutet aisthesis Empfindung und Aristoteles verstand darunter die Lehre der körperlichen, sinnlichen Wahrnehmung. Es ist nach ihm das »Vermögen, die wahrnehmbaren Formen ohne den Stoff aufzunehmen, wie das Wachs das Zeichen des Rings aufnimmt ohne das Eisen und das Gold« (Aristoteles 1995, Z. 424a).
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Ganguin, S., Sander, U. (2006). Einleitung: Sensationen, Skurrilitäten und Tabus in den Medien. In: Ganguin, S., Sander, U. (eds) Sensation, Skurrilität und Tabus in den Medien. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90107-7_1
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