Zusammenfassung
Philosophen und Dichter haben sich seit der Antike mit dem Suizid auseinandergesetzt. Im 18. Jahrhundert, in dem man sich intensiv antiker Traditionen vergewisserte, zeichneten sich neue Zugangsweisen zu dem Thema ab. Bereits im späten 16. und im 17. Jahrhundert war das christliche Selbstmordverbot von einigen wenigen Autoren in Frage gestellt worden, so in Montaignes Essais von 1580 und in der um 1646 posthum veröffentlichten Abhandlung »Biathanathos« von John Donne (1572-1631). Aber erst im Jahrhundert der Aufklärung kam es zu einer Pluralisierung und Differenzierung der Diskurse über den Suizid. Als wegweisend für die moralphilosophische und juristische Reflexion sind die Schriften von Montesquieu (1721), Johann Robeck (1736), Rousseau (1761) und Beccaria (1764) hervorzuheben1; David Humes Apologie der Selbsttötung (1777/1781) war in der Auseinandersetzung mit der Theologie bahnbrechend2. Seit den 1770er Jahren spielten diese Autoren auch in der deutschen Diskussion eine zentrale Rolle. Waren es zunächst v a. französische und englische Beiträge, welche die philosophische Reflexion über den Suizid vorantrieben, ging am Ende des Jahrhunderts mit Kant die Initiative auf die deutsche Philosophie über. Ungeachtet seiner Verdammung des Suizids markierte der Königsberger Philosoph mit der Struktur seiner Argumentation das Feld der philosophischen Debatte für das 19. Jahrhundert.
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Notizen
Lester Crocker, The Discussion of Suicide in the Eighteenth Century, in: Journal of the History of Ideas 13.1952, 47–59. Tom L. Beauchamp, Suicide in the Age of Reason, in: Suicide and Euthanasia. Historical and Contemporary Themes, hg. v. Baruch A. Brody, Dordrecht 1989, 183–219. John McManners, Death and the Enlightenment. Changing Attitudes to Death among Christians and Unbelievers in Eighteenth-Century France, Oxford 1981, 409–437. Für die Rezeptionsgeschichte interessant: Carl Friedrich Stäudlin, Geschichte der Vorstellungen und Lehren vom Selbstmorde, Göttingen 1824. Während die erste deutsche Übersetzung von Montesquieu erst 1760 erschien, waren die Abhandlungen von Rousseau (1762) und Beccaria (1766) sehr schnell auf dem deutschen Buchmarkt verfügbar.
S. hierzu Kap. II.5.
So erschienen im deutschsprachigen Raum zwischen 1770 und 1790 2191 neue Zeitschriften s. Joachim Kirchner, Das deutsche Zeitschriftenwesen, seine Geschichte und seine Probleme. T.1 Wiesbaden 1958 (2. erw. Aufl.), 115f. Holger Böning, Zeitung, Zeitschrift, Intelligenzblatt. Die Entwicklung der periodischen Presse im Zeitalter der Aufklärung, in: Als die Post noch Zeitung machte. Eine Pressegeschichte, hg. v. Klaus Beyrer und Martin Dallmeier, Frankfurt/M. 1994; Paul Raabe, Die Zeitschrift als Medium der Aufklärung, in: Wolfenbütteler Studien zur Aufklärung 1.1974, 99–136. Einen Überblick über die Zeitschriftenartikel zum Thema Suizid im späten 18./ frühen 19. Jahrhundert ermöglicht der Göttinger Zeitschriftenindex.
So auch MacDonald/Murphy, Sleepless Souls, 241, die den Versuch einer Rekonstruktion der Suizidrate des frühneuzeitlichen Englands einschließlich des 18. Jahrhunderts ablehnen.
5 Dt. Museum 9. St., Sept. 1786, 235f.
Schles. Provblätter 5.1787, 566f. Die überregionale Bedeutung der von mir mehrfach als Quelle genutzten Schlesischen Provinzialblätter, die von 1785–1849 existierten, betont Kirchner, Zeitschriftenwesen, 197f.
S. Kap. I.
Heller, Über den Selbstmord in Teutschland, Frankfurt/M. 1787, 43.
Ebd., 19.
Ebd., 44.
Gottfried Leß, Vom Selbstmorde, Göttingen 1786 (3. Aufl., 1. Aufl. 1776); Johann Ulrich Sponsel, Abhandlung von dem Selbstmord, Nürnberg 1776; Johann Friedrich Teller, Vernunft- und schriftmäßige Abhandlung über den Selbstmord, eine Abfertigung an den jungen Werther, Leipzig 1776.
Sponsel, A2.
Leß, A2.
Sponsel, 38.
Selbst-Mord, in: Zedlers Universal-Lexikon, 36. Bd., Leipzig u. Halle 1743, Sp. 1597.
Sponsel, 40f.
Ebd., 37f.
Ebd., 32.
Teller, 56.
Ebd., 63.
Ebd., 89.
Leß, 39.
So Thomas Sigfridus: Tractat von der hohen Frage, ob ein Mensch, der sich selbst umb sein Leben bringt, selig oder verdampt zu leben oder zu schelten sei, o.O. 1590; Isaac Watts: Verwarnung gegen die Versuchung zum Selbstmord (aus dem Engl. mit Vorrede von S. J. Baumgarten), Frankfurt u. Leipzig 1759.
In seiner Göttinger Zeit durchlebte der offenbar stets kränkliche Leß eine ernstere Krise, die durch physische Leiden und eine »zusätzliche Hypochondrie« ausgelöst war, aus der ihn eine ärztlich empfohlene Erholungsreise in die Schweiz und nach Südfrankreich befreite. Nekrolog, 225.
Sponsel, 46.
Klaus Oettinger, »Eine Krankheit zum Tode«. Zum Skandal um Werthers Selbstmord, in: Der Deutschunterricht 28.1976, 55–74.
Einen Überblick bietet Oettinger. Wichtige Stellungnahmen sind auszugsweise dokumentiert bei Hermann Blumenthal (Hg.), Zeitgenössische Rezensionen und Urteile über Goethes »Goetz« und »Werther«, Berlin 1935. Zum Echo auf den Suizid Jerusalems, dem realen Vorbild von Goethes Romanfigur: Roger Paulin, Der Fall Wilhelm Jerusalem. Zum Selbstmordproblem zwischen Aufklärung und Empfindsamkeit, Göttingen 1999.
Goethes Text stellt selbst ausdrücklich den Bezug zu dem Lessingschen Drama her, liegt doch im Zimmer des Suizidenten die »Emilia Galotti« »auf dem Puke aufgeschlagen«. Werthers letzte Lektüre kann als Hinweis darauf gelesen werden, daß er — darin Emilia gleich — den Tod aus ethischen Motiven wünschte.
Zur Stoa s. Kap. II.5.
Auch für Friedrich II. war nach eigener Aussage das Vorbild Catos bestimmend, als er 1757 am Vorabend der Schlacht von Roßbach den Entschluß faßte, sich im Fall seiner Niederlage und Gefangenschaft das Leben zu nehmen. Einen seiner Untertanen inspirierte der siebenjährige Krieg ebenfalls zu einer Auseinandersetzung mit dem Thema des soldatischen Suizids: 1759 entstand Lessings Einakter »Philotas«, der nach seiner Uraufführung 1772 in Hannover 1774 in Berlin inszeniert wurde. Ob Friedrich Lessings Stück zur Kenntnis genommen hat, ist sehr fraglich, dagegen hat er sicher Voltaires ersten Artikel im Dictionnaire philosophique von 1752 gelesen über »De Caton, de suicide et du livre de l’ abbé de Saint-Cyran, qui légitime le suicide«.
Sympathie für die republikanische Freiheitsidee bewogen wohl auch den knapp 17jährigen Gymnasiasten Georg Büchner zu seiner »Rede zur Verteidigung des Cato von Utica«, die er auf einer Schulfeier in Darmstadt im Herbst 1830 hielt. Büchner, Werke und Briefe, nach der hist.-krit. Ausgabe von Werner R. Lehmann, München 1981, 201–207.
»Herrn Prof. Merian Gedanken über die Furcht vor dem Tode; über die Verachtung des Todes; und über den Selbstmord«, in: Neues Hamburgisches Magazin 11.1772, 64. St., 343ff. Es handelt sich hier um die Übersetzung eines Textes, der 1763 in der Histoire de l’Académie royale des sciences et lettres in Paris erschienen war.
Zur englischen Cato-Rezeption s. Michael MacDonald/Terence R. Murphy, Sleepless Souls: Suicide in Early Modern England, Oxford 1990; zu Frankreich: McManners, Death, 414ff.
K.J. Bischof, Versuch überden freiwilligen Tod, Nürnberg 1797. Zu Bischof s. Kap.II.5.
Bernd Witte, Vom Martyrium zur Selbsttötung. Sterbeszenen im barocken und im bürgerlichen Trauerspiel, in: Daphnis. Ztschr. für Mittlere deutsche Literatur, H. 2–3, 1994, 409–430.
Teller, 54.
1792 wurde Leß Konsistorialrat und Hofprediger in Hannover. Zur Biographie: Friedrich Schlichtegroll (Hg.), Nekrolog auf das Jahr 1797, Gotha 1801, 223ff.
S. Kap. II.3.
Daß die Bibel kein explizites Selbstmordverbot enthält, räumte dagegender anonyme Verfasser der Schrift ein: Über den Selbstmord nach der Bibel. Auf Veranlassung der schlesischen Provinzialblätter, Grottkau 1789.
Die Ausgabe von 1841 übernahm den Text der zweiten veränderten Auflage von 1820. 1919 erschien eine gekürzte Neuausgabe. Nach Matthias Inhofer (Der Selbstmord. Historisch-dogmatische Abhandlung, gekrönte Preisschrift der theologischen Fakultät München, Augsburg 1886, S. VIII) ist Sailers Arbeit die einzige Monographie zum Thema, die von katholischer Seite vor seiner Schrift publiziert wurde. Zu Sailer s. den Artikel von Georg Schwaiger, in: Martin Greschat (Hg.), Gestalten der Kirchengeschichte, Bd.9,1, Stuttgart 1985, 59–72.
Sailer, Über den Selbstmord, München 1785, 170.
Eine anonyme Publikation war bereits 1777 erfolgt.
Phaidon 62 b; die militärische Lesart des griechischen Textes geht v. a. auf Cicero zurück, s. Battin, The least worst death, 241, Anm. 47
Sailer, 3.
