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»Die Krone bin ich aller Wissenschaft,/ Geheimnisvoll, ein Wunder rätselhaft« Lateinische Antiqua-Kursive und hebräische Mashait — (Semi-)Kursive Schriften im Inkunabelndruck

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Schriftgedächtnis — Schriftkulturen
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Zusammenfassung

Aus dieser Textstelle im Buch Ijob versuchte der italienische Arzt Abraham Portaleone in seiner 1612 in Mantua erschienen Schrift abzuleiten, daß es sich bei dem Druck mit beweglichen Metallettern um eine uralte — »very close in time to the creation of the universe«3 — jüdische Erfindung handele, schließlich werde mit Eisen und Blei, Materialien, die im Buchdruck zum Einsatz kommen, Text eingeprägt (›קקח‹) und nicht nur geschrieben (›בתכ‹).4 Diese, heute lediglich historisch-anekdotischen Wert besitzende Auslegung hat erstaunliche Implikationen: So hätte bereits Moses, traditionell als Verfasser des Buches Ijob angesehen, Kenntnis besitzen müssen von der Kunst des Druckens, da er darüber schrieb. Doch inzwischen gilt als gesichert, daß der hebräische Buchdruck seinen Auftakt erst im letzten Drittel des 15. Jahrhundert d.Z. in Italien nahm, der erste datierte hebräische Druck stammt aus dem Jahre 1475. Grundsätzlich gilt: »Hebrew incunabula were printed by the same methods and with the same utensils as those used by the non-Jewish presses.«5 Der hebräische Buchdruck hat aufgrund von Besonderheiten der hebräischen Schrift und Traditionen ihrer Anwendung durchaus bedeutende Beiträge zur Weiterentwicklung des Druckes geleistet. Diese Beiträge sind auf den Feldern des Schriftsatzes und der Typographie zu verorten und werden von der buchwissenschaftlichen Forschung allzu oft ignoriert, so daß der Eindruck entsteht, hebräische und nichthebräische Buch- und Druckgeschichte hätten keine gemeinsame Schnittmenge.

Wer gäbs doch, meine Worte würden geschrieben,/ wer gäbs, auf einem Brief eingezeichnet,// mit Eisengriffel nebst Blei/ auf immer in den Felsen gehaun!2

Aus dem Colophon einer hebräischen Inkunabel, zitiert nach Rafael Frank: Über hebräische Typen und Schriftarten. In: Archiv für Buchgewerbe 48 (1911), H. 1, S. 20–25, hier S. 21.

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  1. Aus dem Colophon einer hebräischen Inkunabel, zitiert nach Rafael Frank: Über hebräische Typen und Schriftarten. In: Archiv für Buchgewerbe 48 (1911), H. 1, S. 20–25, hier S. 21.

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  2. Michael Pollak: The Invention of Printing in Hebrew Lore. In: Gutenberg Jahrbuch (1977), S. 22–28, hier S. 22.

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  6. »L’unica copia di una pagina di prova di questa Bibbia è conservata nella Biblioteca Nazionale di Parigi.« Die zugehörige Abbildung steht Kopf. Giovanni Mardersteig: Aldo Manuzio e i caratteri de Francesco Griffo da Bologna. In: Studi di Bibliografia e di Storia in Onore di Tammaro de Marinis. Rom 1964, S. 105–147, hier S. 143.

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  21. Geldner: Inkunabelkunde, S. 65. Mit Sicherheit trägt die Erkenntnis, daß zum Druck des griechischen Alphabets nicht die benötigten 24, sondern rund 1.000 Typen geschnitten wurden, dazu bei, die idealisierte Vorstellung von dem Druck der Wiegendruckzeit als einem höchst ökonomischen Verfahren zu relativieren, wie ebenso auf die rund 290 Typen Gutenbergs verwiesen werden kann. Das Hantieren mit einer derartigen großen Zahl von Lettern erfordert nicht nur entsprechend gestaltete Setzkästen, sondern stellt höchste Anforderungen an die Geschicklichkeit und Konzentration der Setzerinnen. Um 1480 war die Zahl der Typen in einem Setzkasten von 290 bei Gutenberg auf weniger als 80 geschrumpft. Vgl. S[igfrid] H. Steinberg: Die Schwarze Kunst. 500 Jahre Buchwesen. 2. Aufl. München 1988, S. 33.

