Zusammenfassung
»Die Tradition des Gerechten Krieges«, so der zentrale Einwand, den die amerikanischen Verfasser des Manifests What We’re Fightmg For gegen ihre deutschen Kritiker geltend machen, strebe »in erster Linie danach […], Gewaltanwendung zu begrenzen; nicht etwa anzupreisen«.1 Im Unterschied zur Idee des Heiligen Krieges, die auf eine legitimatorische Entfesselung der Gewaltanwendung abziele, sei die Theorie des Gerechten Krieges in hohem Maße eine Theorie der Gewaltbegrenzung. Diese Feststellung ist freilich alles andere als zwingend, und auch historisch ist sie keineswegs immer zutreffend. Wahrscheinlich ist sie, um überhaupt als richtig oder falsch beurteilt werden zu können, an die Voraussetzung geknüpft, daß der Anspruch auf die gerechte Sache kriegerischer Gewaltanwendung mit deutlich überlegenen militärischen Potentialen Hand in Hand geht. Die Tradition des gerechten Krieges kann militärische Gewalt begrenzen, wenn diese gleichsam grenzenlos gegen einen militärorganisatorisch wie militärtechnisch deutlich unterlegenen Gegner angewandt wird. Das war sicherlich so im Falle der spanischen Neuscholastiker Vitoria, de Soto, Súarez und anderer, deren Überlegungen zum Gerechten Krieg geeignet waren, die Gewaltanwendung der Conquistadoren in der neuen Welt einzuschränken. Unter der Voraussetzung asymmetrischer Gewaltpotentiale kann also die Theorie des Gerechten Krieges zu einer Selbstbindung des Übermächtigen werden. Man wird davon ausgehen dürfen, daß diese Konstellationen für die amerikanischen Intellektuellen so selbstverständlich waren, daß sie dies zu explizieren für unnötig erachtet haben.
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Literatur
Ist die Anwendung von Gewalt jemals moralisch gerechtfertigt? Amerikaner antworten deutschen Kollegen. In: Blätter für deutsche und internationale Politik 9/2002, S. 1149–1152, hier S. 1151. Politisches Denken. Jahrbuch 2003
Vgl. hierzu Michael Howard: Die Erfindung des Friedens. Über den Krieg und die Ordnung der Welt. Lüneburg 2001. S. 97ff.
Dazu Herfried Münkler/Karsten Fischer: »Nothing to kill or die for…« Überlegungen zu einer politischen Theorie des Opfers. In: Leviathan, 28. Jg., 2000, Heft 3, S. 343–362.
Auf der Grundlage von Filmanalysen sind Tom Holert und Mark Terkessidis zu dem Ergebnis gekommen, es lasse sich seit den späten 80er Jahren in der westlichen Kultur eine massenkulturelle Vorbereitung des Krieges beobachten. Holert/Terkessidis: Entsichert. Krieg als Massenkultur im 21. Jahrhundert. Köln 2002, insbes. S. 69ff. Der Nervenkitzel einer postheroischen Gesellschaft wird hier jedoch mit meßbaren sozio-politischen Einstellungen verwechselt.
Dazu detailliert Herfried Münkler: Die neuen Kriege. Reinbek bei Hamburg 2002, S. 207ff.
Beispiele hierfür finden sich bei Michael Ignatieff: Virtueller Krieg. Kosovo und die Folgen. Hamburg 2001, S. 76ff.
Das Manifest »Wofür wir kämpfen« und das Antwortschreiben »Eine Welt der Gerechtigkeit und des Friedens sieht anders aus« sind abgedruckt in: Blätter für deutsche und internationale Politik 6/2002, S. 755ff. und 763ff.
Dazu ausführlich Münkler: Die neuen Kriege (wie Anm. 5).
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Münkler, H. (2002). Die Wiederkehr des gerechten Krieges. In: Ballestrem, K.G., Gerhardt, V., Ottmann, H., Thompson, M.P. (eds) Politisches Denken. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02895-2_12
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