Ebd., 15.
Ebd., 71.
Ebd., 13.
Ebd., 212.
Ebd., 15.
G. W. Block, Vom Selbstmord, dessen Moralität, Ursachen und Gegenmitteln, Aurich 1792.
Das gelehrte Deutschland oder Lexikon der jetzt lebenden teutschen Schriftsteller. Angefangen v. Georg Christoph Hamberger, fortgesetzt v. Johann Georg Meusel, Bd. 9 (5. Aufl.), Lemgo 1801.
Die praktische Philosophie Kants ist das bedeutendste Projekt dieser Art und, wie in Kap. II. 5 dargelegt wird, bemühte sich auch Kant um eine Begründung des Suizid-Verbots. Daß solche Versuche an der Tagesordnung waren, zeigt der Artikel »Unpartheyische Untersuchung über den Selbstmord«, dessen Titel sich von seinem expliziten Verzicht auf Theologie herleitet. Der Text aus dem englischen Westminster Magazine von 1786 ist abgedruckt in: Journal aller Journale 1.1786, 72–81.
Zum Forschungsstand siehe den Bericht über das internationale Mendelssohn-Symposion 1986, in: Aufklärung 3.1988, bes. 85. Zur Bedeutung von Mendelssohn für die jüdische Aufidärung s. Deutsch-jüdische Geschichte in der Neuzeit, Bd.1: Tradition und Aufltlärung 1600–1780 v. Mordechai Breuer u. Michael Graetz, München 1996.
Fernere Bruchstücke aus Moses Mendelssohns Nachlaß. Ein Brief an Resewitz, über den Selbstmord (1756), in: Neuere Berlinische Monatsschrift 24.1810, 184.
Block, 18.
Walter Rehm, Der Todesgedanke in der deutschen Dichtung vom Mittelalter bis zur Romantik, Tübingen 1967 (2. Aufl.), 272ff.
G. E. Lessing, »wie die Alten den Tod gebildet«, Werke, Bd.6, München 1974, 462. Julius Friedrich Knüppeln (Über den Selbstmord. Ein Buch für die Menschheit, Gera 1790, 230) teilt den Fall eines promovierten Mediziners mit, der sich 1783 in Berlin erschossen hatte. Neben der Pistole lag die genannte Schrift Lessings.
Johann Heinrich Friedrich Ulrich, reformierter Prediger an der Charité und beim Invalidencorps, berief sich in seiner Auseinandersetzung mit Montesquieu ausdrücklich auf den »berühmten Philosophen« Mendelssohn, Moralische Encyclopädie, Bd.3, Berlin 1780, 628–637.
So die Zusammenfassung des Blockschen Gedankengangs in der Neuen allgem. dt. Bibl. 1.1793, 488. Möglicherweise war es gerade diese These, die der Göttinger theologischen Fakultät nicht gefiel. Diese hatte 1784 als Preisaufgabe die Frage gestellt, ob der Selbstmord nach der christlichen Religion ausnahmslos unrechtmäßig sei und wie dies zu begründen wäre. Den Preis erhielt der LeßSchüler Gottfried Groddeck. Blocks Beitrag wurde 1792 in erweiterter Form von ihm selbst publiziert, neu hinzu kamen Abschnitte über Ursachen und Gegenmittel.
Ebd., 486.
Ebd., 490.
1805 wurde er zum Konsistoriakat und Gymnasialdirektor in Fulda berufen. Walter Weber, A.G.M., in: NDB, Bd. 16, Berlin 1990, 694. Mit den von ihm zwischen 1772 und 1796 publizierten »Kriminalgeschichten« ging Meißner als Erfinder eines neuen Genres in die deutsche Literaturgeschichte ein, bei dem nicht mehr die moralische Beurteilung, sondern die psychologische und soziologische Aufhellung des Verbrechens im Zentrum steht. Riedel, 139. 63 »Diese Anklage ist so oft, und fast immer unerwiesen dagewesen, daß es sich wirklich einmal der Miihe verlohnte, desfals (!) eine genauere Untersuchung anzustellen.« Fiir ältere Literatur und neuere Lectiire, 2.1784, 4.Qu.2.H., 74. 64 Ebd., 72. 65 Ebd., 72f.
1805 wurde er zum Konsistoriakat und Gymnasialdirektor in Fulda berufen. Walter Weber, A.G.M., in: NDB, Bd. 16, Berlin 1990, 694. Mit den von ihm zwischen 1772 und 1796 publizierten »Kriminalgeschichten« ging Meißner als Erfinder eines neuen Genres in die deutsche Literaturgeschichte ein, bei dem nicht mehr die moralische Beurteilung, sondem die psychologische und soziologische Aufhellung des Verbrechens im Zentrum steht. Riedel, 139.
»Diese Anklage ist so oft, und fast immer unerwiesen dagewesen, daß es sich wirklich einmal der Miihe verlohnte, desfals (!) eine genauere Untersuchung anzustellen.« Für ältere Literatur und neuere Lectiire, 2.1784, 4.Qu.2.H., 74.
Ebd., 72.
Ebd., 72f.
»…merkwürdig sind…die Aufsätze derjenigen, die freiwillig vom Leben Abschied nehmen, und eh sie es thun, ihren Entschluß noch zu rechtfertigen suchen. Wie oft Verzweiflung mit höchster Kälte, schwärzster Trübsinn mit heiterstem Selbstgefühl, gänzliche Verirrung der Seele mit anscheinendem Scharfsinn grenzen; wie leicht Frömmigkeit in Aberglaube, misverstandne Philosophie in Unglauben ausarten; wie oft der Mensch nichts sehnlicher suchen kann, als sich selbst zu betrügen, das findet man nirgends so deudich, als in den Kodizillen dieser Unglücklichen.« Ebd., 71.
Berger, Etwas über die moralischen Quellen des Selbstmords, in: Neue Bunzlauische Monatsschrift 7.1990, 17. Der Autor schreckte auch nicht davor zurück, als »aufgeklärter Christ« die kirchlichen Begräbnislieder zu kritisieren, weil sie »diese Welt nur von der traurigen Gestalt« vorstellten und dadurch »Unzufriedenheit und Geringschätzung des Lebens« förderten. (Ebd., 48).
Ebd., 47.
Block, 47f., 65.
Block, 59, 42, 26.
Ebd., 71, 74f.
Ebd., XV. Das Werk mit dem vollständigen Titel »Système de la nature ou des loix du monde physique et du monde moral« wurde 1770 unter einem Pseudonym publiziert, als sein Verfasser wird der Baron d’Holbach (1723–1789) angenommen. 1783 erschien die erste deutsche Übersetzung. D’Holbachs Entschuldigung des Suizids wurde heftig kritisiert von Jean Dumas (1755–1799), dem Prediger der reformierten Gemeinde in Leipzig. Seine »Abhandlung vom Selbstmorde« erschien in Leipzig 1775, ein Auszug daraus ist abgedruckt bei Roger Willemsen, Der Selbstmord in Berichten, Briefen, Manifesten, Dokumenten und literarischen Texten, Köln 1986, 110–116. Der Rezension des Buches in der Allgemeinen Deutschen Bibliothek (31.1777, 236–241) liegt das 1773 publizierte französische Original zugrunde. Zur Argumentation von d’Holbach und der anderen französischen Materialisten: Gerald Hartung, Über den Selbstmord. Eine Grenzbestimmung des anthropologischen Diskurses im 18. Jahrhundert, in: Schings (Hg.) Mensch, 40ff.
Teller, 96 (Hervorh. im Orig.).
Leß, 52.
S. den einführenden Aufsatz von Peter Weber (Hg.), Die »Berlinische Monatsschrift« als Organ der Aufklärung, 356–452, zu seiner in Leipzig 1986 erschienenen Auswahl.
J.E. Biester, Zwei schwärmerische Selbstmörder, in: Berlinische Monatsschrift 4.1784, 429.
Über die Mittel gegen die Ueberhandnehmung des Selbstmordes, Leipzig 1792, 44. Der Autor firmierte als v.H. Hinter diesem Kürzel verbarg sich der Theologe Christian Friedrich Sintenis (1750–1820), der in Anhalt-Zerbst Konsistorial- und Kirchenrat war. Offenkundig wollte er durch die anonyme Publikation Ärger mit der Orthodoxie vermeiden, zumal schon eine frühere Abhandlung von ihm, das 1798 erschienene »wahre Christentum« Anstoß erregt hatte. Lind, Selbstmord, 109.
Leß, 51f.
Ausführlich: M. A. v. Winterfeld, Fortsetzung des im 8ten Stücke von 1790 abgebrochenen Aufsatzes, von Schädlichkeit der Religions-Irrthümer, in: Braunschweigisches Journal 2.1791, 332–357.
Zur Analyse einiger Fallbeispiele s. Kap. II.2. Als feststehende Tatsache erwähnen das Phänomen Gustav Radbruch/Heinrich Gwinner, Geschichte des Verbrechens. Versuch einer historischen Kriminologie, Stuttgart 1951, 249ff. Dabei stützen sie sich auf Hellmut v.Weber (Selbstmord als Mordmotiv, in: Monatsschrift für Kriminalbiologie und Strafrechtsreform 28. 1937, 161–181), der dreißig einschlägige Fälle gesammelt hat, dabei aber nicht immer mit der nötigen quellenkritischen Vorsicht verfahren ist.
Dies geht z.B.aus Winterfelds Darstellung im Braunschweigischen Journal hervor (Schädlichkeit der Religions-Irrthümer, 341ff.).Vgl. Kap. II.2.
Zit. nach Braunschweigisches Journal 2.1791, 345.
ALR II. Th., Tit. 20 § 831 u. 832. Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794. Textausgabe mit einer Einführung von Hans Hattenhauer, Neuwied 1996 (3. erw. Aufl.)
M. A. v. Winterfeld, Nachtrag zu meinem Aufsatze über den Selbstmord, in: Braunschweigisches Journal 2.1791, 489. Eine Kurzbiographie von Klein liefert Eckart Helmuth, in: Aufklärung 2.1987, 121ff.
Dt. Museum 9. St. Sept. 1786, 236.
Hierzu: Dietrich Bonhoeffer, Werke, Bd. 6: Ethik, hg. v. Ilse Tödt u.a., München 1992, 199.
Horst Möller, Vernunft und Kritik. Deutsche Aufklärung im 17. und 18. Jahrhundert, Frankfurt/M. 1986, 86.