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  22. Vgl. u.a. Schück: Aldus Manutius, S. 31 und Rudolf Hirsch: Printing, Selling and Reading 1450–1550. Wiesbaden 1967, S. 70. Lowry weist auf zwei Konkurrenten hin, Filippo Guinti und Ludovico Arrighi, die den Ruhm dieser Erfindung ebenfalls für sich reklamierten, doch kann die Zuschreibung an Griffo als eindeutig betrachtet werden.

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  23. Martin Lowry: Le Monde d’Aide Manuce. Imprimeurs, hommes d’affaires, et intellectuels dans la Venise de la Renaissance. O.O. 1989, S. 149.

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  24. Aldus beantragte bereits für seine griechischen Typen Privilegien, die zu Plagiats-Auseinandersetzungen mit Kollegen führten. Zur Geschichte der Privilegien in Venedig allgemein und zugunsten Aldus’ im besonderen vgl. u.a. Schück: Aldus Manutius, S. 31 u. S. 56; Gerulaitis: Printing and Publishing, S. 33–35 u. S. 40–45 und A. Panizzi: Chi era Francesco da Bologna? London 1858, S. 13.

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  25. Grundsätzlich muß bei hebräischen Schriften zwischen den großen Gruppen der ashkenazischen (nord- und mitteleuropäisch) und sephardischen (südwesteuropäisch, nordafrikanisch) und orientalischen (Jemen, Ägypten, Palästina, Syrien, Persien u.a.) Schriften unterschieden werden. Der italienischen Schrift kommt ebenfalls eine eigene Stellung zu, sie hat aus den beiden ersten Gruppen Elemente angenommen und sich daraus eigenständig entwickelt. Ebenso sind die byzantinischen Schriften apart zu betrachten. Zu der Einteilung vgl. Malachi Beit-Arié: Hebrew Codicology. Tentative Typology of Technical Practices Employed in Hebrew Dated Medieval Manuscripts. Jerusalem 1981, S. 9–19

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  26. und Mordechai Glatzer: Early Hebrew Printing. In: A Sign and a Witness: 2000 Years of Hebrew Books and Illuminated Manuscripts. Exhibition at the New York Public Library 15. October 1988 — 14. January 1989. Ed. Leonard Singer Gold. New York 1988, S. 80–91, hier S. 82. Hier interessieren vorrangig sephardische und italienische Schriften; ashkenazische Kommentartypen wurden erst um 1530 in Polen gedruckt und blieben fast ausschließlich dem Druck jiddischer Texte vorbehalten (vgl. s.v. Hebräische Schrifttypen. In: LGB 2, 408.

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  27. Vgl. Günter Stemberger: Talmud. Einführung — Texte — Erläuterung. 3., durchges. Aufl. München 1994, S. 295f. und s.v. Rashi. In: EJ 13, 1560f.

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  28. Cecil Roth: A Short History of the Jewish People. Revised Edition. Oxford 1943, S. 262.

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  29. Steinmann: Von der Handschrift zur Druckschrift, S. 244. Haebler hatte bereits festgestellt, daß ein gewerbsmäßiger Typenguß oder -handel im 15. Jahrhundert noch nicht existierte. Vgl. Konrad Haebler: Schriftguss und Schrifthandel in der Frühdruckzeit. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen XLI (1924), S. 104.

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Vittoria Borsò Gertrude Cepl-Kaufmann Tanja Reinlein Sibylle Schönborn Vera Viehöver

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Kaiser, C. (2002). »Die Krone bin ich aller Wissenschaft,/ Geheimnisvoll, ein Wunder rätselhaft« Lateinische Antiqua-Kursive und hebräische Mashait — (Semi-)Kursive Schriften im Inkunabelndruck. In: Borsò, V., Cepl-Kaufmann, G., Reinlein, T., Schönborn, S., Viehöver, V. (eds) Schriftgedächtnis — Schriftkulturen. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02870-9_16

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