Zusammenfassung
1969 bekannte Ludwig Marcuse, der »erste große Krieg« habe ihm beigebracht, »daß es Politik wirklich gibt«. [387] Tatsächlich hatte er den über der bürgerlichen Alltagssphäre thronenden Geistigen jede Möglichkeit genommen, die Politik zu ignorieren. Sie war ihnen aufgezwungen worden und hatte ins Leben eines jeden eingegriffen, niemand konnte mehr leugnen, daß sie auch ihn anging. Das galt selbst für jene, die, wie Herwarth Waiden, weiterhin die Wesensfremdheit von Politik und Kunst betonten oder die, wie Werfel, emphatisch beteuerten, daß beide unvereinbar seien: »Ich kann gar nicht beschreiben, wie kontradiktorisch für mich die Begriffe Poesie und Politik sind!« [388] Indes argumentierte Werfel schon im zweiten Kriegsjahr aus der Defensive, und erst recht tat es Lion Feuchtwanger, der sich 1918 im selben Sinne äußerte. Anlaß war Siegfried Jacobsohns Absicht, seine Schaubühne der Politik zu öffnen und in Weltbühne umzubenennen. Kurt Hiller zufolge hatte Jacobsohn deswegen seine alten Mitarbeiter befragt und ihre Zustimmung erhalten — »mit einer Ausnahme: Lion Feuchtwanger! Politik widerspreche dem Geiste; der sei überpolitisch; gegen eine Entgeistigung der […] Schaubühne müsse er entschieden protestieren.« [389]
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Quellen und Anmerkungen
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Walter, HA. (2003). Wege zur Politik. In: Deutsche Exilliteratur 1933–1950. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03183-9_11
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