Leitmotiv blieb die religiös-moralische Ablehnung des Suizids, bei der sich erst in letzter Zeit Veränderungen abzeichnen. S. z.B.: Verena Lenzen, Selbsttötung. Ein philosophisch-theologischer Diskurs mit einer Fallstudie über Cesare Pavese, Düsseldorf 1987; Karin Mroßko, Selbsttötung Schwerkranker: Aufstand gegen Gott oder Recht auf eigenen Tod? Hg. vom Konsistorium der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, Berlin 1994.
Hans-Jürgen Schings (Hg.), Der ganze Mensch. Anthropologie und Literatur im 18. Jahrhundert, Stuttgart/Weimar 1994; Wolfgang Riedel, Anthropologie und Literatur in der deutschen Spätaufklärung. Skizze einer Forschungslandschaft, in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der Literatur, 6. Sonderheft 1994, 93–157. Sergio Moravia, The Enlightenment and the Sciences of Man, in: History of Science 18.1980, 247–268.
Das Körper-Seele-Verhältnis als wesentliche Verbindungslinie von Anthropologie und Suizid-Diskurs behandelt Gerald Hartung, Überden Selbstmord. Eine Grenzbestimrnung des anthropologischen Diskurses im 18. Jahrhundert, in: Schings (Hg.), Mensch, 33–53.
Als Nachzügler folgten diesem Trend: Bildersaal seltener Selbstmörder, Berlin 1804 und Heinrich Gottlieb Tzschirner, Leben und Ende merkwürdiger Selbstmörder, Weißenfeld und Leipzig 1805.
S. die Artikel von Holger Dainat und Carsten Zelle im Literatur-Lexikon, hg. v. Walter Killy, Gütersloh, Bd.1, 1988, 98f. bzw. Bd.11, 1991, 109f. Zu Spieß’ Selbstmörder-Biographien: Anke Bennholdt-Thomsen/Alfredo Guzzoni, Der »Asoziale« in der Literatur um 1800, Königstein/Ts. 1979, 152ff.
Spieß, Biographien, Prag/Leipzig T.1 1790 ( 2. Aufl.), 152–167; 130–152. Daß die treue Tochter des armen Selbstmörders als angebliche Vatermörderin unschuldig hingerichtet wurde, paßt zu dieser sich an grellen Effekten überbietenden Literatur, weist abet zugleich auf die Problematik der Unterscheidung von Mord und Selbstmord hin, um die sich die zeitgenössische Gerichtsmedizin intensiv bemühte. S. Kap. II.3.
So hieß es im Untertitel einerder Albrechtschen Viten »Selbstmörder durch Verfolgung des Schicksals…Erzählung oder für den nicht Lieblosen, Rechtfertigung. Biographien, Bd.3, Frankfurt/Leipzig 1794.
Spieß, Biographien, 180. 96 Julius Friedrich Knüppeln, Über den Selbstmord. Ein Buch für die Menschheit, Gera 1790, 249.
Zu Knüppeln s. Kap. II.4.
Helmut Pfotenhauer, Literarische Anthropologie. Selbstbiographien und ihre Geschichte — am Leitfaden des Leibes, Stuttgart 1987.
Hierzu: Martina Wagner-Egelhaaf, Melancholischer Diskurs und literaler Selbstmord. Der Fall Adam Bernd, in: Signori (Hg.), Trauer, 282–310.
Reinhard Rürup, Johann Jacob Moser. Pietismus und Reform, Wiesbaden 1965, 6, Anm. 18.
S. Ralph-Rainer Wuthenow, Das erinnerte Ich. Europäische Autobiographie und Selbstdarstellung im 18. Jahrhundert, München 1974, 101–110; Deutsch-jüdische Geschichte in der Neuzeit, Bd.1: Tradition und Aufklärung 1600–1780 v. Mordechai Breuer u. Michael Graetz, 306f. u.309–313; Liliane Weissberg, Erfahrungsseelenkunfe als Akkulturation. Philosophie, Wissenschaft und Lebensgeschichte bei Salomon Maimon, in: Schings (Hg.) Mensch, 298–328.
Zur Biographie: Aza Hard, S.M., in: NDB, Bd.15, Berlin 1987, 709–711. Zur Bedeutung von Maimon für die jüdische Aufldärung s. Deutsch-jüdische Geschichte, Bd.1, 282ff., 324–331.
Salomon Maimon, Geschichte des eigenen Lebens (1754–1800), Berlin 1935, 169. Die Parallele zu Karl Philipp Moritz’ autobiographischem Roman Anton Reiser (1785–1790) drängt sich hier auf. Die entsprechende Szene, sie bildet den Schluß des 1786 publizierten zweiten Teils — ist bei Moritz jedoch schon sprachlich ungleich dramatischer und schwerer gestaltet. Aus der Perspektive des Protagonisten, der vor der Stadt Hannover auf einsamen Spaziergängen am Flußufer »ganze Tage lang seinen melancholischen Gedanken nachhing«, wird das Quälende dieser sich wiederholenden Situation beschrieben: »Sein Lebensüberdruß…wurde dabei auf äußerste getrieben — oft stand er bei diesen Spaziergängen am Ufer der Leine, lehnte sich in die reißende Flut hinüber, indes die wunderbare Begierde zu atmen mit der Verzweiflung kämpfte und mit schrecklicher Gewalt seinen überhängenden Körper wieder zurückbog.-« (K. Ph. Moritz, Anton Reiser. Ein psychologischer Roman, Frankfurt/M. 1979, 201).
Maimon, Geschichte, 169f.
Esther Fischer-Homberger, Hypochondrie. Melancholie bis Neurose. Krankheiten und Zustandsbilder, Bern 1970.
Fest arbeitete als Landpfarrer in der Nähe von Leipzig. Seit seiner Jugend durch eine schwere Augenkrankheit und ein Fußleiden mit physischen und psychischen Kümmernissen vertraut, widmete er sein publizistisches Engagement nach den Worten seines Nekrologen »den vielen Leidenden unter den Menschen«. Schlichtegroll, Nekrolog 1796, 91–132; Heinrich Doering, Die gelehrten Theologen Deutschlands im 18. und 19. Jahrhundert, Bd.1, Neustadt a.d.Orla 1831, 399–403.
Beiträge zur Beruhigung und Aufklärung 4.1795, 810; 816.
Ihr Begründer, Karl Philipp Moritz, der die Maimonsche »Lebensgeschichte« 1792/93 in Berlin herausgab, hat mit seinem »Anton Reiser« (1785–1790) den ersten autobiographischen Roman geschrieben, der eine eingehende psychologische Selbstanalyse entwirft und depressive Verstimmungen bis hin zum »Lebensüberdruß« minutiös schildert. Einführend: Ulrich Herrmann, Karl Philipp Moritz. Die »innere Geschichte« des Menschen, in: Gerd Jüttemann (Hg.), Wegbereiter der historischen Psychologie, München 1988, 48–55. Zu seiner Zeitschrift (im folgenden MzE): Hans-Joachim Schrimpf, Das »Magazin zur Erfahrungsseelenkunde« und sein Herausgeber, in: Zeitschrift für deutsche Philologie 99.1980, 161–186. Doris Kaufmann, Aufklärung, bürgerliche Selbsterfahrung und die »Erfindung« der Psychiatrie in Deutschland, 1770–1850, Göttingen 1995, bes. 43–49.
Darunter waren u.a. außer Mendelssohn und Maimon der Arzt Markus Herz, der Philosoph Lazarus Bendavid, der Pädagoge Karl Friedrich Pockels, die Herausgeber der Berlinischen Monatsschrift Friedrich Gedicke und Johann Erich Biester und der Stadtphysikus Johann Theodor Pyl.
Schrimpf, MzE, 168.
Siehe Moritz »Vorschlag zu einem Magazin einer Erfahrungsseelenkunde«, den er 1782 in dem von Heinrich Christian Boie und Christian Wilhelm von Dohm herausgegebenen »Deutschen Museum« (Bd.1, 485–503) publizierte, abgedruckt auch in: Gnothi Sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde als ein Lesebuch für Gelehrte und Ungelehrte, Faksimile-Druck neu hg. v. Anke Bennholdt-Thomsen und Alfredo Guzzoni, Lindau 1978/79, Bd.1.1784.
Aufgelistet bei Hans-Peter Ecker, »Vielleicht auch ein bißchen Geschwätz«. Zur Differenz von Anspruch und Realität in Karl Philipp Moritz’ ›Magazin zur Erfahrungsseelenkunde‹ am Beispiel der Selbstmordfälle, in: Literaturgeschichte als Profession. Festschrift für Dietrich Jöns, hg. v. Hartmut Laufhütte, Tübingen, 1993, 179–202, hier 185–194.
MzE I,3, 27.
MzE I,3, 32–39. Hier die folgenden Zit.
MzE I,3, 40.
Ebd.
Ebd., 41.
Ebd., 42
»Er kam ans Hofgericht zur Zeit einer Prozeßordnung, die den Richter nicht mehr so lange schlafen läßt, bis Advokaten sich satt und fett geredet haben, sondern zu einer Zeit, wo der Richter in jedem Schritte jedes Prozesses mit Vernunft und Weisheit das Wohl der Partheyen selbst überlegen soll.« Ebd.
Ebd., 43.
Ebd., 44.
MzE I,3,33. Glave zufolge sorgte Clooß noch an seinem Todestag dafär, daß seine Frau eine genaue Aufstellung ihres in die Ehe eingebrachten Vermögens erhielt, ein Detail, das seine Gewissenhaftigkeit und Skrupulosität schlaglichtartig erhellt. Ebd., 44.
Emile Durkheim, Der Selbstmord, Frankfurt/M. 1990, 244ff. S. Kap. IV.1.
MzE I,3, 38.
MzE III,2,1785, 115–120; MzE VI,3,1788, 22–24.
MzE IX,2, 1792, 1–9. Zu Bendavid: Liliane Weissberg, Fußnoten. Zum Ort der ästhetischen Erfahrung in Lazarus Bendavids Selbstbiographie, in: Berliner Aufklärung 1.1999, 231–253.
Zu seinem Werdegang und Selbstverständnis: Deutsch-jüdische Geschichte, Bd.1, 284f.; 307ff.
S. Kap. II.5.
MzE IX, 2, 1792, 1–9. Hier alle weiteren Zitate.
