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Erinnerungs-Flüsse. Gedächtnis und Erinnerung in Friedrich Hölderlins Hymnen Der Rhein und Andenken

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Schriftgedächtnis — Schriftkulturen
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Zusammenfassung

Während Hölderlins ›letzte‹ Hymnen Andenken und Mnemosyne bereits dem Titel nach Texte der Erinnerung sind und Fragen nach einer Poetik des Gedächtnisses bei Hölderlin in der Forschung geradezu herausgefordert haben1 ist die Hymne Der Rhein./ An Isaak von Sinklair bisher noch nicht als Entwurf einer Poetik der Erinnerung gelesen worden. Dies erstaunt, wurde doch wiederholt darauf hingewiesen, daß in Hölderlins ›geohistorischer Landvermessung‹ der Weg der Ströme die Kulturgeschichte nachzeichne.2 In diesem Kontext ist es nicht der Ister, sondern der Rhein, der geradezu als Paradebeispiel jener — an Hegel orientierten — von Osten nach Westen gerichteten Entwicklung der Kultur gilt.

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Notizen

  1. Vgl. beispielsweise Maria Behre: Halt im Haltlosen. Augustinische ›Memoria‹ in Hölderlins Andenken. In: Poesie in einer tragischen Kultur. Texte eines Symposiums mit einem Bildteil. Würzburg 1995, S. 35–48;

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  2. Bernhard Böschenstein: Geschehen und Gedächtnis, Hölderlins Hymnen Wie wenn am Feiertage… und Andenken. In: Le pauvre Holterling. Blätter zur Frankfurter Ausgabe 7 (1984), S. 7–16;

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  3. Cyrus Hamlin: Die Poetik des Gedächtnisses. Aus einem Gespräch über Hölderlins Andenken. In: HölderlinJahrbuch 24 (1984/85), S. 119–138;

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  4. Bernd Witte: Homerische Schatten. Ein historischkritischer Kommentar zu Hölderlins Andenken. In: Johannes Janota (Hg.): Methodenkonkurrenz in der germanistischen Praxis. Tübingen 1993 (= Ders. (Hg.): Kultureller Wandel und die Germanistik in der Bundesrepublik. Vorträge des Augsburger Germanistentages 1991), S. 181–192, hier S. 185;

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  5. Robin B. Harrison: »Das Rettende« oder »Gefahr«? Die Bedeutung des Gedächtnisses in Hölderlins Hymne Memosyne. In: Hölderlin-Jahrbuch 24 (1984/85), S. 195–206

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  6. und Johann Kreuzer: Zeit, Sprache, Erinnerung. Überlegungen zu Hölderlins Mnemosyne. In: Turm-Vorträge 1985/86. Tübingen 1986, S. 63–91.

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  7. Vgl. hierzu insbesondere Rainer Nägele: »In den Winkeln schreitend Gesang«. Hölderlins Geographie und Geometrie des Geistes. In: Bad Homburger Hölderlin-Vorträge 1988/89, S. 7–21.

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  8. und Helmut Huhn: Mnemosyne. Zeit und Erinnerung in Hölderlins Denken. Stuttgart, Weimar 1997.

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  9. Vgl. auch: Gerhard Kurz: Das Fragment Werden im Vergehen als Theorie der Dichtung in revolutionärer Zeit. In: Ders.: Mittelbarkeit und Vereinigung. Zum Verhältnis von Poesie, Reflexion und Revolution bei Hölderlin. Stuttgart 1975, S. 163–170.

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  10. Zum topographischen Verfahren der Dichtung Hölderlins vgl. Anke Bennholdt-Thomsen: Das topographische Verfahren bei Hölderlin und in der Lyrik nach 1945. In: Gerhard Kurz u.a. (Hg.): Hölderlin und die Moderne. Eine Bestandsaufnahme. Tübingen 1995, S. 300–327.

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  11. Alexander Honold hat im Kontext der Patmos-Hymne darauf hingewiesen, daß Hölderlin »das Ost-Westliche weder zu einer räumlichen Polarität, wie Nord und Süd sie ausbilden, [hypostasiert,] noch spannt er zwischen ihnen den irreversiblen Zeitbogen der Weltgeschichte. […] Kein Antagonismus, keine Rangfolge soll mehr herrschen zwischen ihnen, sondern der hin- und herlaufende Austausch zweier Liebender«. Der Rheinlauf allerdings steht zugleich für diesen permanenten Austausch wie auch für Irreversibilität des aufgezeigten »Zeitbogens«. Demgegenüber widerspricht die IsterHymne dieser Irreversibilität, so daß auch für die Rhein-Hymne zu konstatieren ist, daß hier keine Polarität zwischen Ost und West betont werden soll. Alexander Honold: Hölderlins Orientierung. Poetische Markierungen eines kulturgeographischen Richtungssinns. In: Ders./Manuel Köppen (Hg.): »Die andere Stimme«: das Fremde in der Kultur der Moderne. Festschrift für Klaus R. Scherpe zum 60. Geburtstag. Köln u.a. 1999, S. 99–121, hier S. 120f.

