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Die verschiedenen Formen des Wollens und ihre Abhängigkeit vom Erkennen

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Die Moderne und Platon
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Zusammenfassung

Aus der Hinführung auf die Stellung, die dem Gefühl in der platonischaristotelischen Erkenntnislehre und Psychologie zugesprochen wird, wie ich sie im letzten Kapitel zu geben versucht habe, kann man bereits entnehmen, daß das Streben und der Wille ein komplexes Zusammenspiel verschiedener seelischer Akte voraussetzen. Nach dieser Auffassung ist Begehren oder Wollen kein absolut eigenursprüngliches seelisches Prinzip, das dem Erkennen gegenübergestellt werden könnte und das mit diesem in irgendeiner Weise in Konkurrenz tritt, weil man glaubt, nur durch eine solche Konkurrenz selbständiger Agenten in uns erklären zu können, wieso Handeln bald aus dem Überwiegen des Willens über das Denken, bald aber auch aus dem Überwiegen des Denkens über den Willen und hin und wieder auch aus dem harmonischen Zusammenwirken beider zustande kommt.

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Notizen

  1. Zu diesem Zusammenhang zwischen Oikeiôsis-Lehre und Ich-Identität als Lebensziel in der Stoa s. auch Maximilian Forschner, Über das Glück des Menschen, Darmstadt 1993, 47–50;

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  2. George B. Kerferd, The Search for Personal Identity in Stoic Thought, in: Bulletin of the John Rylands University Library of Manchester 55, 1972, 177–196.

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  3. Seneca, epistulae (Seneca, Briefe an Lucilius über Ethik. 20. Buch, übers, u. hg. v. Franz Loretto, Stuttgart 2000), ep. 121, § 10 [Die Übersetzung von Loretto ist an dieser Stelle zu unpräzise, ich gebe deshalb eine eigene Übersetzung]: „Die Selbstbestimmung ist das leitende Organ der Seele, sofern es sich in einer bestimmten Weise auf den Körper bezieht (oder: sofern es eine bestimmte Haltung gegenüber dem Körper einnimmt).“ („constitutio (…) est (…) principale animi quodam modo se habens erga corpus.“)

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  4. Zur Wahrnehmungstheorie bei Platon s. Stefan Büttner, Die Literaturtheorie bei Platon, 66–88, bei Aristoteles s. Wolfgang Bernard, Rezeptivität und Spontaneität der Wahrnehmung bei Aristoteles. Versuch einer Bestimmung der spontanen Erkenntnisleistung der Wahrnehmung bei Aristoteles in Abgrenzung gegen die rezeptive Auslegung der Sinnlichkeit bei Descartes und Kant, Baden-Baden 1988, passim.

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  5. Die meisten der bisherigen Deutungen, die in Analogie zum modernen Willensbegriff im Thymos so etwas wie ‚Mut’, Tatkraft’, also eine unpräzise Vorform des Willens sehen wollen, kommen immer wieder mit Textaussagen der Politeia in Konflikt — mit der Konsequenz, daß sie die auftretenden Widersprüche auf eine ungenügende Differenzierung durch Platon zunickführen. Otfried Hoffe z.B., der Thymos als ‚Tatkraft’ deutet, glaubt, daß ausgerechnet durch den Thymos das „schlichte Begehren“ der „gesunden Polis“ in das maßlose Begehren der „üppigen Polis“ verwandelt werde, obwohl Platon in der Politeia selbst (Platon, Politeia 439e2–441c3), aber etwa auch im Phaidros, wo er den Thymos mit dem guten, der Vernunft folgenden Pferd gleichsetzt, den richtig erzogenen Thymos gerade im Dienst der Vernunft zur Beherrschung des Ausuferns der Begierden sieht. S. dagegen Otfried Höffe, Zur Analogie von Individuum und Polis, in: ders. (Hg.), Platon. Politeia, (Klassiker auslegen; 7), Berlin 1997, 69–94.

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  6. Wenn bisweilen behauptet wird, bei Ockham gebe es noch keinen Nominalismus, so hat das seine Berechtigung darin, daß Ockham in der Tat nirgends das Allgemeine für einen bloßen Namen ausgibt. Es sind allerdings auch moderne Nominalisten keine Nominalisten in diesem eher oberflächlichen Sinn. Die ausschließliche Anerkennung von Singulärem als Basis des Wissens und die Bewertung des Wissens aus seinem (Zeichen-)Verhältnis zu dieser Basis gehört aber sowohl zum Nominalismus Ockhams wie zu dessen modernen Spielarten. S. z.B. Philotheus Boehner, Collected Articles on Ockham, hg. v. Eligius M Buytaert, St. Bonaventura (u.a.) 1958, 156–174 und z.B. Guido Küng, Nominalistische Logik heute, in: Allgemeine Zeitschrift für Philosophie 2, 1977, 29–52.

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  7. Da Wolfgang Stegmüller (Das Universalienproblem einst und jetzt, Darmstadt 21965, 66) diese aristotelische Analyse der Konfusion des abstrakt Allgemeinen nicht beachtet, glaubt er, Abaelard habe mit seiner Charakterisierung von allgemeinen Bezeichnungen als ‚confusae imagines’ „eine völlige Umkehrung der platonisch-aristotelischen Auffassung“ erwirkt. In Wahrheit bezeugt diese Charakterisierung von einem genuinen Aristotelismus bei Abaelard.

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  8. Die hier von der Sache her entwickelten Unterscheidungen waren in den großen Aristoteles-Kommentaren und den von Aristoteles beeinflußten Wahrnehmungs- und Erkenntnistheorien des Mittelalters, etwa bei Avicenna, Albertus Magnus, Thomas von Aquin noch in ihrer traditionellen Begründung präsent. In vielen philosophiegeschichtlichen Darstellungen wird diese Theorie durch die falsche Übersetzung von ‚species’ als ‚Erkermtnisbild’, ‚intellectual image’ u.a. in einer vorstellungsphilosophischen Perspektive verfremdet. Eine sorgfältig den Textsinn ermittelnde Interpretation der species-Theorie bei Thomas von Aquin gibt jetzt Dominik Perler, Theorien der Intentionalität im Mittelalter, Frankfurt a.M. 2002, v.a. 61ff. Der Aktcharakter des species-Begriffs bei Thomas mußte aber wohl noch klarer herausgearbeitet werden.

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  9. S. zusammenfassend Anneliese Maier, ‚Ergebnisse’ der spätscholastischen Naturphilosophie, in: dies., Ausgehendes Mittelalter. Gesammelte Aufsätze zur Geistesgeschichte des 14. Jahrhunderts, Bd. 1, Rom 1964, 425–457.

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  10. S. Karl Popper, Die Logik der Forschung, Tübingen 1934 (u.ö.), bes. 14ff. (Methode der Überprüfung einer Theorie an ihrer Falsifizierbarkeit als Teil der Lösung des Abgrenzungsproblems (sc. des Problems der Abgrenzung gegenüber ‚metaphysischen’ Wissenschaftsmethoden)).

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  11. S. Ernst Cassirer, Substanzbegriff und Funktionsbegriff, Berlin 1910, 18.

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  12. S. v.a. Hilary Putnam, Mind and Machines (1960), in: ders., Mind, Language and Reality. Philosophical Papers, Vol. 2, Cambridge (Mass.) 1975, 362–385.

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Schmitt, A. (2003). Die verschiedenen Formen des Wollens und ihre Abhängigkeit vom Erkennen. In: Die Moderne und Platon. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02926-3_8

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-02926-3_8

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-01949-3

  • Online ISBN: 978-3-476-02926-3

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