Offenkundig wollte der Betreffende gefunden werden, weil er, bevor er sich an der Stelle der Spree ertränkte, an der »er gewöhnlich spazieren ging«, sich einen Strick umgebunden und das Ende an einem Baum festgemacht hatte, wahrscheinlich, wie der Berichterstatter hinzufügte, »um nicht vom Strome fortgetrieben zu werden«.
Daß die übertriebenen Ansprüche ihrer Ehefrauen die Männer ins Verderben führten, ist ein Topos der zeitgenössischen Luxuskritik, s. Rainer Wirz, Kontroversen über Luxus im ausgehenden 18. Jahrhundert, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1996, 165–175 und Kap. II.4.
MzE IX, 2, 1792, 1f.
MzE I, 3, 1783, 28.
»In der Mine der Verstorbenen herrschte noch Ruhe und Heiterkeit des Gemüths; keine Spur irgend einer anderweitigen Gewaltthätigkeit äußerte sich an dem Körper«. Ebd., 29.
Diese galten als Hauptursachen für die religiöse Melancholie, hierzu Kaufmann, Aufklärung, 6076.
Ebd., 28.
Ebd., 31.
Ebd., 31f.
Ebd., 31.
Dies entspricht der damaligen medizinischen Wahrnehmung religiöser Melancholie, die sich stärker auf die Übertreibung der Religiosität bezog als auf eventuelle körperliche Pathologien. Kaufmann, Aufklärung, 75.
Rasch: eine Art von Kammgarn.
MzE II,1,1784, 15.
Ebd., 13.
Ebd., 14.
Ebd., 15.
Zum diesbezüglichen Erlaß Friedrich II. von 1765 s. Kap. II.1.
MzE I,1, 1783, 29.
Ebd., 27.
Ebd.: Er hatte »gemeiniglich ein rothes Gesicht«.
Ebd., 28.
Auch im Fall der Kindsmörderin Anna Dorothea K. attestierte Pyl Wahnsinn und Verstandesverwirrung und beschrieb ihren Lebensüberdruß und ihre Furcht vor ewiger Verdammnis, die zu dem Tötungsdelikt geführt hätten, als Symptome religiöser Melancholie. Kaufmann, Aufklärung, 73.
MzE I,2,1783, 11. Bei dem anonymen Verfasser handelt es sich wahrscheinlich wieder um Moritz selbst, die Materialien des Falles, der sich 1751 im preußischen Burg zugetragen hatte, stellte der Referendar Frölich zur Verfügung.
Ebd., 11f.
Ebd., 12.
Ebd., 17.
Eine zwischen 1804 und 1809 publizierte statistisch-topographische Beschreibung der Mark Brandenburg geht für 1750 von 51 Ärzten in der gesamten Kurmark aus, davon lebten mehr als die Hälfte in Berlin. Stürzbecher, Beiträge zur Berliner Medizingeschichte. Quellen und Studien zur Geschichte des Gesundheitswesens vom 17. bis zum 19. Jahrhundert, Berlin 1966, 74.
MzE I, 1783, 16, 18.
Dt. Museum, 9. St., Sept. 1786, 235f.
Vgl. auchden ebenfalls Kriminalakten entnommenen Fall des Musquetiers Friedrich Wilhelm Mayer, der sich 1743 in Berlin zugetragen hatte. MzE I, 1,1783, 16–20. Hierzu auch BennholdtThomsen/Guzzoni, Der »Asoziale«, 149f.
Blutandrang zum Kopf galt als Symptom religiöser Melancholie. Kaufmann, Aufidärung, 70.
MzE I,2, 1783, 14.
Die Defizite des Magazin für Erfahrungsseelenkunde gemessen am Anspruch einer wissenschaftlichen empirischen Psychologie betont Ecker schon im Titel seines Aufsatzes: »Vielleicht auch ein bißchen Geschwätz«. Zur Differenz von Anspruch und Realität in Karl Philipp Moritz’ ›Magazin zur Erfahrungsseelenkundo‹, bes. 183 u.201f.
MzE IV,1,1786, 29.
MzE IV,1,1786, 11, 32, 11. Aus seiner Charakterisierung dieser Krankheit leitete Moritz den folgenden therapeutischen Auftrag ab: »Es ist also wohl der Mühe werth, darauf zu denken, wie man ihr gleich im Anfange, sobald man die erste Spur davon entdeckt, vorbeugen, ihre Fortschritte hemmen, und die entflohne Lebenslust allmälig wieder erwecken können!«
Zu den inhaltlichen Differenzen zwischen Pockels und Moritz s. Kaufmann, Aufklärung, 60. Pockels’ Interesse an der »Erfahrungsselenkunde« und insbesondere an suizidären Phänomenen verriet bereits seine redaktionelle Tätigkeit bei Adam Bernds »Lebensgeschichte«; auch »Pockels neue Beiträge zur Bereicherung der Menschenkunde«, die er 1798 veröffentlichte, enthalten Material über Suizidenten.
MzE VI,3,1788, 35–41. Hier die folgenden Zitate. Der Beitrag ist nicht mit vollem Namen, sondern nur mit dem Anfangsbuchstaben P. unterschrieben, an der Autorschaft des Herausgebers dürfte es jedoch keine Zweifel geben.
Die fränkische Stadt erscheint hier noch unter ihrem früheren Namen Onolzbach.
Diese juristische Subtilität wird in Pockels’ Bericht nicht thematisiert.
MzE VI,3,1788, 39.
Dieses Faktum ist deshalb bemerkenswert, weil Pockels später um 1800 an der ideologischen Kreation einer Sonderanthropologie für Frauen einen unrühmlich hohen Anteil haben sollte. Hierzu: Claudia Honegger, Die Ordnung der Geschlechter. Die Wissenschaften vom Menschen und das Weib, Frankfurt/M. 1991, bes. 39f. und 90f.
MzE VI,3,1788, 40.
Ebd., 41. »Wer diesen Punct nicht recht in Erwägung zieht, wird nie mit philosophischer Toleranz über den Selbstmord irgend eines Menschen ein gehöriges Urtheil fällen, und wird Menschen verdammen, die eher unser ganzes Mitleiden verdienten, und die der Himmel wohl nicht nach unseren Systemen richten wird.« (Ebd.)
Ebd., 40.
Z.B. in den neueren Arbeiten von Hermann Pohlmeier (s. Lit.verz.).
S. Alfons Labisch/Reinhard Spree (Hg.), Medizinische Deutungsmacht im sozialen Wandel des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, Bonn 1989.
Daß die »Modellierung des menschlichen Sich-selbst-Verstehens durch medizinische Vorstellungen« jeder Medizin inhärent ist, betont Cornelius Borck in seinem Einleitungsessay zu dem von ihm heraugegebenen Sammelband: Anatomien medizinischen Wissens. Medizin — Macht — Moleküle, Frankfurt/M. 1996, 30, 37.
So diedeutsche Übersetzung des 1802 erschienenen Werkes von Pierre-Jean Georges Cabanis (1757–1808), das ein Resümé der wesentlichen Tendenzen der Anthropologie der Aufklärung darstellt. Moravia, Enlightenment, 253f.
Francisca Loetz, Vom Kranken zum Patienten. »Medikalisierung« und medizinische Vergesellschaftung am Beispiel Badens 1750–1850, Stuttgart 1993, 86. Hierzu auch Gerd Göckenjahn, Kurieren und Staat machen. Gesundheit und Medizin in der bürgerlichen Welt, Frankfurt/M. 1985.
Den von ihm geprägten Begriff wendet Foucault auf eine um die Bevölkerung zentrierte Politik an, die sich um die Mitte des 18. Jahrhunderts herausgebildet hat: »Die Fortpflanzung, die Geburten- und die Sterblichkeitsrate, das Gesundheitsniveau, die Lebensdauer, die Langlebigkeit mit allen ihren Variationsbedingungen wurden zum Gegenstand eingreifender Maßnahmen und regulierender Kontrollen». Michel Foucault, Sexualität und Wahrheit, Bd 1: Der Wille zum Wissen, Frankfurt/M. 1977, 166.
Diese Vorstellung scheint sich nicht nur auf Suizidenten bezogen zu haben, auch wenn deren Körper bzw. Leichen besonders stark tabuisiert waren. Siehe Selbstmord, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Bd.7, Berlin 1935/36, Sp.1629. Frank, Geduld, in: Signori (Hg.) Trauer, 163 zitiert eine Predigt des Theologen und Superintendenten Johann Ludwig Ewald aus den 1780er Jahren in der Grafschaft Lippe, in der dieser sich ebenfalls kritisch mit dem erwähnten »Vorurtheil« gegenüber Suizidenten auseinandersetzte und von seinen Zuhörern die Hilfe bei Rettungsmaßnahmen verlangte.
Das Edikt vom 15.11.1775 ist abgedruckt in: Hannoversches Magazin 17.1779, 1175ff. Hier auch die folgenden Zitate.
Helga Schultz, Berlin 1650–1800. Sozialgeschichte einer Residenz, Berlin 1987, 286.
So Ulrich Bräker, in dessen 1789 publizierter »Lebensgeschichte…des armen Mannes im Tockenburg« seine unfreiwillige Soldatenzeit in Berlin eine große Rolle spielt. (Stuttgart 1993, 103ff.).
Stadtmuseum Berlin, IV/83/526 Q22–32, 28. Juni 1780.
Ebd., IV/83/526 Q1–10, 9. März 1787. Waren mehrere Personen an einem Rettungsversuch beteiligt, wurde der Betrag entsprechend geteilt.
Anteilsmäßig wurden daher Bornemann 2/3, Kloden 1/3 der Summe zugesprochen. Daß die beiden anderen nicht näher charakterisierten Personen auf das Prämiengeld verzichtet hatten, könnte darin begründet gewesen sein, daß ihre Rettungsaktivitäten relativ unerheblich waren, hing vielleicht aber auch damit zusammen, daß sie Angehörige höherer Stände und daher sozial nicht bedürftig waren. Ebd., 10. Mai 1787.
Ebd., IV/83/482 Q4, 14. August 1776.
Dieser hatte den erhängten Canonier »in einer am Döhnhoffschen Platz befindlichen Bude« gefunden. Ebd., IV/83/479 Q, 19. Dezember 1780.
Ebd., IV/83/527 Q, 21. August 1786.
Ebd., IV/83/527 Q, 5. Oktober 1780.
Ebd., IV/84/87 Q1–7, 12. Juni 1777.