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  12. So schreibt Renate Böschenstein-Schäfer: »Gedichte wie ›Der Rhein‹, ›Heidelberg, ›Der gefesselte Strom‹ lassen erkennen, daß ihn zuallererst die Analogie des Stromlaufs zum menschlichen Leben und Schicksal fesselt, aber in seiner spezifischen Ausprägung: die Ströme zeigen, daß Leben nur möglich ist, wenn das vorzeitige Sehnen nach dem Ende, dem Abgrund, dem »Aorgischen« aufgehalten wird. Diese gleichsam ontologisch gegründete Analogie zwischen dem Strom und dem heroischen Menschen, dem Halbgott, hat sich am bedeutendsten im ›Rhein‹ entfaltet.« Renate Böschenstein-Schäfer: Die Sprache des Zeichens in Hölderlins hymnischen Fragmenten. In: HölderlinTahrbuch 19/20 (1975/1977), S. 267–284, hier S. 274.

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  13. Es ist in der Forschung immer wieder betont worden, daß in der folgenden Partie nicht mehr der Rhein im Mittelpunkt stehen würde. Zwar ist für diese Partie eine höhere Abstraktionsebene, wie sie bereits in den Strophen drei und vier auffindbar ist, zu konstatieren, doch wird immer wieder der Rhein thematisiert, so daß hier entgegen beispielsweise Paul de Man herauszustellen bleibt, daß der Rhein auch hier im Zentrum steht. Vgl. Paul de Man: Hölderlins Rousseaubild. In: Hölderlin-Jahrbuch 15 (1967/68), S. 180–208, hier S. 193. Auch Mahr betont das »Bild des Helden« in dieser Triade, ohne allerdings den Hinweis zu vergessen, daß es sich hier immer noch um den Rhein handele.

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  14. Vgl. Johannes Mahr: Mythos und Politik in Hölderlins Rheinhymne. München 1972, S. 50 und S. 75ff.

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  15. Wolfgang Binder: Hölderlins Rhein-Hymne [Bericht der Arbeitsgruppe im Rahmen der 13. Jahresversammlung der Hölderlin-Gesellschaft]. In: Hölderlin-Jahrbuch 19/20 (1975–1977), S. 131–155, hier S. 143.

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  16. In diesem Sinne deutet »ein solcher« weniger auf Rousseau hin, wie Jürgen Link betont, als auf die anderen Halbgötter, die ebenso als Mittler der antagonistischen Pole fungieren. Jürgen Link erkennt in diesen Zeilen eine direkte und ausschließliche Anspielung auf Rousseau: »[…] ›ein solchen [ist] kein anderer als das Individuum Rousseau, das lieber ›Wohnung‹ und ›Satzung‹ aufgab, als seinen Naturursprung zu vergessen«. — Jürgen Link: Hölderlin-Rousseau: Inventive Rückkehr. Opladen, Wiesbaden 1999, S. 162.

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  17. Auch in den letzten Versen des Gefesselten Stroms wird ein eschatologisches Denken ablesbar. Somit ist Jochen Schmidt jedenfalls in der Hinsicht zu widersprechen, daß gerade in der Rhein-Hymne ein zirkuläres Geschichtsbild auffindbar sei. Vgl. Jochen Schmidt: Hölderlins geschichtsphilosophische Hymnen Friedensfeier — Der Einzige — Patmos. Darmstadt 1990, S. 2f.

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  18. Vgl. Ulrich Gaier: Hölderlin und der Mythos. In: Manfred Fuhrmann (Hg.): Terror und Spiel. Probleme der Mythenrezeption. München 1971, S. 295–340, hier S. 332ff. Dagegen hebt Hans-Georg Pott hervor, daß man gerade die hier für die Rhein-Hymne konstatierte Dialektik einer Natur, die »Sein und Werden gleichermaßen« ist, austreiben würde, »betrachte man diese Natur als einen Mythos«.

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  19. — Hans-Georg Pott: Natur als Ideal. Anmerkungen zu einem Zitat aus dem Hyperion. In: Hölderlin-Jahrbuch 22 (1980–1981), S. 143–157, hier S. 152. Gaier sieht allerdings gerade die Aufgabe des Mythos in der Vermittlung der »Komplexe, aus drei unvereinbaren Arten von Zuständen« als einem »Denkbild von Einheit, Trennung und neuer Einigkeit«.