Rürup, Berlin — Umrisse der Stadtgeschichte, in: Berlin, Berlin. Die Ausstellung zur Geschichte der Stadt, Berlin 1987, 34. 1784 zählten von den 145.000 Einwohnern Berlins 33.386 zum Militärstand, zu dem auch die Angehörigen und Bediensteten der aktiven Soldaten gerechnet wurden. Felix Escher, Die brandenburgisch-preußische Residenz und Hauptstadt Berlin im 17. und 18. Jahrhundert, in: Geschichte Berlins, hg. v. Wolfgang Ribbe, Bd.1, München 1987, 400.
S. Kap. II.4.
S. Kap. III.4.
In Frage käme z.B. Moehsen, der 1778 Leibarzt von Friedrich II. wurde und sich für das Thema Suizid nachweislich interessierte, s. Kap. II.4.
Hannoversches Magazin, 74. St., 13. September 1779, 1170E Bei dem Verfasser handelt es sich um Heinrich Matthias Marcard (1747–1817), der damals Garnisonsarzt in Hannover war.
Ebd., 1771.
Schles. Proublätter 2.1785, 180.
Möglicherweise diente die »elende Empfindeley«, die hier als Grund der unterbliebenen Rettungsmaßnahme angeführt wird, der Verschleierung abergläubischer Ängste, die der Brotherr des Dienstknechts nicht zugeben wollte. Über ihn teilen die Annalen mit, daß er, der «nebst den übrigen Einwohnern den Entleibten lieb gehabt« die anderen vergeblich um seine Abschneidung gebeten hatte, sich selbst aber mit der »Entschuldigung« verweigerte, »daß sein Schrecken über die Nachricht und seine empfindliche Natur ihm nicht erlaubten, zur Rettung hinzueilen. Annalen der Braunschweigisch-Lüneburgischen Churlande 1.1787, 4. St., 118f.
Journal v.u.f. Deunchland 4.1787, 2. St., 189.
Dieselhorst, Bestrafung, 165ff.
LA Speyer, Best. Oppenheim, Nr. 10. Auch dieser Erlaß stand im Zeichen der Bekämpfung abergläubischer Ehrkonzepte. So wandte er sich gegen den »besonders bei Bürgers- und Handwerksleuten« kursierenden »sträflichen Irrwahn«, daß derjenige, »welcher…erhenkten, ersäuften oder auf andere Art sich entleiben wollenden Personen, durch Abschneidung oder sonstige Mittel zu Hülf kommet, sich verunehre« und verband Belohnung für Rettungsmaßnahmen mit Strafandrohung bei deren Unterlassung, die als »Beförderung »des Lasters der Selbstermordung« gelten sollte. Diese moralische Verurteilung fehlt bezeichnenderweise im Edikt Friedrichs II. völlig.
Schlözers Stats-Anzeigen 6.1784, H 14., 224.
Journal v.u.f. Deutschland 4.1787, 2. St., 189 hier auch die weiteren Zitate.
Offenbar hatte es aber einiger Zeit bedurft, bevor sich der aufklärerische Effekt der Verordnung durchsetzen konnte. So berichtet dieselbe Quelle, daß noch 1785, also nur zwei Jahre zuvor, die alte Einstellung dominierte. Als sich damals »ein Jude in hiesigem Gefängnis erhängt hatte«, wollte ihn »kein Mensch, nicht einmal der Gefangenenwärter — abschneiden…Man lief damals erst in das Amt, fragte an, was zu thun sey, und dann geschah der Schnitt — natürlich zu spät.« Ebd.
D.h. sie waren neben ihrem öffentlichen Amt weiterhin auf die Einkünfte aus ihrer Privatpraxis angewiesen.
Ragnhild Münch, Gesundheitswesen im 18. und 19. Jahrhundert. Das Berliner Beispiel, Berlin 1995, 95ff.
Manfred Stürzbecher, Zur Geschichte des Berliner Stadtphysikats im 18. und 19. Jahrhundert, in: Medizinische Welt o.Jg. 1962, (Sonderdruck), 8.
Münch, Gesundheitswesen, 123.
Alle Zitate nach Ludwig I.C. Mende, Ausführliches Handbuch der gerichtlichen Medizin für Gesetzgeber, Rechtsgelehrte und Wundärzte, Bd. 1, Leipzig 1819 (ND Leipzig 1984), 333ff.
GSTA Dahlem, HA I Rep 84a Nr. 17068, Bd. 1, Schreiben des Kammergerichts vom 3. Dezember 1807.
Ebd., Schreiben vom 7. Dezember 1807.
Ebd., Nr. 17069, Bd. 2, Schreiben vom 4. Januar 1808.
Ebd., Schreiben vom 29. Februar 1808.
Ebd., Schreiben vom 19. April 1808.
S. hierzu Kap. III.5.1.
Hauptvertreter der Neologie, Konsistorialrat und Probst an der Nicolaikirche.
Stürzbecher, Aus der Geschichte der gerichtlichen Medizin in Berlin, in: Deutsches Medizinisches Journal 20.1969, 666.
Pyl, Aufsätze, 2. Sl. 1784, 109.
Ebd, 110.
Ebd., 3. Sl. 1785, 52.
Die einschlägigen Fortschritte in der Gerichtsmedizin des späten 18. Jahrhunderts gehen hervor aus: Gottlieb I. Elvert, Über den Selbstmord in bezug auf gerichtliche Arzneykunde, Tübingen 1794. In Pyls Sammlung ist der oben erwähnte Königsberger Medizinprofessor Metzger mit zwei Fällen vertreten, bei denen es sich seiner Einschätzung nach wahrscheinlich um Morde handelte, die von dem Täter, es handelte sich in beiden Fällen um dieselbe Person, als Suizide kaschiert wurden. Pyl, Aufsätze, 5. Sl. 1787, 118–130; 8. Sl. 1793, 42ff.
Typische Suizide durch Ertrinken stellen in Pyls Sammlung die Berichte über die Obduktion von zwei »Weibespersonen« dar, Aufsätze, 3. Sl. 1785, 48–52.
Pyl, Aufsätze, 3. SI. 1785, 138.
Ebd., 139.
Ebd., 8. Sl. 1793, 63.
Allerdings wurde diese Lokalität erst 1811 durch den Bau eines Leichenschauhauses funktional gestaltet; der davor als Obduktionsraum dienende fensterlose Schuppen hatte wiederholt Beschwerden der Mediziner über unzumutbare Arbeitsbedingungen veranlaßt, Münch, Gesundheitswesen, 103.
Pyl, Aufsätze, 2. Sl. 1784, 113.
Ebd., 1. Sl. 1783, 89.
Ebd., 85f.
Trotzdem ging er der Nachwelt nicht verloren. 1790 druckte der Publizist Julius Friedrich Knüppeln (1757–1840) in seiner dem Problem des Selbstmords gewidmeten Monographie den an den Vater adressierten Abschiedsbrief eines jungen Mannes ab, der sich 1782 in Berlin mit 60 Gramm Opium umgebracht hatte. Man kann mit Sicherheit annehmen, daß es sich dabei um die von Pyl untersuchte Person handelte. Zum Inhalt des Briefes s. Kap. II.4.
F.L.Augustin, Die Königliche Preußische Medicinalverfassung, Bd.1, Potsdam 1818, 491ff.
Pyl, Aufsätze, 1. Sl. 1783, 85. Auch in dem Fall eines ehemaligen Soldaten, der sich aufgrund diverser körperlicher Beschwerden durch eine Überdosis Opium das Leben nahm, ging Pyl der Frage nach, wie der Suizident die Droge in der dafür erforderlichen Menge in der Apotheke kaufen konnte. Hier stellte sich heraus, daß dieser ein ärztliches Rezept gefälscht hatte. Ebd., 98.
Zur Biographie s. den Artikel von Wolfgang U.Eckart, in: Deutsche Biographische Enzyklopädie, Bd.1, Darmstadt 1995, 212f. Die Berliner Staatsbibliothek verwahrt ein Schreiben Auenbruggers vom Juni 1782, in dem der in Wien tätige Mediziner mit Verweis auf seine ärztlichen Verdienste um die Verleihung des Adelsprädikats nachsuchte; der Bitte wurde 1783 stattgegeben. (Stabi, Handschriftenabt., Auenbrugger, Leopold Edler von Auenbrugg 3 d2 1761).
Auenbrugger, Von der stillen Wuth oder dem Triebe zum Selbstmorde, Dessau 1783, A2.
Ebd., 11.
Ebd., 55.
Kurz zuvor war er das erste Mal aus dem Spital als geheilt entlassen worden.
Ebd., 40.
Ebd., 57.
Zwar wird nur in dem Fall des Geistlichen ein Obduktionsbefund mitgeteilt, woraus aber nicht geschlossen werden kann, daß die anderen nicht obduziert wurden, sondern lediglich, daß die Befunde nicht mitteilenswert erschienen.
Auenbrugger, Wuth, 20.
Ebd, 23. Diese »unglückselige Folge von dem unbescheidenen und übermäßigen Gebrauche des Mohnsafts« wurde von Auenbrugger allerdings als Kunstfehler zugegeben.
Ebd., 20f.
Möglicherweise hat der Berliner Mediziner Christoph Wilhelm Hufeland die Studie seines Wiener Kollegen rezipiert. In seiner berühmten 1796 publizierten »Makrobiotik« ist jedenfalls die Rede von einer »neuen schrecldichen…Krankheit«, die er als Trieb zum Selbstmord charakterisiert, den er als historisch neues Phänomen erachtet: »Dieser unnatürliche, ehedem bloß durch traurige Notwendigkeit und heroischen Entschluß mögliche Zustand, ist jetzt eine Krankheit geworden, die in der Blüte der Jahre unter den glücklichsten Umständen bloß aus Ekel und Überdruß des Lebens, den entsetzlichen und unwiederstehlichen Trieb hervorbringen kann, sich selbst zu vernichten.«
Zit. nach Wolfram Schmitt, Melancholie und Suizid als literarisches Thema in der GoethezeitFiktion und Realität, in: Licht der Natur. Medizin in Fachliteratur und Dichtung. Festschrift für Gundolf Keil, hg. von Josef Domes u.a., 399–420.
S. hierzu: Karl E. Rothschuh, Konzepte der Medizin in Vergangenheit und Gegenwart, Stuttgart 1978, 305–310.
Osiander, Über den Selbstmord, 2.
Ebd., 11.
Ebd., 16.