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  20. — A. Gaier: Hölderlin und der Mythos, S. 320. Auch Manfred Frank betont den Mythos in seiner »synthetischen Natur«. Manfred Frank: Hölderlin über den Mythos. In: Hölderlin-Jahrbuch 27 (1990–1991), S. 1–31, hier S. 2.

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  21. An dieser Stelle sei bemerkt, daß hier nicht auf die Debatte um Hölderlin und Rousseau und dessen Bedeutung für die Rhein-Hymne eingegangen werden kann. Für dasWerk Hölderlins und seine intertextuellen Rousseau-Bezüge sei hier u.a. verwiesen auf: Bernhard Böschenstein: Die Transfiguration Rousseaus in der deutschen Dichtung um 1800: Hölderlin -Jean Paul -Kleist. In: Jahrbuch der Jean-Paul-Gesellschaft 1 (1966), S. 101–116;

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  22. Jürgen Link: ›Trauernder Halbgott, den ich meine!‹ Hölderlin und Rousseau. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 63 (1986), H. 63: Rousseau und Rousseauismus, S. 86–114; Ders.: Rousseaus ›Naturgeschichte der menschlichen Gattung‹ und Hölderlins Dichtung nach 1800. In: Hölderlin-Jahrbuch 30 (1996–1997), S. 125–145 sowie Link: Hölderlin — Rousseau.

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  23. Neben diesen Texten vgl. zur Rhein-Hymne den bereits erwähnten Aufsatz Paul de Mans (Hölderlins Rousseaubild) und Bart Philipsen: Herz aus Glas. Hölderlin, Rousseau und das ›blöde‹ Subjekt der Moderne. In: Ludo Lamberechts/Johan Nowé (Hg.): Bild-Sprache. Texte zwischen Dichten und Denken. Festschrift für Luc Verbeeck. Leuven 1990, S. 177–194.

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  24. Vgl. zu Rousseaus »Rolle im poetisch-hermeneutischen Sprechakt« Philipsen: Herz aus Glas, S. 178. Vgl. auch Jean Starobinski: Rousseau. Eine Welt von Widerständen. München, Wien 1988, S. 229f.

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  25. Vgl. Cyrus Hamlin: Poetik des Gedächtnisses, S. 119ff. und Anselm Haverkamp: Verschwiegener Lorbeer — Andenken (Hölderlin und Heidegger). In: Ders.: Laub voll Trauer. Hölderlins späte Allegorie. München 1991, S. 71–92, hier v.a. S. 92.

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  26. Vgl. Ulrich Gaier: Hölderlins vaterländischer Gesang Andenken. In: Hölderlin-Jahrbuch 26 (1988/89), S. 175–201 und Witte: Homerische Schatten.

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  27. Vgl. beispielsweise Wolfgang Binder: Sprache und Wirklichkeit. In: Ders.: HölderlinAufsätze. Frankfurt/M. 1970, S. 27–46.

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  28. Martin Heidegger: Andenken. In: Ders.: Erläuterungen zu Hölderlins Dichtung. 2. Aufl. Frankfurt/M. 1996 (= Gesamtausgabe, 1. Abteilung: Veröffentlichte Schriften 1910–1976, Bd. 4), S. 79–151, hier S. 151.

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  29. Friedrich Beissner: Hölderlins letzte Hymne. In: Hölderlin-Jahrbuch 3 (1947/49), S. 66–102.

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  30. Vgl. beispielsweise Harrison: ›Das Rettende‹ oder ›Gefahr‹? und Flemming Roland Jensen: Hölderlins Mnemosyne. Eine Interpretation. In: Zeitschrift für Deutsche Philologie 98 (1979), S. 201–241. Mit der fünfstrophigen Lesart der Frankfurter Ausgabe wird überdies dieser Problemzusammenhang neu zu diskutieren sein.

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  31. Vgl. auch die folgende Edition auf der Grundlage der historisch-kritischen Ausgabe (Bände 7/8 »Gesänge«): Friedrich Hölderlin: Hesperische Gesänge. Hg. von Dietrich E. Sattler. Frankfurt/M. 2001, S. 64ff. und 129ff.

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Johanning, A. (2002). Erinnerungs-Flüsse. Gedächtnis und Erinnerung in Friedrich Hölderlins Hymnen Der Rhein und Andenken. In: Borsò, V., Cepl-Kaufmann, G., Reinlein, T., Schönborn, S., Viehöver, V. (eds) Schriftgedächtnis — Schriftkulturen. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02870-9_2

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