Ebd, 31f.
Allgemein dazu: Robert P. Neumann, Masturbation, Madness, and the Modern Concepts of Childhood and Adolescence, in: Journal of Social History 8.1975, 1–27.
Osiander, Selbstmord, 307.
Der Schweizer Arzt Simon André Tissot (1728–1797) veröffentlichte 1784 einen populären Gesundheitsratgeber. Rothschuh, Konzepte, 309f.
Berlinische Monatsschrift, August 1787, 174.
Daß dieser vertuscht wurde, geschah offensichtlich mit seinem Einverständnis, zumal er der Verstorbenen als vorbildlicher Ehefrau, Mutter und »Menschenfreundin« große Wertschätzung bezeugte: »Die Art ihres Todes wurde verheimlicht, welches nicht schwer…war, weil jedermann im Hause aus Dankbarkeit für unzählige von ihr genossene Wohltaten ihr gern diese letzte Liebespflicht leistete«. Ebd., 175.
Ebd.
Darüber hinaus richte die Onanie weitere schwere Schäden an. Sie, so Müller, »macht Mädchen zu Männerhasserinnen…richtet Enrvölkerung und unfruchtbare Ehen an, und ist die Quelle von unzähligem Verderben für die Gesundheit«. Johann Valentin Müller: Selbstmord nach seinen medizinischen und moralischen Ursachen betrachtet mit beigefügten Lebensregeln und Rezepten zum Besten hypochondrischer und melancholischer Personen für Ärzte und denkende Leser aus allen Ständen, Frankfurt/M. 1797, 15.
Seitden 1980er Jahren unter dem Titel »rationaler Suizid« in der Philosophie wieder verstärkt diskutiert, s. die Beiträge in: Margaret Pabst Battin u. David J. Mayo (Hg.): Suicide. The Philosophical Issues, New York 1980.
Jan Goldstein, Console and Classify. The French Psychiatric Profession in the Nineteenth Century, Cambridge 1987
Müller, Selbstmord, 12.
Esther Fischer-Homberger, Medizin vor Gericht. Zur Sozialgeschichte der Gerichtsmedizin, Bern 1983, 352.
Zu Gall allgemein: Sigrid Oehler-Klein, Die Schädellehre Franz Joseph Galls in Literatur und Kritik des 19. Jahrhunderts. Zur Rezeptionsgeschichte einer medizinisch-biologisch begründete Theorie der Physiognomik und Psychologie, Stuttgart 1990. Galls Ansatz zur Erklärung von Suiziden und seine Rezeption in Frankreich thematisiert Lisa Lieberman, Suicide in France, 28ff.
So das Referat von Stäudlin, Geschichte, 241.
F.W.F. Schultz, Der natürliche Selbstmord, eine psychologische Abhandlung, Berlin 1815, 7f.
Ebd., 23.
Ebd., 38. Die Vorstellung einer angeborenen Lebensschwäche, die Schultz aus einem Ungleichgewicht zwischen der »körperlichen Peripherie zum Centrum«, dem Ich als Koordinationsinstanz, ableitete (3ff.), taucht im späten 19. Jahrhundert in Gestalt der Degenerationstheorien wieder auf.
Wolfgang Eckart, Geschichte der Medizin, Berlin 1990, 186ff., 191ff., 199f., 206ff
Michel Foucault, Die Geburt der Klinik. Eine Archäologie des ärztlichen Blicks, München 1973, 158. Eine Aufzählung der wichtigsten medizinischen Entdeckungen in diesem Zusammenhang bei Paul Diepgen, Geschichte der Medizin. Die historische Entwicklung der Heilkunde und des ärztlichen Lebens, Bd II/1, Berlin 1959 (2. Aufl.), bes.21ff.
Zit. nach Hans Dieter Zimmermann, Heinrich von Kleist. Eine Biographie, Reinbek 1991 (2. Aufl.), 15.
S. Kap. III.3, Kap. IV.3 und Kap. VI.1.
Günter Birtsch, Die Berliner Mittwochsgesellschaft, in: Über den Prozeß der Aufklärung in Deutschland im 18. Jahrhundert. Personen, Institutionen und Medien, hg. v. Hans Erich Bödeker u. Ulrich Herrmann, Göttingen 1987, 94–112. Horst Möller, Aufklärung in Preußen. Der Verleger, Publizist und Geschichtsschreiber Friedrich Nicolai, Berlin 1974, bes. 229–238.
Ursula Goldenbaum, Der »Berolinismus«: Die preußische Hauptstadt als ein Zentrum geistiger Kommunikation in Deutschland, in: Aufklärung in Berlin, hg.v. W. Förster, Berlin 1989, 353; weitere organisatorische Details bei Henri Hümpel, Was heißt aufklären? — Was ist Aufklärung? Rekonstruktion eines Diskussionsprozesses, der innerhalb der Gesellschaft von Freunden der Aufklärung (Berliner Mittwochsgesellschaft) in den Jahren 1783–1789 geführt wurde. Ein Editionsbericht, in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands, 41.1993, S.186ff.
S. hierzu die Einleitung der in Leipzig 1986 erschienenen Teiledition von Peter Weber, Die »Berlinische Monatsschrift« als Organ der Aufklärung, 356–452; Ilonka Egert, Die »Berlinische Monatsschrift« (1783–1796) in der deutschen Spätaufklärung, in: Ztschr. f. Geschichtswissenschaft, 39.1991, 130–152.
Birtsch, Mittwochsgesellschaft, 96.
Hierzu: Eckhart Hellmuth, Aufklärung und Pressefreiheit. Zur Debatte der Berliner Mittwochsgesellschaft während der Jahre 1783 und 1784, in: Ztschr. f. histor. Forschung, 9.1982, 315–345.
Der handschriftlich vorliegende Text der Vorlesung und die publizierte Fassung sind weitgehend identisch. Ich danke Stefi Jersch-Wenzel, die mir einen Einblick in die noch unabgeschlossene Edition des die Mittwochs-Gesellschaft betreffenden Nachlasses von Moehsen ermöglichte.
Staatsbibliothek Berlin, Haus 1, 1 Ms. Boruss. fol. 443.
Außer dem Wetter und dem schlechten Essen war bei Osiander die Industrielle Revolution mit ihren Folgen hauptverantwortlich für die englische Misere: »Die Irreligion und die Sittenlosigkeit, die Duellbarbarei und der Selbstmord hatten…in dem letzten Jahrhundert in England, und besonders in der Hauptstadt London, mit dem erstaunlichen Steigen des Reichtums der Privatleute, und der größeren Ausdehnung der Fabriken und des Handels, auf eine schauerliche Weise zugenommen…Zur gleichen Zeit, als der Reichtum sich bei dem einen Teil der Nation häufte, nahm auch die Armut und das Elend unter einem so großen Teile des Volks mit jedem Jahre überhand, daß endlich die Hälfte aller Armen gesetzmäßige Almosen empfing«. Osiander, Über den Selbstmord, 276f.
Isaac Watt, Verwarnung gegen die Versuchung zum Selbstmord. Aus dem Engl. von Johann Gerhard Pfeil, Frankfurt u. Leipzig 1740 und 1759. Das englische Original erschien 1726.
Darauf verwies schon Günther Bleicher, England als das »klassische« Land des Selbstmords im 18. Jahrhundert, in: Archiv für Kulturgeschichte, 50. 1968, 276–288. Eine reale Zunahme der Suizidrate zwischen 1680–1730 sieht Georges Minois, Geschichte des Selbstmords, 268ff. Dagegen gehen Michael MacDonald/Terence Murphy, Sleepless Souls, Suicide in Early Modern England, Oxford 1990, 238ff. davon aus, daß die überlieferten Daten keine Rekonstruktion der tatsächlichen Suizidrate erlauben.
Berlinische Monatsschrift (BM), September 1788, 202.
Diese Angabe wurde publiziert im Rahmen einer auf Berlin bezogenen Tabelle der 1758 bis 1774 »an den gewöhnlichsten Krankheiten Gestorbenen«: Johann Peter Süßmilch, Die göttliche Ordnung…, Berlin 1776 (dritte erweiterte Aufl.) 52, Tab. 35, wobei der Herausgeber Christian Jacob Baumann als Quelle »Herrn D. Moehsens Sammlungen« angab.
Hümpel weist in seiner Nachlaßbearbeitung darauf hin, daß diese Verfügung in anderen Quellen nicht nachgewiesen werden konnte.
Nach erfolgter Besichtigung wurden die Armenleichen entweder zur Anatomie gebracht oder von den Bettelvögten begraben; bei Vermögenden hatten die Verwandten die öffentlichen Ausgaben für die Bestattung zu ersetzen.
Staatsbibliothek Berlin, 1 Ms. Boruss. fol. 443.
01 wies die Statistik für Berlin 516 Suizide auf, die 1,5% der Gestorbenen ausmachten. Auf 100.000 Einwohner (bezogen auf die mittlere Bevölkerung) kamen 27.5 Selbsttötungsfälle. Eckart Elsner, Selbstmord in Berlin, in: Berliner Statistik, 37.1983, 220.
Über die Berlinischen Selbstmörder und Verunglückte, vorzüglich Ertrunkene, in: BM, Oktober 1788, 367.
Georges Minois, Geschichte des Selbstmords, Düsseldorf 1996, 422 u. 450.
Richard Cobb, Death in Paris. The Records of the Basse-Geôle de la Seine October 1795-September 1801 Vendémiaire Year IV-Fructidor Year XI, Oxford 1978, 3ff.
BM, Oktober 1788, 370f.
Ebd., 372.
Staatsbibliothek Berlin, 1 Ms. Boruss. fol. 443, Tabelle auf Bl. 109.
Johann Ludwig Caspar (auch Casper gebräuchlich), Beiträge zur medicinischen Statistik und Staatsarzneikunde, Berlin 1825, 51.
Minois, Selbstmord, 434f.
Moehsens Wendung gegen den »Ritter von Zimmermann« bezieht sich auf den hannoverschen Hofrat und ehemaligen Leibarzt Friedrichs II. Johann Georg Zimmermann, dessen antiaufltlärerisches Buch »Über Friedrich den Großen« 1788 erschien. Als Indiz für die sittlichen und politischen Verheerungen, welche die Aufklärung verursacht habe, führte Zimmermann u.a. die Suizidhäufigkeit in Berlin und Potsdam an. Zur Gegnerschaft zwischen Zimmermann und der BM: Weber, »Berlinische Monatsschrift«, 430f.
BM, September 1787, 211.
Staatsbibl.Berlin, 1 Ms. Boruss. fol. 443. Gegenüber dem Vorlesungstext weist der in der BM publizierte Artikel an dieser Stelle eine Abmilderung auf. Hier heißt es jetzt, daß die Schläge des Offiziers »wenn gleich nicht aus Brutalität, doch gewiß oft aus eignem inneren Unmuth« erfolgen. BM, September 1788, 214.
Der Begriff wird eingeführt bei Loetz, Vom Kranken, 73ff.
Ebd., S.74.
Als Sohn eines preußischen Baudirektors in Stettin geboren verbrachte Knüppeln die Gymnasialzeit in Berlin und wurde nach einem Studium in Halle zum Dr. jur und phil. promoviert. Seine Stelle als Regierungsreferendar in Stettin kündigte er. Nach Aufenthalten in Wien, Leipzig, Dresden und Berlin zog er 1787 nach Hamburg, später nach Altona. Seit 1817 arbeitete er in der Redaktion des Hamburgischen Beobachters. Knüppeln publizierte u.a. eine Schrift über Napoleon (1814) und über die Griechen (1827). Hans Schroeder, Lexikon der hamburgischen Schriftsteller bis zur Gegenwart, Bd.4, Hamburg 1866, 104f.
J.F. Knüppeln, Über den Selbstmord. Ein Buch für die Menschheit, Gera 1790, 245.
Ebd., 266.
Diese Informationen über den Fall finden sich zusammen mit der Vorlesung in Moehsens Nachlaß. Staatsbibl. Berlin, 1 Ms. Boruss. fol. 443. Uber Leben und Schriften Schwagers s. den biographischen Artikel bei: Heinrich Döring, Die gelehrten Theologen Deutschlands im 18. und 19. Jahrhundert, Bd.4, Neustadt a.d.D. 1835, 87–91.
Osiander, Selbstmord, 290.
Charakteristisch in diesem Zusammenhang ist z.B. Svarez Vortrag über die Steuerexemtionen des Adels im Dezember 1791. Obwohl er den Grundsatz der Gleichheit prinzipiell anerkannte, wollte er die Eigentumsrechte des Adels unangetastet lassen. Diese Inkonsequenz stieß allerdings bei dem Mediziner Selle auf Kritik. Birtsch, Mittwochsgesellschaft, 108f.
Plutarchs Bericht (de virtutibus mulierum) über eine Selbstmordwelle unter den jungen Frauen Milets, die erst gestoppt werden konnte durch eine obrigkeitliche Verfügung, daß die Leichen nackt auf dem Marktplatz ausgestellt werden sollten, wurde im 18. Jahrhundert sehr häufig zitiert.
BM, September 1788, 220.
Zur deutschen Beccaria-Rezeption s. Mario A.Cattaneo, Die Strafrechtsphilosophie der deutschen Aufklärung, in: Aufklärung, 5.1990, bes. 34ff.
Knüppeln, Selbstmord, S.41.
Fest arbeitete als Landpfarrer in der Nähe von Leipzig; sein umfangreiches publizistisches Engagement galt »den vielen Leidenden unter den Menschen«, Friedrich Schlichtegroll, Nekrolog, Gotha 1796, 91–132.
Beiträge zur Beruhigung und Aufklärung, 4.1795, 821–826.
Ebd., S.839. Dagegen erwähnte Fest das ehrlose Begräbnis zwar als unbillige Härte, zugleich wurde aber deutlich, daß ein solches in dem die Witwe betreffenden Fall, der sich wahrscheinlich in Berlin zugetragen hatte, nicht vorgekommen war.
Ebd., 841. Hervorh. im Orig.
Sein diesbezüglicher Kommentar läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: »Es gibt Gesetze und Einrichtungen, an deren Gepräge es sogleich zu merken ist, daß sie, ohne alle Rücksprache mit dem weiblichen, ganz allein von dem männlichen Geschlechte entworfen und genehmiget worden, so, als ob kein anderes Geschlecht in der Welt wäre und die geringste Rücksicht verdiente, oder als ob dieses kein Gefühl, keine Vernunft, kein Recht hätte, und seine zudringlichen Vormünder schlechterdings nur als eigenmächtige, harte und gefühllose Herren fürchten und hassen sollte.« Ebd., 840.
Vgl. Ossip Bernstein, Die Bestrafungdes Selbtmords und ihr Ende, Breslau 1907; Bernd Rehbach, Bemerkungen zur Geschichte der Selbstmordbestrafung. Einige rechtshistorische Aspekte der Sterbehilfe, in: Deutsche Richterzeitung, 7.1986, 241–247.
S. Kap. I und Kap. II.3.
Dagegen enthielt noch das ALR von 1794 als § 804 den Passus, daß die Leiche eines wegen schwerer Verbrechen Verurteilten, der sich durch Suizid seiner Strafe entzogen hatte, »nach Befinden des den Prozeß dirigierenden Gerichts auf dem Richtplatze verscharrt werden« solle.
Annalen der Gesetzgebung 7.1791, 58–81.
Darüber hinaus verfügte das Gericht, daß ihr Gemütszustand nach Beendigungder Haftzeit noch einmal »vorschriftmäßig« untersucht werden sollte, »damit sich vor ihrer Entlassung beurteilen lasse, ob sie ohne Gefahr des gemeinen Wesens in Freiheit gesetzt, oder bis zu ihrer ungezweifelten Herstellung in einer Armen-Anstalt aufbewahrt werden müsse«. Annalen der Gesetzgebung, 7.1791, 60.
Ebd., 79f.
BM, Oktober 1788, 369.
Anton Kunzmann, Der Selbstmord in rechtsgeschichtlicher, rechtsdogmatischer und rechtsvergleichender Betrachtung, Diss.jur. Marburg 1954, 52.
Zur Begräbnisfrage s. Kap. I.
Auch die 1791 in der Allgemeinen Deutschen Biographie (ADB) abgedruckte Rezension des Knüppelnschen Opus führte als angebliche Erfahrungstatsache ins Feld, daß der Suizid seit seiner Entkriminalisierung »aller Orten« zunehme. Dagegen hätten »angemessene Strafen« kombiniert mit »Grundsätzen der gesunden Vernunft und Religion …die heilsame Folge, daß bey einem Menschen, der sonsten Anlagen zum Selbstmord hätte, ein Entschluß niemals zur Reife kommen kann«. ADB, 100.1791, 72.
Knüppeln, Selbstmord, 71.
Ebd., 130ff.
Ebd., 9f.
Bezogen hierauf vermerkte der anonyme Rezensent in der ADB, daß Knüppeln mit dieser Aussage wohl nach Meinung vieler Leser »zu weit gegangen sey«. ADB, 100.1791, 73.
Knüppeln, Selbstmord, 218.
Ebd., 219.
Ebd., 215.
Henri Brunschwig, Gesellschaft und Romantik in Preußen im 18. Jahrhundert, Frankfurt/M.1976 (frz. Orig. 1947), 217–231.
Johann Theodor Pyl, Aufsätze und Beobachtungen aus der gerichtlichen Arzneywissenschaft, 1.Sl., Berlin 1783, 85ff.
Knüppeln, Selbstmord, 250.
Ebd., 251.
Ebd.
Ebd.
Zugleich betonte er seine Rationalität und Furchtlosigkeit gegen mögliche Unterstellungen, daß er sich aus Raserei oder in ängstlicher Verzweiflung das Leben nehmen wollte. Er erwarte, so führte er aus, »kaltblütig« und »ganz ohne Zittern« den »Abend, an dem ich meine Medicin genießen will«. Sich abgrenzend gegen die tradierten religiösen Lehren und ihre »sclavische Furcht vor der Strafe« (252) sah er dem Urteil der »obigen strengen Richter« (253) ruhig entgegen, »da ich das Versehen begangen, einen Posttag zu früh anzukommen« (252f.).
S. hierzu Ute Frevert, Bürgerliche Meisterdenker und das Geschlechterverhältnis. Konzepte, Erfahrungen, Visionen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, in: Bürgerinnen und Bürger. Geschlechterverhältnisse im 19. Jahrhundert, hg. v. U. Frevert, Göttingen 1988, 17–48.
Knüppeln, Selbstmord, 173ff.
Ebd., 288.
Ebd., 158.
Auf seiner Liste der Maßnahmen zur Suizidprophylaxe darf daher auch die »bessere Etziehung« der Frauen nicht fehlen, die er sich folgendermaßen imaginierte: »Ausrottung ihrer wilden herrschsüchtigen Begierden, und Zurückweisung auf ihre Pflichten als Gattinnen und Mütter«. Ebd., 226f.
Auf theoretisch ungleich höherem Niveau wird die suizidogene Wirkung von Luxus und Prosperitat Ende des 19. Jahrhunderts von Durkheim im Kontext seines Anomie-Konzepts begründet. S. Kap. IV.1.
S. hierzu: Rainer Wirtz, Kontroversen über den Luxus im ausgehenden 18. Jahrhundert, in: Jahrbuch für wirtschaftsgeschichte 1996, 165–175.
Helga Schultz, Sozialstruktur und Lebensweise Berliner Lohnarbeiter im 18. Jahrhundert, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, 1986, 7.
Journal von und für Deutschland, 4.1787, 8.St., 153.
Knüppeln, Selbstmord, 212f.
Hätte sich Moehsen bei seiner Analyse der Berliner Daten nicht nur auf die männlichen Angehörigen des Militärstandes konzentriert, wäre dieser Aspekt wahrscheinlich noch deutlicher geworden. So stellte die Berliner Garnison Ende des 18. Jahrhunderts 16% der kommunalen Almosenempfänger. zum größten Teil Soldatenfrauen, -witwen und -kinder. Helga Schultz, Armut in Berlin, in: Chirurgische Ausbildung im 18. Jahrhundert, hg. v. Georg Harig, Husum 1990, 27; Schultz, Berlin 1650–1800, Sozialgeschichte einer Residenz, 313.
Journal von und für Deutschland, 4.1787, 8.St. 151.
Ebd., 152.
Hierzu: Rudolf Endress, Das Armenproblem im Zeitalter des Absolutismus, in: Aufklärung, Absolutismus und Bürgertum in Deutschland, hg. v. Franklin Kopitzsch, München 1976, 220–241.
D. Hume, Über Selbstmord, in: Ders., Die Naturgeschichte der Religion [u.a.]. Übers. u. hg. v. Lothar Kreimendahl, Einleitung, IXf. Zur Biographie ausführlich: Gerhard Streminger, David Hume. Sein Leben und sein Werk, Paderborn 1994.
Einige Exemplare waren allerdings schon früher im Umlauf; eine französische Übersetzungdes Barons d’Holbach erschien 1770 in einem Sammelband mit Aufsätzen anderer Autoren, Kreimendahl, Einleitung, XV.
Minois, Geschichte, 366. Zur zeitgenösssichen Rezeption s. auch MacDonald/Murphy, Sleepless Souls, 160–164.
Hume, Über Selbstmord, 90; 92.
Das Wort »God« verwendet Hume nur selten und dann oft als indirektes Zitat. Er selbst spricht von »Deity« »Almighty« und »Providence«.
Das übersieht Tom L. Beauchamp (An Analysis of Hume’s Essay »On Suicide«, in: review of metaphysics 30.1976, 74), wenn er diese ersten drei Absätze als »purely introductory and somewhat incidental« behandelt.
Hume, Über Selbstmord, 94f.
Dies betont Lenzen, Selbsttötung, 166.
Rudolf Hirzel, Der Selbstmord (1908), Darmstadt 1966. Eine ausführliche Darstellung gibt Michael J. Seidler, Kant and the Stoics on Suicide, in: Journal of the History of Ideas, 44.1983, 429–453.
Ich folge hier Paul Veyne, Weisheit und Altruismus. Eine Einführung in die Philosophie Senecas, Frankfurt/M. 1993 (zuerst Paris 1992), 66.
Ebd., 73f.
»Schlimm ist es, in der Not zu leben: aber in der Not zu leben, gibt es keine Notwendigkeit…Danken wir dem Gott, daß niemand im Leben festgehalten werden kann«. L. Annaeus Seneca, Philosophische Schriften: lateinisch u. deutsch, hg. v. Manfred Rosenbach, Darmstadt 1995 (Sonderausgabe der 4. Aufl.), Bd. 3: An Lucilius. Briefe über Ethik, 12.10.
Ebd., Bd. 1: Über den Zorn III.15.3–4.
Ebd., Bd. 3: Briefe, 24.24–26.
Ebd., Bd. 4: Briefe, 104.3.
»Auch wenn die Vernunft rät, sich ein Ende zu setzen, darf nicht blindlings noch mit Ungestüm gefaßt werden der Entschluß«. Ebd., Bd. 3: Briefe, 24.24.
Ebd., Bd. 4: Briefe, 70.4–6.
Ebd., Bd. 3: Briefe, 58.36.
Hier folge ich David N. James, Suicide and Stoic Ethics in the Doctrine of Virtue, in: Kant-Studien 90.1999, 40–58, hier 43.
Dieses Argument hatte 1721 schon Montesquieu im 76. Stück seines satirischen Briefromans Lettres Persanes angeführt, das sich kritisch mit dem Suizidverbot auseinandersetzte.
Hume, Über Selbstmord, 97f. Die Überlegung findet sich auch schon bei den Stoikern, Seidler, Kant, 433.
Vorgetragen z.B. von dem schon zitierten Leß (Vom Selbstmorde, 37).
Dies betont zu Recht Christoph Schulte, Selbstvernichtung und Moralverzicht. Einige Untersuchungen zur Stellung von Suicid und Moral innerhalb der Philosophie der europäischen Moderne, Mag.arbeit FU Berlin 1983, während dieser Sachverhalt verkannt wird bei Felix Hammer, Selbsttötung philosophisch gesehen, Düsseldorf 1975, 36ff. teilweise auch bei Seidler: Kant, 439ff Diese Autoren ziehen die von Paul Menzer hg. Ethik-Vorlesung von Kant heran, in der im wesentlichen die alte Formel des Aquinaten wiedergegeben wird. Abgesehen davon, daß Kant sich bei seinen Vorlesungen an den etablierten Lehrbüchern zu orientieren hatte, stammt die Ethik-Vorlesung aus seiner vorkritischen Phase, in der er seinen eigenen philosophischen Ansatz noch nicht entfaltet hatte. James, Suicide, 46 weist darauf hin, daß für Kant überhaupt, nicht nur bei der Suizidfrage, die Pflichten gegen sich selbst zentral sind, weil er diese als Fundament aller anderen Pflichten ansieht.
Kant, Metaphysik der Sitten (MdS), A73.
So die erste Formulierung in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (BA 52). Für Kants oben zitierte Behandlung der »Selbstentleibung« ist seine zweite Formulierung maßgeblich geworden: »Handle so, daß du die Menschheit, sowohl in deiner Person als in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst«. GrMdS BA 67
GrMdS BA 53f. Mit dem Verstoß gegen den Zweck der Natur begründet Kant auch seine Ablehnung der »wohllüstigen Selbstschändung«, unter der er wohl nicht nur die Onanie, sondern jeden »naturwidrigen Gebrauch« der »Geschlechtseigenschaften« subsumierte (MdS §7 A 75ff.).
J. G. Fichte, System der Sittenlehre nach den Prinzipien der Wissenschaftslehre (1798), in: Fichtes Werke, hg. v. Immanuel Hermann Fichte, Bd. IV, Berlin 1971, 255f.
Ebd., 263f.
Ebd., 265.
Ebd., 267.
Ebd., 265f.
Ebd., 266.
Ebd., 266; 265.
Ebd., 267.
Hier greift sein Argument mit dem Selbstwiderspruch. Ist der Suizid tatsächlich per se unmoralisch, muß man die Vorstellung für widersinnig haken, daß Gott als Garant des Sittengesetz einen solchen befiehlt. Andernfalls könnte man z.B. auch bei einem Mord nicht ausschließen, daß Gott ihn befohlen hat.
Kant, Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (1798), Werkausgabe Bd. XII, 589f. Dagegen verwendete Kant in der Metaphysik der Sitten von 1797 NMutv und »Seelenstärke« im Zusammenhang mit dem Suizid eindeutig als moralische Kategorien. A 72,73; A 78.
Fichte, System der Sittenlehre, 267.
Ebd., 268.
Minois’ diesbezügliche Behauptung beruht ausschließlich auf französischen Quellen.
Für Hilfe bei der Recherche danke ich Klaus Schmidt (Akademie der Wissenschaften Göttingen/Zeitschriftenindex).
Hier folge ich Lind, Selbstmord, 123, die keine biographische Quelle für ihre Darstellung angibt. Seltsamerweise erwähnt sie auch nicht, daß Bischofs Buch nur mit den Anfangsbuchstaben der Vornamen, wovon einer noch falsch war, erschien. Dies könnte daran liegen, daß ihr die Schrift, die sie lediglich aus Rezensionen zitiert, nicht im Original vorgelegen hat.
Das gelehrte Deutschland oder Lexikon der jetzt lebenden teutschen Schriftsteller. Angefangen v. Georg Christoph Hamberger, fortgesetzt v. Johann Georg Meusel, Bd. 9 (5. Aufl.), Lemgo 1801, 103.
Für die biographischen Angaben: ADB, Bd.1, München 1875; DBE, Bd.1, München 1995.
Der Titel einer von ihm publizierten Wochenschrift über die Allmacht, Weisheit und Güte des Schöpfers in den Werken der Natur läßt darauf schließen, daß er die Naturwissenschaften noch unter einem holistisch-spekulativen Ansatz betrieb.
K. J. Bischof, Versuch über den freiwilligen Tod, Nürnberg 1797, IX, VII.
Kant, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? A 481. Der Text erschien zuerst 1784 in der Berlinischen Monatsschrift.
Bischof, Versuch, 11.
Bischof, Versuch, 78ff.
So z.B. von Dieter Birnbacher, Selbstmord und Selbstmordvorsorge aus ethischer Sicht, in: Auf Leben und Tod. Moralische Probleme bei Abtreibung, künstlicher Befruchtung, Euthanasie und Selbstmord, hg. v. Anton Leist, Frankfurt/M. 1990. Mit gleicher Tendenz: Wilhelm Kamlah, Meditatio Mortis, Stuttgart 1976. Im Unterschied zu heutigen Positionen hielt Bischof Selbsttötungen »aus Leidenschaft« generell für moralisch verwerflich, hierin dem Geist seiner Zeit und der stoischen Tradition verhaftet.
Bischof, Versuch, 90.
Ebd., 163.
Ebd., 231.
Ebd., 227f.
Ebd., 231.
Ebd., 232.
Allgem. Literaturzeitung 4.1797, 188–192; Göttingische gelehrte Anzeigen 2.1797, 1210–1212; Neue allg. dt. Bibliothek 36/2.1798 295–301; Neue Nürnbergische gelehrte Zeitung 1797, 313–317; Oberdt. allg. Literaturzeitung; Seilers Bibliothek 22.1797, 561–574.
Wie die in der Neuen Nürnbergischen gelehrten Zeitung.
Die Namen der vermutlichen Rezensenten stehen in dem Exemplar der Göttinger Bibliothek handschriftlich über der Besprechung.
Göttingische gelehrte Anzeigen 2.1797, 1210f.
Ebd., 1212.
In den beiden ausführlichen Rezensionen gibt es hierzu keinen Kommentar: Neue allg. dt. Bibl. 61/1. 148–155; Neues dt. Magazin 5.1803, 40–56.
So hielt er es angesichts der herrschenden Korruption in der Rechtspflege für unmöglich, sich von einem »Civilposten« — gemeint war offenbar eine juristische Tätigkeit im Staatsdienst — redlich ernähren zu können; als Tagelöhner dagegen wollte er nicht arbeiten, obwohl er einräumte, dadurch vermutlich seine »zerrütete Gesundheit wieder herstellen« zu können, auch dies würde aber seine Sittlichkeit nicht befördern. Ebd., 87f.
Neue allg. dt. Bibl. 61/1.1801, 150.
Neues dt. Magazin 5.1803, 51.
Georg (Hg.), Versuch, 43.
Ebd., 66f.
Ebd., 28.
J. F. Fries, Neue oder anthropologischen Kritik der Vernunft, Bd.3, Heidelberg 1831 (1.Aufl.1807), 198f. Zu Fries’ eigener Position zum Suizid s. Kap. III.3.
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Baumann, U. (2001). Die Neuentdeckung eines alten Themas: zur »Aufklärung« des Suizids. In: Vom Recht auf den eigenen Tod. Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02814-3_3
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